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Aus der Neuen Solidarität Nr. 18/2001

LaRouches Alternative zu Inflation und globaler Rezession

Von Lyndon LaRouche

Der amerikanische Oppositionspolitiker Lyndon LaRouche, der 2004 erneut für das Amt des US-Präsidenten kandidiert, reagierte auf die kopflosen, inflationstreibenden Zinsentscheidungen von Federal-Reserve-Chef Alan Greenspan mit einem Drei-Punkte-Programm, das die Voraussetzungen für eine rasche Erholung der Realwirtschaft schaffen würde.


Das Prinzip der Flanke
Das Prinzip der Flanke in der Wirtschaft

Verwandeln wir es in einen erfolgreichen Bankrott

A. Reorganisation der existierenden Konten

B. Maßstäbe für Prognosen

C. Kreditausweitung und Infrastruktur

D. Kredit, nicht Währung an sich

E. Die "Motoren" technischer Entwicklung

F. Internationale Zusammenarbeit

Vor knapp zwei Wochen warnte ich, US-Notenbankchef Alan Greenspan stehe kurz vor einem weiteren seiner Nietzsche-haften Verzweiflungsschritte. In der vorliegenden Schrift lege ich zusammenfassend meinen Drei-Punkte-Plan vor. Damit kann dem immer rascher ablaufenden weltweiten Wirtschaftskollaps begegnet und ein sofortiger und zugleich anhaltender Prozeß allgemeiner wirtschaftlicher Erholung eingeleitet werden.

Die drei Punkte beinhalten:

Ich betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Präzedenzfällen wie Roosevelts Aufschwungspolitik und die ihr vergleichbaren Vorschläge Dr. Lautenbachs aus dem Jahr 1931, die, wenn die deutsche Regierung sie offen übernommen hätte, Hitlers Machtergreifung hätten verhindert können.

Mein neuer Vorschlag fand Zustimmung bei einigen gutinformierten Personen in verschiedenen Ländern, die sich in der Vergangenheit durch erfolgreiche Analysen und Prognosen im Wirtschafts- und Finanzbereich hervorgetan haben. Sie warnten mich aber auch gleichzeitig, die Wahnsinnigen, die gegenwärtig das Sagen in der internationalen Finanzpolitik hätten, würden höchstwahrscheinlich an einer absurden Politik wie z.B. der Greenspans festhalten und damit die gegenwärtige weltweite Finanzkatastrophe noch beschleunigen. Ich halte diese Reaktion auf meinen Vorschlag für eine durchaus zutreffende Beschreibung der Implikationen eines zunehmend gestörten und von Panik getriebenen Geisteszustands der meisten führenden Politiker in den USA und anderswo.

Dennoch war und ist es meine Ansicht, mit der Veröffentlichung dieses Vorschlages zu diesem Zeitpunkt vielleicht beizutragen, daß die Voraussetzungen entstehen, unter denen dieser Vorschlag von einer bedeutenden Anzahl von Nationen angenommen werden kann. Gewöhnlich sind Ideen, die zu einem Zeitpunkt auf den Tisch kommen, wenn ihre Annahme besonders unwahrscheinlich erscheint, der unverzichtbare erste Schritt hin zu ihrer manchmal überraschend schnellen Annahme. Ich erläutere nun das tiefergehende Prinzip hinter solchen vorgreifenden politischen Vorschlägen und füge anschließend einige wesentliche Informationen über die praktische Umsetzung meiner wirtschaftspolitischer Vorschläge hinzu.

Das Prinzip der Flanke

Praktisch alle Kinderspiele haben feste, vorher festgelegte Regeln. Wenn Erwachsene so kindisch sind, das Spiel des Lebens nach solchen festen Regeln zu spielen, wird entweder die ganze Gesellschaft zusammenbrechen - wie das häufig geschieht - , oder die Menschen müssen irgendwann gegen die Regeln verstoßen und angemessenere neue Regeln aufstellen. So sagt man oft ganz richtig, daß eine bestimmte Art "getroffener Abmachungen" ein Spiel nach Mafia-Art sei, bei dem erfahrungsgemäß einige Mitspieler vorzeitig auf dem Friedhof landen. Alle Spiele, die nach festen Regeln gespielt werden, brechen entweder mehr oder weniger sofort in sich zusammen oder schlittern durch einen Prozeß der Korrosion und Selbstauflösung nach und nach in ihren gesetzmäßigen Untergang.

In der Politik wie in der Kriegskunst ist die Alternative zum Untergang eine plötzliche Änderung der vorgegebenen Regeln, die oft derjenigen Seite den Sieg beschert, die eine Realität außerhalb der Welt der allgemein akzeptierten Vorstellung der existierenden Regeln sieht. Der einleuchtende Begriff für dieses erfolgreiche Durchbrechen der scheinbaren Spielregeln ist das "Prinzip der Flanke". Der berühmte von Schlieffen hat dokumentiert, wie Friedrich der Große von Preußen bei Leuthen zweimal innerhalb eines Tages ein zahlenmäßig überlegenes, gutausgebildetes österreichisches Heer ausmanövrierte und ihm eine böse Schlappe zufügte, so daß der Gegner bitter bereuen mußte, sich an zuvor "schulmäßig" festgelegte Spielregeln gehalten zu haben.

In der Wissenschaft ist die Entdeckung eines universellen physikalischen Prinzips ein solches "Flankenmanöver" gegen die starrköpfigen Narren, die nach fixen Regeln der mathematischen Physik an der Tafel spielen.

Ein weiteres Grundprinzip erfolgreicher wissenschaftlicher Tätigkeit ist, daß alle großen Entdeckungen wissenschaftlicher Prinzipien aus einer Krise in einem allgemein akzeptierten Denken mit festgelegten Regeln folgen. Meine Mitarbeiter und ich haben dazu wiederholt auf zwei historisch miteinander verbundene klassische Beispiele verwiesen: Keplers Entdeckung des Prinzips der allgemeinen Gravitation und Fermats Revolution in der Geometrie mit seiner Entdeckung eines Prinzips der kürzesten Zeit statt des kürzesten Wegs.

Jede Krise dieser Art bei der Gegenüberstellung von Fakten und Glauben nimmt eine Form an, die man mathematisch als fatalen Irrtum in der zum entsprechenden Zeitpunkt allgemein akzeptierten mathematischen Physik beschreiben kann. Nicht nur, daß etwas eintritt, was die Schulmathematik für unmöglich erachtet hatte; jeder Versuch, die widersprüchliche Wirklichkeit anhand der existierenden mathematischen Regeln zu erklären, führt zu einer Katastrophe, zu einem grundlegenden Paradox innerhalb der existierenden wissenschaftlichen Praxis.

Das gleiche Prinzip gilt ohne Einschränkung für die Art allgemein akzeptierter "Schulmathematik", mit der man das beschreibt und verteidigt, was heute in praktisch allen amerikanischen Universitäten und Börsenmaklerbüros als "Wirtschaftswissenschaft" ausgegeben wird. Der Grund dafür, warum ich seit mehr als drei Jahrzehnten in meinen langfristigen Prognosen beständig richtig lag, während alle meine Gegner in diesem Bereich beständig und nunmehr katastrophal versagt haben, ist der, daß sie sprichwörtlich ausgedrückt "mit einem unvollständigen Kartenspiel spielten". Sie spielten nach Regeln, die zwar in einflußreichen Kreisen allgemein akzeptiert wurden, aber nicht der realen Welt entsprachen.

Früher oder später mußten meine Kritiker - wie nun geschehen - davon eingeholt werden, daß sie "nicht mit allen Karten spielten". Wenn sie intelligent und vernünftig sind, werden sie ihren Fehler zugeben - wenn sie sich weigern, ihren Fehler zuzugeben, bleibt ihnen nichts übrig, als völlig verrückt zu werden, wie das der hoffnungslose Federal-Reserve-Chef Alan Greenspan gerade vormacht.

Ob die Reaktion nun in dem einen Fall vernünftig sein wird und in dem anderen nicht, auf jeden Fall hat sich jetzt alles, an was sie in der Wirtschaft geglaubt haben - besonders "Freihandel", "Globalisierung" und "Neue Wirtschaft" - in der Wirklichkeit als gefährlich absurd erwiesen.

Wie soll ich dann auf alle die wohlmeinenden Menschen reagieren, die mir raten, andere für meinen Standpunkt zu gewinnen, "ohne sie vor den Kopf zu stoßen, indem ich ihre Intelligenz in Frage stelle", also ohne ihnen zu zeigen, wie albern die Regeln der Politik und Wirtschaft sind, an die sie immer noch glauben? Wie reagiere ich auf Leute, die immer wieder betonen, ich müsse die Menschen "auf ihrem Niveau" ansprechen, "in den Begriffen, die sie akzeptieren"? Was für ein alberner Narr wäre ich, wenn ich solchen scheinbar freundschaftlichen Rat annähme! Wäre Friedrich der Große einem solchen Rat gefolgt, dann hätte er bei Leuthen die Schlappe eingesteckt und nicht die Österreicher.

Der Schlüssel zu meinem Erfolg als Ökonom und strategischer Prognostiker ist immer gewesen, daß ich mich "nicht an die Spielregeln halte" und meinen Geist nicht wie so viele andere durch ein Denken "innerhalb der Spielregeln" eingeschränkt habe. Das erklärt allen, die es wissen möchten, warum ich letzte Woche eine absolut notwendige Politik für wirtschaftliche Erholung vorgestellt habe, deren Umsetzung selbst diejenigen, die ihr zustimmen, in der absehbaren näheren Zukunft für unmöglich halten.

Nennen Sie es ruhig Lyndons strategische Grundregel: Wenn man sich ganz sicher ist - auf in die Flanke!

Der begabte, aber auf Abwege geratene Clausewitz, der dem großen Scharnhorst nicht das Wasser reichte, sprach von der entscheidenden Bedeutung der Entschlossenheit im Krieg. Das ist ein gutes Prinzip, aber da ich romantischen Einflüssen unzugänglich bin, verstehe ich es besser als es der Clausewitz der Zeit nach dem Wiener Kongreß tat. Wenn Sie für eine gute Sache kämpfen und den Gegner innerhalb der vorgegebenen Situation gehörig überlisten können, haben Sie ihn. Sie werden ihn besiegen, weil Sie in Dimensionen der physikalischen Geometrie agieren, die er gar nicht als existent anerkennt.

Das Prinzip der Flanke in der Wirtschaft

Auf der heutigen Weltbühne gibt es zwei unterschiedliche Ansichten, wie man "das Undenkbare tut". Im einen Fall ist es das Verhalten von Präsident George Bush, der offenbar das paradoxe Meisterstück vollbracht hat, sich unfehlbar immer wieder für das Undenkbare zu entscheiden, ohne dabei jemals selbst zu denken. Daneben steht meine Methode, die darin besteht, Vernunftprinzipien einzubringen, an die andere so lange nicht denken wollten, bis ihnen der größte, immer rasantere Finanzkollaps der Geschichte entgegenschlug.

Offensichtlich ist das einzig Sinnvolle, was man unter solchen Umständen sagen kann: "Man kann die Herausforderung auch auf eine andere Weise betrachten, außerhalb der Regeln, denen zu vertrauen ihr euch verleiten ließet." Kurz: das Problem ausflankieren! Seien Sie kein feiger und opportunistischer Speichellecker, der sich weigert, das Problem anzusprechen: daß die axiomatischen Grundannahmen, zu deren Annahme sich der Gesprächspartner verführen ließ, falsch sind.

Sagen Sie deutlich, ruhig, aber betont und wiederholt: "Es gibt eine andere Art, über Wirtschaft zu denken. Lassen Sie mich zeigen, welcher Fehler Sie in die gegenwärtige paradoxe Lage gebracht hat."

Die Methode, die man anwenden muß, ist genau dieselbe wie bei der Entdeckung und Verifizierung eines Prinzips, das ein ansonsten unüberwindliches Paradox in der Physik auflöst. Man muß erst selbst die Erfahrung der Entdeckung und des empirischen Beweises des benötigten Prinzips nachvollziehen. Dann muß man diese Erfahrung benutzen, um im Geist eines anderen Menschen den gleichen kognitiven Prozeß der Entdeckung und Verifizierung des benötigten Prinzips hervorzurufen.

Man muß dem anderen die Methode der sokratischen Wahrheitssuche in der klassischen humanistischen Bildung beibringen, die heute aus den Schulen und Universitäten fast vollständig verschwunden ist. (Deshalb ist nicht nur in Bushs Texas, sondern überall in Amerika und Europa jede neue Generation von Schülern unwissender als die vorangegangene.)

"Sie glauben, Sie verstehen etwas von Wirtschaft? Ich will Ihnen zeigen, wo die meisten von Ihnen Ihre großen Fehler machten."

Denken Sie zurück an Deutschland im Herbst 1923, an jene legendäre Zeit, als man für eine ganze Schubkarre voller Hundert-Milliarden-Mark-Scheine nicht einmal einen Laib Brot kaufen konnte! Betrachten Sie die Energieversorgung und ihre explosionsartig steigenden Preise in Kalifornien heute. Als die deutsche Regierung im Sommer und Herbst 1923 die Hyperinflation auslöste, hatte sie für ihre wahnwitzige Währungspolitik eine Entschuldigung: Die Bajonette der französischen Besatzung saßen ihr auf der Brust. Welche Bajonette bedrohen den Federal-Reserve-Chef Greenspan und die anderen, die in schrillen Tönen fordern, das Feuer der Hyperinflation in Amerika immer weiter anzuschüren?

Betrachten Sie nun mit diesem Bild im Kopf Ihren Nachbarn, den Dummkopf, der brüllt: "Mein Geld! Mein Geld! Mein Geld!" Betrachten Sie den Dummkopf im Kongreß der Vereinigten Staaten, der mit glasigen Augen ruft: "Der Markt! Auf den Markt kommt es an! Was tut der Markt in diesem Augenblick?" Was ist mit den Quasi-Obdachlosen im kalifornischen Silicon Valley, die bis vor Monaten oder Wochen hohe Einkommen in der "Neuen Wirtschaft" bezogen, aber trotzdem nicht einmal die Rente oder Hypothek für ihre überteuerte Pappkartonvilla mit aufgeklebten Hollywood-Look aufbringen konnten?

Ebenso wie im Falle des Mannes in Deutschland im Herbst 1923 mit seiner Schubkarre voller Geldscheine, nimmt hier die einfache Frage: "Was können Sie denn mit all Ihrem Geld kaufen?" dem Wort "Geld" seinen ganzen Zauber. Inzwischen hat der amerikanische Markt seit dem letzten Höchststand der Aktienindices 5 Bio. Dollar an monetären Aktienwerten verloren; und wenn man alle Verluste mitzählt, die bisher noch nicht in den Bücher auftauchten, sind es eher 10 Bio. Dollar, vielleicht sogar mehr. Das in einer Volkswirtschaft, deren amtliches jährliches BIP auf 11 Bio. Dollar geschätzt wird. Mit Ausnahme derer, die ihre Jacketts lieber gegen Zwangsjacken tauschen sollten, löst sich der Zauber des "Marktes" gegenwärtig für alle in Luft auf, während Untergangsstimmung die Hallen des Kongresses erfüllt, wo einst der psychotomimetische ("psychedelische") Hochmut eines Newton "Robespierre" Gingrich herrschte.

Während die Teilnehmer der psychedelischen Orgie um "Mein Geld!" und "Der Markt!" auf dem Bürgersteig neben dem Haus, das einmal ihnen gehörte, bewußtlos zusammenbrechen, wendet sich der nüchternere Geist den physischen Beziehungen des Menschen zur Natur zu - dem Ort, wo immer noch reale Werte liegen, wenn selbst eine Währung wie der US-Dollar kaum noch existiert. Worüber können Sender wie CNN und NBC noch reden, wenn sich auf den einst so lärmenden Aktienbörsen eine Ruhe wie auf einem ungepflegten Friedhof verlorener Träume breitmacht? Was wird aus der jetzigen Mehrheit des Obersten Gerichtshofes der USA an dem Tag, an dem Antonin Scalias bogumilenhafter Gott, der "Shareholder Value", stirbt?

Die größte Dummheit, die in den letzten etwa 35 Jahren die USA, ihre politischen Institutionen und Wirtschaft beherrscht hat, war die falsche Annahme, die Produktion realen Wohlstands erwachse aus der Geldanlage. Dieser Wahnsinn wird jetzt eine tiefe, sehr tiefe Demütigung erfahren. Statt dessen sind wir genötigt, zu der weisen Erkenntnis zurückzukehren, daß nur die produktive Arbeitskraft realen Wohlstand bzw. die damit verbundenen Güter und Dienstleistungen erzeugt, die man für Geld kauft und verkauft.

Dieser längst überfällige Wechsel zurück zur Vernunft in den Grundannahmen ist der Schlüssel zur gegenwärtigen Weltlage.

Dabei gilt folgendes Prinzip: Wenn wir die reale, physische Wirtschaft zum Wachsen bringen, und wenn wir die Preise in Übereinstimmung mit den langfristigen Trends der Pro-Kopf-Produktion halten, können wir aus jedem noch so tiefen Kollaps wieder durch Wachstum herauskommen. Wenn wir die Wirtschaft reorganisieren, indem wir die unbegrenzte Macht der Regierung zu Vergleichsverfahren zur Konkursabwendung in Übereinstimmung mit dem Verfassungsprinzip des Gemeinwohls nutzen, dann können wir mit Hilfe dieser Konkursverfahren aus jeder Finanzkrise herauskommen, auch aus dem schlimmsten Finanzkollaps der Weltgeschichte, der gerade abläuft.

Das ist das Prinzip der Flanke. Beseitigen wir den falschen Glauben, der die Nation in ihre jetzige Dummheit getrieben hat, und bringen wir das gültige Prinzip ein, von dem unsere Nation niemals hätte abweichen sollen - das Prinzip, das Franklin Roosevelt zum einzigen wirklich erfolgreichen amerikanischen Präsidenten seit der Ermordung William McKinleys machte.

Um diese Veränderung der herrschenden Überzeugungen zu bewerkstelligen, müssen die Amerikaner, wenigstens eine große Zahl unter ihnen, die Veränderungen der Prinzipien erkennen; sie müssen verstehen lernen, wie man anhand dieser Prinzipien die gegebene Krise erfolgreich überwindet. Das wird für viele von uns viel Arbeit bedeuten, aber wir können wenigstens jetzt schon damit beginnen.

Verwandeln wir es in einen erfolgreichen Bankrott

Das Grundgesetz der amerikanischen Bundesverfassung ruht in ihrer Präambel, wo die sog. Gemeinwohlklausel in der Wirtschaft und allen verwandten Bereichen Vorrang hat, so wie Präsident Franklin Roosevelt dies immer gegen die "amerikanischen Tories" seiner Zeit, wie er sie nannte, betonte.

Dazu muß ein ausreichender Teil der bisher widerstrebenden Mitglieder des Obersten Gerichtshofs der USA sich ändern und die Verfassung über das von den Konföderierten Staaten befolgte Lockesche Prinzip des "Shareholder Value" stellen. Sie müssen zusammen mit der Mehrheit des Kongresses, und beide zusammen mit den vernünftigen Leuten innerhalb der Exekutive, ein Vergleichsverfahren zur Konkursabwendung für die Volkswirtschaft des Landes anordnen und unterstützen sowie nach den gleichen allgemeinen Prinzipien und Zielsetzungen mit anderen Nationen zusammenarbeiten.

Ohne diese Mobilisierung des politischen Willens der USA läßt sich die amerikanische Volkswirtschaft nicht retten, wird vielleicht sogar die Republik schon bald am Ende sein.

Es gibt keinen Mittelweg - die Lage ist so eindeutig, und die relevante Entscheidung ist entsprechend einfach. Das muß man jedem Heranwachsenden und jedem Erwachsenen klarmachen, ob sie sich dieser Realität nun stellen wollen oder nicht. Denn ihre Zukunft hängt davon ab.

Die wichtigsten Maßnahmen, die zu ergreifen sind, fallen unter die sechs folgenden zentralen Kategorien.

A. Reorganisation der existierenden Konten

Unter keinen Umständen ist es möglich, alle existierenden ausstehenden Schulden im amerikanischen und weltweiten Finanz- und Währungssystem zu bezahlen. Jeder Versuch, die weitere Anerkennung dieser Schulden zu erzwingen, muß notwendigerweise die schrumpfenden Reste von Infrastruktur und Produktionskapazitäten der Welt so weit ausplündern, daß auf dem ganzen Planeten schon bald ein allgemeines neues finsteres Zeitalter einkehren wird. Das ist die erste, schwere Entscheidung, der man sich stellen muß.

Der größte Teil dieser Schulden muß abgeschrieben werden. Allerdings müssen wir dabei sehr sorgfältig darauf achten, daß lebenswichtige Banken und andere Einrichtungen weiterarbeiten können, auch wenn sie technisch gesehen hoffnungslos bankrott sind. Vor allem müssen wir die Integrität der amerikanischen Staatsschulden wahren, wie das Finanzminister Alexander Hamilton erklärt hat; alle anderen Schulden sind verhandelbar, je nach den Prioritäten, die das Gemeinwohlprinzip diktiert. Vorrang haben lebenswichtige Rentenzahlungen, Gesundheitsversorgung, bescheidene Sparguthaben der Haushalte, lebenswichtige kleine und mittelständische Unternehmen u.ä.

Das Vergleichsverfahren zur Konkursabwendung für die entsprechenden Einrichtungen wird sehr plötzlich kommen, doch die endgültige Einlösung des größten Teils der eingefrorenen Gläubigerforderungen muß auf einen günstigeren zukünftigen Zeitpunkt verschoben werden.

B. Maßstäbe für Prognosen

Aus Gründen, die ich an anderer Stelle dargelegt habe, sollte die Reorganisation im Rahmen des geordneten Konkursverfahrens allgemein so strukturiert sein, daß die Einlösung des größten Teils der ausstehenden Forderungen über einen Zeitraum von etwa einem Vierteljahrhundert, d.h. einem Produktionszyklus der Realwirtschaft, gestreckt wird. Da es 35 Jahre gedauert hat, die einst prosperierende Volkswirtschaft in ihren jetzigen ruinösen Zustand zu versetzen, sollten all jene, die so viel zu ihrem Ruin beigetragen haben, es nicht für unvernünftig halten, wenn die Leidtragenden ihrer Fehler nun ein Vierteljahrhundert beanspruchen, um die Wirtschaft wieder aufzubauen.

Während dieser Zeitspanne kann man im Rahmen des Konkursverfahrens schrittweise freigegebene sowie eingefrorene Konten nach Maßgabe der entsprechende Gesetze und Vorschriften einsetzen, um Bürgern, Haushalten und Unternehmen Mittel zu geben, ihre Angelegenheiten ohne allzuviel Bürokratie zu regeln.

Auch kann man in dem Maße, wie dies klug erscheint, Teile der unter Konkursverwaltung stehenden Werte, wenn man sie für rettbar hält, wenigstens teilweise als nicht einlösbare, sonst aber dauerhafte Werte bestimmter für das Gemeinwohl wichtig erachteter Banken und sonstiger Finanzinstitute behandeln, oder als Unterstützung für produktive Unternehmen bei ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit.

C. Kreditausweitung und Infrastruktur

Unter den Bedingungen des durch den gegenwärtigen Weltfinanzkollaps notwendig gewordenen Konkursverfahrens muß im Mittelpunkt der nationalen Wirtschaftspolitik die Vergabe regulierten öffentlichen Kredits stehen, mit dem Ziel, den Anteil der verfügbaren Arbeitskraft in der physischen Produktion landwirtschaftlicher und industrieller Güter, der Entwicklung und Aufrechterhaltung der grundlegenden Infrastruktur sowie den Dienstleistungsbereichen zu erhöhen, die für diese Funktionen und für das Gemeinwohl der Bevölkerung notwendig sind.

Dazu wird man nicht ständig neue Finanzaggregate auf die Finanzmärkte werfen, wie dies Alan Greenspan und andere mit den entsprechenden hyperinflationären Auswirkungen praktizieren. Insbesondere muß man die Federal Reserve - dieses de facto zahlungsunfähige konzessionierte Privatunternehmen - der treuhänderischen Verwaltung des US-Finanzministeriums unterstellen und ihre Einrichtungen die Funktionen einer Nationalbank nach dem Vorbild der Ersten und Zweiten Nationalbank der Vereinigten Staaten wahrnehmen lassen. Die Genehmigung der Ausgabe von Banknoten der USA bei der Kreditschöpfung fällt zwar implizit unter die Befugnisse des Kongresses, doch wird der staatliche Kredit im wesentlichen in Form von Krediten auf Konten innerhalb des Bankensystems fließen, unter ähnlich regulierten und kontrollierten Bedingungen wie bei der Mobilisierung der Rüstungsproduktion im Zweiten Weltkrieg.

Anfänglich ist die wichtigste Quelle für das Nettowachstum der Beschäftigung und realen Gütererzeugung der staatliche Kredit für die Entwicklung und Instandhaltung der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur, der im Rahmen staatlicher oder bundesstaatlicher Programme oder über regulierte öffentliche Versorgungsbetriebe vergeben wird. Diese Kanäle werden für bis zu 60 Prozent des Anschubwachstums in unserer derzeit zusammenbrechenden Realwirtschaft sorgen, vielleicht sogar für einen größeren Anteil.

Dies wird mit einem tiefgreifenden Wandel in der Beschäftigungsstruktur einhergehen: weg von Dienstleistungen im Finanzsektor und verwandten Bereichen sowie relativ unqualifizierter Beschäftigung in privaten Dienstleistungen, hin zu höherqualifizierter Beschäftigung im Zusammenhang mit der Herstellung realer Güter und der essentiellen Infrastruktur. Dieser durch den Staatskredit katalysierte Strukturwandel in der Beschäftigung wird einer der ausschlaggebenden Faktoren dafür sein, die reale Durchschnittsproduktivität und den realen Nettolebensstandard der Arbeitnehmer zu erhöhen.

Ein umfangreicher, wohlregulierter Kreditfluß in die Erweiterung und Instandhaltung der infrastrukturellen Basis der Wirtschaft wird sich über die Vergabe von Aufträgen in wachsenden Maße stimulierend auf den Wiederaufbau des Privatsektors wirken.

D. Kredit, nicht Währung an sich

Unter derartigen Bedingungen muß sich die politische Grundhaltung rasch und umfassend wandeln, weg von Ideologien wie der inflationären Kemp-Roth-Doktrin hin zu einer Politik im Sinne der Investitions- und Steuerpolitik unter John F. Kennedy.

Der Prozeß des systemischen Verfalls der einst florierenden amerikanischen Wirtschaft der frühen 60er Jahre - vor allem seit der verheerenden Deregulierungsorgie der Regierung Carter 1977-81 - bis zu den Ruinen, in denen die ärmer gewordene Mehrheit von 80 Prozent der Bevölkerung jetzt leben muß, zeigt wieder einmal (wenn eine solche Lehre nötig gewesen wäre): Um ein echtes Nettowachstum der Steuerbasis zu erzeugen, reicht es nicht aus, einfach nur den reichen und verhältnismäßig wohlhabenden Bürgern immer mehr Geld in die Tasche zu stecken.

Richtig ist vielmehr die Kombination aus einer hohen Besteuerung kurz- und mittelfristiger Kapitalgewinne und einer steuerlichen Begünstigung mittel- und langfristiger Investitionen in die Ausweitung und Verbesserung technisch fortschrittlicher Güterproduktion sowie in Dienstleistungen, die für das Wohl der Bevölkerung und für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt bei der Entwicklung und Herstellung von Gütern notwendig sind.

Gleichzeitig sollten die Zinsen bei der Kreditaufnahme allgemein höher liegen, mit Ausnahme der geschützten Kategorien der Niedrigzinskredite und der steuerbegünstigten Investition und Produktion im höheren nationalökonomischen und verwandten Interesse. Dies soll unter anderem dazu dienen, Investitionen weg von der Spekulation - besonders der massiv fremdfinanzierten Spekulation in der tödlichen Arena kurzfristiger Finanzgeschäfte - und in die mittel- und langfristige Steigerung der realen Produktion zu lenken.

Die Betonung muß auf dem Leitbegriff einer "fruchtbaren Sparpolitik" liegen: kurzfristig ohne allzu große Blessuren durchkommen und mittel- bis langfristig wachsen und gedeihen. Die Vorstellung, daß eine heute im Arbeitsleben stehende Familie von einer gestiegenen Produktivität profitieren kann, je näher ihr Rentenalter heranrückt und je mehr ihre Bedürfnisse in der Gesundheitsversorgung ab dem 50. Lebensjahr wachsen, steht für eine vernünftige Politik. Bauen wir eine solide Grundlage für eine bessere Zukunft, die auf einem nachhaltigen Anstieg der Produktivität und auf gesicherten Sparguthaben beruht.

Das Bild einer ganzen Schubkarrenladung Geldscheine, mit der man nicht einmal ein einziges Brot kaufen kann, sollte uns warnen: Eine vernünftige Nation sammelt insbesondere ihre langfristigen finanziellen Guthaben in soliden dauerhaften Bankanlagen und nicht auf Giro- oder Kreditkartenkonten.

E. Die "Motoren" technischer Entwicklung

Vernünftige Ökonomen messen Produktivität anhand des Anstiegs der Macht der Gesellschaft (pro Kopf und pro km2) in und über das Universum, in dem wir leben. Das schließt die Verbesserung der demographischen Eigenschaften eines typischen Familienhaushalts ein.

Diese Beziehung zur Natur ist nur dem Menschen eigen; keine andere Gattung ist in der Lage, willentlich ihre potentielle Bevölkerungsdichte zu erhöhen, was sich an den relativen Zahlen pro Kopf und pro km2 niederschlägt. Diese Eigenschaft der Menschen hob der Biogeochemiker W.I. Wernadskij hervor, als er den von uns bewohnten Planeten als "Noosphäre" definierte.

Diese wachsende Macht des einzelnen Menschen verdanken wir hauptsächlich der Entdeckung und Anwendung gültiger universeller physikalischer Prinzipien, denn nur diese Entdeckungen ermöglichen die Entwicklung verbesserter Technologien. Daher muß eine Gesellschaft mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum immer als Motor wissenschaftlicher und technischer Entwicklung arbeiten. Dies erfordert nicht nur eine entsprechende Bildungspolitik für alle Menschen, sondern auch eine gezielte Erhöhung des Anteils der Arbeitskräfte, die mit grundlegenden wissenschaftlichen Entdeckungen und mit der Umsetzung des wissenschaftlichen Fortschritts bei der Entwicklung neuer Produkte und verbesserter Produktionsmethoden befaßt sind.

Die staatliche Kredit- und Steuerpolitik muß darauf abgestimmt sein, daß diese Verbindung zu nachhaltigem realen Wachstum besonders betont wird.

F. Internationale Zusammenarbeit

Dies bedeutet, daß die USA mit wichtigen Gruppen von Nationen zusammenarbeiten müssen, um für die betroffenen internationalen Vertragsorganistionen eine ähnliche Reform zu bewerkstelligen wie bei der internen Finanzkrise der USA.

Dazu brauchen wir dringend eine Rückkehr zu einem System mit festen Wechselkursparitäten und Regulierung, wie es in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten bestand. Es würde reichen, wenn die USA und einige andere Nationen sich zusammenfänden, um solche plötzlichen Reformen innerhalb des in der heutigen Form implizit bankrotten IWF-Systems durchzusetzen. Also ist eine solche Reform durchaus praktisch durchführbar, besonders wenn die USA daran mitwirkten.

Wie ich in vielen anderen Publikationen wiederholt betont habe, liegt der Schlüssel zu einem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung in Amerika in einem anhaltenden internationalen Aufschwung. Der Schlüssel für die ganze Weltwirtschaft wiederum liegt in der dringend notwendigen gemeinsamen Arbeit der Vereinigten Staaten mit wichtigen eurasischen Nationen an einer allgemeinen Entwicklung Eurasiens. Dies wird sich auch auf andere Teile der Erde wie Afrika oder Mittel- und Südamerika positiv auswirken. Wichtig ist hier vor allem eine Steigerung der Produktion von Hochtechnologiegütern - besonders im Bereich des Werkzeugmaschinenbaus - für den Export in diejenigen Teile der Welt, die derzeit aufgrund ihrer mangelnden Kapazitäten die entsprechende binnenwirtschaftliche Nachfrage nicht selbst befriedigen können.

Eine solche Zusammenarbeit wird sich auch entscheidend auf die amerikanische Wirtschaft auswirken. Insbesondere werden die USA, Europa und Japan ihr Potential als "Wissenschaftsmotor" ausweiten müssen. Mit anderen Worten: Angesichts des weltweiten Bedarfs nach solchen Technologien müssen wir auch in den USA selbst Umfang und Rate der Investitionen in wissenschaftliche und verwandte Bereiche sowie entsprechende Beschäftigung steigern.

Allgemein gesprochen bietet uns eine solche internationale Zusammenarbeit die Grundorientierung für die entsprechenden politischen und wirtschaftlichen Vereinbarungen über mindestens eine Generation, d.h. etwa ein Vierteljahrhundert hinweg.

Bis 2026 sollten wir das Schlimmste der heutigen Krise hinter uns haben, zumindest wenn wir heute den gesunden Menschenverstand aufbringen, unsere Politik entsprechend zu ändern.

 

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