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Aus der Neuen Solidarität Nr. 13/2002

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Das Ende eines Wahns

- 1. Teil -

Von Lyndon H. LaRouche

Die folgende Schrift von Lyndon LaRouche erschien am 12. Januar 2002 und ist dazu gedacht, die methodischen Grundlagen eines dringend nötigen Wirtschaftsaufschwungs für Amerika zu umreißen. Wir veröffentlichen große Auszüge daraus in acht aufeinanderfolgenden Teilen.


Vorwort
Wirtschaftliche Weltkrise

Sicher zu den Notausgängen

1. Was ist Wirtschaft?

Vorwort

Die Weltwirtschaft könnte sich von der sich derzeit vertiefenden Depression durchaus erholen, allerdings nur dann, wenn wir uns dazu entschließen, jetzt entsprechend zu handeln. Es ist erneut die Wahl, vor der Hamlet stand: Sein oder Nichtsein. Entweder nehmen wir die verderblichen Folgen unserer dummen Gewohnheiten hin oder wir befreien uns von den tödlichen Fesseln gängiger Meinungen, damit wir zu dem Erhabenen aufsteigen und über die fatalen Fehler der zurückliegenden Jahre triumphieren können.

Auf der geschichtlichen Zeitskala ist jetzt die letzte Stunde für die jüngsten Dummheiten unserer Nation angebrochen. Wenn unsere Nation überleben soll, müssen wir uns eingestehen, daß die wesentlichen politischen Meinungstrends während der letzten 30 und mehr Jahre unter dem Strich ein kumulatives Desaster gewesen sind. Dies wird insbesondere daran deutlich, wenn man die Entwicklungen in Amerika von 1966-2001 mit den Auswirkungen der Wiederaufbaupolitik nach dem Krieg, von 1945 bis 1964, vergleicht. Wir müssen deshalb bekennen, daß - wie Shakespeare in einer anderen Tragödie schrieb - der Fehler in dieser Frage nicht in den Sternen, sondern in uns selbst liegt. Der Fehler liegt in der vor allem nach 1964 eingeschlagenen hirnverbrannten Politik, die unter Politikern wie in der Bevölkerung insgesamt während der letzten drei Jahrzehnte zur vorherrschenden, akzeptierten Denk- und Handlungsgewohnheit geworden ist.

Seit den Krisenjahren 1962-65, seit etwa der Zeit, in der sich die USA nach dem Kennedy-Mord immer tiefer in den Krieg in Indochina verstrickten, haben sich in den damals vorherrschenden Werten mehrere radikale Wendungen hin zu utopischen Illusionen vollzogen, die jeder langfristigen wirtschaftlichen Realität zuwiderliefen. Da diese Illusionen jedoch geradezu hysterisch zum unantastbaren Maßstab bei der Formulierung der Wirtschaftspolitik und anderer Entscheidungen geworden ist, hat dieser kulturelle Wertewandel den Charakter eines sich ausbreitenden Massenwahns angenommen.

Der so angestoßene Wirtschaftskollaps ist kein bloßer Wirtschaftskollaps. Er ist nicht etwas, was uns von "außen" auferlegt wurde. Er ist ein Produkt des Wahns, der sich in den Köpfen eines Großteils der amerikanischen Bevölkerung breitgemacht hat. Was wir erleben, ist nicht die Folge ungewollter Ereignisse, sondern ein Produkt dessen, was die allgemein akzeptierte Meinung der Bevölkerung geworden ist. Was Sie heute durchmachen, ist deshalb insgesamt betrachtet die Erfahrung, in der Schlußphase eines Massenwahns zu leben.

Ein Überleben ist jedoch auch noch zu diesem späten Zeitpunkt möglich, aber dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Erstens muß die angesprochene abrupte und radikale Wende in den kulturellen Paradigmen der politischen Entscheidungsfindung vollzogen werden. Und zweitens muß dies auf der Stelle, ohne weinerliche Verzögerungen geschehen.

Am bezeichnendsten für die jüngeren Hirnverbranntheiten in der offiziellen und öffentlichen Meinung sind die verheerenden Auswirkungen des Wahns namens "New Economy" von 1995-2001 und die schweren Schäden, die er in der Wirtschaft anrichtete, sowie die große und zunehmende Bedrängnis, in die die Bürger infolge des Glaubens an "Freihandel", "Deregulierung", "Shareholder Value", "Produktionsauslagerung" und "Globalisierung" geraten sind.

Haben wir Mitleid mit dem, der stur behauptet, "das System" wieder in Ordnung bringen zu wollen, aber wie Anne Krüger vom IWF nicht zuläßt, daß jemand etwas gegen jene ansteckenden Wahnvorstellungen unternimmt, die seit mehr als 30 Jahren die eigentliche Ursache der heutigen Krise sind. Typisch hierfür sind jene, die inzwischen fast alles zugeben, aber darauf bestehen, niemand dürfe von dem Rahmen des jetzigen IWF-Systems "gleitender Wechselkurse" abweichen, das tatsächlich die Hauptursache des anstürmenden Währungs-, Finanz- und Wirtschaftsdesasters der letzten 30 Jahre gewesen ist! Ließe man solche immer noch verbreiteten pathologischen Ansichten unberührt, wäre keine wirtschaftliche Erholung der jetzigen gesellschaftlichen Lage je möglich.

Ich meine nicht, daß wir zu genau der gleichen amerikanischen Politik wie 1933-45 oder 1945-64 zurückkehren sollten. Ich habe einen viel bescheideneren und realistischeren Vorschlag zu machen: Wir müssen die Lehre ziehen, die sich ergibt, wenn man einen früheren Erfolg mit einer anschließenden Katastrophe vergleicht. Wir müssen diese Lehre auf eine Weise anwenden, daß dabei die schlimmsten jener heute vorherrschenden Ansichten verworfen werden, die in den letzten 35 Jahren verbreitet wurden. Wir müssen auf der Erkenntnis aufbauen, die den USA die Aufschwungs- und Wachstumsleistungen zwischen 1933 und 1964 gebracht und das Land aus der vorigen Wirtschaftsdepression und den Nachwirkungen eines verheerenden Weltkriegs herausgeführt haben. Wir müssen aber auch über diese Präzedenzfälle hinausgehen und einige Verbesserungen anbringen, die in dem allgemeinen Konzept des Systems von 1945-1964 entweder fehlten oder auf die veränderten Umstände zurückzuführen sind, mit denen wir es infolge der Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten zu tun hatten.

Wirtschaftliche Weltkrise

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der sich beschleunigenden Weltkrise muß die Neuordnung der wechselseitigen, aber unterschiedlichen Faktoren amerikanischer Währungs-, Finanz- und Wirtschaftspolitik über das hinausgehen, was in früheren Aufschwungphasen getan worden ist. Der Unterschied zwischen der früheren und der jetzigen Weltdepression ist folgender.

Wie ich an anderer Stelle betont habe, waren zu der Zeit, als die Depression zwischen 1929 und 1933 global einsetzte, etwa ein Dutzend Jahre (weniger als eine Generation) vergangen, seitdem in der Phase von 1861-1917 in Europa ein massiver realwirtschaftlicher Aufschwung in Produktivität, Militärstärke und anderen technologischen Bereichen stattgefunden hatte. Heute sind seit der vorsätzlichen Zerstörung der physischen Produktivkraft pro Kopf fast 35 Jahre (nahezu zwei Generationen) vergangen. Bezeichnend für diese Zerstörung war die Brutalität, mit der am Anfang die erste Regierung von Harold Wilson gegen die britische Wirtschaft vorging. Die Herausforderung heute ist deshalb von qualitativ größerer relativer Tragweite und Komplexität als die, vor der Franklin Roosevelt in den 30er Jahren stand.

Neben Harold Wilsons offener Demontage der britischen Wirtschaft war es Richard Nixon, der der Erholung der US- und Weltwirtschaft 1945-64 weiteren entscheidenden Schaden zufügte, indem er bereits mit seiner Präsidentschaftskampagne 1966-68 Einfluß auf die nationale Politik nahm. Ausschlaggebend war dann Nixons spätere Entscheidung vom August 1971, das ursprüngliche Bretton-Woods-System aufzulösen und die Welt der ruinösen Diktatur eines Systems gleitender Wechselkurse zu unterstellen. Das von ihm in Gang gesetzte Währungssystem gleitender Wechselkurse fügte in das heutige Weltwährungs- und -finanzsystem jene Grundlemente ein, die zum Kollaps führen mußten, solange diese Änderungen nicht zurückgenommen würden. Der schwerste Schaden an der amerikanischen Wirtschaft selbst, schlimmer noch als der durch Nixons Torheiten ausgelöste, stammte von der Regierung Carter 1977-81 unter Kontrolle Zbigniew Brzezinskis. In Anlehnung an die Szenarien, die der Brite Herbert G. Wells in seinem Buch "Die offenene Verschwörung" 1928 dargestellt hatte, ruinierte diese Regierung vorsätzlich einen Großteil der physischen und finanziellen Infrastruktur, auf der die Erholung der US-Wirtschaft nach der Depression 1930 wie auch das Nachkriegswachstum beruht hatte.

Das Schicksal des heutigen Weltwährungs- und -finanzsystems ist besiegelt. Es läßt sich nicht reformieren; es läßt sich nur ersetzen, indem man zu einem System ähnlich wie das ursprüngliche Bretton-Woods-Abkommen aus der Zeit von 1945-58 zurückkehrt. Besonders seit Alan Greenspans Vorgänger Paul Volcker 1979 die gegenwärtige Politik der "kontrollierten Desintegration der Wirtschaft" in das US-Zentralbanksystem einführte, verwandelte sich die Währungs- und Finanzpolitik durch die von Volcker bewirkten axiomatischen Vorgaben in einen Motor zur Zerstörung der Realwirtschaft. Mit der Realwirtschaft ging es seither immer nur bergab (siehe Abbildungen).

Die Folge dieser langen Welle der Zerstörung der amerikanischen und im übrigen auch der weltweiten Realwirtschaft nach 1964 hat nicht nur politische Probleme größten Umfangs aufkommen lassen. Wie ich noch ausführen werden, werden die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um einen dauerhaft erfolgreichen Wirtschaftsaufschwung sicherzustellen, die Welt in neue Kategorien wirtschaftlicher Aktivität hineinführen, darunter neue Ansätze zur Beherrschung der Biosphäre. Diese beiden quantitativen bzw. qualitativen Überlegungen verweisen auf eine Art Problem, das sich in früheren Zeiten erfolgreichen Wirtschaftswachstums gefahrlos hat übersehen lassen. Die Dringlichkeit dieser neuen Politikprobleme definiert eindeutig meine zur Zeit unentbehrlichen Beiträge zur wirtschaftspolitischen Praxis.

Sicher zu den Notausgängen

Das derzeitige Stadium der Weltdepression läßt sich mit einem Feuer in einem vollen Theater vergleichen. Die Volkswirtschaft, in der Sie sich befinden, ist das Theater. Verfallen Sie nicht in Panik, sondern machen Sie sich bereit, zu den Notausgängen zu gehen, und das in geordneter Weise und in gleichmäßiger Geschwindigkeit, wie ich die Anordnungen dazu gebe. Um auch die Nerven des in Panik geratenen Herrn neben Ihnen zu beruhigen, erinnere ich an meinen Sachverstand, mit Krisen dieser besonderen Art umzugehen. Es steht uns sozusagen, "ein Facharzt, spezialisiert auf solche Krankheiten, zur Verfügung".

Zur weiteren Nervenberuhigung stelle ich die Diskussion in den Kontext bestimmter wichtiger Entwicklungsphasen in der Zeit seit der krisenhaften Wahl vom 7. November 2000.

Zwischen dem Tag der US-Präsidentschaftswahlen am 7. November 2000 und dem 15. Januar 2001 veröffentlichte ich eine Reihe von Prognosen, worin ich sowohl die Probleme der Wahlkrise wie auch bestimmte entscheidende zu erwartende Entwicklungen benannte, die sich während der ersten zwölf Monate der Amtszeit des neuen Präsidenten entfalten würden.

In dieser Zeit erschienen Berichte über diese wirtschaftlichen und politischen Prognosen in allseits zugänglichen Internetseiten wie der von Executive Intelligence Review (www.larouchepub.com und der meiner Kampagne für die Präsidentschaftsnominierung 2004 (www.larouchein2004.net). Keine dieser jüngeren Prognosen wie im übrigen auch meine früheren langfristigen Voraussagen von vor 35 Jahren sind jemals von den späteren Ereignissen widerlegt worden.

Ein Jahr danach - November 2000/Januar 2001 bis November 2001/Januar 2002 - plappern fast alle Establishment-Medien immer noch jene damals gegen mich eingestellten Prognostiker nach, die heute immer noch die gleiche dümmliche Propaganda wiederholen, die sie ein Jahr zuvor verbreiteten, bloß mit einer merkwürdigen zusätzlichen Betonung. Bisher hatten diese Leute eine baldige Erholung der Finanzmärkte einer angeschlagenen Wirtschaft versprochen; ein Jahr später tischt uns in etwa die gleiche Gruppe von Prognostikern ähnlich zweifelhafte Sophistereien auf, nur daß die durchgedrehten Mietlinge der Wall Street daraus nun folgende unlogische Schlußfolgerung daraus ziehen: Da die Märkte im Verlauf des letzten Jahres so schrecklich unter die Räder geraten sind, so argumentieren sie, bleibe den Märkten jetzt gar kein Spielraum mehr: sie könnten nur noch nach oben gehen. Diese Spinner folgern: Die Märkte werden mit Sicherheit mehr oder weniger spontan aufwärts zeigen. Mit Verzückung in den Augen sagen sie voraus, daß der Aufwärtssprung irgendwann in diesem Jahr oder vielleicht auch erst im nächsten Jahr einsetzen werde.

Wer die 30er Jahre miterlebt hat, wird sich an die Weltdepression 1929-1933 erinnert fühlen, als Hoover in seinem Wahlkampf zur Wiederwahl, die Republikaner und die meisten Wallstreet-Überlebenden den Wählern versprachen: "Der Aufschwung biegt gerade um die Ecke!"

Heute ist die "New Economy" am Boden, Enron ist ein Scherbenhaufen und die US-Wirtschaft spielt längst nicht mehr die Rolle des "Importeurs der letzten Instanz" für den Rest der Welt. Die Arbeitslosigkeit steigt in dem Maße, wie die Zahl der in Schwierigkeiten geratenen Firmen oder der Unternehmenspleiten. Wenn Regierungen jetzt die nächste Runde von Haushaltskürzungen einläuten, müssen sie schockiert feststellen, daß die durch die Kürzungen verursachten Steuerausfälle zwangsläufig die Kürzungen der Regierungsausgaben übersteigen. Ein Gefühl der Verzweiflung macht sich in Amerika, Westeuropa, Japan, Korea und anderswo breit.

Insgesamt wird dies einigen wie eine neue Weltwirtschaftsdepression - ähnlich der von 1929-1933 - vorkommen. Tatsächlich ist sie viel schlimmer als das, was man in den USA, Kanada oder Europa während der 30er Jahre erlebte. Wenn man einmal Rußland, China und Indien beiseite läßt, ist der Großteil der Welt jetzt in die Anfangsphase dessen eingetreten, was einige Ökonomen Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem akademischen Titel einer hypothetischen allgemeinen Zusammenbruchskrise diskutiert haben.

Im Vergleich zur heutigen Krise scheint die Depression der 30er Jahre eher das Problem einer stark reduzierten Wirtschaftstätigkeit gewesen zu sein. Deswegen mag es so scheinen, daß sich wie bei einer Depression ähnlich der 30er Jahre ein Aufschwung auch heute dadurch erreichen ließe, daß man den Großteil der Kreditschöpfung und -flüsse in Investitionen zur Ausweitung bestehender physischer Warenkategorien lenke. Diese Auffassung ist jedoch viel zu optimistisch. Die jetzige Krise ist im wesentlichen eine qualitative. Diese Unterscheidung zwischen "quantitativ" und "qualitativ" ist beim derzeitigen Kollaps des Weltwährungs- und -finanzsystems entscheidend.

Im ersten, einfacheren Fall wäre eine quantitative wirtschaftliche Lösung mehr oder weniger angemessen, wenn man eine Konkursreorganisation des Währungs- und Finanzsystems mit zusätzlichen protektionistischen Maßnahmen kombinierte, und es dadurch gelänge, mit Hilfe staatlicher Kredite die reorganisierte Wirtschaft durch die Reaktivierung bestehender produktiver und entsprechender realwirtschaftlicher Kapazitäten wieder in die Gewinnzone zu bringen.

Im zweiten Fall erreicht die Kombination aus Währungs- und Finanzreorganisation und Kreditausweitung kein ausreichendes Niveau aktiver und brachliegender physisch produktiver Kapazitäten zusammengenommen, um Rentabilität beim realen Umsatz zu erreichen. Ohne radikale Strukturveränderungen in der Zusammensetzung der Kategorien von Investition und Produktion ist innerhalb der Grenzen existierender Kategorien derartiger Investitionen keine Lösung möglich.

Ein Blick auf den Unterschied zwischen der ersten Vorkriegsphase der wirtschaftlichen Erholungsmaßnahmen in den USA in den 30er Jahren und der Phase der Kriegsmobilisierung hilft uns, die Bedeutung dieser Unterscheidung zwischen einer quantitativen und einer qualitativen Wirtschaftsdepression zu verstehen. Die Untersuchung dieser beiden aufeinanderfolgenden Phasen bietet eine erste Annäherung an die Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Fällen.

Bis hinein in die Phase der Kriegsmobilisierung, die in den USA vor der deutschen Invasion Polens begann, hat die US-Wirtschaft einen beträchtlichen Anteil an Inventar von Halbfertigprodukten aus der Zeit vor dem Oktober 1939 aufgebraucht. Sogar noch zu dieser Zeit schufen große öffentliche Bauvorhaben von mehr oder weniger wichtiger qualitativer Bedeutung, wie etwa das TVA-Programm, die Grundlage für die spätere, relativ "explosive" Wirtschaftsexpansion im Kriege. Tatsache ist, daß die Kriegsmobilisierung ohne solche öffentlichen Arbeiten und verwandte Investitionen gar nicht möglich gewesen wäre. Das explosive Wachstum in dem wirtschaftlichen Aufbauprogramm war kennzeichnend für den Wandel der wirtschaftspolitischen Prioritäten Amerikas hin zu einer Orientierung auf die nationale Mission eines "Arsenals der Demokratie". Für diejenigen unter uns, die in den 40er und 50er Jahren schon erwachsen waren, ist der einfachste Bezugspunkt dieser Phase des "Arsenals der Demokratie", daß die amerikanische Regierung ein gewaltiges Inventar an Werkzeugmaschinen produzierte und besaß, das im Rahmen des Programms für Rüstungs- und verwandte Produktion großenteils an private Vertragsunternehmen ausgeliehen wurde. Daß die von Präsident Roosevelt verkündeten hohen Produktionsziele für Militärflugzeuge sogar schon frühzeitig übertroffen wurden, ist dafür typisch.

Die Kombination aus Infrastrukturaufbau, großen Schüben an kapitalintensiven Produktionsinvestitionen und nicht bloß einer Abnahme der Arbeitslosigkeit, sondern gleichzeitig auch einer technischen Höherqualifizierung der Beschäftigung war kennzeichnend für die qualitative Steigerung in der US-Wirtschaft zwischen 1939 und 1945, obwohl gleichzeitig etwa 16 Millionen amerikanische Arbeitskräfte entfielen, weil sie Militärdienst leisteten.

Ich werde diese Frage qualitativer Wiederaufbaumaßnahmen weiter unten an geeigneter Stelle noch genauer behandeln. Gegenwärtig geht es mir darum, den Unterschied zwischen bloß quantitativen und qualitativen Aufschwungsmaßnahmen zu veranschaulichen - und dies mit Hilfe des einfachsten verfügbaren Beispiels aus der Wirklichkeit.

Heute verfinstert bereits eine allgemeine qualitative Zusammenbruchskrise unseren Horizont. Um die Natur dieser Herausforderung zu illustrieren, zähle ich einige typische Schritte auf, die ergriffen werden müssen, um die Depression zu stoppen und einen sich selbst erhaltenden Aufschwung zu einzuleiten.

1. a) Neuordnung des Weltwährungs- und Finanzsystems unter Aufsicht der Regierungen; b) Einführung fester Wechselkurse; c) Kapital- und Devisenkontrollen sowie protektionistische Maßnahmen; d) hohe Besteuerung von Gewinnen aus Finanzspekulation und Steuervergünstigungen für produktiv investierende Unternehmer; e) umfangreiche staatliche Kreditschöpfung, die zu Zinsen von 1-2 Prozent vor allem für Investitionen im Bereich unternehmerischer Produktion sowie Infrastrukturinvestitionen ausgegeben werden und f) Aufrechterhaltung notwendiger Funktionen des Bankenwesens auch während der Reorganisation.

2. Ablösung des "Freihandels" durch einen geschützten Welthandel mit realen Gütern, wobei die Nachfrage nach solchen Gütern im Zuge der Bemühungen um eine weltweite und dauerhafte Wirtschaftserholung stark zunehmen wird.

3. Besondere Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und entsprechender Investitionen, um den enormen "qualitativen" Rückstand und Verlust an technologischer Kapazität und technologischem Potential im letzten Vierteljahrhundert wieder aufzuholen.

1. Was ist Wirtschaft?

Man kann über "Wirtschaft" nicht vernünftig reden, wenn man nicht zuvor definiert, was dieser Begriff bedeuten sollte. Leider bezeichnen die meisten verbreiteten Definitionen dieses Begriffs - ganz besonders heute, nach dem sog. "kulturellen Paradigmenwandel" seit Ende der 60er Jahre - angeblich selbstevidenten Humbug und sind völlig außerstande, dem Zuhörer irgendeinen Zusammenhang mit der Wirklichkeit klarzumachen.

Zunächst sollte man wissen, daß es Wirtschaftswissenschaft in einer vernünftigen Form vor der "goldenen" Renaissance des 15. Jahrhunderts noch nicht gab. Diese Renaissance markiert den Unterschied zwischen der mittelalterlichen Geschichte der europäischen Zivilisation, zwischen 300-1400 n. Chr. und der neuzeitlichen Zivilisation nach 1400. Die Wirtschaftswissenschaft begann mit der Geburt des modernen Nationalstaats im Laufe der Renaissance des 15. Jahrhunderts mit Italien im Mittelpunkt.

Als Volkswirtschaft bezeichne ich einen Prozeß dauerhafter Verbesserungen des relativen Bevölkerungspotentials der gesamten Bevölkerung und ihrer Nachfahren. Als Wirtschaftswissenschaft sollten wir die Existenz und Anwendung eines wissenschaftlich nachweisbaren Prinzips bezeichnen, welches uns ermöglicht, den Zusammenhang zwischen der gegenwärtigen Praxis und der Verschlechterung oder Verbesserung des relativen Wohlergehens der gegenwärtigen Bevölkerung und ihrer Nachkommen als Ganzes über ein oder zwei Generationen hinweg wirksam vorherzusagen.

Richtig verstanden, heißt "Wirtschaftsprognose", daß man Verantwortung für die zukünftigen Folgen heute getroffener Entscheidungen übernimmt. Wenn man das nicht tut, gibt es keine Moral, die diesen Namen verdiente. Man braucht dazu eine Regierungsform, die sich dafür verantwortlich sieht, wirksame Verbesserungen - wie sie an ihren physischen Auswirkungen pro Kopf und pro Quadratkilometer meßbar sind - sicherzustellen. Es reicht bei der Anwendung dieser Definition von "Wirtschaft" nicht aus, daß die Regierung ein solches positives Resultat anstrebt, es muß auch real wirksam werden.

In der Antike und im Mittelalter gab es keine Gesellschaft, deren Wirtschaft diesen Anspruch erfüllt hätte. Die damaligen Herrscher benutzten die unterworfene Bevölkerung als eine Art Menschenvieh zum Vorteil der herrschenden Oligarchie und ihrer Lakaien. In ihren Augen - so wie für den berüchtigten Feudalisten Dr. François Quesnay - war es göttlicher Wille, daß die Früchte der Gesellschaft dem Herrscher gehörten. Die Rechte der geplagten Untertanen beschränkten sich auf solche Rechte, wie sie ein Landwirt dem Vieh einräumt, das er jagt, züchtet oder keult. Dieses oligarchische System ist auch typisch für die Philosophie John Lockes und die radikalpositivistische Definition von "Shareholder Value", die kürzlich von einer Mehrheit des Obersten Gerichtshofes der USA bestätigt wurde. Die Vorstellung einer Verantwortung für das Gemeinwohl der gesamten menschlichen Bevölkerung als Menschen im eigentlichen Sinn existierte nicht.

Die erste annehmbare Annäherung an eine nationalstaatliche Volkswirtschaft im eigentlichen Sinne kam in Frankreich unter Ludwig XI. und in England unter Heinrich VII. zustande. Allerdings wurden die universellen Prinzipien, auf denen der moderne souveräne Nationalstaat und seine Wirtschaft gründeten, schon früher im selben Jahrhundert entwickelt. Dies war weitgehend Kardinal Nikolaus von Kues zu verdanken. Typisch ist 1. seine Schrift Concordantia catholica, worin er grundsätzlich darlegt, warum das imperiale System, wie es im Feudalismus existierte, durch eine Prinzipiengemeinschaft einzelner souveräner Nationalstaaten ersetzt werden sollte; 2. seine Einführung der modernen Experimentalphysik - u.a. in seinem Werk De docta ignorantia - ; sowie 3. daß er den Kreis von Wissenschaftlern und anderen einflußreichen Persönlichkeiten zusammenführte, auf deren Arbeiten sich Kolumbus und andere für die zahleichen großen Ozeanüberquerungen und Entdeckungsfahrten in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts stützten.

Das oberste Rechtsprinzip, auf dem die Entstehung der souveränen nationalstaatlichen Republik beruhte, war das naturrechtliche Prinzip, das wir "Gemeinwohl" nennen, wie es später als rechtliches Kernargument der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 zum Ausdruck kam und dann in der Präambel der amerikanischen Verfassung explizit zum grundlegenden Rechtsprinzip erklärt wurde.

Das Existenzrecht des modernen Nationalstaates als Institution war allerdings niemals unbestritten, und zwar bis heute. Dabei spielen Faktoren ein Rolle, die teilweise auf die Geschichte älterer Gesellschaften vor der Neuzeit zurückgehen. Barbarische Überreste der Kultur des antiken Rom und des mittelalterlichen Feudalismus konnten sich noch im 20. Jahrhundert behaupten. Der Versuch, die Uhr der neuzeitlichen Geschichte zum Tierischen zurückzudrehen, war nach dem Zweiten Weltkrieg sogar fast ein halbes Jahrhundert lang der vorherrschende Trend in der anglo-amerikanischen Politik. Anders ist es mit Amerikas Kriegen gegen seinen historischen Widersacher, die britische Monarchie. Hier verteidigt Amerika das Gemeinwohlprinzip gegen die Politik der britischen Monarchie seit 1714 - das neuzeitliche Relikt der Politik der feudalen Grundbesitzer und Finanziers der mit den Normannen verbündeten Seemacht Venedigs. Die Präambel der Verfassung des britischen Marionettenstaats, der Konföderierten Staaten von Amerika, unterdrückte dagegen das Gemeinwohlprinzip und hob statt dessen John Lockes unmoralische Rechtfertigung der Sklaverei hervor.

Heute erscheinen die degenerierten Überreste der antiken und mittelalterlichen Vergangenheit Europas z.B. in Form von "Globalisierung", "Shareholder Value", der "Herrschaft eines Weltrechts" und dem Versuch, eine Militärdiktatur in Form des Universalfaschismus aufzubauen. Typisch für den heutigen Faschismus sind Anhänger und Protegés des früheren Harvard-Professors William Yandell Elliott wie Henry Kissinger, Zbigniew Brzezinski und Samuel Huntington. Typisch sind auch Familieninteressen und damit verbundene große Anwaltskanzleien, die sich um einflußreiche Institutionen wie die Smith-Richardson-, Olin- und Mellon-Scaife-Stiftung sowie verwandte Kreise wie das Foreign Policy Research Institute, American Enterprise Institute, Cato Institute und die RAND Corporation gruppieren. Auch die Dogmen der Mont-Pelèrin-Gesellschaft, Heritage Foundation u.ä. wurzeln axiomatisch in dieser faschistischen Ideologie.

Typisch sind die erklärten Ansichten von Zbigniew Brzezinski, Samuel P. Huntington und Bernard Lewis, einem Veteranen des britischen Arabien-Büros, die alle miteinander zusammenarbeiten; ich habe dies schon in Berichten über die Implikationen der bekannten Ereignisse des 11. September 2001 zusammengefaßt. In den Vereinigten Staaten wird versucht, das Erbe des "Bürgersoldaten" - stellvertretend für diesen stehen in der Militärgeschichte Gerhard Scharnhorst in Deutschland und in Amerika das republikanische Erbe von Benjamin Franklin, Abraham Lincoln, General Douglas MacArthur und Präsident Dwight Eisenhower - zu zerstören und es durch eine neue, utopische Militärdoktrin zu ersetzen.

Bei Huntington/Brzezinski - Huntington spricht für die heute häufig offen selbsterklärten Universalfaschisten - kehrt das Bild des Militärs zu dem der römischen Legionen und der Waffen-SS der Nazis zurück: Heere von Berufskämpfern, aus verschiedensten Nationalitäten rekrutiert, sind Werkzeug des Todes im Dienste einer weltweiten, neurömischen universalfaschistischen Diktatur, die Völker jagt, einpfercht und keult, so wie es schon die Waffen-SS in der Tradition der römischen Legionen völkermörderisch praktizierte.

Im anglo-amerikanischen Bereich erwuchsen diese Universalfaschisten hauptsächlich aus dem Prozeß, mit dem die britische Fabian Society entstand. Zu den einflußreichsten Ideologen gehört Thomas Huxleys "Golem", H.G. Wells, dessen Offene Verschwörung von 1928 beispielhaft aufzeigt, wie die fabianische Methode die universalfaschistischen Einflüsse fördert - wie er bei den Fanatikern des Brzezinski-Umkreises wie der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright, die sich 1999 noch als Ministerin öffentlich als Wells-Anhängerin bekannte, zum Ausdruck kommt. Der Einfluß Bertrand Russells und seines Projekts einer "Vereinigung aller Wissenschaften" ist ein integraler Bestandteil dieser Kampagne für Universalfaschismus, wie sie Wells in der Offenen Verschwörung Schritt für Schritt in ihren Einzelheiten darlegt.

Das Hauptangriffsziel, das diese zeitgenössischen Universalfaschisten zerstören wollen, ist immer die Institution der neuzeitlichen souveränen nationalstaatlichen Republik und das Gemeinwohlprinzip. Man braucht nur Die Offene Verschwörung zu studieren und zu bedenken, daß Bertrand Russell sich deren Zielen öffentlich angeschlossen hat, um zu verstehen, wie die Einflüsse des Universalfaschismus intellektuell wirken und in den USA die auf sog. "Sozialwissenschaften" spezialisierten Bereiche an Universitäten und verwandten Stellen sowie Regierungsinstitutionen durchziehen.

Zusammengefaßt: Diese Universalfaschisten sind mit ihrer heutigen fanatischen Suche nach einer "integralistischen" "heidnischen Ethik" der moderne Ausdruck des Versuchs einer Wiederbelebung des Modells des alten Rom bzw. ähnlicher Imperien und der schlimmsten Aspekte des europäischen Mittelalters. Den Kern der Bewegung für Universalfaschismus, wie sie Brzezinski u.a. in den USA verkörpern, bildet eine Bewegung, die ihren Daseinsgrund darin sieht, die Institution des modernen Nationalstaats von der ganzen Erde zu tilgen und die nationalstaatlichen Regierungen durch eine Weltregierung zu ersetzen, die mit Mitteln der Bevölkerungskontrolle über die Bewohner eines weltweiten entmenschlichten Zoos herrscht.

Es gibt heute keine ernsthafte Gefahr für die Zivilisation auf diesem Planeten, die sich nicht meistern ließe, wenn diese Bedrohung beseitigt wäre. Um mich auf den Ausspruch eines berühmten Harvard-Professors zu beziehen: Wer sich weigert, die Bedeutung der Geschichte so ernst zu nehmen wie ich, der könnte bald gezwungen sein, das Schlimmste von dem, was ihn "nicht interessiert", zu wiederholen und am eigenen Leibe zu verspüren.

Deshalb wurzelt jede kompetente Beurteilung der gegenwärtigen Weltwirtschaftslage in einem entsprechenden Verständnis der bis heute fortwirkenden historischen Ursprünge der modernen Gesellschaft. Die folgende kurze Zusammenfassung dieses in anderen Publikationen ausführlicher behandelten Punktes sollte an dieser Stelle ausreichen.

In der Geschichte Europas vor dem 15. Jahrhundert - insbesondere seit der Entstehung des imperialen Rom mit den militärischen Eroberungen, die etwa mit dem Ende des Zweiten Punischen Krieges zusammenfielen - lag die gesetzgebende Macht in den Händen einer Figur, die dazu erwählt wurde, die Funktion eines heidnischen Oberpriesters (Pontifex Maximus) auszuüben. Diesem Kaiser oblag es vor allem, Auseinandersetzungen unter den diversen religiösen und kulturellen Gruppen, aus denen sich die Untertanen dieser pantheonischen Diktatur zusammensetzten, zu schlichten. Mit anderen Worten, der Pontifex Maximus nahm für seine Person das Recht in Anspruch, "Gott zu spielen" - so wie dies heute auch viele selbsterklärte, eifernde "Friedensstifter" tun möchten. So befand sich speziell das Römische Reich in einem permanenten Kriegszustand: Ständig wurden einige der vielfältigen religiösen und kulturellen Gruppen innerhalb oder am Rande des Reiches gejagt und dezimiert, wenn nicht sogar ganz vernichtet - ähnlich wie dies Brzezinskis und Huntingtons Verbündete heute vorhaben.

Dieser Zustand eines verkommenen Imperialismus antiker Reiche wie Babylon und Rom kennzeichnete auch die ultramontane Fraktion der mittelalterlichen Gesellschaft zwischen 300 und 1400. Diese Eigenschaft des mittelalterlichen Europa unter der Vorherrschaft des normannisch-venezianischen Bündnisses führte zu der gewaltigen Entvölkerung und Irrationalität des "finsteren Zeitalters" in der Mitte des 14. Jahrhunderts - einem Zeitalter des Völkermords, das eine Historikerin des 20. Jahrhunderts als "fernen Spiegel" des wahrscheinlichen Resultats dieses traurigen Jahrhunderts bezeichnete.

Die in der Funktion des Pontifex Maximus verkörperte oligarchische Ideologie unterteilte die Bevölkerung des Imperiums im wesentlichen in die Oligarchen und ihre Lakaien einerseits und die Masse der Untertanen andererseits. Diese unmenschlich, wie Vieh behandelten Untertanen, zerfiel wiederum in zwei Untergruppen: das eingepferchte, gehütete Vieh und das gejagte "abtrünnige" Vieh. Indem das imperiale Recht der ultramontanen Tradition die gehüteten und gejagten Untertanen zu Vieh reduzierte, reduzierte es gleichzeitig auch die Herrscher, den Pontifex Maximus eingeschlossen, auf den axiomatisch implizierten Status von Tieren. Der Brite Thomas Huxley hielt sich bekanntlich für ein solches Wesen, einen Tiermenschen wie die Bewohner von H.G. Wells' Insel des Dr. Moreau.

In einer imperialen oder vergleichbaren Gesellschaftsordnung wurde also die Masse der menschlichen Bevölkerung aller Kategorien im Sinne des vermeintlichen Interesses oder auch nur der Launen der herrschenden Autorität gehütet oder getötet. In der imperialen Gesellschaft (eingeschlossen alle sog. "ultramontanen", "integralistischen" oder "globalisierten" Gesellschaften) existierte also das Volk nur für die Bequemlichkeit der herrschenden Macht. Der moderne, souveräne Nationalstaat hingegen, wie ihn etwa die Verfassung der Vereinigten Staaten vorschreibt, existiert als Staat, um das Gemeinwohl aller gegenwärtigen und zukünftigen Generationen zu fördern.

Ich betone den entscheidenden, relevanten Punkt für die Gestaltung der heutigen Wirtschaftspolitik.

Der Staat ist also darüber Rechenschaft schuldig, ob er seiner Verpflichtung, dem Gemeinwohl zu dienen, gerecht wird. Das moralische Existenzrecht der Regierung bedingt, daß sie das Gemeinwohl aller lebenden Generationen und ihrer Nachfahren wirksam befördert. Keine Rechtsherrschaft, die dieses Prinzip verletzt, darf toleriert werden.

Die Vorstellung vom Gemeinwohl als oberster Rechtsgrundlage ist das Kennzeichen der zivilisierten Regierung einer modernen Gesellschaft. Diese Besonderheit definiert die moderne souveräne nationalstaatliche Republik, und sie bildete den Kern des ständigen Konflikts zwischen den Patrioten der Vereinigten Staaten und der britischen Monarchie zwischen 1776 und 1901 sowie der Auseinandersetzung zwischen Präsident Franklin Roosevelt und dem Premierminister der britischen Monarchie Winston Churchill im Zweiten Weltkrieg. Sie bildet den wesentlichen Unterschied zwischen dem amerikanischen System der politischen Ökonomie - stellvertretend im Werk von Hamilton, den Careys, List und Lincoln - und auf der anderen Seite dem neuvenezianischen, britischen Grundbesitzer-Finanziers-System von Adam Smith, Jeremy Bentham, der Mont-Pelèrin-Gesellschaft u.a.

Diese Funktion des Gemeinwohlprinzips ist nicht bloß Richtschnur oder Tradition. Sie hat eine konkrete funktionelle Grundlage in dem wesensmäßigen Unterschied zwischen Mensch und Affe, dem Unterschied zwischen dem menschlichen Individuum und allen anderen Lebewesen. Wie ich darlegen werde, ist diese Verbindung der Schlüssel zum Verständnis der physikalischen Prinzipien der Wirtschaft, von denen die gesamte kompetente Praxis der Staatskunst einschließlich der Wirtschaft wirksam und grundlegend abhängt.

Aus Gründen, die in diesem Bericht dargelegt werden, ist es nicht möglich, die Wirtschaftswissenschaft und die wirtschaftlichen Probleme, die der heutigen Weltkrise zugrunde liegen, innerhalb jener seltsamen Mischung aus Mystik und reduktionistischem Fanatismus zu verstehen, die heute nicht nur im Unterricht der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch der Mathematik im besonderen und der Naturwissenschaft allgemein üblich ist. Deshalb muß man für ein angemessenes Verständnis der Probleme politischer Gestaltung, die sich durch die gegenwärtige Krise stellen, auch bestimmte Fragen der Wissenschaftsmethode betonen. Der Aspekt der Wirtschaftswissenschaft, auf den ich in diesem Kapitel besonderes Gewicht lege, sind die tiefergehenden praktischen Implikationen realwirtschaftlicher Zyklen, insbesondere langfristiger Zyklen.

wird fortgesetzt

 

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