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Aus der Neuen Solidarität Nr. 14/2002

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Das Ende eines Wahns

- 2. Teil -

Von Lyndon H. LaRouche

Die folgende Schrift von Lyndon LaRouche erschien am 12. Januar 2002 und ist dazu gedacht, die methodischen Grundlagen eines dringend nötigen Wirtschaftsaufschwungs für Amerika zu umreißen. Wir veröffentlichen große Auszüge daraus in acht aufeinanderfolgenden Teilen.


A. Die physische Grundlage von Wirtschaftszyklen
Das Problem mit der Sinneswahrnehmung

A. Die physische Grundlage von Wirtschaftszyklen

An dieser Stelle muß ich definieren, was ich unter der Praxis der physischen Wirtschaftswissenschaft verstehe. Ich muß zeigen, warum diese Wissenschaft unverzichtbar ist, wenn man verstehen will, wie langfristige und andere physische Zyklen und Kapitalzyklen die Evolution der Wirtschaft von einem Punkt zum nächsten innerhalb solcher übergreifenden Zyklen bestimmen.

Die Wirtschaftswissenschaft sollte als Zweig der Physik definiert werden. Man versteht sie nach den gleichen universellen physikalischen Prinzipien, wie sie in jeder kompetenten Physik zuerst hypothetisiert und später experimentell bewiesen werden. In der Praxis bezieht man wirtschaftliche Messungen einer Gesamtgesellschaft auf allgemeine langfristige Zyklen von mindestens ein oder zwei Generationen Dauer. Man muß also bei Messungen wirtschaftlicher Erfolge bzw. Mißerfolge in einem Zeitraum von weniger als einer Generation Methoden anwenden, die an die Methoden erinnern, mit denen Kepler in der Astrophysik das Prinzip der universellen Schwerkraft entdeckte.

Kepler definiert die universellen physikalischen Prinzipien der Ordnung des Sonnensystems, indem er sich auf die langfristigen Zyklen bezieht, die vollständigen Umläufen und dem Zyklus aller Planeten-, Mond- und Kometenumlaufbahnen entsprechen, aus denen sich das gesamte System sichtbar zusammensetzt. Die Bewegung in jedem beliebigen, viel kürzeren Intervall muß als Ausdruck der Gesamtumlaufbahn gesehen werden - und nicht im Stile eines heutigen Wallstreet-Statistikers als kumulativer Effekt lokaler Bewegungen. Dies gilt für Wirtschaftszyklen ganz genauso wie für Sonnenzyklen. Dieses Denken in Prinzipien von Zyklen war im übrigen auch die Grundlage und das durchgängige Motiv in Gottfried Leibniz' Entdeckung des Kalkulus, die gedruckt erstmals im Jahre 1767 erschien. Das Prinzip, um das es hier geht, ist also keineswegs etwas Brandneues, sondern eine elementare, fundierte Frage der wissenschaftlichen Methode, die an allen höheren Schulen und Universitäten, die etwas auf sich halten, gelehrt werden sollte.

Die in den großen Plan des Universums eingebauten langen Zyklen beeinflussen entscheidend die Umstände, von denen alles Leben im Sonnensystem abhängt. Aber aus Gründen, die ich weiter unten darlegen werde, hindert dies den Menschen nicht daran, das Sonnensystem auf seine Weise zu verändern und zu verbessern - wenn auch nur graduell und über sehr, sehr lange Perioden gezielten Handelns, so wie das Leben selbst die Biosphäre auf der Erde hervorgebracht hat.

Wenn man Wirtschaftszyklen mit den so verbreiteten einfachen statistischen Methoden der heutigen Ökonomen mißt, begeht man den gleichen unwissenschaftlichen Fehler, den Kepler bei den astronomischen Lehren früherer Autoritäten wie dem Aristoteliker Claudius Ptolemäus, Kopernikus und Tycho Brahe aufdeckte. Die Natur einfach nur zu beschreiben, anstatt die in ihr wirkenden universellen physikalischen Prinzipien herauszufinden, ist die typische Narrheit geistig beschränkter Statistiker, die sich für Ökonomen halten. Jeder kompetente Astrophysiker seit Kepler hat eine berechtigte Abscheu vor dieser Narrheit. Wenn alle bekannten Wirtschaftsprognostiker, die meinen Vorhersagen widersprachen, völlig unfähig waren, selbst kompetente Vorhersagen zu erstellen - wenn nicht noch Schlimmeres - , so lag dies daran, daß sie sich weigern, dieses methodische Problem zu erkennen.

Die Ursache ihrer Unfähigkeit liegt zum großen Teil in der Inkompetenz der Wirtschaftswissenschaft, wie sie an den führenden Universitäten gelehrt und sehr oft auch von Ökonomen praktiziert wird. Hätten sie beispielsweise genau studiert und verstanden, wie Kepler die erste Annäherung an eine umfassende mathematische Physik schuf und wie diese später von Leibniz, Gauß und Riemann in dieselbe Richtung weiterentwickelt wurde, so hätten ihre Arbeiten über Wirtschaftszyklen und deren schlechter Einfluß auf die heutige Wirtschaftspolitik nicht solche katastrophalen Auswirkungen gehabt.

Es ist wichtig für heutige Wirtschaftswissenschaftler zu erkennen, daß Kepler sich als erster erfolgreich um die Gründung einer umfassenden mathematischen Physik bemühte. Er entwickelte einen umfassenden Ansatz, um die Wissenschaft von der Schiefertafel des Elfenbeinturm-Mathematikers zu befreien und die Mathematik zu zivilisieren, indem er sie aus der Welt abstrakter mathematischer Spekulationen in die reale Welt universeller physikalischer Prinzipien brachte. Die Entdeckung des experimentell definierten Prinzips universeller Schwerkraft durch Kepler ist der Ausgangspunkt für alle späteren Fortschritte bei der Entwicklung einer umfassenden modernen Physik. Deshalb bleibt es nicht aus, daß fruchtbare wissenschaftliche Köpfe automatisch immer wieder zu Keplers Argumenten zurückkehren - so wie Albert Einstein, als er die Bedeutung der Entdeckungen von Kepler und Bernhard Riemann neu bewertete.

Kepler stellte in der Marsumlaufbahn einige Anomalien fest, die Brahe übersehen hatte. Davon ausgehend erkannte er nicht nur, daß die Marsbahn elliptisch war, sondern auch, daß sich die Sonne in einem der beiden Brennpunkte dieser Ellipse befand. Kepler beobachtete, daß die mit Hilfe seiner Normung einer beobachteten Bahn angestellten Messungen die Möglichkeit ausschlossen, die Position oder die Bewegungsgeschwindigkeit des Planeten in einem unmittelbar anschließenden Abschnitt des Gesamtzyklus statistisch vorherzusagen.

Dazu muß man sämtliche "an der Tafel zeigbaren" Varianten euklidischer Mathematik über Bord werfen - z.B. die von Ptolemäus, Kopernikus, Brahe und Galilei. Kepler ging davon aus, daß in das Sonnensystem eine physikalisch wirksame Absicht eingebaut sein mußte, die die Eigenschaft der Umlaufbahn bestimmte. Diese Vorstellung einer Absicht bedeutete für Kepler, daß ein entsprechendes universelles physikalisches Prinzip existiert, das experimentell nachweisbar wäre - ein solches Prinzip war die von ihm entdeckte universelle Schwerkraft. Seitdem war für alle gebildeten Menschen diese Vorstellung einer universellen Absicht die Definition eines experimentell bewiesenen universellen physikalischen Prinzips.

Deshalb sollte jeder, der ein kompetenter Ökonom werden möchte, das entscheidende ontologische Paradox studieren, durch das Kepler zu einer historischen Entdeckung eines universellen physikalischen Prinzips, in dem Fall der Schwerkraft, gelangte. Ich fasse den Fall zusammen.

Kepler erkannte, daß man zwar die Umlaufbahn als Ganze mit experimenteller Präzision beobachten und wissen konnte, daß sich aber die Geschwindigkeit und Position des Planeten zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht als einfache statistische Projektion der vorangegangenen Bewegung vorhersagen ließ. Keplers Messungen ebneten den Weg zu Leibniz' späterer Entwicklung des Kalkulus, indem er aufzeigte, daß die Umlaufbahn dem Prinzip "gleiche Fläche, gleiche Zeit" folgt, wenn man die Winkelmessungen auf die relativ fixe Position der Sonne im Brennpunkt der Ellipse bezogen vornimmt. Die meßbare Tatsache "gleiche Fläche, gleiche Zeit" deutete darauf hin, daß etwas existierte und wirkte, das jenseits des statistischen Verständnisses der bloßen beobachteten Bewegungen des Planeten von einem Augenblick zum anderen lag. Kepler setzte diese Methode fort, indem er das Konzept harmonischer Verhältnisse zwischen den Umlaufbahnen im Rahmen der Ordnung des ganzen Sonnensystems entwickelte.

Auf die gleiche Art von Problem stoßen wir, wenn wir das Rätsel zu lösen versuchen, wie sich langfristige Wirtschaftszyklen und kurzfristige Veränderungen der Wirtschaftspolitik gegenseitig beeinflussen. Wenn wir mittel- bis langfristige Wirtschaftszyklen untersuchen, müssen wir die nachweisbaren physikalischen Prinzipien für jede Phase des Zyklus ableiten und die lokale Phase des andauernden Prozesses ausgehend von einer experimentell begründeten Einsicht in die Systemeigenschaften des Prozesses beurteilen, der den Zyklus als Ganzen definiert.

Um diesen Punkt noch einmal im Hinblick auf Keplers Werk zu wiederholen: Es gibt etwas außerhalb bzw. "hinter" der manchmal scheinbar einfachen Projektion von Trends, das die ironische, letztendlich widersprüchliche Beziehung zwischen statistisch festgestelltem kurzfristigen Resultaten und mittel- bis langfristigen Zyklen beherrscht und erklärt. Die Herausforderung ist also folgende: Gibt es ontologisch paradoxe, unleugbare empirische Erscheinungen, die unsere Erkenntniskraft auf die Suche nach einer entsprechenden Hypothese stoßen, welche uns wiederum zu einem experimentell definierten universellen physikalischen Prinzip führt? Dieses Wirken eines "äußeren" Prinzips steckt in dem Zyklus an sich, mehr oder weniger so, wie die Umlaufbahn als Ganze die kurzfristige Bewegung des Planeten bestimmt. In der Astrophysik oder in der Wirtschaftswissenschaft ist es ein universelles physikalisches Prinzip, das sowohl im Zyklus als Ganzem steckt als auch - solange nicht ein wirksames neues langfristiges zyklisches Prinzip hinzugefügt wird - die in jedem Augenblick beobachtbaren Eigenarten des Vorgangs erklärt.

Deshalb ist in der Physik und in den ihr angemessenen mathematischen Methoden das Geheimnis kompetenter Vorhersagen allgemein das gleiche, das Leibniz in seiner einzigartigen Entdeckung und beständiger Verfeinerung des Kalkulus entwickelte. Diese Entdeckung löste die Aufgabe, die Kepler zukünftigen Mathematikern hinterlassen hatte. Wir müssen erst den Zyklus entdecken, dann können wir in diesem funktionalen Bezugsrahmen die lokale Wirkung beurteilen.

Die langfristigen Zyklen sind die wichtigsten. Deshalb bin ich bei meinen Vorhersagen immer vom Standpunkt langfristiger Zyklen ausgegangen - so wie Gauß es bei der Entwicklung seiner allgemeinen Vorstellungen der Krümmung tat und wie Riemann später diese konzeptionelle Methode für die mathematische Physik allgemein nach und nach perfektionierte. Verläßliche langfristige Wirtschaftsprognosen sind auf diese konzeptionelle Herangehensweise angewiesen.

Natürlich greift der menschliche Wille dabei ein - aber wie? Ein wirksames Eingreifen muß immer den langfristigen Wirtschaftszyklus verändern, anstatt nur einen begrenzten Abschnitt dieses Prozesses! Der Zweck der Wirtschaftsvorhersage ist deshalb, zu entdecken, wie man möglichst kurzfristig eingreift, um die Eigenschaften des langfristigen Zyklus zu verändern, worin die Ereignisse momentan gefangen sind. Indem man die Eigenschaften des langfristigen Zyklus verändert, kann man auch den Effekt ändern, den der langfristige Zyklus auf das lokale Intervall ausübt.

Zur Veranschaulichung dieses Punktes:

Wenn wir ein neues universelles physikalisches Prinzip entdecken und es auf einen durch frühere Prinzipienentdeckungen definierten Prozeß bewußt anwenden, ändert sich durch das Hinzufügen des neuen Prinzips die charakteristische Wirkung in jedem Intervall dieses Prozesses. Es verändert die charakteristische Wirkung zielgerichteten menschlichen Handels auf das Universum. So ist z.B. die von Leibniz und Bernoulli entwickelte Vorstellung, daß isochrone Wege in physikalischen Prozessen implizit der Kettenlinie entsprechen, und nicht etwa einem Zykloid, typisch für die mathematisch-physikalische Idee, wie die Anwendung eines neuen Begriffs erweiterter Größe (d.h. eines neuen universellen physikalischen Prinzips) die bisherige Vorstellung von den Eigenschaften eines Prozesses verändert.

Dies ist der Schlüssel dazu, zu verstehen, wie wissenschaftlicher und technischer Fortschritt dazu tendiert, mittel- bis langfristig die Arbeitsproduktivkraft zu steigern. Tatsächlich ist das die einzige wahre Quelle für die Steigerung der realwirtschaftlichen Profitrate.

Das meine ich, kurz zusammengefaßt, wenn ich sage, eine Veränderung des Gesamtzyklus verändert das charakteristische Verhalten in den einzelnen Abschnitten dieses Prozesses. Das ist der Systemeffekt, den wir auslösen möchten, wenn wir ein neues Prinzip in Form neuer Technologie auf schon vorhandene Produktionsprozesse oder Produktentwürfe anwenden. Ich wiederhole noch einmal, um es zu betonen: Diese Veränderung der Prozeßeigenschaften ist die einzige wahre Quelle der Steigerung der Profitrate eines Wirtschaftsprozesses. Der durch den Prozeß ausgedrückte Prinzipienkomplex hat die Qualität eines mehr oder weniger langfristigen Zyklus. Indem wir durch das Medium neuer Technik ein zusätzliches Prinzip darin eingliedern, verändern wir die Eigenschaften dieses Zyklus und damit auch die charakteristische Wirkung in der lokalen Situation.

Ein langfristiger Zyklus spiegelt die Wirkung eines Komplexes universeller physikalischer Prinzipien auf das Universum wider. Mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt korrigieren wir vielleicht frühere falsche Annahmen, verändern aber ansonsten keines dieser Prinzipien. Wir bringen bewußt zusätzliche Prinzipien ins Spiel, so wie bei jeder erfolgreichen Entdeckung und Anwendung zuvor nicht erkannter universeller physikalischer Prinzipien. Indem wir ein solches zusätzliches Prinzip ins Spiel bringen und damit den langfristigen Zyklus verändern, verändern wir die charakteristische Wirkung, die Systemwirkung, im Kurzfristigen. Mit anderen Worten, wir verändern die physikalische Geometrie des Systems. Dieses Verändern ist eine typisch anti-entropische Wirkung. So bestimmt der wissenschaftliche Fortschritt die physische Arbeitskraft pro Kopf und pro Quadratkilometer.

Die häufigste Torheit meiner Widersacher in der Wirtschaftsprognose und verwandten Bereichen ist die, welche im Extremfall in Form der armseligen "Post hoc ergo propter hoc"-Prognostik des Mont-Pelèrin-Professors Milton Friedman daherkommt. [Die Schlußformel "post hoc ergo propter hoc" ("nach diesem also aufgrund dessen") macht aus einer zeitliche Abfolge eine kausale.] Kurven von Trends zu interpretieren, um realwirtschaftliche Prozesse vorherzusagen, ist völliger Quatsch, auf den heutige Buchhalter leider nur allzuoft verfallen. Sicherlich bestimmt die Vergangenheit die Bedingungen, auf denen die Gegenwart und Zukunft aufbaut, aber die einfache statistische Interpretation eines Trends der jüngeren Vergangenheit sagt uns nur eines, nämlich daß derjenige, der an solche Methoden der Vorhersage glaubt, aus den letzten 500 Jahren Fortschritt weniger als nichts gelernt hat.

Bei dieser Unterscheidung zwischen Volkswirtschaften und mechanischen Systemen geht es also um ein tiefgreifendes wissenschaftliches Prinzip.

Langfristiger Aufstieg oder Fall von Volkswirtschaften wird, wie ich gerade erklärt habe, dadurch bestimmt, daß eine gesunde Wirtschaft eine spezielle Eigenschaft besitzt, die durch einen inhärent anti-entropischen Prozeß definiert ist. Praktisch ist jede kompetente Messung der typischen Eigenschaften einer Volkswirtschaft mit steigender potentieller relativer Bevölkerungsdichte nichts anderes als die Messung des Ausdrucks der Anti-Entropie in den zyklischen Aspekten des Gesamtprozesses. Das Eingreifen durch ein zusätzliches universelles physikalisches Prinzip oder eine davon abgeleitete Technologie verändert die Eigenschaften der langfristigen und anderen Wirtschaftszyklen. Der realwirtschaftliche Gewinn, lokal oder im Großen, ist ein Ausdruck implizit meßbarer örtlicher Anti-Entropie. Deshalb konzentriert man sich bei kompetenter langfristiger Wirtschaftsprognostik auf die Beobachtung technologischer Veränderung, die entweder die Entropie oder die Anti-Entropie des Zyklus erhöht.

Um das bisher dazu Gesagte zusammenzufassen: Bei der Definition eines lang- oder mittelfristigen Zyklus ist das unmittelbare Ziel festzustellen, ob die "Flugbahn" des Zyklus bedeutet, daß bei seiner Vollendung die Entropie gestiegen oder gesunken ist. Das wohlbegründete Eingreifen hat dann die Funktion, entweder ein axiomatisches Element des Zyklus, das seine Entropie erhöht, zu beseitigen, oder ein anderes einzuführen, das hoffentlich die Anti-Entropie des Gesamtzyklus erhöht. Wahrer Profit, in Begriffen der physischen Ökonomie definiert, drückt einen Nettogewinn aus, der auf die anti-entropische Wirkung in der Wirtschaft zurückgeht. Für die langfristige Vorhersage der Entwicklung einer Realwirtschaft ist keine andere Definition von Profit erlaubt. Der Glaube an das Nullwachstumsmodell einer stabilen, sog. "tragfähigen" Wirtschaft ist keine Option, mit der eine Wirtschaft längerfristig überleben könnte.

Wenn man in einer durch ein fehlerhaftes Finanz-/Währungssystem verursachten realwirtschaftlichen Depression einen Aufschwung organisieren will - so wie heute - , dann besteht die wesentliche Aufgabe darin, die Charakteristik der Realwirtschaft als Ganzer aus dem Zustand immer größerer selbstverschuldeter Entropie zu befreien und in einen Zustand erheblicher Anti-Entropie zu verwandeln. Dies erreicht man hauptsächlich dadurch, daß man die Charakteristik des Gesamtsystems und nicht bloß die Summe aller individuellen produktiven und verwandten Handlungen verändert. Der Wert der Produktion besteht nicht in der Summe der geschätzten Werte an allen einzelnen Punkten. Er besteht in der relativen Anti-Entropie der Volkswirtschaft, als unteilbares Ganzes betrachtet.

Die gewünschte Verbesserung erreicht man durch eine Kombination von Maßnahmen. Man steigert den Anteil der nützlichen Beschäftigung an der potentiellen Gesamtbeschäftigung. Man hebt insgesamt das Niveau der Technik bei Infrastruktur, Produktion und Entwürfen von Produkten und Produktionsprozessen. Im weiteren Verlauf dieser Schrift werde ich diese Methode, einen Aufschwung herbeizuführen, noch im einzelnen erklären.

Das Problem mit der Sinneswahrnehmung

Die Kernfrage des wissenschaftlichen Prinzips in Politik und Wirtschaftswissenschaft, von der alles andere abhängt, lautet: Ist der Mensch nur ein Tier oder ist er mehr? Die meisten heutigen Ökonomen wären nicht gewillt und höchstwahrscheinlich auch nicht fähig, diese Frage zu beantworten. Das ist einer der entscheidenden Gründe für die erwiesene Inkompetenz der meisten "führenden" heutigen Ökonomen, wobei die radikalen Empiristen wie etwa die Anhänger Norbert Wieners und John von Neumanns die schlimmsten sind.

Das naturrechtliche Prinzip des Gemeinwohls beruht vor allem auf dem Umstand, daß der Mensch nicht bloß eine andere Form tierischen Lebens ist, sondern eine Eigenschaft besitzt, die den Tieren fehlt und die ein universelles physikalisches Prinzip ausdrückt. Entscheidender Beweis für diese besondere Eigenschaft ist die menschliche Fähigkeit, gültige, revolutionäre Entdeckungen experimentell nachweisbarer universeller Prinzipien zu machen. Die Folgen der Annahme oder Ablehnung dieses Prinzips - sofern es wirksam als universelles physikalisches Prinzip und als Gleichheitsprinzip verstanden wird - bilden die angemessene Grundlage für die Definition jedes zivilisierten Rechts.

Deshalb ist diese Qualität der wesentliche Bezugspunkt für jede Untersuchung von Wirtschaftszyklen.

Die Grundlage für ein richtiges Verfassungsrecht ist daher, daß sich das menschliche Verhalten und die Menschenrechte allein von den feststellbaren Implikationen des grundsätzlichen Unterschieds zwischen Mensch und Tier ableiten sollten. Der wissenschaftliche und damit auch der rechtliche Begriff vom Menschen sowie die übergreifende Idee des Rechts muß stets von den praktischen Implikationen dieser Unterscheidung abgeleitet werden. Wenn man in dieser Hinsicht die Wissenschaft durch eine religiöse Lehrtradition ersetzt, kann das in der Diskussion eines souveränen Nationalstaats nicht als Beweis für ein Rechtsprinzip gelten. Daß ein Zeuge selbst von der Wahrheit seiner Ansichten überzeugt ist, darf niemals an sich schon als Beweis dafür gelten, daß der Zeuge auch tatsächlich die Wahrheit sagt.

Diese Rechtsprinzipien haben axiomatische Autorität in der physischen Ökonomie und in der praktischen Politik, die über Erfolge und Mißerfolge der realwirtschaftlichen Entwicklung mitentscheidet. Verletzungen dieses realwirtschaftlichen Prinzips sind die Hauptursache aller wirtschaftlichen Katastrophen, die ein moderner Nationalstaat über sich selbst bringen kann.

Der sog. "ökologische" Unterschied zwischen Mensch und Tier ist, daß Tiere keine souveräne Erkenntniskraft haben, die das menschliche Individuum auszeichnet. Die Erkenntniskraft ist die Fähigkeit des Menschen, als Lösung eines richtig definierten ontologischen Paradoxes eine sinnvolle Hypothese aufzustellen und durch ein entsprechendes Experiment zu beweisen, daß diese Hypothese korrekt ist und ein universelles physikalisches Prinzip darstellt.

Der Tierökologe weiß, daß bestimmte Tierarten als Gattung fähig sind, sich an eine Umgebung anzupassen, dies aber von einer Kombination scheinbar unveränderbarer genetischer und ähnlicher Eigenschaften abhängt. Beim Menschen ist es anders. Mit Hilfe der Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien durch die Erkenntniskraft einzelner Menschen kann die Menschheit als Ganze ihr - wie Tierökologen vielleicht sagen würden - relatives ökologisches Potential als Gattung auf grundlegende Art und Weise so erhöhen, wie man es bei Menschenaffen und anderen Tiere nicht findet. Dies ist die Grundlage für meinen entscheidenden persönlichen Beitrag zur physischen Wirtschaftswissenschaft: den Begriff der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte.

Wenn ich hier von "Ökologie" im Sinne von "Tierökologie" spreche, bedeutet das keineswegs, daß ich die Methoden der Tierökologie auf den Menschen anwenden will, ganz im Gegenteil. Vielmehr nutze ich hier nur die experimentellen Implikationen der sokratischen Negationsmethode, um - ähnlich wie Pasteur, Curie und Wernadskij vor mir - die Existenz einer nicht-abiotischen Klasse universeller physikalischer Prinzipien zu definieren, die es innerhalb der landläufigen, aber falschen Vorstellung eines abiotischen Universums nicht geben kann. Daß ein als lebend bezeichneter Prozeß in einem abiotischen Medium nachweislich Wirkungen hervorruft, welche in einem axiomatisch abiotischen Bereich nicht erzeugt werden können, das ist die experimentelle Grundlage für die Definition des Lebens durch Pasteur und nachfolgende Forscher. Der Unterschied zwischen Menschen und Tieren läßt sich auf ähnliche Weise demonstrieren, indem man zeigt, daß das menschliche Verhalten eine physische Wirkung hervorruft, die innerhalb der axiomatischen Grenzen einer Tierökologie nicht zustandekommen kann. Jede kompetente Lehre und Praxis der Wirtschaftswissenschaft einschließlich der Prognose beruht auf dem Verständnis der elementaren Bedeutung dieser Unterscheidung zwischen drei unterschiedlichen Kategorien experimentell definierter Phasenräume.

Das ist allerdings noch nicht hinreichend. Wir sind damit bei einem entscheidenden Unterbereich meiner erfolgreichen langfristiger Vorhersagen angelangt, der Vorstellung nämlich, daß auch bestimmte Prinzipien der klassischen künstlerischen Komposition universelle physikalische Prinzipien sind. Man kann nicht ausreichend erklären, wie wirtschaftliche oder ähnliche Prozesse in der bisherigen Geschichte geordnet waren, wenn man bei der Untersuchung dieser Prozesse nicht auch die Bedeutung sozialer Beziehungen für die Definition möglicher Formen wissenschaftlicher Zusammenarbeit bei der Entdeckung und Nutzung universeller Prinzipien abiotischer und lebender Organisationen berücksichtigt.

Diese funktionelle Unterscheidung zwischen Menschen und niederen Lebewesen zeigt sich auch auf elementare Weise bei den funktionellen Unterschieden zwischen Sinneswahrnehmung und Wissen.

Meine eigenen Entdeckungen im Bereich der physischen Wirtschaftswissenschaft beruhten auf einer Weiterentwicklung der Argumentation zur Widerlegung der Angriffe Immanuel Kants gegen Leibniz, die ich als Jugendlicher begann und später gegen Ende des Weltkrieges wieder aufnahm. Ich meine damit den Angriff auf Leibniz, der den Kern von Kants berüchtigten "Kritiken" bildete. Dank dieser Beschäftigung mit einer Widerlegung Kants konnte ich die Bedeutung der Erkenntnis (Kognition) auf neuartige Weise definieren und später diese Definition weiter verbessern. Das Ergebnis hatte durchaus Übereinstimmungen mit den Resultaten der geistigen Übungen, die uns als die Sokratischen Dialoge Platons bekannt sind, oder mit Leibniz' Einsicht in das Prinzip der Platonischen Dialoge. Dennoch war die Art der Anwendung meine ganz eigene, in erster Linie als eine Reaktion auf den Einfluß von Leibniz auf meine Forschungen. Diese Entdeckung definierte eine Methode, die sich in der Folgezeit als die geeignetste für die Beurteilung der wesentlichen Eigenschaften langfristiger Wirtschaftszyklen erwies.

Wie ich bereits in früheren Veröffentlichungen dargelegt habe, vollzieht sich die Entdeckung eines universellen physikalischen Prinzips ausschließlich innerhalb der souveränen Erkenntnisprozesse des einzelnen menschlichen Geistes. Wir werden im weiteren sehen, welche Bedeutung dies für die Wirtschaft hat.

Die Tatsache dieser Souveränität stellt uns vor ein Paradox: Da niemand die Erkenntnisprozesse eines anderen Menschen bei der Erzeugung einer Hypothese direkt beobachten kann, wie läßt sich dann innerhalb der Gesellschaft eine effektive Zusammenarbeit bei der Anwendung solcher universeller Prinzipien organisieren? Entdeckungen von Prinzipien sind immer ein individueller Akt eines souveränen individuellen Geistes. Das ist aber (im sokratischen Sinne) paradox, weil der technische Fortschritt in der Gesellschaft keineswegs schon allein durch die Entdeckung eines solchen Prinzips durch einen einzelnen Menschen zustandekommt. Der Wille und das Wissen für eine wirksame Zusammenarbeit bei der Anwendung irgendeines entdeckten Prinzips ist nicht das Ergebnis einer rein individuellen Handlung, sondern eines sozialen Prozesses. Somit stellt uns die nachweisbar völlig souveräne Qualität der individuellen Erkenntnis vor ein echtes ontologisches Paradox.

Dies erzeugt wiederum eine ordentliche Sammlung vielfach verknüpfter, übergeordnet zusammengefaßter ontologischer Paradoxe. Zum Beispiel: Da wir nur durch die wirklich vorhandenen Auswirkungen einer Entdeckung in einer sozialen Umgebung wissen können, ob diese Entdeckung gültig ist, wie kann die Zusammenarbeit bei der Anwendung dieses Prinzips in der Gesellschaft organisiert werden? Da die Vermittlung akkumulierter aufeinanderfolgender Wissensfortschritte in Bezug auf universelle physikalische Prinzipien für die Aufrechterhaltung der menschlichen Spezies notwendig ist, ist es die Ordnung der damit verbundenen sozialen Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft bzw. zwischen mehreren Gesellschaften sowie von einer Generation zur nächsten, welche die Möglichkeit definiert, daß die Gesellschaft den Nutzen solcher Entdeckungen auch realisiert und die Ansammlung solcher kognitiven Erfahrungen von einer Generation an die nächste weitergibt.

wird fortgesetzt

 

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