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Aus der Neuen Solidarität Nr. 17/2002

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Das Ende eines Wahns

- 5. Teil -

Von Lyndon H. LaRouche

Die folgende Schrift von Lyndon LaRouche erschien am 12. Januar 2002 und ist dazu gedacht, die methodischen Grundlagen eines dringend nötigen Wirtschaftsaufschwungs für Amerika zu umreißen. Wir veröffentlichen große Auszüge daraus in acht aufeinanderfolgenden Teilen.


Der derzeitige nationale Notstand
A. Strukturreform der Beschäftigung

Einige Sofortmaßnahmen

Der derzeitige nationale Notstand

Wünschen Sie sich, daß die furchtbare Nacht, die derzeit die Welt verdunkelt, bald endet? Die meisten von Ihnen halten sich ängstlich an irgendeiner Fantasie fest, von der sie sich Sicherheit erhoffen. Inzwischen aber wird das Wetter schlimmer, als Sie es sich jemals vorgestellt haben. Viele klammern sich verzweifelt an trügerische Träume, in der Hoffnung, der schreckliche Sturm werde sich vielleicht doch wieder verziehen. Bald wird ein todesähnlicher Moment des Zwielichts kommen. Dann werden alle, die den Mut haben, sich der Wirklichkeit zu stellen, die Landschaft klarer erkennen. Die große Schlacht um die Weiterexistenz der menschlichen Zivilisation steht uns allen bevor.

Einige werden sein, wie Feiglinge immer waren. Manche werden sagen: "Ich war schon immer gegen Krieg, deshalb darf keiner von mir erwarten, daß ich kämpfe", oder: "Bitte belästigen Sie mich jetzt nicht mit solchen Dingen - rufen Sie mich wieder an, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin." Andere werden sein wie manche Insassen in den Konzentrationslagern, die versuchten, sich wenigstens eine Zeitlang mit ihren Unterdrückern zu arrangieren. Alle anderen müssen, damit die Zivilisation überleben kann, bereit sein, sich für radikale Veränderungen einzusetzen - weg von den Meinungen und Handlungen, welche die öffentliche Meinung in Europa und Amerika in den letzten 35 Jahren, manchmal sogar länger, beherrscht haben. Wir müssen versuchen, all die lebensmüden Seelen, die sich an ihre alten Gewohnheiten klammern wie ein Ertrinkender, der sich an den Anker des sinkenden Schiffes gekettet hat, wieder zur Vernunft zu bringen.

Wie ich bereits dargelegt habe, hat die Katastrophe, auf die die Menschheit derzeit zusteuert, hauptsächlich drei Ursachen.

Die erste Katastrophe war die Vorherrschaft eines anglo-amerikanischen Bündnisses von Finanziersinteressen im 20. Jahrhundert seit McKinleys Tod, das eine permanente Herrschaft des britischen Systems der politischen Ökonomie schaffen wollte. Unter "britischer Wirtschaft" versteht man ein System auf der Grundlage der Axiomatik von Empiristen wie Sir Francis Bacon, Thomas Hobbes, John Locke, Adam Smith, Jeremy Bentham, H.G. Wells, Bertrand Russell und Winston Churchill. Dieses britische System wird auch von den "amerikanischen Tories" angebetet. Dazu gehören der geadelte britische Einflußagent (Sir) Henry A. Kissinger und viele andere Vertreter des unter den Präsidenten Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson errichteten anglo-amerikanischen Blocks des 20. Jahrhunderts. Diese Verschmelzung britischer und amerikanischer Tory-Traditionen im 20. Jahrhundert ist die Grundlage des dekadenten, dahintaumelnden anglo-amerikanischen Systems der Gegenwart.

Die historisch größte Bedrohung dieses britischen Systems und seines anglo-amerikanischen Nachfolgers war seit drei Jahrhunderten immer mein "Amerikanisches System", das System von Benjamin Franklin, Alexander Hamilton, Abraham Lincoln und Franklin D. Roosevelt.

Die zweite Phase des Niedergangs des britischen Systems und seiner amerikanischen Tory-Komponente nach F.D. Roosevelts Tod ist der Marsch in den Untergang der Weltzivilisation, der in dem derzeitigen Währungs- und Finanzsystem der "freien Wechselkurse" seit 1971 langfristig vorprogrammiert war.

Die dritte Phase des moralischen und wirtschaftlichen Niedergangs des Systems der amerikanischen Tories ist seit 1989 die Kampagne zur Abschaffung des Nationalstaates und Schaffung eines universalfaschistischen neuen Römischen Weltreiches - u.a. als "Globalisierung" oder "Weltherrschaft des (neurömischen) Rechts" bezeichnet. Der unmoralischste Ausdruck hiervon sind die utopischen Dogmen der Nachfolger und geistigen Erben des Nashville-Agrariers Professor William Yandell Elliott.

Die Kombination und Wechselwirkung dieser drei Plagen der Weltzivilisation definiert den langfristigen Zyklus, der die Erde in die heutige Endphase einer weltweiten, systemischen und existentiellen Krise gebracht hat. Wenn wir die inhärenten axiomatischen Annahmen dieser drei kombinierten, kläglichen Phasen der Geschichte der letzten hundert Jahre nicht verändern, hat unsere Zivilisation in ihrer jetzigen Form in den kommenden Jahrzehnten nirgendwo auf der Welt eine Überlebenschance.

Die Tendenz der Pragmatiker zu sagen: "Jawohl, wir müssen das System reformieren - aber was Sie vorschlagen, geht zu weit", stellt somit eine der größten Gefahren für die Menschheit dar. Stur, aber mit selbstmörderischen Folgen, verweigern sie die Zustimmung zu jeder Reform, die irgendeine der wesentlichen Grundannahmen dieser drei Seuchen umstürzt: das anglo-amerikanische System, seit 1971 das System freier Wechselkurse sowie seit 1989 der zum Scheitern verurteilte Versuch der Gründung eines neuen Römischen Reiches anstelle der Nationalstaaten.

So haben wir jetzt einen Punkt erreicht, an dem die Korrupten und die Ängstlichen auf dem sinkenden Schiff eine bequeme Koje suchen, oder auch nur einen Sitzplatz auf dem Anker, indem sie nichts vorschlagen möchten, was ihre ohnehin schon hysterischen Mitpassagiere aufregen könnte. Wer aber vernünftig ist und will, daß die Zivilisation überlebt, wird meine Vorschläge vorziehen und unterstützen, selbst wenn sie manchmal dem, was er früher geglaubt hat, widersprechen.

A. Strukturreform der Beschäftigung

Eine große Gefahrenquelle für die Existenz von Unternehmen aller Art - ob Aktiengesellschaften, Privatunternehmen oder eine ganze Volkswirtschaft - ist heute, so wie in wachsendem Maße in den ganzen letzten 40 Jahren, der Einfluß einer Mentalität, die in der gängigen Vorstellung von Management in den letzten Jahrzehnten wurzelt. Der Fall des Leithammels Enron ist nur ein Beispiel dafür, daß alle, die sich an die Finanzpiraterie der letzten Jahrzehnte gewöhnt haben, eine Geschäftspolitik betreiben werden, die ihren Betrieb letztlich ruiniert - und das ausgerechnet im Namen "guter, pragmatischer Unternehmensführung".

In besseren, früheren Zeiten - das ist jetzt ein Vierteljahrhundert her - geschah es oft, daß ein Unternehmen, das lange Zeit außergewöhnlich erfolgreich gewesen war, einfach deswegen zugrunde ging, weil die schöpferische Persönlichkeit, die den Betrieb aufgebaut hatte, in den Ruhestand trat oder verstarb und deren gewinnorientierte Erben ein anderes Denken in die Unternehmensführung einführten. Beim Studium erfolgreicher Gründungen und Leitungen von Unternehmen stößt man - im Geschäftsleben wie im politischen Leben - häufig auf den Faktor persönlicher Führungsqualitäten, den viele Beobachter als fast zufällige persönliche Eigenart einer führenden Persönlichkeit einer erfolgreichen Organisation mißdeuteten. Tatsächlich waren es in der Regel gerade diese persönlichen Führungsqualitäten, denen das Unternehmen seinen relativen Erfolg verdankte, wo andere, vergleichbare Unternehmungen scheiterten.

Daß diese Kultur des beispielhaften, technisch fortschrittlichen, eng an die Person gebundenen Unternehmertums weitgehend ausgerottet wurde, ist ein typischer, fataler Ausdruck der wirtschaftlichen Dekadenz des derzeitigen anglo-amerikanisch beherrschten Weltsystems.

Wehe dem Unternehmen, das in die Hand von Erben fiel, die diesen Faktor der persönlichen Führung ignorierten und durch vermeintliches "modernes professionelles Management" ersetzten. Die sog. "Systemanalyse" ist eine der schlimmsten Tendenzen dieser inzwischen allumfassenden Dekadenz in der Unternehmensführung.

In einigen Fällen, wenn technische Innovation ein entscheidender Faktor des Erfolgs eines auf den Inhaber bezogenen Unternehmens war, war es der Verlust dessen, was manche als bloße "Eigenheiten" des Unternehmers mißdeuteten, was den Niedergang einleitete. Solche vermeintlichen persönlichen Eigenarten des Unternehmers - manchmal "Industriekapitän" genannt, eine nicht ganz zutreffende Bezeichnung - , konnte beispielsweise seine schöpferische Begabung als Ingenieur sein, in der sich leicht der für den geschäftlichen Erfolg ausschlaggebende Faktor ausmachen ließ. Der Faktor der individuellen Kreativität drückt sich allerdings auch auf andere Weise aus, nicht nur in technischer Innovation als solcher.

Das Prinzip, das ein erfolgreiches Unternehmen ausmacht, ist die Organisation des produktiven Unternehmens um die souveräne Erkenntniskraft einer führenden Person oder einer eng zusammenarbeitenden Gruppe einiger solcher Individuen. Die Aktionäre mögen am Gewinn beteiligt sein, aber nur die kognitiven Qualitäten der Unternehmensführung erzeugen das Wachstum, von dem ehrlicher Profit in der Privatwirtschaft herrührt. Das Problem war und ist, daß die Persönlichkeiten, die ihre kognitiven wirtschaftlichen Führungsqualitäten entsprechend entwickelt haben, nicht nur in der Bevölkerung im allgemeinen, sondern auch unter den professionellen Managern bisher dünn gesät sind. Die Vorstellung, man könne beispielsweise an der Wirtschaftsfakultät von Harvard oder Wharton qualifizierte Unternehmer heranbilden, war im wesentlichen eine schlimme Selbsttäuschung der "Bürokratenklasse" der Nachkriegszeit.

Schlimmer noch, die "Manager" werden in der Regel diese erfolgreiche Führungspersönlichkeit fürchten und ablehnen. Die meisten Manager hegen einen Groll gegen den fähigen Unternehmer, vor allem seit dem Aufstieg der Generation der "Organisationsmenschen", wie man sie in Amerika nannte, in den 50er Jahren. Das Gefolge des Managements war im letzten halben Jahrhundert immer mehr gegen die, wie sie es nannten, "autoritäre Persönlichkeit" des Unternehmers, und wo immer sie konnten, drückten sie die Unternehmensführung auf ein euphemistisch als "Management" bezeichnetes Mittelmaß herab, weil sie damit "besser zurechtkamen".

Wenn der "Industriekapitän" zurücktritt oder verdrängt wird, übernimmt das Gefolge die Herrschaft. Gewöhnlich besteht die nachfolgende Entwicklung dann in Korrosion und Niedergang, wie wir es bei so vielen einst gefeierten großen amerikanischen Unternehmen erlebt haben. Vielleicht hat die Gesellschaft das Glück, daß ein solches Unternehmen trotz seines kontinuierlichen Niedergangs kurz- bis mittelfristig weiterexistiert - langfristig aber ist ein solcher Niedergang wie eine ansteckende Krankheit, die das Verhalten von Unternehmen und Regierung generell vergiftet.

An diesem Punkt sollte man hervorheben, daß der gesamte Aufstieg der modernen Zivilisation aus dem Sumpf antiker Imperien und feudaler Tyranneien auf zwei untereinander verknüpften Prinzipien beruht: erstens das Prinzip des Gemeinwohls; zweitens die Verpflichtung zur Förderung dieses Gemeinwohls, indem man die produktive Funktion des Unternehmers schützt. Man könnte auch genausogut sagen, das Amerikanische System der politischen Ökonomie ist deshalb überlegen, weil der Nationalstaat die Notwendigkeit erkennt, die notwendige grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur bereitzustellen und die für eine befriedigende Gesellschaftsform entscheidende souveräne Erkenntniskraft des Individuums zu schützen. Der Unternehmer, der sich leidenschaftlich für das Gemeinwohl einsetzt, verbunden mit dem kognitiv inspirierten Impuls, durch die Arbeit seines Unternehmens die Welt zu verbessern, ist der Typus, den wir in unserer Wirtschaftspolitik anstreben und fördern sollten. Dem würde der erste amerikanische Finanzminister Alexander Hamilton voll zustimmen.

Ich habe bei der Untersuchung relevante Fälle festgestellt, daß es keineswegs ein Mysterium ist, warum der "Industriekapitän" da Erfolg hat, wo seine Nachfolger scheitern. Der Unterschied liegt in dem kognitiven Faktor, den ich auch der relativen kognitiven Mittelmäßigkeit von Leibniz' reduktionistischen Widersachern in der Wissenschaft gegenübergestellt habe. Dies gilt auch für die Gegner der Errungenschaften von Carl Friedrich Gauß und Bernhard Riemann. Das kann ich auch in meiner Eigenschaft als unbestreitbare Autorität auf dem Gebiet der langfristigen Wirtschaftsprognose bestätigen. Erfolg oder Scheitern aller Bemühungen um einen Aufschwung der heutigen amerikanischen Volkswirtschaft wird davon abhängen, ob dieser scheinbar unerklärliche kognitive Aspekt von Führungsqualität und Kompetenzverteilung, der hinter jedem großen Beitrag zum Gemeinwohl der Nation und Gesellschaft steckt, vorhanden ist oder nicht.

Kulturen, die solche scheinbar unerklärlichen natürlichen Resultate von Agape unterdrücken und nur noch allgemeine, bedrückende Mittelmäßigkeit bevorzugen, haben die moralische Überlebensfähigkeit verloren. Hier liegen die Gründe für den Untergang des Wirtschaftssystems in beiden Amerikas und Europas in den letzten Jahrzehnten. Wenn dieser langfristige zersetzende Trend zu bürokratischer, moralischer und intellektueller Mittelmäßigkeit in Politik und Wirtschaft nicht abrupt rückgängig gemacht wird, ist es praktisch sicher, daß die Vereinigten Staaten und andere Nationen in ihrer gegenwärtigen verfassungsmäßigen Form nicht überleben werden.

Der Leser wird in Reaktion auf meine Äußerungen die Frage stellen: "Warum sollten wir die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen unserer Politik und unserer Meinungen akzeptieren?" Die Antwort lautet: Sie werden diese Veränderungen nur akzeptieren und umsetzen, wenn sie wirklich wollen, daß die Nation überlebt. Die Entscheidung liegt offensichtlich bei Ihnen; irgendwann müssen Sie doch einmal die persönliche Verantwortung für die Folgen Ihrer Entscheidung in dieser politischen Angelegenheit übernehmen.

Betrachten wir nun nach diesen Bemerkungen zu den Rahmenbedingungen einige wichtige Beispiele für die durchgreifende Strukturreform, die im heutigen Amerika vonnöten ist.

Einige Sofortmaßnahmen

Der entscheidende Aspekt eines wirksamen wirtschaftlichen Erholungsprogramms wird eine drastische Neuordnung der Struktur der Beschäftigung und der Realeinkommen (d.h. des physischen Einkommens) in der Gesellschaft sein. Die allgemeine Stoßrichtung wird darauf hinauslaufen, die Veränderung der Zusammensetzung der Beschäftigung seit 1966-69 wieder rückgängig zu machen. Diese Umstrukturierung wird im wesentlichen durch eine Neuformulierung der Prinzipien des Währungs-, Finanz- und Steuersystems bewirkt werden. Die Stoßrichtung der Veränderungen muß mit den Verfassungsprinzipien übereinstimmen, die in den Berichten des ersten amerikanischen Finanzministers Alexander Hamilton an den Kongreß veranschaulicht sind.

So werden beispielsweise wesentliche Dienstleistungen der sog. "weichen" Infrastruktur generell rasch ausgeweitet werden - z.B. ein klassisch-humanistisches Bildungswesen, ein gut ausgebautes und leistungsfähiges Gesundheitswesen, wie mit dem Hill-Burton-Gesetz der Nachkriegszeit sowie die Umsetzung der Errungenschaften klassischer Physik allgemein. Stark steigen wird auch der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft, im produktiven Gewerbe und Ingenieurwesen sowie bei Bau und Erhaltung der "harten" Wirtschaftsinfrastruktur. Der Anteil der Beschäftigung in "Bürojobs", in Verkauf und nichtwissenschaftlichen Dienstleistungen wird massiv sinken. Dieser Wandel, diese Umkehrung des Trends der Veränderung der Beschäftigungsstruktur zur "nachindustriellen" Gesellschaft seit 1963, bildet in den unmittelbar vor uns liegenden Jahren die vorrangige wirtschaftspolitische Maßnahme, die für einen beschleunigten Anstieg der durchschnittlichen Arbeitsproduktivkraft insgesamt erforderlich ist.

Der Wiederaufbau der amerikanischen Wirtschaft wird im wesentlichen ein Ausdruck von zweierlei Prioritäten sein. Eine allgemeine Regel wird sein, daß die amerikanische Regierung vorrangig die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen muß, die im Sinne der nationalen wirtschaftlichen Sicherheit - so wie wir diese von 1933-64 definierten - erforderlich sind. Der zweite Hauptfaktor wird sein, mit hoher Priorität potentiell nützliche brachliegende realwirtschaftliche Werte, vernachlässigtes unternehmerisches Potential in Landwirtschaft und Industrie wieder nutzbar zu machen. Die richtige Richtung bei der Verwirklichung dieser beiden Ziele nationaler wirtschaftlicher Sicherheit wird uns dabei eine mittel- bis langfristige wirtschaftliche Entwicklungsperspektive angeben, deren Speerspitze eine wissenschaftsintensive Mission bildet, deren Grundlage wir umgehend entwickeln müssen.

Aus offensichtlichen praktischen Gründen werden die größten Veränderungen durch einen starken Anstieg öffentlicher und damit zusammenhängender Beschäftigung bei Bau und Erhaltung wesentlicher "weicher" und "harter" wirtschaftlicher Infrastruktur ausgelöst werden - genauso wie in der Aufschwungsphase von 1933-45 unter Franklin Roosevelt. Solche zusätzlichen Arbeitsplätze werden graduell wichtiger werden als die Wiederbesetzung abgebauter Arbeitsplätze in der privaten Industrie und verwandten Bereichen. Der privatwirtschaftliche Beschäftigungssektor, der neben dieser grundlegenden Wirtschaftsinfrastruktur am schnellsten wachsen sollte, ist das technisch innovative, vorwiegend mittelständische Unternehmertum.

Amerikanische Politiker und andere sollten sich daran erinnern, daß es nicht die riesigen Aktiengesellschaften waren, denen die USA ihren wirtschaftlichen Erfolg verdankten. Es war das mittelständische Unternehmen, das von einer oder wenigen Unternehmerpersönlichkeiten mit außerordentlichen wissenschaftlichen oder entsprechenden Qualitäten geführt wurde. Diese in der jeweiligen Stadt oder Region verankerten Unternehmen versorgten die Großunternehmen mit innovativen Technologien, auf denen diese Konzerne ihren - manchmal unverdienten - guten Ruf aufbauten.

Zum anderen wird der wirtschaftliche Aufbau aus besonderen aufgabenorientierten Projekten, wie etwa Programmen zur Erforschung des Weltalls, Nutzen ziehen. Dabei wird man sich an Präzedenzfälle solcher militärischen und zivilen "Crashprogramme" orientieren - z.B. in Frankreich unter Minister Jean-Baptiste Colbert oder später Lazare Carnot und der Ecole Polytechnique - , die entscheidend zum Anstieg der Arbeitsproduktivkraft und des Lebensstandards beitrugen. Weil den meisten Ökonomen selbst ein elementares Wissen der Prinzipien der Technik fehlt, wird der Grund für den einzigartigen Erfolg dieser Programme - wie etwa das amerikanische Mondfahrtprogramm vor 1969 und besonders Kennedys "Crashprogramm" für die bemannte Mondlandung - im allgemeinen leider nicht kompetent erfaßt.

Kurz- und mittelfristig wird der Beschäftigungsanstieg im wesentlichen zwei sich überlappende Entwicklungen betreffen. Zuerst liegt der Schwerpunkt auf dem Wiederaufbau der physischen Kapazität der Güterherstellung in der heutigen standardisierten Qualität sowie der grundlegenden Infrastruktur, bis die Beschäftigung annähernd wieder so zusammengesetzt und prozentual verteilt ist, wie es vor mehr als einem Vierteljahrhundert - vor der Katastrophe unter Carter und Brzezinski - der Fall war. Das bedeutet, daß Regierung und Bankenwesen die Beschäftigungsstruktur gezielt verändern müssen, weg von technisch nicht qualifizierten Verkäufer- und Dienstleistungsjobs und hin zu ungefähr den Kategorien und Anteilen der verfügbaren Arbeitskraft, wie sie vor mehr als einem Vierteljahrhundert üblich waren.

Hinzu kommen großangelegte Vorhaben in den Bereichen Massenverkehr und Massengütertransport, Energieerzeugung und -verteilung, Wasserwirtschaft und Abwasser sowie Bildungs- und Gesundheitswesen, die im wesentlichen durch die Ausgabe von der Regierung geschöpfter niedrigverzinster langfristiger Kredite finanziert werden. Wie unter Präsident Franklin D. Roosevelt in den 30er Jahren wird der wichtigste Faktor des realwirtschaftlichen Wachstums zu Anfang bei großangelegten öffentlichen Vorhaben in diesen Infrastrukturkategorien zu finden sein.

Diese Anfangsphase des Wiederaufbaus der Realwirtschaft und der Beschäftigung überlappt sich mit einem anfangs allmählichen, dann aber immer rapideren Faktor wissenschaftlichen und technischen Fortschritts. Von der Regierung organisierte forschungsintensive Programme wie das Raumfahrtprogramm werden als wichtiges Element technische Spin-Off-Effekte erzielen, welche den Anstieg der Produktivität pro Kopf beschleunigen. Wie im Falle der "Spillover"-Wirkung des Mondlandeprogramms - insbesondere vor den maßgeblichen Kürzungen 1966-67 - wird der allgemeine Produktivitätsanstieg sich schon im ersten Jahrzehnt des Aufschwungsprogramms auf die Produktentwicklung und die Verbesserung der Produktionsprozesse in vielen Bereichen auswirken.

Diese Investitions- und Beschäftigungsprogramme werden gesteuert durch eine Kombination von Veränderungen der amerikanischen Geld-, Kredit- und Steuerpolitik. Die Politik wird darauf angelegt sein, langfristig die wirtschaftliche Zukunft der nächsten ein bis zwei Generationen zu gestalten. Kurz, wir entwerfen den nächsten langfristigen realwirtschaftlichen Zyklus; wir geben der "Bahn" des Wirtschaftszyklus' eine "Absicht", welche schon in die nächsten Wirtschaftszyklen vorweg wirkt. In der Fünften Republik unter Präsident Charles de Gaulle bezeichnete man das als "indikative Wirtschaftsplanung", im Gegensatz zur sozialistischen "Planwirtschaft". Der Privatsektor der amerikanischen Wirtschaft muß wieder hauptsächlich eine Wirtschaft des Unternehmers sein statt einer des "Shareholder Value", eine produktionsorientierte statt verbraucherorientierte Ökonomie, wie ich jetzt noch einmal kurz darlegen werde.

Im Britischen System, das Karl Marx zu Unrecht als wissenschaftlichste Version des "Kapitalismus" hochhielt, dient die Wirtschaft den Sonderinteressen eines politischen Systems im Dienst der Interessen einer Finanzoligarchie nach venezianischem Vorbild und ähnlicher oligarchischer Fraktionen. In diesem oligarchischen System erfüllt die britische Monarchie die Funktion eines "Erbdogen" einer imperialistischen maritimen Weltmacht. Hobbes, Locke, Mandeville, Adam Smith und Jeremy Bentham verkörpern, was (Sir) Henry Kissinger als Grundlage der britischen Ideologie gelobt hatte.

Das amerikanische verfassungsmäßige System der politischen Ökonomie, wie es u.a. von Hamilton, Friedrich List und Henry C. Carey geprägt wurde, ist im Gegensatz zum britischen System durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet. Seine Funktion besteht in der Sicherung der Landesverteidigung und Förderung des Gemeinwohls durch realwirtschaftliche Maßnahmen, die einen Anstieg der Arbeitsproduktivkraft pro Kopf wie pro Quadratkilometer der Gesamtlandfläche bewirken.

Entsprechend gibt es zwischen dem Amerikanischen System und dem Britischen System zwei hervorstechende strukturelle Unterschiede. Im Britischen System liegt die Befugnis zur Geld- und Kreditschöpfung bei privaten Finanzinteressen - typisch ist etwa die Rolle der Bank von England. Nach der amerikanischen Verfassung liegt die völlig souveräne Autorität der Republik, Banknoten auszugeben und nach Gutdünken Kredit (Staatsschuld) zu schöpfen, souverän beim Amt des Präsidenten, jedoch mit Zustimmung des Bundesparlamentes. Der natürliche Ausdruck des Amerikanischen Systems ist, daß kein Zentralbanksystem die bestimmende Rolle spielt, sondern eine Nationalbank - insofern ist das gegenwärtige Federal-Reserve-System eigentlich verfassungswidrig.

Im Amerikanischen System liegt die Verantwortung für Entwicklung und Erhalt der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur in der gemeinsamen Verantwortung der Bundesregierung und der Regierung der Bundesstaaten. Die Entwicklung und Instandhaltung der Infrastruktur geschieht unter der Leitung der entsprechenden Behörden auf staatlicher und bundesstaatlicher Ebene, etwa durch ein System regulierter öffentlicher Einrichtungen im Rahmen einer Arbeitsteilung zwischen diesen beiden wichtigsten Ebenen der Regierung.

Wie das Beispiel der Tennessee Valley Authority (TVA) zeigt, bildet der Aufbau und Unterhalt der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur die Grundlage, um privates Unternehmertum in die Lage zu versetzen, durch Investitionen in technischen Fortschritt zu prosperieren.

Alle kompetenten Maßnahmen für den Wiederaufbau müssen deshalb auch die Absicht verfolgen, die amerikanische Wirtschaft aus den lähmenden Fesseln der Einflüsse des Britischen Systems zu befreien und wieder ganz zum Amerikanischen System der politischen Ökonomie zurückzukehren. Hoffentlich wird sich auch das Vereinigte Königreich dieser Reform anschließen.

wird fortgesetzt

 

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