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Aus der Neuen Solidarität Nr. 20/2002

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Das Ende eines Wahns

- Letzter Teil -

Von Lyndon H. LaRouche

Die folgende Schrift von Lyndon LaRouche erschien am 12. Januar 2002 und ist dazu gedacht, die methodischen Grundlagen eines dringend nötigen Wirtschaftsaufschwungs für Amerika zu umreißen. Wir veröffentlichen große Auszüge daraus in acht aufeinanderfolgenden Teilen.


Internationale Maßnahmen
Helft Afrika!

Die Landbrücke als Syndrom

Fazit: Die Tragödie vermeiden

Internationale Maßnahmen

Eines der unverzichtbaren Grundelemente jedes Wirtschaftsaufschwungs aus der heutigen Zusammenbruchskrise ist eine völlige Umkehrung des Trends der letzten Jahrzehnte zum "globalisierten Freihandel". Die amerikanische Wirtschaft veranschaulicht treffend diesen allgemeinen Punkt.

Während die amerikanische Realwirtschaft seit über 30 Jahren durch radikalmonetaristische Maßnahmen systematisch zerstört wurde, konnten die USA - ähnlich wie das jahrhundertelange britische Empire - ihre Macht aufrechterhalten, indem sie sich immer mehr von, wie es euphemistisch heißt, "unsichtbaren Einnahmen" abhängig machten. Die USA sind inzwischen praktisch ein Parasit, der vom Tribut anderer lebt, z.B. in Form eines steigenden Handelsbilanzdefizits und der Einverleibung enormer monetär-finanzieller Geldströme in Amerikas hochspekulative Finanzmärkte.

Mit Hilfe der Kontrolle anglo-amerikanischer Finanzinteressen über den Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde das Weltfinanzsystem so umgestaltet, daß dies möglich wurde. Indem man die finanzielle Macht auf diese Weise bündelte, konnten die USA physisch existieren und sich als der große Welterfolg präsentieren, der sie nie waren, indem sie immer mehr Billigprodukte aus abhängigen Nationen in aller Welt einführten, um die Lücke, die durch den systematischen Abbau von Landwirtschaft und Industrie der amerikanischen Binnenwirtschaft entstand, auszufüllen.

Versuchen Sie einmal, in einem Geschäft in Moskau ein Produkt aus russischer Herstellung zu finden, oder - mit nur wenig höheren Erfolgschancen - in einem amerikanischen Einkaufszentrum ein Produkt, das in den USA gefertigt wurde! Wie jeder amerikanische Haushalt beim Einkauf praktisch erfahren kann, hat die amerikanische Nation nur dank ihrer Funktion als "Importeur der letzten Instanz" überlebt. Die USA erpressen ihr Nationaleinkommen als Tribut von außen und geben dann einen Teil davon für die Billigprodukte aus, welche die früher von amerikanischen Arbeitskräften hergestellten Güter ersetzen. Auf diese Weise wurden die USA der Markt, von dem das Finanzeinkommen der produzierenden Nationen abhing; so wurden die USA der "Kreditgeber der letzten Instanz" und demnächst auch der "Bankrotteur der letzten Instanz".

Wir betonen damit, daß sich die Stellung der USA als "Importeur der letzten Instanz" schon vor über einem Jahr ihrem Ende näherte. Nationen, die sich von dieser künstlichen, befristeten Rolle der USA als Markt für Billiglohngüter u.ä. abhängig gemacht hatten, leiden darunter, daß sie ihren Haushalt nicht mehr durch Ausfuhren ausgleichen können. Dabei handelt es sich um langfristige wie auch jüngste zyklische Trends, die alle die Dringlichkeit einer Umkehrung von den jahrzehntelangen Trends zu "Freihandel" und "Globalisierung" zeigen.

Die unmittelbare Ursache für diesen jüngsten Trend erkennt man, wenn man die amerikanische und die Weltwirtschaft vom Standpunkt meiner 1995 veröffentlichten "Kollapsfunktion" betrachtet. Die offiziellen Statistiken von Regierungen, Währungseinrichtungen und Privatgruppen sind zwar höchst unzuverlässig, aber wenn man für die groben Fehler und sogar Betrug, die für solche Berichte in den letzten beiden Jahrzehnten nachweislich typisch sind, eine genügend große Fehlerbreite einräumt, so wird doch deutlich, daß bei dem Trend der in der Kollapsfunktion ausgedrückten Daten in den letzten beiden Jahren ein kritischer Schwellenwert erreicht wurde. Die USA sind an dem Punkt angelangt, wo der Umfang der Geldemission, der erforderlich ist, um den nominellen Handelswert der Finanzpapiere auf dem Markt zu halten, so stark zugenommen hat, daß dieser erforderliche Geldzufluß selbst schon höher ist als die Summe, die damit umgeschuldet wird.

In einer Realwirtschaft hängen realwirtschaftliche Stabilität und Wachstum davon ab, daß ausreichend neues physisches Kapital aus vorhandener Produktion und Umlauf von Gütern erzeugt und eingesetzt wird. Unter den Bedingungen eines aufgezwungenen "Freihandels" wird die reale Nettokapitalbildung negativ, weil die Preise auf ein Niveau gedrückt werden, welches die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Produktionskosten nicht mehr deckt. Sog. "Sparmaßnahmen" mit dem Ziel einer Konsolidierung des Finanzhaushalts durch die Ausbeutung von physischem Kapital und von Menschen sind die Ursache der systemischen zyklischen Abwärtskurve des realen Outputs in der Kollapsfunktion.

Deshalb muß man, wenn man irgendeine wichtige Volkswirtschaft bzw. die ganze Weltwirtschaft wieder über die realwirtschaftliche Rentabilitätsgrenze bringen will, die Maßnahmen, die im Namen des "Freihandels" ergriffen wurden, wieder rückgängig machen. Wenn man das nicht tut, ist eine wirtschaftliche Erholung aus dem derzeitigen Systemkollaps unmöglich.

Dies bedeutet, daß wir die protektionistische Politik, die das Amerikanische System der politischen Ökonomie kennzeichnet, wieder einführen müssen. Dazu gehört auch, die Produktion wieder ins Land zurück zu holen und parallel dazu die Schaffung einer positiven Netto-Kapitalbildung in der Produktion der Volkswirtschaften als ganze. Ob sich das System erholt, hängt davon ab, ob diese Kapitalbildung, im wesentlichen durch die Herstellung realer Güter, wirklich erfolgt. Diese Kapitalbildung liefert dann wiederum die Grundlage für die staatliche Kreditschöpfung, die zur Finanzierung des Aufschwungs erforderlich ist.

Ich verweise hier nochmals auf den Bericht Dr. Wilhelm Lautenbachs auf einem Geheimtreffen der Friedrich-List-Gesellschaft 1931. In einer Wirtschaftsdepression Sparpolitik zu betreiben, ist reiner Wahnsinn. Diese "Fiskalausterität" führt dazu, daß immer mehr produktive Ressourcen - große Teile der Arbeitskraft und der Produktionskapazitäten - brachliegen. Mit anderen Worten, Sparpolitik unter Bedingungen einer Wirtschaftsdepression zerstört gerade das produktive Potential, das man braucht, um die Depression zu überwinden! In jeder Wirtschaftsdepression ist eine vernünftige und moralische Regierung verpflichtet, die Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen, unter denen brachliegendes produktives Potential wieder sinnvoll eingesetzt werden kann. Der Mechanismus dafür ist der gelenkte staatliche Kredit.

Hätte Deutschland 1931 die von Lautenbach vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen, wäre Adolf Hitler niemals an die Macht gekommen.

Wenn wir die Lehren aus dem Roosevelt-Aufschwung und, was eng damit zusammenhängt, aus dem wesentlichen Beitrag des Protektionismus zu den erfolgreichen Beziehungen zwischen Nord- und Südamerika, Europa und Japan von 1945-64 anwenden, so erhalten wir die Bestätigung eines allgemeinen Prinzips und ein nützliches Argument dafür, heute ein auf Gleichberechtigung gegründetes, multipolares System internationaler Zusammenarbeit im Währungsbereich und verwandten Bereichen aufzubauen.

Erforderlich dazu ist die Architektur eines Goldreserve-Systems, das mit dem der 50er Jahre vergleichbar ist. Diese nützliche Idee des Goldreservestandards darf man aber nicht mit dem Goldstandard verwechseln, wie ihn London vor Roosevelts Neuerungen benutzte, der sich unausweichlich schädlich auswirkt. Man könnte das System auf den US-Dollar gründen oder aber auf eine neuartige Handhabung des Konzepts der Sonderziehungsrechte des IWF aus den 70er Jahren. Wenn man Sonderziehungsrechte in einem grundlegend neuorganisierten Weltwährungssystem als Goldreserve-Einheit ausweist, könnte dieses System erfolgreich funktionieren, sofern man bestimmte andere Maßnahmen als integrale Bestandteile in die Vereinbarung aufnimmt.

Betrachten wir zwei Klassen solcher Vereinbarungen: ein allgemeines Handels- und Kreditabkommen und den dazu entsprechend notwendigen "Technologiemotor" für die Weltwirtschaft. Als Paradigma für die erste dieser unverzichtbaren Vereinbarungen könnte man das Ziel einer internationale Zusammenarbeit souveräner Nationalstaaten im Sinne Alexander Hamiltons angeben. Für die zweite Klasse von Vereinbarungen stehen Großprojekte. Die beiden Großprojekte, die wir hier als Illustration verwenden, sind die "Eurasische Landbrücke" oder "Neue Seidenstraße" sowie die internationale Zusammenarbeit an jeweils nationalen wissenschaftsintensiven Langzeitprojekten wie z.B. Raumfahrtprogrammen.

Es gibt zwei Arten von Sport. Die eine beruht darauf, daß Einzelspieler oder Teams gegeneinander antreten. Bei der anderen stellt sich der Sportler bzw. das Team selbst eine Aufgabe und fordert andere heraus, das gleiche zu tun. Bei den Beziehungen zwischen souveränen Nationalstaaten sollte man dem zweiten Modell folgen, d.h. alle arbeiten gemeinsam daran, immer bessere Wege zu finden, wie jeder sich selbst verbessern kann. Es geht darum, die Menschheit endlich aus dem Dschungel herauszuholen und anstelle eines Football- oder computerspielartigen Konkurrenzkampfes eine zivilisierte Form der Zusammenarbeit zur Verbesserung der nationalen Lebensbedingungen zu beginnen.

So gesehen kann man die heutigen Aufgaben der Gemeinschaft souveräner Nationen darin zusammenfassen, wie die Anstrengungen der Menschheit zur Beherrschung der Erde und jene zur Beherrschung des Weltraums einander ergänzen. Nehmen wir Afrika als Beispiel.

Helft Afrika!

Das größte soziale und politische Problem unserer Tage läßt sich auf folgenden Kernpunkt bringen: Wenn die Oligarchen durchsetzen, daß wir die Idee einfach hinnehmen, man könne einen Teil der Menschheit wie wilde Tiere jagen und einpferchen, dann kann auch kein anderer Teil der Menschheit rechtmäßig beanspruchen, von einer solchen Behandlung verschont zu bleiben. Die ungelöste Frage Afrikas wird somit zur moralischen und wirtschaftlichen Schicksalsfrage, von deren Lösung das Gemeinwohl der ganzen Menschheit abhängt.

Obwohl die Zusammenarbeit Westeuropas und Rußlands mit China, Indien u.a. zur Anhebung des Lebensniveaus in Eurasien derzeit die wichtigste historische Aufgabe für die ganze Menschheit ist, wird ein Erfolg in Eurasien wahrscheinlich nur dann von Dauer sein, wenn das brutale Unrecht, das die moderne europäische Zivilisation an Afrika begangen hat - u.a. der Handel mit Sklaven aus Afrika, um diese in Nord- und Südamerika auszubeuten - wieder gut gemacht wird.

Die Kombination offensichtlicher, vergleichbarer Entwicklungsziele für Eurasien und die Amerikas setzt einen langfristigen Maßstab für die kommenden Menschheitsgenerationen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen diese Kontinente sich Afrikas beispielhaft annehmen. Und nach welchem Prinzip wir die Probleme Afrikas anpacken, das wird umgekehrt auch eine Bewährungsprobe und ein Vorbild dafür sein, wie wir über den derzeitigen und zukünftigen Zustand der Menschheit überhaupt denken.

Die besondere Verantwortung der internationalen Gemeinschaft gegenüber dem afrikanischen Kontinent besteht darin, genug Hilfe zu leisten, daß die großen Infrastrukturbedürfnisse des Kontinents in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen afrikanischen Regierungen befriedigt werden können. Bei dieser Hilfe sollte man erkennen, welches langfristige Potential der Kontinent besitzt, die hohe Konzentration an Mineralien und anderen Ressourcen seiner Biosphäre für gegenwärtige und zukünftige Erfordernisse souverän zu entwickeln. Betrachten wir Afrika als Ausdruck der Noosphäre und bereiten wir uns darauf vor, seine Biosphäre entsprechend zu entwickeln.

Die wesentlichen Projekte, auf die sich die internationale Gemeinschaft zu diesem Zweck konzentrieren sollte, sind erstens die Bereiche langfristiger Entwicklung des Verkehrswesens, der Wasserwirtschaft, der Energieerzeugung und -verteilung sowie der Stadtentwicklung. Zweitens die Entwicklung des Bildungs- und Gesundheitswesens. Zu diesen Aufgaben gehört auch, langfristig die Sahara in eine wirtschaftlich moderne, bewohnbare Region zu verwandeln - im wesentlichen durch den langfristigen Ausbau großangelegter wirtschaftlicher Infrastruktursysteme im Rahmen der Infrastrukturentwicklung auf dem gesamten afrikanischen Kontinent.

Nach dem Sieg der USA über die Konföderierten im Bürgerkrieg 1861-65 hatte man angefangen, in solchen Perspektiven über Afrika zu denken. Die Idee einer durchgehenden Eisenbahnlinie von Kapstadt bis Kairo war zwar britischer imperialer Dünkel, sie drückte aber dennoch aus, daß eine natürliche Entwicklungsachse den Nil flußaufwärts bis zur Region der Großen Seen und dann weiter bis zur Südspitze Afrikas existiert. Das französische Vorhaben aus der Zeit vor Faschoda (1898), eine Eisenbahn südlich der Sahara von Dakar nach Dschibouti zu bauen, ist ein weiteres Beispiel. Es gibt zahlreiche weitere große Pläne, von denen ich, wie öffentlich nachzulesen ist, seit 1975 in Zusammenarbeit mit anderen viele angesprochen habe.

Dabei habe ich immer betont, daß man nicht an Eisenbahnverbindungen an sich denken sollte, sondern vielmehr erkennen sollte, daß - wie es auch bei der Entwicklung des transkontinentalen Eisenbahnnetzes der USA in den besten Fällen war - bei den Hauptverbindungslinien des Festlandes der Transportweg immer nur ein wesentlicher Bestandteil eines ganzen Entwicklungskorridors handelt, zu dem genauso auch Wasserwirtschaft, Energiegewinnung und -verteilung sowie neue urbane Knotenpunkte gehören. Amerika und Eurasien sollten es als ihre wichtigste gemeinsame Verantwortung betrachten, Afrika die nötige Hilfe zu liefern, um im verarmten Afrika schnell ein Netz von Entwicklungskorridoren zu schaffen, ohne die keine wirksame Entwicklung Afrikas möglich ist.

Wenn man den gezielten Ausbau solcher Entwicklungskorridore durch allgemeine Gesundheits- und Bildungssysteme ergänzt, ist damit der Kern einer wesentlichen Infrastruktur für eine unabhängig lebensfähige Wirtschaft vorhanden.

Man muß nicht nur betonen, daß umfangreiche Hilfe für den Aufbau eines solchen Netzes von Entwicklungskorridoren dringend notwendig ist, ebenso wichtig ist, daß dieser Aufbau von den Afrikanern selbst mit Hilfe von außen geleistet wird. Man kann die Wirtschaftsentwicklung nicht wie Frachtgut über ihrem Kontinent abwerfen. Ein gutes Beispiel für die Methode, mit der dies erfolgreich zu schaffen wäre, ist die Einrichtung von Arbeitsgruppen wie denen, die in Ägypten für die Zusammenarbeit mit dem Sudan aufgebaut wurden, bis dies von ausländischen Mächten beendet wurde. Anzustreben ist ein stufenweiser Technologietransfer, in dessen Verlauf ein immer größerer Anteil an den Entwicklungsvorhaben von Mitarbeitern aus der örtlichen Bevölkerung in der Nähe der Projekte übernommen und geleitet wird.

Das eigentliche Ziel ist, qualifizierte Arbeitskräfte zu entwickeln, die einen wachsenden Pool von Arbeitskräften für die breit angelegte wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Region, ihrer Wirtschaft und Bevölkerung stellen werden.

Ein Beispiel: Unter Bedingungen gesunder Entwicklung besitzt Afrika alle notwendigen natürlichen Voraussetzungen für eine landwirtschaftliche Revolution, die sich nach den wachsenden Märkten in Asien orientiert. Wenn man die kritischen Engpässe der landwirtschaftlichen Entwicklung durch Infrastrukturprogramme überwindet und dies mit einer sinnvollen Stadtentwicklung verbindet, bietet dies das Potential zur Verwirklichung des angestrebten Ziels breit angelegter Entwicklung "vollständiger" afrikanischer Volkswirtschaften. In solchen Volkswirtschaften darf man Afrikas Rohstoffvorkommen nicht länger nur in kolonialer Manier exportieren, sondern wird es weiterverarbeiten zu Halbfertig- und Fertigprodukten der afrikanischen Ökonomie für den innerafrikanischen wie ausländischen Gebrauch.

Man sollte eine solche internationale Zusammenarbeit zur Stützung von Afrikas Selbstentwicklung als wechselseitige Ergänzung zur Erforschung des Sonnensystems sehen. Das bedeutet, wissenschaftliche und technische Pionierarbeit mit der gleichen Qualität auf der Erde wie im Weltraum.

Die Landbrücke als Syndrom

Da ich die nun folgenden Überlegungen bereits wiederholt an anderer Stelle dargelegt habe, wird es reichen, die wichtigsten Argumente zusammenzufassen; es muß aber in diesem konkreten Zusammenhang geschehen.

Heute ist der Westen Kontinentaleuropas (ganz zu schweigen vom britischen Königreich) implizit bankrott - unter den derzeitigen Bedingungen sogar hoffnungslos bankrott. Die einzige realistische Hoffnung zur Überwindung dieser Misere besteht darin, die russischen und asiatischen Märkte für den europäischen Werkzeugmaschinenbau und verwandte Insutriezweige zu öffnen. Nur wenn man das Niveau dieser Exporte des Werkzeugmaschinenbaus und vergleichbarer Industrien aus Deutschland und anderen europäischen Nationen über die nationale realwirtschaftliche Gewinnschwelle bringt, kann Westeuropa in der Form, in der es bisher existiert hat, überleben.

Vier Bedingungen sind notwendig, um die heranrollende Katastrophe abzuwenden.

Erstens: Es muß ein neues internationales Währungssystem nach den von mir entwickelten Vorgaben allgemein beschlossen und verwirklicht werden.

Zweitens: Europa muß zu einem System völlig souveräner Nationalstaaten zurückkehren, die jeweils befugt sind, staatlichen Kredit zu schöpfen. Dazu ist es nicht notwendig, den Aspekt der Zollunion zwischen den europäischen Volkswirtschaften wieder rückgängig zu machen, vorausgesetzt, die Souveränität der Nationen über ihre Währungen, ihr Bankenwesen und ihre Kreditpolitik wird völlig wiederhergestellt.

Drittens: Westeuropa muß in der Wirtschaft und der Sicherheitspolitik ein Partner der wachsenden Tendenz zur umfangreichen Zusammenarbeit zwischen Rußland, China, Indien und anderen asiatischen Staaten werden. Hoffentlich werden sich die USA solchen Vereinbarungen als aktiver Partner anschließen.

Viertens: Es müssen Mechanismen für langfristige Kredite mit niedrigen Zinssätzen von jährlich höchstens 1-2% eingerichtet werden, die sich an den langfristigen Entwicklungs- und Investitionsvereinbarungen zwischen den souveränen Mitgliedstaaten dieser Region orientieren.

Die Absicht hinter diesen Reformen muß sein, einen langfristigen Entwicklungsprozeß zu begründen, der darauf basiert, Werkzeugmaschinen und verwandte Technologie aus Regionen mit hohem Potential in Gebiete zu transferieren, wo heute in diesen Bereichen noch Defizite herrschen. Dabei muß das Schwergewicht auf der Entwicklung der grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur liegen, und dort besonders auf der Errichtung von Entwicklungskorridoren sowie der Erhöhung der landwirtschaftlichen und industriellen Produktivität durch Anreize, die als Nebenprodukt der umfassenden Infrastrukturentwicklung entstehen.

Ähnliche Methoden zur Wiederherstellung gesunder Volkswirtschaften souveräner Nationalstaaten braucht man auf dem amerikanischen Kontinent. Vereinbarungen zwischen den amerikanischen Staaten nach dem Vorbild des Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie, wie es in Alexander Hamiltons berühmten Berichten an den US-Kongreß implizit definiert ist, böten die optimale Grundlage für derartige Vereinbarungen.

Fazit: Die Tragödie vermeiden

Insbesondere den Vereinigten Staaten von Amerika droht ein klassisches tragisches Ende ihrer Existenz. Anders als der romantische Mythos englischer und deutscher Literaturseminare behauptet, entsteht eine klassische Tragödie niemals durch das Übel, das ein Herrscher der Bevölkerung antut. Es kommt zur Tragödie, weil es dem Herrscher nicht gelingt, sich über die tragischen Torheiten des Volkes hinwegzusetzen.

So erlitt die Demokratische Partei eine katastrophale Wahlniederlage, weil sie Vizepräsident Al Gore aufstellte, und heute taumeln die USA unter Präsident George W. Bush am Abgrund. Wie in jedem großen klassischen Drama droht der Untergang nicht durch die beiden Kandidaten an sich, sondern durch die politischen Parteien und die öffentliche Meinung, die dafür verwantwortlich sind, daß eine unzureichende Führung gewählt wurde. Der Fehler liegt wie in allen wirklich tragischen Ereignissen im Volk, in der Massenkultur und den von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptierten Grundannahmen.

In der amerikanischen Politik drückt sich die tragische Qualität der vorherrschenden moralischen Unmoral oft in dem Spruch aus: Go along, to get along [zu deutsch etwa: "Mit dem Strom schwimmen und nur nicht anecken"]. Oder in dem dämlichen (und technisch falschen) Spruch: "Du kriegst die Zahnpasta nicht in die Tube zurück."

Die Ursache diese Problems liegt in dem, was die antiken Römer als vox populi bezeichneten, der "öffentlichen Meinung", wie man heute sagt. Die Massenmedien, die Milliardären gehören, diktieren mit ihrer Unterhaltung und ihren Nachrichten die Meinungen, die das Volk annimmt. Von dieser Meinung, die sie felsenfest als "ihre eigene" ausgeben, lassen sich die Menschen lenken. Das ist Demokratie in den USA heute: Die Menschen sagen ganz demokratisch das, von dem sie ängstlich erwarten, daß man es sagen muß.

Auf ebendiese Weise wurde die Mehrheit der Amerikaner dazu gehirngewaschen, die erprobte Wirtschaftspolitik der Roosevelt-Tradition abzuschaffen und durch die seit über 30 Jahren vorherrschenden Meinungen zu ersetzen, die das Land in die derzeitige wirtschaftliche Katastrophe geführt haben. Fast alle einstmals relativ erfolgreichen Kulturen der bekannten Geschichte sind auf diese Weise untergegangen. Natürlich gab es auch einige wenige glückliche Ausnahmen.

In klassischen Studien dieses Problems, wie es in den großen klassischen tragischen Bühnenwerke der europäischen Kultur seit der griechischen Antike vorgestellt wird, haben die Dichter herausgearbeitet, daß es gegen die tragischen Torheiten der öffentlichen Meinung nur eine Art von Heilmittel gibt. Man nennt dieses Heilmittel "das Erhabene", weil sich die Menschen dadurch über das Mittelmäßige der öffentlichen Meinung erheben und die Gegenwart in Beziehung zu dem setzen, was man am Horizont sehen sollte. Der Ausweg aus der Tragödie beginnt, wenn ein Volk nicht mehr nur sagt: "Man hat uns betrogen", sondern sich statt dessen fragt: "Was haben wir falsch gemacht?"

Damit Sie sich diese Frage stellen, muß ich Sie zu der Erkenntnis leiten, wie und warum Ihre Weltanschauungen und manipulierten, reflexartigen Reaktionen Sie in diesen tödlichen Sumpf geführt haben, in dem wir heute stecken. Dazu mußte ich einiges zur Geschichte und zur Kultur ansprechen, vor allem aber habe ich mich darauf konzentriert, Ihnen zu zeigen, wie eine Realwirtschaft tatsächlich funktioniert und welche derzeit allgemein akzeptierten Vorstellungen über Wirtschaft zur Zerstörung unserer Zivilisation führen könnten.

Ich habe so zu Ihnen gesprochen, wie alle großen Persönlichkeiten der Zivilisation in vergleichbaren Krisenzeiten zu ihren Mitmenschen gesprochen haben. Mögen Sie die Kraft und Weisheit finden, meinen Rat zu hören.

 

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