» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Aktuelle Ausgabe Diese Ausgabe Suchen Abonnieren Leserforum

Artikel als
=eMail=
weiterleiten

Aus der Neuen Solidarität Nr. 44/2002

Jetzt
Archiv-CD
bestellen!

Die Macht der Vernunft

1. Folge: Der Werdegang eines Wirtschaftswissenschaftlers

Von Lyndon LaRouche

Am 8. September 2002 ist Lyndon LaRouche 80 Jahre alt geworden. Die Leser dieser Zeitung kennen seine weitsichtigen Analysen, treffsicheren Prognosen und programmatischen Vorschläge zur Überwindung der Krise. Leben und Werdegang dieses Vertreters des "besseren Amerika" kennen hingegen nur wenige. Wir veröffentlichen deshalb in den kommenden Wochen Teile aus LaRouches Autobiographie "Die Macht der Vernunft", die 1987 erschien und natürlich schon lange vergriffen ist.

Es ist keine große Behauptung, daß ich der führende Wirtschaftswissenschaftler der Gegenwart bin. "Unter den Blinden ist der Einäugige König."

Tausende tragen den Titel "Wirtschaftswissenschaftler", aber das, was als Volks- und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten gelehrt und von den meisten Absolventen dieses Faches praktiziert wird, hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem Fach politische Ökonomie, das zum Beispiel der erste amerikanische Finanzminister Alexander Hamilton, Mathew und Henry Carey, Henry Clay, Friedrich List und Abraham Lincoln im Sinn hatten.

Der Begründer der Wirtschaftswissenschaften ist Gottfried Wilhelm Leibniz. In den Jahren 1672 bis 1716 schuf er das Fundament der späteren "industriellen Revolution", die Grundlagen der Wärmekraftmaschine. Sie wurden allgemeiner bekannt durch das Fach "physikalische Ökonomie", das Leibniz in das Universitätsstudium der Kameralistik, einen Zweig der Staatswissenschaft, einführte. In diesem Zusammenhang entdeckte er das Konzept "Technologie" und lieferte als erster eine strenge mathematisch-physikalische Definition dafür.

Die Gründerväter der Vereinigten Staaten übernahmen die Leibnizsche Wirtschaftswissenschaft und machten sie zum Bestandteil des "amerikanischen Systems der politischen Ökonomie", wie Alexander Hamilton es als erster nannte. Sie stand in direkter Opposition zu der Wirtschaftslehre Adam Smiths, der ein Bediensteter der britischen Ostindiengesellschaft war, und formte die Wirtschaftspolitik, die bei der Konstituierung der Vereinigten Staaten von Amerika Pate stand. Nach dem britisch-amerikanischen Krieg von 1812 nahmen die Beiträge deutscher und französischer Wirtschaftswissenschaftler wie Jean-Antoine Chaptal, François Louis Auguste Ferrier und Charles Dupin entscheidenden Einfluß auf die weitere Entwicklung des amerikanischen Systems. So kam es, daß in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts der Begriff "amerikanisches System der politischen Ökonomie" weltweit zum Synonym für die Wirtschaftswissenschaft überhaupt geworden war.

Nachdem der amerikanische Kongreß in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das verhängnisvolle Specie Resumption Act beschlossen hatte (dieses Gesetz sah vor, die Staatsschulden der USA gegenüber dem Ausland in Gold zu begleichen), gerieten die Staatsschulden und die Währung der USA unter die Kontrolle Londoner und Schweizer Bankiers, die das amerikanische System als Bedrohung ansahen, weil es ihrem Einfluß auf die amerikanische Regierung im Wege stand. Diese Gruppierung benutzte ihren Einfluß auf führende Universitäten Amerikas, um Lehre und Praxis der Wirtschaftswissenschaften zu unterbinden. Während der Präsidentschaft Theodore Roosevelts gab es so gut wie keine Möglichkeiten mehr, diese Wissenschaft zu erlernen und auszuüben. Die Praxis der Wirtschaftswissenschaften blieb fortan auf den betriebswirtschaftlichen Aspekt beschränkt, auf die Führung von Landwirtschafts- und Industriebetrieben sowie die militärische Logistik. Mit dem zunehmenden Einfluß der Harvard Business School, des Wharton Institute und ähnlicher Einrichtungen wurde kompetente Betriebswirtschaft selbst in den amerikanischen Industrieunternehmen zur Seltenheit. Mit seiner Theorie der "Systemanalyse" vertrieb Robert S. McNamara den wirtschaftlichen Sachverstand auch aus dem Verteidigungsministerium.

In der Nachkriegszeit stellte man das volkswirtschaftliche Rechnungswesen der USA auf ein neues Verfahren um, die sogenannte Bruttosozialprodukt-Rechnung. Dieses System wurde, obwohl es prinzipiell ungeeignet ist, die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu messen, für die wirtschaftsstatistischen Aufgaben der amerikanischen Regierung eingesetzt und nahm tiefgreifenden Einfluß auf die Berufspraxis der Wirtschaftswissenschaft. In den vierziger und fünfziger Jahren entstand aus einer absurden Theorie John von Neumanns, der "Analyse linearer Systeme", ein Fachgebiet, das sich "Ökonometrie" nennt. Dies ist die Basis der meisten Computersoftware für volkswirtschaftliches und betriebliches Rechnungswesen.

Inkompetenz ist an die Stelle von Wirtschaftswissenschaft getreten. Eine Folge davon ist die Situation der letzten Jahre, in denen die amerikanische Wirtschaft immer tiefer in eine neue Depression glitt, während die Regierung Reagan unbeirrt von einem "nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung" spricht. Die Äußerungen des Präsidenten zu diesem Thema sind natürlich in erster Linie Wunschdenken, doch die Zahlen des amerikanischen Bruttosozialprodukts scheinen ihm recht zu geben - zumindest oberflächlich. Warum zeigt das BSP Wachstum, während die Wirtschaft immer schneller in die Depression gleitet? Es ist eben ein völlig ungeeigneter Maßstab für die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Doch die Wirtschaftsfachleute stützen ihre Theorien auf die BSP-Lehre und versichern dem Präsidenten, daß die Wirtschaft wächst, während sie in Wirklichkeit zusammenbricht.

Ich vertrete als einzige bekannte Persönlichkeit in Nordamerika und Europa heute das amerikanische System der politischen Ökonomie. Wäre das meine einzige Leistung, so gehörte ich allein deswegen bereits zu den führenden Wirtschaftswissenschaftlern der Welt. "Unter den Blinden ist der Einäugige König."

Ich hatte außerdem das Glück, daß ich zwei Entdeckungen machte, die zusammen einen großen Beitrag zur Wirtschaftswissenschaft darstellen.

Seit Leibniz wissen wir im Prinzip, welcher Art der Ursache-Wirkung-Zusammenhang ist, der zwischen technologischen Fortschritten und der resultierenden Steigerung der Arbeitsproduktivität besteht.

Technologische Verbesserungen erlauben uns, den zur Herstellung eines Produktes erforderlichen Arbeitsaufwand zu verringern. Bis zu meinen Arbeiten Anfang der fünfziger Jahre konnte man jedoch nicht zeigen, daß dieser Ursache-Wirkung-Zusammenhang selbst quantitativ erfaßbar ist.

Nachdem ich entdeckt hatte, wie man diesen Kausalzusammenhang messen könnte, galt es, eine dafür geeignete Mathematik zu finden. Meine Entdeckung verlangte eine mathematische Funktion, die Mathematiker als "nichtlinear" bezeichnen. Die herkömmliche Mathematik, wie sie heute in den Universitäten gelehrt wird, ist grundsätzlich außerstande, explizite Lösungen für nichtlineare Funktionsgleichungen anzugeben. Dieser Umstand hatte zu John von Neumanns absurdem Dogma beigetragen, demzufolge alle bei der Wirtschaftsanalyse wichtigen Funktionen mit der "linearen Algebra", d.h. als Lösung linearer Gleichungs- und Ungleichungssysteme, darstellbar seien.

Der zweite Teil meiner wirtschaftswissenschaftlichen Entdeckung war die Erkenntnis, daß die mathematische Physik Bernhard Riemanns, wenn man sie so versteht, wie Riemann selbst sie verstand, mathematische Methoden liefert, um den Kausalzusammenhang zwischen quantitativ erfaßten technologischen Fortschritten und dem in richtiger Weise quantitativ erfaßten Anstieg der Arbeitsproduktivität zu messen. Weil die Entdeckung sich in zwei Schritten in dieser zeitlichen Folge vollzog, heißt sie heute "LaRouche-Riemann-Methode".

Damit bin ich der führende Wirtschaftswissenschaftler der Gegenwart, erstens, weil ich zu den ganz wenigen zähle, die das amerikanische System der politischen Ökonomie heute beherrschen, und zweitens, weil ich den Wirtschaftswissenschaften die einzige gültige Neuentdeckung seit hundert Jahren gegeben habe.

In den angewandten Wirtschaftswissenschaften bin ich an Problemen aller Art interessiert. Mein Lebensziel aber ist es, nachhaltige Reformen in der Währungs- und Wirtschaftspolitik zu verwirklichen. Diese Wirtschaftsreformvorschläge stehen im Mittelpunkt aller meiner sonstigen Betätigung im öffentlichen Leben.

Mittelpunkt meiner Reformvorschläge ist die Errichtung eines Weltwährungssystems auf Goldreservebasis, das geeignet ist, in den Staaten, die man heute "Entwicklungsländer" nennt, den Anreiz zu raschen Produktivitätssteigerungen zu geben. Daraus wird ein Exportstrom in den Entwicklungssektor resultieren, der rasches Wachstum der fortgeschrittensten Produktionssektoren der sogenannten "Industriestaaten" zur Folge hat. Mit anderen Worten werden diese Reformen eine Blüte der gesamten Weltwirtschaft hervorbringen, deren Dreh- und Angelpunkt steigende Investitionsgüterexporte aus den Industriestaaten in die Entwicklungsländer sind.

Soweit gesehen übertragen meine Reformvorschläge lediglich das amerikanische System der politischen Ökonomie auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, wie auch auf die Wirtschafts-, Kredit-, Währungs- und Steuerpolitik der Vereinigten Staaten selbst.

Meine wirtschaftswissenschaftlichen Entdeckungen versetzen uns in die Lage, die aus unterschiedlichen technologischen Prioritätssetzungen resultierenden Wachstumsraten vorab zu bestimmen. Die Möglichkeit derartiger Prognosen ist außerordentlich wichtig. Entwicklung bedeutet Investitionen in Landwirtschaft, Industriekapazitäten und Infrastruktur. Die Mitte der wirtschaftlichen Lebensdauer solcher Investitionen wird nach sieben bis zwanzig Jahren erreicht; Fehler der Investitionspolitik sind deshalb kurzfristig nur schwer korrigierbar. Regierungen und private Anleger müssen sich darüber einig werden, welche langfristigen Investitionen am wünschenswertesten sind; um das entscheiden zu können, müssen sie den Nutzeffekt verschiedener Vorschläge über sieben bis zwanzig Jahre im voraus abschätzen und vergleichen können. Meine wirtschaftswissenschaftlichen Entdeckungen ermöglichen erstmals einigermaßen genaue Prognosen dieser Art.

Der wichtigste Aspekt meines bisherigen Lebens ist die Kombination persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen, durch die ich zu meinen Entdeckungen und zu meinem Engagement kam. Damit dieser Zusammenhang klar wird, muß die Biographie Erlebnissen, die meinen Werdegang weniger beeinflußt haben, entsprechend geringere Bedeutung beimessen. Die Namen der Menschen, die ich kannte, das Wo, Wann und Wie, ist hier nur insoweit erwähnenswert, als es die Entwicklung meines Denkens und der Neigungen betrifft, die mein Engagement in früherer Zeit und jetzt bestimmt haben. Ich halte es auch deshalb für geboten, eine derartige Auswahl zu treffen, weil ich es verabscheue, wenn Personen des öffentlichen Lebens öffentlich ihr Urteil über andere fällen, die nicht mit gleichen Mitteln darauf antworten können. Ausnahmen gestatte ich mir nur dann, wenn die betreffende Person als Verbreiter falscher Darstellungen über meine früheren Tätigkeiten und Verbindungen in Erscheinung trat. Bei allen, die keinen wesentlichen Einfluß auf meinen Lebensweg ausgeübt haben und bei denen ich annehmen muß, daß eine Erwähnung in diesem Buch sie in ihrer Privatsphäre verletzen könnte, ziehe ich es vor, meinen Vorteil nicht auszunutzen, sondern sie nicht zu behelligen.

Alles, was in den ersten vierzig Jahren meines Lebens für meine Weltanschauung, meine Ziele und meine Tätigkeiten in späterer Zeit wichtig gewesen ist, läßt sich in fünf Rubriken einteilen: 1. Meine Kindheit und Jugend in einer Quäkerfamilie und die Auseinandersetzung, die zu meinem Bruch mit dieser Glaubensgemeinschaft führte. 2. Mein Entschluß der Jahre 1948-1952, die moralisch unannehmbare "Informationstheorie" Norbert Wieners zu widerlegen. Dieses Vorhaben führte mich geradewegs zu meinen Entdeckungen in der Wirtschaftswissenschaft. 3. Meine Tätigkeit als Unternehmensberater, der ich in der Zeit 1947-1972 zwanzig Jahre lang nachging. 4. Meine Erfahrungen in Indien gegen Ende meines Auslandsmilitärdienstes. 5. Die Eindrücke, die ich durch die Verbindung zu einer kleinen trotzkistischen Gruppe, der Socialist Workers Party, in den Jahren 1949-1954 gewann.

Die anschließenden 25 Jahre wurden maßgeblich durch drei wichtige Aspekte geprägt. 1. Meine Entscheidung Mitte der sechziger Jahre, die Weltanschauung der "Neuen Linken" zu bekämpfen, die ich als größte Gefahr unserer Zeit betrachtete, und die Entstehung einer internationalen Bewegung, die mich dabei unterstützte. 2. Meine internationale Kampagne für umfassende Währungs- und Wirtschaftsreformen und ihr zunehmender Einfluß. 3. Die Zusammenarbeit mit meiner Frau, Helga Zepp-LaRouche.

wird fortgesetzt

 

Aktuelle Ausgabe Diese Ausgabe Suchen Abonnieren Leserforum