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Aus der Neuen Solidarität Nr. 47/2002

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Das Amerikanische System der politischen Ökonomie

Von Lyndon LaRouche
- 3. und letzter Teil -

Die folgende Schrift wurde am 7.Oktober 2002 von Lyndon LaRouches Wahlkampfkomitee für die US-Präsidentschaftswahl 2004 veröffentlicht.


Naturwissenschaft und Gesellschaft
Noch einmal zur Noosphäre

III. Bankenwesen in der imperialen Wirtschaft und in der Nationalökonomie

Naturwissenschaft und Gesellschaft

Entwicklung und Einsatz der Erkenntnisfähigkeit des individuellen menschlichen Geistes sind das Prinzip, das jeder kompetenten Wirtschaftswissenschaft zugrundeliegt. Das Ziel einer modernen Republik - wie es etwa die Präambel der historisch einzigartigen Verfassung der USA formuliert - besteht darin, die Volkswirtschaft so zu entwickeln, daß diese individuellen schöpferischen Fähigkeiten zum maßgeblichen Aspekt unserer mittel- bis langfristigen politischen Entscheidungen werden. Es gibt kein populistisches oder anderes reduktionistisches Gesellschaftssystem oder überhaupt ein System, das diese spezifischen "Früchte" des menschlichen Geistes irgendwie "kollektiv" wachsen lassen könnte.

Man muß die Republik politisch so gestalten, daß die sozialen und physischen Bedingungen geschaffen werden, unter denen die Entwicklung der schöpferischen Kraft jedes einzelnen ("Kraft" im Sinne von Platon, Leibniz und Gauß) gefördert wird und die Menschen unabhängig von ihrer früheren Stellung in der Gesellschaft die Möglichkeit erhalten, ihre erworbenen souveränen Schöpferkräfte der Gesellschaft als ganzer zur Verfügung zu stellen - so wie etwa der kreative Wissenschaftler, Unternehmer oder Facharbeiter diese Fähigkeiten in den wirtschaftlich-sozialen Prozeß einbringen.

Der Wert eines solchen Menschen und seiner Arbeit läßt sich nicht arithmetisch berechnen. Alles, was wir tun können, ist, solche Menschen hervorzubringen und ihnen dann die geeigneten Umstände zu bieten, unter denen sie ihre Arbeit tun können. Wirtschaftswachstum mißt man nicht in einfachen arithmetischen Größenordnungen, sondern als "Kräfte". ("Kraft" auch im Sinne der mathematischen Potenz.) Eine jede derartige Kraft zeigt sich in Form einer Entdeckung eines universellen physikalischen Prinzips. (Auch künstlerische und gesellschaftliche Prinzipien, für die eine bestimmte physische Wirkung experimentell nachgewiesen werden kann, sind physikalische Prinzipien. Diese Prinzipien werden genauso entdeckt, wie man universelle naturwissenschaftliche Prinzipien abiotischer und biologischer Prozesse demonstriert. Die Einschränkung ist, daß man künstlerische und verwandte gesellschaftliche Prinzipien nur als Prinzipien in diesem Sinne definieren kann, wenn sie klassischen Prinzipien nicht widersprechen.) Die Akkumulation überlieferter und neu entdeckter Prinzipien als Kraft (Potenz) definiert wissenschaftlich den Stand des menschlichen Fortschritts. So erkennt man, daß forschungsintensive Großprogramme in der Art des von Präsident Kennedy inspirierten Mondprogramms der Typ von Volkswirtschaft sind, der den größten Gewinn bringt.

Deshalb dürfen wir auf keinen Fall zulassen, daß ein Finanzbuchhaltungssystem der heute gängigen Definition, oder Ableitungen davon, die Wirtschaftspolitik unserer Regierungen bestimmt. Die charakteristische Produktivität einer Gesellschaft (d.h. Volkswirtschaft) wird allein dadurch verbessert, daß man Entdeckungen solcher Kräfte hervorbringt, weitervermittelt und anwendet. Diese Kräfte definieren die physische Wirkung im Universum, anhand derer man den Anstieg der Arbeitsproduktivkraft sinnvoll messen kann. Letztlich ist keine Definition von Gewinn (Profit) gültig, wenn wir darunter nicht etwas verstehen, was den Erfolg einer Volkswirtschaft als unteilbarer Einheit mißt. Eine Wirtschaft ist genausowenig die Summe ihrer Einzelteile wie ein Mensch.

Noch einmal zur Noosphäre

Die Fähigkeit, ein experimentell nachweisbares, universelles Prinzip hervorzubringen und weiterzuvermitteln, ist die einzige Definition der spezifisch menschlichen Natur, die uns in den Grenzen der sogenannten Naturwissenschaften zur Verfügung steht. Zu dieser spezifisch menschlichen Handlung ist kein Menschenaffe fähig - auch keiner, der gelernt hat, einen durch Computer ausgewerteten Multiple-Choice-Test an der Universität zu bestehen.

Wladimir Wernadskij in Rußland, der als erster dauerhafte Definitionen der Bio- und der Noosphäre lieferte, hat diesen Unterschied besonders hervorgehoben - diese Erkenntnisfähigkeit des menschlichen Geistes, die etwas erreichen kann, was Immanuel Kant, Bertrand Russell, Norbert Wiener und John von Neumann für unmöglich hielten: die Erkenntnis eines universellen physikalischen Prinzips willentlich hervorzubringen. Diese Fähigkeit erhebt den Menschen kategorisch über alle anderen Lebensformen. Das definiert die Noosphäre.

Die menschliche Erkenntnis ist die einzige funktionell sinnvolle Unterscheidung zwischen einer Volkswirtschaft und einer Gesellschaft von Pavianen. Somit ist wissenschaftlich nachgewiesen, was viele Beobachter der amerikanischen Wirtschaft schon lange vermuten: Im Bereich der Finanzbuchhaltung oder der Systemanalyse gibt es nichts, was auf irgendeinen erkennbaren Unterschied zwischen dem Werk von Pavianen und dem Werk von Ökonomen der Universität Chikago oder der Harvard Business School hindeutete.

Dies sollte uns eine Warnung sein: Ein Handlungsmaßstab, der zwischen Gesellschaften von Pavianen und Menschen nicht unterscheidet, verfehlt völlig den Zweck jeder kompetenten wirtschaftlichen Praxis. Ja, wenn man die moralischen Implikationen genauer betrachtet, fällt das Urteil über die Ökonomen der Universität Chikago - als zoologische Gattung betrachtet - sogar noch schlechter aus. Die Lehre vom "Freihandel" - die Adam Smith, wie Turgots Anhänger bitter beklagten, aus den Werken von Physiokraten wie Turgot und Quesnay abgeschrieben hat - , beschreibt mit ihren neomanichäischen laissez-faire-Dogmen eine Wirtschaft, die auf der brutalen Ausbeutung von Menschen durch vielfältige Formen der Sklaverei beruht.

Die besondere Errungenschaft der anti-romantischen, klassischen Renaissance war, daß mit der Entstehung des gemeinwohlorientierten modernen Nationalstaats unter Ludwig XI. in Frankreich und Heinrich VII. in England die Ideen des Kardinals Nikolaus von Kues in Concordantia catholica und De docta ignorantia (dem Beginn der modernen Experimentalwissenschaft) zumindest teilweise verwirklicht wurden. Da nunmehr, dem Gemeinwohlprinzip zufolge, der Staat für die Entwicklung der menschlichen Kräfte aller Bürger verantwortlich war, wurden die Sklaven aus ihrer bestialischen Unfreiheit befreit und zu Bürgern gemacht. Indem der Codex Diokletians, der die Praktiken des imperialen (ultramontanen) Feudalismus geprägt hatte, auf diese Weise über den Haufen geworfen wurde, setzte man die schöpferischen geistigen Fähigkeiten frei, die vorher unterdrückt worden waren, als die Menschen noch unter viehischen Bedingungen lebten, wie sie Leute wie Quesnay, Locke und Adam Smith für die Masse von Knechten und Billigarbeitern vorsehen.

Der entscheidende Fehler, wenn man anstelle physischer Wirtschaftswissenschaft Finanzbuchhaltung und Systemanalyse betreibt, ist der, daß diese auf einem unmenschlichen Menschenbild beruhen. Entgegen der Meinung Quesnays und Smiths ist es der Mensch, der mit seiner Schöpferkraft neuen Reichtum schafft, und es sind Unmenschen wie die Oberbuchhalter Quesnay, Locke und Smith, die sich auf seine Kosten bereichern.

III. Bankenwesen in der imperialen Wirtschaft und in der Nationalökonomie

Bei der typischen Struktur des venezianischen Modells, das wir in der Form des anglo-holländischen liberalen Gesellschaftsmodells kennen, ist die Kontrolle über die Gesellschaft zwischen zwei Mächten geteilt: dem Staat und dem schleimpilzartigen kollektiven Organ der Finanzoligarchie. Letzteres hat in der Regel die Form moderner, sogenannt "unabhängiger" Zentralbanken oder des Internationalen Währungsfonds (IWF) der Zeit nach 1971.

Letzterer ist von seinem Wesen, seiner Macht und seiner üblichen Praxis her ein unmenschlicher Parasit der Menschheit. Unter diesem Arrangement ist der Staat, der nominell dem Volk verantwortlich ist, in Wirklichkeit weitgehend - wenn nicht sogar ausschließlich - beherrscht von seinen Verpflichtungen gegenüber einer auswärtigen räuberischen Institution, einer Besatzungsmacht, einem Finanzinteresse, das in der Gesellschaft operiert, sich aber jeglicher Verantwortung gegenüber den ausgeplünderten Gesellschaften entziehen darf. Das ist die schlichte Wahrheit hinter der wundersamen Phrase von der "Unabhängigkeit der Zentralbanken", bei der die hinters Licht geführten Anhänger dieses Kults andächtig die Augen verdrehen (wenn auch sicherlich nicht gen Himmel).

Die Folge hiervon ist, daß die ökonomische Lehre und Praxis unter dem Einfluß des Systems der Zentralbanken, wie etwa dem heutigen IWF-System, Ausdruck einer auswärtigen Macht ist - Räuberbanden aus einer anderen Welt vergleichbar - , die von ihren Opfern Tribut erpreßt, etwa so wie die asiatischen Khane die Fürstentümer und Klöster im mittelalterlichen Rußland plünderten.

Betrachtet man das Phänomen vor einem breiteren und älteren Hintergrund, ist dieses Arrangement zwischen einer Nation und räuberischen Zentralbanken eine Erweiterung einer älteren Praxis, die man damals oft als Imperialismus bezeichnete. Die Imperien des antiken Mesopotamien, die internationalen Finanzpraktiken des delphischen Apollo-Kultes und das römische, pantheistische System des Pontifex Maximus stehen für das gleiche Modell wie die "unabhängige" Zentralbank in der Neuzeit. Das Gemeinsame bei allen diesen Ableitungen des gleichen Prinzips ist, daß die herrschende Institution für die Folgen der Politik und der Praktiken, die sie den Nationen aufzwingt, nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

Der moralische und wirtschaftliche Niedergang der USA unter dem Einfluß einer solchen utopisch-imperialistischen Zentralbankpolitik, vor allem in den letzten drei Jahrzehnten, verwandelte die Vereinigten Staaten aus der vormals weltweit führenden produktiven Gesellschaft in eine dekadente, räuberische Konsumgesellschaft: ein Nachhall des wirtschaftlichen und moralischen Niedergangs Italiens in der Zeit imperialer Eroberungen seit dem Zweiten Punischen Krieg.

Die Alternative zum Zentralbanksystem in der weltweit ausgedehnten Geschichte der neuzeitlichen europäischen Zivilisation waren die Erste und Zweite Nationalbank der USA. Auch wenn es New Yorker und anderen Tory-Bankiers - wie Aaron Burr, Martin van Buren und dem Konföderiertenfreund August Belmont - in Zusammenarbeit mit London gelang, die amerikanischen Nationalbanken zu unterdrücken, bleibt das Nationalbankprinzip implizit in der amerikanischen Verfassung verankert. Hier liegt der wichtigste Unterschied zwischen der schlechten Definition von "Kapitalismus", die sich in Europa leider durchgesetzt hat, und dem wesentlichen axiomatischen Prinzip des Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie, das der deutsch-amerikanische Ökonom Friedrich List als "nationales System der Ökonomie" bezeichnete.

Das entsprechende moralische und wirtschaftswissenschaftliche Prinzip ist: Keine fremde Macht, die nicht die volle Verantwortung für die Folgen ihrer Politik gegenüber der Regierung des souveränen Nationalstaats übernimmt, darf als eine über der souveränen Nation stehende Macht zugelassen werden. Die Institutionen des Banken- und Finanzwesens müssen die gleiche Last tragen und das gleiche Schicksal erleiden, das sie mit ihrer Politik und Macht den souveränen Nationen und deren Bevölkerung aufzwingen. Die Leute, die sich unbedingt weiterhin so verhalten wollen, als wären sie räuberische Wesen aus dem Weltraum, sollten sich dann auch im Weltraum einen Ort suchen, der ihrem Wesen eher entspricht. Die Alternative zu diesem Exodus wäre, daß sie sich den gleichen Mühen und Verantwortlichkeiten unterziehen wie alle anderen auch.

Das muß die Richtschnur für unsere heutige Reform sein. Andernfalls wird die Zivilisation in ein langes und weltweites neues finsteres Zeitalter stürzen.

Daher müssen Regierungen gemeinsam ein Bankensystem neuen Typs schaffen, das die "unabhängigen" Zentralbanken ersetzt. Dieses neue System müssen Nationalbanken sein, die über den richtigen Rahmen wachen, innerhalb dessen man das private Bankenwesen und verwandte Funktionen der Gesellschaft reguliert und auf andere Weise dazu anspornt, dem Gemeinwohl zu dienen.

 

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