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Aus der Neuen Solidarität Nr. 51/2002

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Die Macht der Vernunft

Von Lyndon LaRouche
Letzte Folge: Meine Ehe mit Helga

Am 8.September 2002 wurde Lyndon LaRouche 80 Jahre alt. Die Leser dieser Zeitung kennen seine weitsichtigen Analysen, treffsicheren Prognosen und programmatischen Vorschläge zur Überwindung der Krise. Leben und Werdegang dieses Vertreters des "besseren Amerika" kennen hingegen nur wenige. Wir veröffentlichten deshalb in den letzten Wochen Teile aus LaRouches Autobiographie "Die Macht der Vernunft", die 1987 erschien und schon lange vergriffen ist.

Meine Frau wurde als Helga Zepp am 25. August 1948 in Trier, der ältesten Stadt Deutschlands, geboren. Sie war das einzige Kind zweier liebenswürdiger Menschen, die unmittelbar nach dem Krieg heirateten. Sie kam im schwärzesten Moment der deutschen Nachkriegsgeschichte zur Welt, in der Zeit strengster Hungersnot, die von den Amerikanern "Potato Winter" und von den Deutschen "Rübenwinter" genannt wurde.

Helga wurde von ihrer Mutter großgezogen, tagsüber wurde sie oft von der Tante und dem Onkel ihrer Mutter versorgt. Letzterer war ein fähiger Restaurator kirchlicher Kunstwerke. Helga wurde kurz nach Beendigung der Gymnasialzeit Waise. Am Gymnasium erhielt sie eine zugleich klassisch humanistische und naturwissenschaftliche Bildung. Grundlage für ihre später erworbene hervorragende Kenntnis der Werke Friedrich Schillers und der preußischen Reformer war ein gründliches Studium von Schillers Schriften während ihrer Schulzeit. Außerdem war sie in Sport ein As.

Nach dem Gymnasium begann sie eine Ausbildung als Journalistin. Als sie ihre Volontärzeit beendet hatte, arbeitete sie sogleich als freie Journalistin und war die erste europäische Journalistin, die China nach dem Höhepunkt der Kulturrevolution besuchte. Nach ihrer Rückkehr verkaufte sie ihren Reisebericht und lehnte ein Stellenangebot des Nachrichtenmagazins Der Spiegel ab, um in Berlin Philosophie und Politikwissenschaften zu studieren. Hier trat sie im Jahre 1972 zum ersten Mal in mein politisches Umfeld, als sie an einem Seminar von Uwe Parpart über meine ökonomischen Arbeiten in Berlin teilnahm.

Eine Begebenheit aus dieser Zeit ist charakteristisch für sie und für die geistige Einstellung. Sie nahm an einer Veranstaltung teil, die von Anhängern Mao Ze-dongs organisiert worden war. Ein Vertreter einer maoistischen Studentenvereinigung sang eine Lobeshymne auf die Zustände in China. Während der Diskussion trat Helga an das Mikrofon und sagte:

"Ich bin soeben von einer dreimonatigen Reise aus China zurückgekehrt." - Rasender Beifall der versammelten Menge.

An den Redner gewandt fügte Helga rasch den zweiten Satz an: "Von dem, was du über China erzählt hast, stimmt gar nichts!" - Rasende Mißfallensbekundungen.

Die Neugier, was es mit diesem merkwürdigen Amerikaner auf sich habe, veranlaßte die Deutschen, die an solchen Seminaren über meine ökonomischen Arbeiten teilnahmen, eine Delegation in die Vereinigten Staaten zu schicken, die sich diesen Burschen einmal aus größerer Nähe anschauen und hinterher Bericht erstatten sollte. Also fuhr die erste Delegation eines Voraustrupps im Jahre 1972 aus dem Rheinland nach New York. Später entschloß sich eine zweite Gruppe, diesmal aus Berlin, die Vereinigten Staaten zu besuchen und den Bericht der ersten Gruppe zu überprüfen. Zu dieser Gruppe gehörte Helga.

Abgesehen von ihrer Teilnahme an dem Seminar in der Columbia-Universität hatte ich zunächst nur flüchtigen Kontakt zu ihnen. Gegen Ende ihres Besuches wurden zwei Sitzungen der Gruppenmitglieder mit mir verabredet: ein Arbeitsgespräch über Forschungsprojekte und ein Abschiedstreffen. Im Verlaufe ihres Aufenthaltes hatte die Delegation beschlossen, in Deutschland ähnliche Aktivitäten wie die Labor Committees in den USA zu entfalten. Man schlug ihnen vor, mit der Untersuchung einiger für die gegenwärtige Lage ihres Landes bestimmender Faktoren anzufangen. Verschiedene Projekte wurden festgelegt. Helgas Projekt betraf die Sozial- und Beschäftigungsstruktur in der Bundesrepublik.

Als wir ihr Thema diskutierten, fiel mir zum erstenmal auf, daß sie eine außergewöhnliche Begabung zu echter Führung besaß. Als sie mich zu einem späteren Zeitpunkt fragte, was sie persönlich in Europa tun solle, antwortete ich ihr: "Du mußt persönliche Verantwortung für das Schicksal Europas und Deutschlands übernehmen." Nur mit einer solchen Geisteshaltung kann man eine lebensfähige politische Vereinigung aufbauen; nur wenige Menschen vermögen aber die psychologischen Konsequenzen eines derartigen persönlichen Engagements auf sich zu nehmen und dies tatsächlich zu ihrem persönlichen Selbstverständnis zu machen. Ich war überzeugt, daß Helga ein solches Selbstverständnis annehmen könnte; andernfalls bestand das Risiko, daß ein Scheitern sie zerbrechen würde, und zwar in einem Maße, das sie von der Vielfalt der Aktivitäten, die mit dem Arbeitsstil der Labor Committees verbunden ist, ausgeschlossen hätte.

Meine eigenen Denkgewohnheiten veranlassen mich, mehr Aufmerksamkeit der Art, wie ein Mensch denkt, als den besonderen Meinungen zu widmen, die er zum Ausdruck bringt. Ich fahnde sozusagen nach der "politischen Entscheidungsstruktur" im Geist der Leute. Aufgrund meiner langen Erfahrung habe ich in dieser Hinsicht einen außergewöhnlich guten Beobachtungssinn erworben. Manchmal wird ein ganz deutliches Bild sichtbar. Selten treffe ich Menschen, bei denen diese geistigen Fähigkeiten ausgeprägt und kohärent entwickelt sind. Sie sind zum Beispiel bei hervorragenden Wissenschaftlern anzutreffen; gewöhnlich handelt es sich um Leute, die schon einiges an schöpferischer Leistung vollbracht haben. Manchmal beobachte ich sie bei einem jungen Menschen. Normalerweise stelle ich ernsthaften Menschen die Frage, was sie aus ihrem Leben machen wollen. Und hin und wieder kann man die unverkennbare Geisteshaltung sehen, welche die außergewöhnliche Gabe zu politischer Führung ausmacht. In Helgas Fall war ich mir sicher.

Bei verschiedenen Gelegenheiten hat sie sich dazu geäußert, welche Wirkung mein Rat hatte. Ihre erste Reaktion war, so weit wie möglich von mir und diesem furchterregenden Gedanken wegzulaufen. Kurze Zeit nach ihrer Rückkehr nach Berlin setzte sie sich auf einem Spaziergang, während sie ihren Hund in ihrer Lieblingsgegend in der Nähe des Charlottenburger Schlosses ausführte, mit dem Gedanken auseinander. Als sie von dem Spaziergang zurückkam, war sie zu einem Selbstverständnis in obigem Sinne entschlossen.

Sie besuchte noch einmal die Vereinigten Staaten, um Ende 1973 an einer Konferenz teilzunehmen. Die Umstände wollten es, daß wir wenig Gelegenheit hatten, viele Worte zu wechseln. Im Verlauf des Jahres 1974 übernahm sie eine führende Rolle innerhalb der europäischen Gruppe. Ein Vorfall, der für Helga in dieser Zeit charakteristisch ist, ereignete sich in der rumänischen Hauptstadt Bukarest.

Der Ostblock und der Club of Rome veranstalteten in Bukarest im Rahmen der Aktivitäten der Vereinten Nationen eine Konferenz, auf der der mittlerweile verstorbene John D. Rockefeller Ill. die Hauptrolle spielte. Helga, die damals noch als freie Journalistin tätig war, war Teil des anwesenden Pressekorps. Bei der anberaumten Pressekonferenz sah sich John D. Rockefeller aufgrund seiner Vorliebe für attraktive junge Frauen veranlaßt, Helga um die erste Frage zu bitten. Sie forderte ihn heraus: Laufe denn die von ihm dargelegte malthusianische Politik nicht schlicht und einfach auf Völkermord hinaus, wie man ihn erst vor nicht allzu langer Zeit in Europa erlebt habe? Margaret Mead reagierte auf Helgas Frage äußerst heftig. Ihren Hexenstab der gehörnten Isis schwingend, den sie auf ihre alten Tage stets bei sich trug, stürzte sich die Mead wenig später auf Helga, als ob sie diese schlachten wollte. Doch die sehr viel sportlichere Helga wich dem Angriff amüsiert aus.

Im Herbst 1977 schlug ich ihr vor, wir sollten heiraten. Ich war etwas überrascht, wenngleich angenehm, als sie zustimmte. Bei Leuten, die ein normales Leben führen, muß eine Heirat im Dezember wie das Vorspiel eines elendiglichen Lebens erscheinen. Wir führten beide wahrlich kein normales Leben, und es war höchst unwahrscheinlich, daß es je anders sein würde. Wir heirateten am 29. Dezember 1977 in Wiesbaden. Die Trauung wurde auf deutsch vollzogen; der Standesbeamte fragte mich auf deutsch, ob ich wüßte, was vor sich ging. Meine Freunde haben noch Wochen später über diese Frage gelacht.

Etwa ab 1974 begann Helga, sich mit dem Werk des Nikolaus von Kues zu beschäftigen. Ihre früheren Religionsstudien in Trier hatten schon gezeigt, daß sie größeres Talent für die Theologie als für Liturgie und Katechismus besaß. Aus diesem Grund hatte sie damals entsprechende Studien abgebrochen. Sie schrieb einen Aufsatz über bestimmte Aspekte von Kues' Werk und kam mit der Arbeit der Cusanus-Gesellschaft in Kontakt. Sie entschloß sich, über dieses Gebiet eine Dissertation zu schreiben, die sich mit dem indirekten, aber deutlich erkennbaren Einfluß der wissenschaftlichen Methode des Cusaners auf die Methode von Leibniz und Schiller befassen sollte. Heute ist sie eine qualifizierte Expertin sowohl auf diesem Gebiet, als auch hinsichtlich des Werkes von Friedrich Schiller und der preußischen Reformer.

Die unangenehmen Nebenwirkungen unserer Ehe förderten zwar ihre Arbeit, aber nicht immer ihr Wohlbefinden. Die Ehe mit mir machte sie ebenfalls zu einer vorrangigen Zielscheibe. Sie hat dies oft als "Eingesperrtsein" beschrieben. Sie ist keine Feministin, aber sie hat sehr stark ausgeprägte und, wie ich finde, sehr richtige Ansichten über die Fähigkeiten von Frauen, sich den Umgang mit ernsthaften Gedanken und Handlungen genauso zur Gewohnheit zu machen und es darin zu derselben Meisterschaft zu bringen wie ein Mann.

Zu ihren wichtigsten persönlichen Initiativen der letzten Jahre gehört die Gründung des internationalen Schiller-Instituts. Es begann mit Diskussionen, die wir im Jahre 1982 mit dem Nationalen Sicherheitsrat führten. Sie berichtete mündlich über wesentliche Merkmale der Entwicklung in Deutschland und machte besonders auf Tendenzen aufmerksam, die sich für die Fortsetzung des Bündnisses zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland unheilvoll auszuwirken drohten. Sie wies auf die Notwendigkeit einer neuen amerikanischen Initiative hin. Ihr Bericht wurde sehr gut aufgenommen, und einige Beamte der Regierung Reagan machten ernsthaft den Versuch, eine dem Vorschlag entsprechende Initiative in Gang zu setzen. Es wurde angeregt, sie solle eine schriftliche Ausarbeitung einreichen. Weitere Schritte wurden im Außenministerium und in den Expertenkreisen der Bürokratie des Nationalen Sicherheitsrates blockiert, trotzdem wurde ihre Analyse der Lage in Betracht gezogen und hatte sicher einen praktischen Nutzen.

Die bürokratischen Hindernisse, die ihr von Kissingers Maulwürfen in der Administration in den Weg gelegt wurden, überzeugten sie, daß die von ihr vorgeschlagenen Aktionen von privater Seite ausgehen mußten. Diese Entscheidung führte zur Gründung des Schiller-Instituts sowie zu weiteren Entwicklungen, die das Schiller-Institut mittlerweile zu einer international sehr einflußreichen Institution gemacht haben. Unter den Deutschen, die die Gründung des Schiller-Instituts unterstützten, waren führende Veteranen der antifaschistischen Widerstandsorganisation "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold". Dies waren echte Deutsche, die Widerstand geleistet hatten und die stellvertretend für all diejenigen standen, die Deutschland nach Hitler auf den moralischen Fundamenten der Tradition der deutschen Klassik wieder aufbauen wollten.

Helga faßte zusammen: In der Geschichte aller Nationen gibt es eine kostbare Epoche, die das kulturelle Erbe dieser Nation in seiner vollsten Blüte wiedergibt. In den Vereinigten Staaten ist es die amerikanische Revolution. In Deutschland ist es die Zeit des Großen Kurfürsten im 17. Jahrhundert, der den Juden eine Zufluchtsstätte vor der Unterdrückung bot, sind es Leibniz, Bach, Lessing und die deutschen Klassiker. In Italien ist es die Renaissance. Die Bejahung dieser besten Traditionen jeder Nation muß zur Grundlage werden, auf der die Beziehungen zwischen den Nationen aufbauen.

Auf dieser Grundlage erweiterte das Schiller-Institut sehr rasch seinen Wirkungskreis. Was mit der Förderung grundsätzlicher Verbesserungen der deutsch-amerikanischen Beziehungen begonnen hatte, erstreckte sich bald auf die Förderung derartiger Beziehungen zu anderen Nationen.

Helga und ich stimmen in theologischen Fragen überein. Sie ist nichtpraktizierende Katholikin, aber ihre theologischen Ansichten sind katholisch. Ich bin auf dem Papier Protestant, aber meine theologischen Überzeugungen sind, wie ich bereits beschrieben habe. In der Praxis sind wir beide ökumenisch, in dem Sinne, wie es Nikolaus von Kues in seiner Schrift De pace fidei definiert hat. Und das wollen wir bleiben.

Mit diesen Einschränkungen verbindet uns in diesem ökumenischen Sinne viel mit Papst Johannes Paul II. und mit den wichtigen Ansichten des Kardinals Joseph Ratzinger, aber auch mit einfachen Priestern und dem höheren Klerus innerhalb der katholischen Kirche. In der Praxis konzentriert sich diese Übereinstimmung auf zwei Themen. Theologisch verteidigen wir das Prinzip des Hl. Augustinus, das im "filioque" des christlichen Glaubensbekenntnisses zum Ausdruck kommt und das zentrale Merkmal des katholischen wie des protestantischen Christentums in Europa und dem amerikanischen Kontinent ist. Andererseits decken sich unsere Ansichten über ein neues internationales Währungssystem mit den Aussagen der Enzyklika Populorum progressio von Papst Paul VI., die Johannes Paul II. energisch bekräftigt hat.

Die Verteidigung der Formel "und dem Sohne" ist keine liturgische Frage; sie rührt an die Grundfesten der westlichen Zivilisation. Für uns gilt, daß jeder einzelne Mensch, angeleitet durch die Erkenntnis des Logos, an dem Werk Gottes teilhat. Die menschliche Erkenntnis ist zwar unvollkommen, aber wir können diese Unvollkommenheit verringern, indem wir den uns geschenkten göttlichen Funken der Vernunft entwickeln und anfachen. Diese Betonung der Fähigkeiten und Pflichten, die mit der Entwicklung unseres göttlichen Funkens der Vernunft verbunden sind, ist das Geheimnis der westlichen Zivilisation, denn sie ist beispielsweise die Quelle unseres Vermögens, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt zu erzeugen und anzuwenden.

Nach neun Jahren Ehe ist es nun schwierig, zwischen den Früchten zu unterscheiden, die durch die Zusammenarbeit zwischen Helga und mir gereift sind, und der Bereicherung, die meine Ideen im Laufe dieser Zusammenarbeit erfahren haben. Ohne ihren Beitrag stünde ich heute ärmer da; wer das von sich und seinem Denken sagen kann, weiß, daß er eine gute Ehe führt.

Was ich Helga schulde, ist ein besonderer Teil dessen, was ich vielen meiner Mitarbeiter verdanke. Ich erfreue mich einer ausgezeichneten Ehe und, in demselben Sinne, einer sehr glücklichen Vereinigung.

Ende

 

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