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In einem längeren Interview im staatlichen Fernsehsender Perwy Kanal (Erster Kanal) am 31. März gab der russische Außenminister Sergej Lawrow einen detaillierten Bericht über die Doppelzüngigkeit der neuen ukrainischen Regierung und seiner westlichen Amtskollegen bei seinen jüngsten Gesprächen mit ihnen. Das Interview wurde der Öffentlichkeit in englischer Übersetzung von Russia Today zugänglich gemacht.
Seine westlichen Gesprächspartner sagten ihm, man könne die illegale Regierung in Kiew „nicht rückgängig machen“, aber Rußland müsse seine Entscheidung über die Krim rückgängig machen. „Meine Antwort ist ganz einfach. Selbst wenn man die Rechtmäßigkeit des Geschehens auf dem Maidan und des Geschehens auf der Krim gleichsetzt (und ich bin mir völlig sicher, daß das erstere eine gesetzwidrige Handlung war, aber das letztere den Willen der Bevölkerung zum Ausdruck brachte...), selbst wenn man davon einmal absieht, so ergibt es doch für einen Diplomaten keinen Sinn, zu sagen, man müsse das Geschehen auf dem Maidan als Realität akzeptieren, aber das Geschehen auf der Krim sei nicht real. Das ist ein übler Trick.“
Außerdem sagten dieselben Politiker ihm unter vier Augen: „Wir verstehen Sie, doch wir sind ein Team und müssen mit einer Stimme sprechen.“ Wessen Stimme das ist, sagten sie nicht.
Insgesamt, so Lawrow, sei er „verblüfft, wie die Europäer Entscheidungen zur Ukraine-Frage, die das Verhältnis zu Rußland betreffen, Washington überlassen“.
In Bezug auf die Putschistenregierung in Kiew sagte Lawrow, daß sein ukrainischer Amtskollege Andrij Deschtschyzja, als er vor kurzem mit ihm sprach, ihm sehr wenig über die geplanten Verfassungsreformen sagen konnte; aber „in Den Haag hatte ich recht lange Gespräche mit US-Außenminister John Kerry, Kanzlerin Angela Merkel und Regierungschefs anderer EU-Mitgliedstaaten, und mir schien, daß sie viel mehr über die geplanten Reformen des Parlaments und der von ihm ernannten Regierung wußten als unsere ukrainischen Kollegen“.
Lawrow warf dem Westen vor, angesichts der Menschenrechtsverletzungen und des faschistischen Programms von Swoboda und Rechtem Sektor bewußt „wegzugucken“. Er fügte hinzu: „Wir haben die Fakten darüber - die ich meinen Amtskollegen vorlegte -, wessen Botschaft Kontakt mit dem Rechten Sektor hielt und wessen Botschaft dessen Anführer ständig besuchten; wessen Vertreter immer auf dem Maidan vor Ort waren in den vom Rechten Sektor besetzten Gebäuden, von denen aus sie viele ihrer Gewaltakte, einschließlich der Heckenschützen, sorgfältig organisierten.“
In einem humorvollen Text, der am 27. März auf der Webseite Causeur.fr erschien, nimmt der französische Ökonom Olivier Berruyer unter dem Titel „Putin macht mir Angst“ diejenigen im Westen aufs Korn, die Wladimir Putin ständig schlechtmachen. Berruyer, der den Blog Lescrises gründete, ist übrigens auch ein vehementer Befürworter einer strikten Bankentrennung. Er schreibt:
„Die Zeit ist gekommen, Wladimir Putin laut und deutlich zu verurteilen. Zunächst auf dem Gebiet der Wirtschaft. Denn was hat er in den letzten 15 Jahren konkret getan? Kaufkraft der Russen: hat sich verdoppelt. Inflation: sank von 100% auf nahezu null. Handelsbilanz: stark verbessert und heute ein Überschuß. Beschäftigungsquote: rasch steigend. Öffentliche Verschuldung: von 90% des BIP auf 0% gesenkt. Armut: halbiert. Um es kurz zu machen, die Daten sprechen für sich: Er hat kläglich versagt.
Auf der politischen Ebene: Es gibt regelmäßig Wahlen mit großen Wahlerfolgen - im Gegensatz zu unseren Verbündeten in China und Saudi-Arabien. Putins Zustimmungswerte fielen nie unter 65% und haben heute 80% erreicht - was angesichts der oben erwähnten, katastrophalen Wirtschaftszahlen voraussehbar war. Wir merken natürlich, daß diese Zahlen gefälscht sein müssen, denn Obama erreicht höchstens 40%, Hollande ist auf 15% gefallen und der US-Kongreß hat es in den einstelligen Bereich geschafft, nur 9% der Amerikaner sind mit ihm zufrieden.
Aber in der Geopolitik ist das schlimmste zu befürchten. Denn was fordert Putin? Referenden! Die Menschen nach ihrer Meinung fragen! Mal im Ernst, wie lange werden wir das in Europa noch tolerieren?“
„Übersehen wir nicht die Konsequenzen unserer Zurückhaltung: Wenn wir akzeptieren, daß sich Referenden in Europa ausbreiten, bedeutet es das Aus für den ,Fortschritt Europas’. Haushaltsvereinbarungen ade. Keine Sparpolitik mehr, um die Märkte zu beschwichtigen. Keine Erhöhung des Rentenalters auf 69. Niemand würde zustimmen, Griechenland auszubluten, um Blutsauger-Hedgefonds auszuzahlen. Niemand würde Herman Van Rompuy zum Präsidenten des Europäischen Rates wählen.“