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Aus der Neuen Solidarität Nr. 35/1998:

Londons Geheimdienst und seine "islamischen Terroristen"


Nairobi und Daressalam

Die hohe Kunst des "Kleinkriegs", d.h. des Krieges mit den Mitteln des Terrorismus, besteht darin, ein ideologisch plausibles Terroristennetzwerk zur Verfügung zu haben, das jeweils für bestimmte strategische Zwecke, sozusagen auf "Abruf", Anschläge gegen die gewünschten Zielobjekte oder Personen entweder selbst durchführt oder zumindest vorher öffentlich dazu aufruft, anschließend Bekennerschreiben verschickt und glaubwürdige Spuren hinterläßt, so daß die eigentlichen Auftraggeber unentdeckt bleiben.

So war es wohl auch im Fall der Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam. Zu diesen furchtbaren Attentaten wäre es nicht gekommen, wenn die US-Regierung den Hinweisen der Regierung Ägyptens und anderer Staaten des Entwicklungssektors auf London als Schlupfwinkel Schaltzentrale des internationalen Terrorismus, und besonders des "islamischen Terrorismus", nachgegangen wäre. Jedesmal, wenn ein größerer Terroranschlag gegen die USA oder einen mit den USA befreundeten Staat durchgeführt wurde, übernehmen routinemäßig in London ansässige Terrorgruppen die Verantwortung dafür - wohlwissend, daß ihnen in London, dem sichersten Platz der Welt für Terroristen, nichts passieren wird. Seit dem 7. August 1998, dem Tag des Anschlags auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam tönen in London ansässige Terrorgruppen in aller Öffentlichkeit: "Wir waren es, wir haben das getan!" und decken damit die Kräfte, die in Wirklichkeit dahinterstecken - höchstwahrscheinlich der britische Geheimdienst selber.

Ein aufschlußreiches Beispiel geben jüngste Enthüllungen zweier ehemaligen Geheimagenten, David Shayler vom britischen Inlandsgeheimdienst MI5 und Richard Tomlinson vom Auslandsgeheimdienst MI6, die daraufhin auf Befehl der britischen Regierung in Frankreich bzw. Neuseeland verhaftet wurden. Shayler und Tomlinson hatten aufgedeckt, daß die britische Geheimdienstabteilung SIS (Secret Intelligence Services) in London ansässige islamische Terroristen gezielt finanziert und unterstützt habe: Sie sollten im Februar 1996 Libyens Staatschef Gaddafi ermorden. Der damalige Außenminister Malcolm Rifkind habe das Mordkomplott gebilligt.

Shayler gab der britischen Zeitung Daily Mail am 1. August - einen Tag vor seiner Verhaftung - in Frankreich ein Interview. Er habe herausgefunden, sagte er dort, daß der SIS Gelder an "libysche islamische Extremistengruppen" fließen ließ, die einen fehlgeschlagenen Bombenanschlag auf Gaddafi durchführten. Bei dem Attentat kamen mehrere Unbeteiligte ums Leben. Nachdem Stimmen in England laut geworden waren, die eine Untersuchung des Falles forderten, strahlte BBC am 5. August ein Interview mit Shayler aus. In dem zunächst zurückgehaltenen und dann vom britischen Außenministerium erheblich zensierten Interview, erklärt Shayler, die britische Regierung habe einer libyschen Islamisten-Gruppe umgerechnet 290000 DM gegeben, damit sie Gaddafi töteten. "Wir haben 100000 Pfund für die Ermordung eines ausländischen Staatschefs bezahlt. Abgesehen von der Tatsache, daß für dieses Geld unschuldige Menschen getötet wurden, weil die Bombe zum falschen Zeitpunkt explodierte, erfüllt dies den verwerflichen Tatbestand der Finanzierung des internationalen Terrorismus," so Shayler in BBC. Shayler zufolge war der Terroranschlag vom MI6 geplant und finanziert worden. Angeblich wurde das Geld einem arabischen MI6-Agenten in Libyen übergeben, der den Anschlag planen und ausführen sollte.

Shayler hat laut eigenen Angaben seine Informationen mit Hilfe seines Freundes Tomlinson überprüft, der schon 1997 zu zwölf Monaten Gefängnis wegen "Vergehen gegen das Geheimdienstgesetz" verurteilt worden war, weil er versucht hatte, in Australien ein Enthüllungsbuch zu veröffentlichen. Letzte Woche wurde Tomlinson in Neuseeland aufgrund einer britischen Anordnung verhaftet, damit er keine "schädlichen Enthüllungen" machen konnte. Ein Sprecher des britischen Außenministeriums erklärte, Tomlinson könnte "die Wirksamkeit der Arbeit des SIS erheblich beeinträchtigen".

Die Pointe: 1996 tauchte in London aus dem Nichts eine "libysche" Terrorgruppe auf und übernahm die Verantwortung für den Mordversuch an Gaddafi!

Nairobi und Daressalam

Die Verantwortung für die jüngsten Terroranschläge in Kenia und Tansania übernahm die "Internationale Armee für die Befreiung der heiligen Stätten des Islam" (IALIS). Es handelt sich dabei um mehrere in London ansässige islamische Gruppen: die ägyptischen Gruppen "Islamischer Jihad" und "Al-Gamaa" sowie eine Gruppe aus Kaschmir, die von dem Multimillionär und Terroristenfinanzier Osama bin Laden kontrolliert wird. Diese Gruppenkombination entstand Anfang dieses Jahres (damals noch unter dem Namen "Internationale Islamische Front für den heiligen Krieg gegen Amerikaner") während der steigenden Spannungen zwischen den UN-Waffeninspektoren und der irakischen Führung - ein Streit, der fast zu einem neuen Nahostkrieg führte und nur im letzten Moment von UN-Generalsekretär Kofi Annan mit Unterstützung Chinas, Rußlands und auch Präsident Clintons beigelegt werden konnte. Damals schafften es diese britischen Geheimdienstkreise nicht, Präsident Clinton zu einem Kriegsabenteuer hinzureißen, das die USA im gesamten Entwicklungssektor vollends verhaßt machen mußte.

Zwei Tage vor den Anschlägen in Nairobi und Daressalam kündigte Londons "Islamischer Jihad" an, überall auf der Welt amerikanische Interessen anzugreifen. Der fadenscheinige Grund: die CIA habe "vor Monaten" drei ihrer islamischen Mudschaheddin in Albanien verhaftet und nach Ägypten ausgeliefert, wo sie für ihre Taten hingerichtet werden können. Die extremistischen islamischen Gruppen in London hatten sich auf die Linie geeinigt, daß für etwaige Anschläge bin Ladens Islamisten verantwortlich sein sollte. Eine Splittergruppe von bin Ladens "Komitee für Rat und Reform" (Sitz in London) gab ein Kommuniqué heraus, das die Berichte in der britischen und amerikanischen Presse untermauerte, wonach die IALIS bin Ladens Gruppe sei.

Mehrere Gruppen in London wie die ägyptischen "Sharia-Unterstützer" von Abu Hamza Al-Misri, der in London politisches Asyl genießt, während in Ägypten die Todeszelle auf ihn wartet, und die Gruppe "Al-Muhajiroon" von Omar Bakri begrüßten die Bombenanschläge ausdrücklich und erklärten gegenüber der internationalen Presse, diese Anschläge seien ein großer Sieg für die unterdrückten muslimischen Staaten gegen die US-Tyrannei und deren Alliierte; außerdem verlangten sie weitere Terroranschläge. Das offizielle Büro des "Islamischen Jihad", das "Islamische Beobachtungszentrum" in London, das von den britischen Behörden 1996 anerkannt wurde, rechtfertigte den Bombenangriff ebenfalls. Dennoch ist kaum zu erwarten, daß ihre Büros demnächst von amerikanischen Marschflugkörpern getroffen werden.

Hussein al-Nadeem

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