Nach dem Anschlag von Luxor stehen "islamische" Terrorgruppen erneut weltweit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Eigentlich wäre jedoch der Begriff "von Großbritannien aus operierende" Terrorgruppen in den meisten Fällen zutreffender. Betrachten wir z.B. die Liste der terroristischen Organisationen, die die amerikanische Regierung am 8. Oktober veröffentlichte. Darin sind 30 Organisationen aufgeführt, denen auf dem Boden der USA alle Aktivitäten (z.B. Spendensammeln) verboten sind. Von diesen 30 Gruppen haben zehn in London ihr Hauptquartier, weitere 15 unterhalten dort wichtige logistische Operationen wie Zeitungen, Büros mit Faxgeräten, usw. Das schließt alle 15 Terrorgruppen des Nahen Ostens auf der Liste ein, die für Morde an mehreren tausend Zivilisten verantwortlich sind.
Diese zahlreichen Terroristen kann die britische Führung in vielen Regionen der Welt einsetzen, um damit ihre geopolitischen Ziele zu befördern; das gilt ganz besonders für den Nahen Osten. Das drohende Kriegsszenario für den Nahen Osten (siehe Kommentar auf Seite 2) kann ohne den Einsatz brutaler Terroranschläge britisch gesteuerter Gruppen - nämlich nominell "islamische" oder "arabische" Fanatiker auf der einen, "jüdische" Extremisten auf der anderen Seite - nicht entfaltet werden. Diese Praxis hat im Britischen Empire eine lange Tradition: Man unterstützt in den verschiedenen Konflikten die extremsten Kräfte auf allen Seiten, und wenn keine solchen Kräfte existieren, schafft man sie sich.
Das Foreign Office teilte als Antwort Botschafter Raviv lapidar mit: "Uns sind keine Beweise bekannt, welche die Behauptung stützten, von der Hamas in England gesammelte Gelder würden direkt zur Förderung von Terrorakten im Ausland verwendet." Die Terrorwelle der Hamas verhalf wenig später Benjamin Netanjahu, der sich als scharfer Terrorismusbekämpfer gab, zum Wahlsieg.
London sei "die Welthauptstadt bei Druck und Veröffentlichung von Botschaften, Flugblättern, Zeitschriften und Presseerklärungen dieser und anderer terroristischer Gruppen, in denen Gewalt angedroht und befohlen wird". Am 24. August sagte der Leiter des ägyptischen Präsidialamts Usama Al-Baz im Fernsehen über London: "Wir verlangen nicht von ihnen, daß sie uns schützen, aber wir verlangen, daß sie damit aufhören, ihr Land zum Nährboden für die Destabilisierung der Sicherheit anderer Nationen zu machen."
Die Ägypter waren insbesondere darüber verärgert, daß die britische Regierung im August offiziell erklärt hatte, sie wolle etwa 14000 Terroristen aus der arabischen und islamischen Welt gestatten, im Oktober in London eine Konferenz zu veranstalten. Hauptgeldgeber der Konferenz war der berüchtigte Osama bin Laden, der Terrorakte ehemaliger afghanischer Mudschaheddin überall auf der Welt lenkt. Die ägyptische Regierung übermittelte der Regierung Major eine formelle Protestnote. Präsident Hosni Mubarak kritisierte in einem Interview mit der in London erscheinenden arabischen Zeitung Al Hayat am 18. September, Großbritannien mißachte die eigene erklärte Absicht, bei der Terrorismusbekämpfung zu kooperieren, indem es "Terroristen politisches Asyl gewährt". Erst als man in England nach saudischen Protesten fürchtete, Rüstungsgeschäfte mit den Saudis zu verlieren, sagte die Londoner Regierung die Konferenz ab.
Galloways Rede im Parlament zu dem Gesetzesvorschlag macht deutlich, daß das Gesetz scheiterte, weil die britische Krone den Terrorismus schützt und fördert, um ihn für ihre geopolitischen Zwecke zu nutzen:
Unter Bedingungen extremer Repression wird die Führung solcher Bewegungen sich unweigerlich an Länder wie das unsere wenden, wo Freiheit und Freiheitsrechte herrschen. Das vorliegende Gesetz wird solche Menschen kriminalisieren, obwohl sie in England kein Gesetz gebrochen haben.
Ich wiederhole das Klischee - das nur eines ist, weil es so offensichtlich wahr ist: Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer. Makarios [Erzbischof von Zypern] war ein gesuchter Terrorist, und er hat mit der Queen im Buckingham-Palast Tee getrunken. Mugabe [Präsident von Simbabwe] war ein gesuchter marxistisch-leninistischer Terrorist, und er hat mit der Queen im Buckingham-Palast Tee getrunken."
Hamas (auch: Islamische Widerstandsbewegung). Die Hamas wurde 1987 als islamistische Fraktion innerhalb der Palästinenserbewegung gegründet. Sie entwickelte sich aus Netzwerken des britischen Generals John Bagot Glubb Pascha, der jahrzehntelang von Jordanien aus die Arabische Legion führte und unter dem Vorwand der Bekämpfung kommunistischer Infiltration im ganzen Nahen Osten aufständische islamische Gruppen organisierte und lenkte. Das zweite Hauptquartier der Hamas neben den Palästinensergebieten ist London. Dort residiert der extremste Flügel der Organisation, die Izeddin al Kazzam, und dort wird auch die Monatszeitschrift der Hamas Filistee al-Muslima herausgegeben. Anfang 1996 wurde in dem Blatt ein fatwa (religiöser Befehl) ausgegeben, der Selbstmordattentate auf israelische Zivilisten forderte, worauf im Februar und März 1996 die Anschläge der Hamas und des Islamischen Dschihad auf israelische Busse folgten. Das Hamas-Magazin schrieb, Hauptangriffsziel sei die Regierung der israelischen Arbeitspartei, und tatsächlich wurde diese wenig später durch Netanjahu abgelöst.
Die Anschläge von Hamas und Islamischem Dschihad im Juli 1997 lieferten Netanjahu den Vorwand, den Osloer Friedensvertrag für tot zu erklären. Nachdem das israelische Attentat auf den Hamas-Führer in Jordanien Khalid Mashaal gescheitert war, wurden der Hamas-Gründer Scheich Ahmed Jassin und über 50 seiner Anhänger aus israelischen Gefängnissen entlassen, und Popularität und Macht der Gruppe sind zu Lasten Arafats massiv gestiegen.
Islamische Gruppe (al-Jamaa al-Islamiyya). Die Islamische Gruppe hat die Verantwortung für den Terroranschlag von Luxor übernommen. Auch sie hat ihr Hauptquartier in London. Zwei Führer der Gruppe, Abdel Abdul Madschid und Abdel Tawfiq al Sirri (Jassir al-Serri), wurden in Ägypten in Abwesenheit wegen Mordes verurteilt, leben aber ungehindert in London, sammeln dort Spenden und planen Terrorakte. Ägyptische Proteste bei der britischen Regierung blieben bisher erfolglos. Während die in Ägypten einsitzende Führung der Islamischen Gruppe öffentlich der Gewalt abgeschworen hat, tut die Londoner Zentrale das Gegenteil und schwört, den gewaltsamen Kampf weiterzuführen.
Bewaffnete Islamische Gruppe - GIA. Seit 1992 führt die GIA einen Terrorkrieg in Algerien und in Frankreich, dem Zehntausende Menschen zum Opfer fielen. Der wöchentliche Nachrichtenbrief der Gruppe Al Ansar wird in London verfaßt und gedruckt, und zwar von Terroristen, die in Algerien in Abwesenheit verurteilt wurden und dennoch eine britische Aufenthaltsgenehmigung besitzen.
Tempelberg-Sekte. Auch auf der "jüdischen" Seite hat London die Fäden in der Hand. Besonders seit der Besetzung Ostjerusalems und der Westbank 1967 lenkt die britische Monarchie u.a. über die Quatuor Coronati-Freimaurerloge der Vereinigten Großloge Englands etliche extreme jüdische Sekten, die einen großen Religionskrieg anzetteln wollen. Diese Gruppen wollen die Heiligen Stätten auf dem Haram al Scharif, dem Tempelberg in Jerusalem, zerstören, um dann anschließend dort den Tempel Salomons (der einer Legende nach von den ersten Freimaurern errichtet wurde) neu aufzubauen. Sekten, die zu diesem Zweck neu gegründet wurden, sind u.a. die Jeschiva Ateret Cohanim, Gusch Emunim und Iyal, deren Mitglied Jigal Amir am 4. November Ministerpräsident Jitzhak Rabin während einer Friedenskundgebung ermordete. Hinzu kommen die Jewish Defense League und die Kach-Partei von Rabbi Meir Kahane.
Auf englischer Seite waren im Hintergrund an der Leitung dieses "Sektenprojekts" insbesondere Lord Harlech, Lord Peter Carrington und die Interessen um den britisch-kanadischen Medienkonzern Hollinger beteiligt, der u.a. den Londoner Daily Telegraph und die Jerusalem Post herausbringt. Für die Finanzierung werden Unterweltfiguren herangezogen, so etwa die Spielkasino-Betreiber Cyril Stein in England und Irving Moskowitz in Kalifornien; letzterer ist nicht nur der Hauptgeldgeber der Extremistengruppen, sondern auch Netanjahus.
Starke Unterstützung erhalten diese Gruppen von evangelischen "christlichen" Sekten in Commonwealth-Ländern und in den USA, z.B. dem Fernsehprediger Pat Robertson, und deren politischen Verbündeten im US-Kongreß wie den Senatoren Jesse Helms und Al D'Amato. Obwohl sie im allgemeinen Moslems extrem feindlich gegenüberstehen, arbeiten die Tempelberg-Sekten mit Hamas und Islamischem Dschihad aus gemeinsamer Opposition gegen den Friedensprozeß zusammen. Der Iyal-Führer Avishai Raviv, der die Haßkampagne gegen Rabin organisierte und Amir den Mord befahl, koordinierte laut israelischen Presseberichten Aktionen mit der Hamas und dem Islamischen Dschihad.
Am 13. Oktober flog ein jüdischer Waffenschmuggelring aus Kiryat Arba auf, einer Siedlung der Tempelberg-Sekten. Die Bande hatte über 50 kg Sprengstoff an zwei Palästinenser verkauft, die den größten Einkaufsboulevard Tel Avivs in die Luft sprengen wollten. Hätten die beiden damit Erfolg gehabt, so wären unzählige israelische Zivilisten umgekommen und Netanjahu hätte im Fernsehen neue "Militäraktionen gegen Terrorismus" angekündigt. So funktioniert das britische Nahost-Kriegsszenario.
Joseph Brewda