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Aus der Neuen Solidarität Nr. 15/2002 |
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Medizin. Für die ambulanten Dialysepatienten soll es keine individuelle Kostenerstattung mehr geben, sondern nur noch eine immer weiter absinkende wöchentliche Kostenpauschale.
Die Strategie der Kostenbegrenzung im Gesundheitswesen erhält immer klarere Konturen: Da es illusionär ist, Leistungskürzungen so schnell vorzunehmen, wie die Einnahmen der Kassen im Zuge der Wirtschaftskrise sinken, verlegen sich die Streichungsexperten schwerpunktmäßig darauf, in solchen Bereichen den Rotstift anzusetzen, wo zwar nicht sofort ein deutlicher Spareffekt erreicht wird, aber mittel- bis langfristig erhebliche Kosten wegfallen, da einfach weniger Patienten zu versorgen sein werden.Nachdem der "Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen", der festlegt, welche Therapien und Leistungen von den Kassen übernommen werden, bereits die für Schwerstkranke lebenswichtige Sondenspezialnahrung auf eine "Einheitskost" reduzieren will (siehe Neue Solidarität Nr. 13/2002), sind nun die ambulanten Dialysepatienten an der Reihe, für es die keine individuelle Kostenerstattung mehr geben soll, sondern eine immer weiter absinkende wöchentliche Kostenpauschale. Es ist absehbar, daß sich in beiden Fällen wegen chronischer Unterversorgung die Sterberate betroffener Patienten erhöhen wird.
Der Sparkurs bei den Dialysepatienten soll trotz massiver Proteste aus der gesamten Bevölkerung durchgesetzt werden. So hatte der Fachverband Dialysepatienten Deutschlands e.V. (DD) im vergangenen Jahr über 139000 Unterschriften (bei "nur" 59000 unmittelbar Betroffenen) gesammelt, um gegen die geplanten Einsparmaßnahmen bei der ambulanten Dialyse zu protestieren (siehe auch Neue Solidarität Nr. 36/2001). Nach Auskunft des DD-Geschäftsführers Holstein werde es trotzdem bei dem Sparbeschluß bleiben, der am 1. Juli 2002 in Kraft treten soll. Es sei nur ein Zugeständnis gemacht worden, so daß die Morbidität Berücksichtigung finden soll: Bei Patienten, die neben der ausgefallenen Nierenfunktion an weiteren Krankheiten leiden, erfolgen Zuschlagszahlungen, wobei allerdings erst bis zum 1. Januar 2003 feststehen soll, wer als "polymorbid" (Alter, Diabetes und anderes) gilt. Das bedeute eine leichte Auflockerung des "streng planungswirtschaftlichen Pauschalensystem", indem es zumindest ansatzweise die Höhe der Zahlungen am Bedarf des konkreten Einzelfalls ausrichtet, heißt es in einer Stellungnahme des Verbandes. Dabei fragt sich allerdings, wer letztlich darüber entscheidet, wer unter so schwammige Ausnahmeregelungen fällt.
Eine weitere Hoffnung auf Einflußnahme setzt der Verband auf Fachgespräche mit dem AOK-Bundesverband, bei denen es um die Festlegung von einheitlichen Qualitätskriterien bei der Dialysebehandlung geht.
Auch die Deutsche Dialysegesellschaft hatte sich bei Bekanntwerden der Sparpläne im letzten Jahr äußerst besorgt gezeigt. Bisher sei Deutschland eines der wenigen Länder weltweit gewesen, wo alle chronisch Nierenkranke ohne Einschränkung versorgt worden seien. Doch mit der jetzt vorgesehenen Senkung der Kostenerstattung um rund ein Viertel werde die Versorgung eines großen Teils der Dialysepatienten ambulant in der notwendigen Qualität und Sicherheit unmöglich. Der Vorsitzende der Deutschen Dialysegesellschaft Dr. Heinrich Kütemeyer, empörte sich über den leichtfertigen Umgang der gesetzlichen Krankenkassen mit dem Schicksal ihrer Versicherten und über die Zustimmung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: "Steigende Sterblichkeit und verminderte Lebensqualität der Patienten werden offenbar bewußt in Kauf genommen."
Genau hier liegt das entscheidende Problem. Der Zwang zum Sparen aus wirtschaftlichen Gründen macht vor Menschenleben nicht halt. Mit einem zynischen Achselzucken wird darauf verwiesen, wenn nicht hier gespart wird, wird es anderswo erfolgen. Angesichts des Wirtschaftskrachs, der erst begonnen hat, ist leider absehbar, daß Sondennahrungs- und Dialysepatienten nicht die letzten Betroffenen der Kostensenkungspolitik im Gesundheitsbereich sein werden. Nur eine völlige Umorientierung in der Wirtschaftspolitik und ein klares Nein zum Kosten-Nutzen-Denken im Gesundheitswesen könnten einen Ausweg aus der Zwickmühle bedeuten.
Dr. Wolfgang Lillge
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