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Aus der Neuen Solidarität Nr. 17/2002

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"George Bush ist Gefangener seiner Administration"

Interview. Im ägyptischen Fernsehen wurde der amerikanische Präsidentschaftskandidat Lyndon LaRouche nach seiner Einschätzung der Nahostkrise gefragt.

Am Morgen des 17. April sendete das ägyptische Fernsehen, das weltweit über Satellit empfangen werden kann, ein Interview seiner Washingtoner Korrespondentin Hanan Elhabry mit Lyndon LaRouche. Es bildete den Anfang der Sendung Guten Morgen, Ägypten; es folgten Meldungen zur Lage im Westjordanland und das Presseecho auf die Nahostreise von US-Außenminister Colin Powell.

Der Moderator in Kairo leitete das Interview mit folgender Erklärung ein: "Die amerikanische Politik im Nahen Osten stößt auch unter den Amerikanern auf starken Widerstand. Das ist das Kennzeichnende an dem Bericht unserer Washingtoner Korrespondentin und ihrem Interview mit Lyndon LaRouche, einem Vorwahlkandidaten der Demokratischen Partei. Dieser Politiker übte Kritik an der Politik der amerikanischen Regierung und definierte, wie diese Politik aussehen sollte, damit man der explosiven Lage im Nahen Osten Herr werden könne. Hier nun der Bericht aus Washington."

Der Korrespondentenbericht beginnt mit Bildern von Demonstrationen in Washington. Elhabry sagt dazu: "Demonstrationen in Washington gegen Israel und für die Palästinenser. Die Zuspitzung der Lage in den besetzten Gebieten macht die Palästinenserfrage zu einem Thema der im November anstehenden Kongreßwahl und auch für die Präsidentschaftskandidaten für 2004, besonders in Gebieten mit einem hohen Anteil an amerikanischen Wählern arabischer oder moslemischer Herkunft."

Dann sieht man Lyndon LaRouche bei Elhabry im Studio, und sie sagt: "Einer dieser Kandidaten, der die Palästinenser unterstützt hat, ist Lyndon LaRouche, einer der Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl in der Demokratischen Partei. Guten Morgen, Ägypten traf ihn in Leesburg."

LaRouche: Sie ist inzwischen eine tragische Katastrophe. Ich glaube, der Präsident der Vereinigten Staaten weiß nicht wirklich, was er tut. Er wird von einer kleinen Gruppe kontrolliert, die - wahrscheinlich mit der Ausnahme von [Außenminister Colin] Powell - weitgehend die verrückte Linie unterstützt, die wir zu hören bekommen. Und er agiert unter dem enormen Druck einer Lobby in den Vereinigten Staaten, die dem Präsidenten überdeutlich gemacht hat, daß, wenn er Scharon in irgendeiner Weise vor den Kopf stößt, sein Bruder die Wahl in Florida verlieren wird und viele Politiker der Republikanischen Partei im ganzen Land ihre Ämter verlieren werden.

Die Lage ist u.a. deshalb so kompliziert, weil der Präsident konzeptionelle Schwierigkeiten hat. Er versteht nicht wirklich, was vor sich geht. Wahrscheinlich verachtet er persönlich, als Privatperson, Scharon. Aber er ist davon überzeugt, daß seine Partei und er selbst es sich gegenwärtig nicht leisten können, Scharon vor den Kopf zu stoßen. Deswegen befindet er sich in einer unhaltbaren, tragischen Situation.

Auf der anderen Seite besteht folgende Gefahr. Was Scharon und die israelische Armee tun, kann militärisch nicht funktionieren. Man kann auf solche Weise keinen Krieg führen.

Ministerpräsident Rabin hatte das verstanden. Deshalb hat er Arafat getroffen und den Oslo-Plan ausgehandelt. Nicht weil Rabin die Araber mochte, sondern weil er begriffen hatte, daß man lernen mußte, in Frieden miteinander zu leben, weil die Alternative nur das sein konnte, was jetzt in Palästina und Israel abläuft: ein Alptraum, dessen Vorbild ganz buchstäblich die Operation der Nazis gegen das Warschauer Getto ist.

Es ist eine unhaltbare Lage. Und wie wohl jeder in der Region versteht, wird dies zum Auslöser für einen größeren Krieg. Denn Israel kann jetzt diese interne Operation innerhalb der Grenzen Israels und Palästinas nicht mehr fortsetzen. Es muß den Krieg ausweiten, oder es wird zusammenbrechen. Die direkten Ziele sind Syrien (über den Libanon), der Irak und möglicherweise der Iran. Aber man muß dabei immer bedenken, daß die israelische Führung - natürlich nicht alle Israelis, sondern diese Leute - ähnlich denken wie die Nazis und offenbar glauben, daß sie sich alles erlauben können.

Meine Aufmerksamkeit gilt in dieser Lage folgendem. Die Europäer leisten Widerstand - nicht sehr wirksam, aber immerhin tun sie es. Wichtig daran ist, daß sie Druck auf die USA machen. Die USA allein können Israel vielleicht nicht davon abhalten, zu tun, was es tut. Aber wenn sich die USA dem, was einige arabische Nationen und die Europäer sagen, anschlössen, könnte diese Kräftekonstellation den Schrecken beenden. Das ist meine Hoffnung.

LaRouche: Dank ihrer politischen Stärke konnten die Vereinigten Staaten finanzielle und andere Unterstützung aus anderen Nationen herausziehen, um der amerikanischen Wirtschaft den Anschein von Stabilität zu geben, obwohl sie in Wirklichkeit zusammenbricht.

Innerhalb der USA wächst die Verzweiflung, es grenzt schon an Hysterie, mit der man versucht, die Wirklichkeit der Wirtschaftsdepression zu leugnen. Man will so tun, als gäbe es keine Wirtschaftsdepression in Amerika und auf der Welt. Ohne eine entsprechende Führung kann selbst eine große Nation wie Amerika zeitweise verrückt werden. Und ich glaube, wenn man den Zustand der Vereinigten Staaten beschreiben sollte, müßte man sagen, sie befinden sich in einem Zustand des Wahns. Im Rest Amerikas ist es nicht so schlimm wie in Washington - Washington ist der Gipfel des Wahnsinns. Außerhalb Washingtons wird man feststellen, daß die Menschen weniger verrückt sind als in Washington und Umgebung. Doch der Wahnsinn existiert.

Meine Sorge ist nun: Wie kann ich als Amerikaner das Rad in den USA herumreißen? Meiner Ansicht nach sind die Regierung, und ganz besonders der Kongreß, außer Rand und Band. Es ist unwahrscheinlich, daß sie etwas Vernünftiges tun werden. Was tue ich dann? Wie kann ich meine eigenen Bemühungen dem, was andere Menschen auf der Welt tun, so hinzufügen, daß wir die Lage herumreißen können?

Ich hoffe, daß es möglich sein wird, auf George Bush einzuwirken. George Bush ist ein Gefangener seiner Administration. Powell ist eine Öffnung für Menschen, die auf vernünftigere Ideen hören. Aber die Mehrheit der Leute im unmittelbaren Umkreis des Präsidenten drängen ihn in diese Richtung, u.a. durch innenpolitischen Druck. Können wir ihn lange genug von diesem Druck befreien, so daß er erkennt, wo das Problem liegt? Er steht jetzt vor zahlreichen Problemen, jedes allein eine große Krise. Er gehört nicht zu den Menschen, die intellektuell in der Lage sind, viele große Krisen auf einmal zu bewältigen. Deshalb sollten wir seine Probleme auf nur ein oder zwei entscheidende reduzieren, auf die er seine Aufmerksamkeit konzentrieren kann. Vielleicht können wir ihn so zu einer Kursänderung bewegen.

LaRouche: Das ist falsch. Ich kämpfe dagegen. Dieser Haß, diese Verfolgung sind einfach falsch. Wir wollen keine neue McCarthy-Ära in Amerika. Wir wollen nicht, daß sich in den USA wiederholt, was den japanischen Amerikanern angetan wurde. Wir wollen keinen Rassenhaß oder ähnlichen Haß in Amerika. Es ist falsch...

Mit dem, was ich international sage, nehme ich ein gewisses persönliches Risiko auf mich. Aber es muß jemanden geben, der für alle deutlich sichtbar aufsteht und die Wahrheit sagt. Sonst werden die Leute, die auf diese Weise verfolgt werden - oder die denken, sie könnten der nächste sein - , ganz verängstigt. Das macht sie handlungsunfähig, und sie können nichts erreichen. Sie werden sich in ihre Löcher verkriechen und nur darauf hoffen, daß sie nicht der nächste sind, anstatt die Lage zu verändern. Ich muß als sichtbares Beispiel dafür aufstehen, was die Vereinigten Staaten sein könnten - für die Menschen in der islamischen Welt, der arabischen Welt und für alle Israelis, die gegen die faschistische Tendenz in Israel ankämpfen.

LaRouche: Ich bin inzwischen eine Institution in den Vereinigten Staaten. Es gab solche Institutionen in Amerika, die ermordet oder sonstwie vernichtet oder eingesperrt wurden. Aber eine solche Institution hat einen gewissen Schutz, den andere nicht haben. Aber sie haben Angst vor mir. Der amerikanische Tory haßt mich und fürchtet mich. Aber er hat ein Problem: Das, was ich in den USA repräsentiere, hat eine breite historische Basis, die im Volk und in der Kultur tief verwurzelt ist. Meine Freundschaft zu Ländern in Mittel- und Südamerika ist allseits bekannt, ebenso meine Freundschaft zu Ländern wie Ägypten oder mit führenden Leuten in Rußland, in Europa usw. Man kennt meinen Einsatz für die fast aussichtslose Sache Schwarzafrikas. Deshalb bin ich eine Institution, und viele Menschen in den USA respektieren mich - sie mögen mit mir nicht einer Meinung sein, aber sie respektieren mich.

LaRouche: Wissen Sie, das Leben ist kurz. Was wirklich zählt ist, was man in seinem Leben erreicht. Es kann jeden Augenblick ein frühes Ende nehmen, doch darum soll man sich keine Sorgen machen. Man macht einfach weiter und tut, was man tun muß. Aber man darf nicht auf perfekte Lösungen spekulieren, denn die gibt es nicht.

 

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