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Aus der Neuen Solidarität Nr. 24-25/2004

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Der "Kongreß für kulturelle Freiheit"

Kulturkampf. Nach dem Krieg versuchten die USA, die europäische Kulturszene in ihrem Sinne zu manipulieren. Diese Kampagne sollte linken Ideologien das Wasser abgraben, gleichzeitig aber auch das Wissen um universelle Kunstprinzipien zerstören.


CIA macht in Kultur
Ursprung und erste Bemühungen

Der Kongreß debattiert

Offensive mit moderner Musik und Kunst

Am 19. Mai dieses Jahres verstarb 84jährig Melvin J. Lasky. Eine Todesanzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unterzeichneten u.a. Joseph Joffe ( Die Zeit), Walter und Susi Laqueur, Christa und Michael Naumann (ehemals Kulturminister), Arnulf Baring (neokonservativer Historiker und Publizist), Luc Bondy, Gesine Schwan, Ernst Cramer (Die Welt), Marie Warburg - neben vielen weiteren, die in der Nachkriegszeit in Deutschland und Europa eine wichtige Rolle als Ideengeber im Kulturbereich spielten.

Der Name Melvin Lasky ist eng mit einer Institution verbunden, die unter dem Namen "Kongreß für kulturelle Freiheit" das kulturelle Gesicht Nachkriegseuropas prägte. In ihrem Buch Wer die Zeche zahlt - Die CIA und die Kultur im Kalten Krieg", das 1999 im Siedler Verlag erschien, liefert die Autorin Frances Stonor Saunders ein sehr detailreiches Bild der Aktivitäten des Kongresses für kulturelle Freiheit - seine Drahtzieher, Geldgeber und Berater im Nachrichtendienstmilieu der CIA und des SIS. Das Buch läßt hingegen die geistigen Väter der 68er-Generation - die Frankfurter Schule unter Adorno, Horkheimer, Marcuse - unberücksichtigt, und die Autorin vermag es auch nicht, eine Verbindung zwischen der links/rechts-synarchistischen Philosophie der 20er Jahre und dem Denken der heutigen Neokonservativen in der Regierung Bush aufzuzeigen.

Wir werden in diesem Beitrag und folgenden Artikeln in den kommenden Wochen einige Aspekte des Buches beleuchten und dies auch in den Zusammenhang mit Lyndon LaRouches Wahlkampf in den USA stellen, dessen Stab demnächst die Reihe seiner Beast-Man-Pamphlete über die Ideologie der neokonservativen Kriegstreiber mit einem dritten Teil fortsetzen wird, worin dieser Kulturkrieg im Mittelpunkt steht.

CIA macht in Kultur

Die britische Autorin Frances Stonor Saunders, die für ihr Buch ausgiebige Recherchen in amerikanischen und britischen Bibliotheken und Archiven vornahm und auch neue Quellen aufgrund des amerikanischen Gesetzes zur Informationsfreiheit (FOIA) erschließen konnte, entwickelt in ihrem Buch folgende These:

Während der Hochphase des Kalten Krieges investierte die amerikanische Regierung enorme Summen in ein verdecktes Programm zur kulturellen Kriegführung in Westeuropa. Gesteuert wurde es unter strengster Geheimhaltung vom US-Geheimdienst CIA. Das Kernstück bildete der "Congress for Cultural Freedom", der in den Jahren 1950 bis 1967 von dem CIA-Mitarbeiter Michael Josselson geleitet wurde. In seiner Glanzzeit verfügte dieser Kongreß über Außenstellen in 35 Ländern und beschäftigte eine Vielzahl von Mitarbeitern. Er veröffentlichte mehr als 20 angesehene Zeitschriften - darunter Der Monat, Encounter, die französische Zeitschrift Preuves und die lateinamerikanischen Cuadernos - , veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Museum of Modern Art Kunstausstellungen in Europa, besaß eine eigene Nachrichtenagentur, organisierte spektakuläre internationale Konferenzen und richtete Preisverleihungen und öffentliche Kulturveranstaltungen aus, in deren Rahmen Musiker und andere Künstler geehrt wurden.

Die Ziele des Kongresses bestanden darin, der westeuropäischen Intelligenz ihre latente Sympathie für Marxismus und Kommunismus auszutreiben und die auf Platon, Leibniz, Schiller usw. aufbauende klassische humanistische Kultur zu untergraben und durch die Kultur des "American Way" zu ersetzen. Gleichzeitig wollte man in den entsprechenden Ländern die außenpolitischen Interessen Amerikas im Sinne der Pax Americana fördern.

Über 20 Jahre lang wurde eine sehr subtile Auseinandersetzung geführt. Es gab in Europa kaum einen prominenten Schriftsteller, Dichter, Künstler und Historiker, dessen Name nicht einmal auf irgendeine Weise mit dem Projekt in Verbindung kam.

Nach dem Kriege durchleuchteten die für die psychologische Kriegführung des amerikanischen Nachrichtendienstes arbeitenden Amerikaner Michael Josselson und Nicolas Nabokov die deutsche Presse, Unterhaltungsmedien und Musikszene. Als Teil der Umerziehung in Deutschland erstellten die amerikanischen Besatzungsbehörden u.a. eine Liste der politisch korrekten Literatur. Während z.B. Ibsens Peer Gynt und Shaws Ein Teufelskerl unter die Kategorie "Freiheit und Demokratie" fielen, galten "für den gegenwärtigen geistigen und psychischen Zustand der Deutschen" alle Stücke ungeeignet, die wie manche griechische Klassiker eine blinde Schicksalsmacht akzeptieren, die unausweichlich in Zerstörung und Selbstzerstörung münde. Shakespeares Julius Cäsar und Coriolan wurden ebenso auf die Schwarze Liste gesetzt wie Heinrich von Kleists Prinz Friedrich von Homburg, da dieser als "chauvinistisch" galt.

Ursprung und erste Bemühungen

Zu den Hauptinitiatoren des Kongresses für Kulturelle Freiheit gehörte eine Gruppe früherer radikaler und linker Intellektueller bzw. Trotzkisten (meist aus den USA und England), die sich zu Kalten Kriegern gemausert hatten: der in England lebende ungarische Emigrant Arthur Koestler, der US-Nachrichtendienstler Frank Wisner (Leiter des OPC, s.u.), der Amerikaner Sidney Hook, der CIA-Mitarbeiter Tom Braden, der in Berlin ansässige Melvin Lasky und der Nachrichtendienstler Michael Josselson, der ab 1951 die Arbeit des Kongresses für Kulturelle Freiheit in Paris koordinierte. Sie standen in enger Verbindung mit Arthur Schlesinger (der im Vorstand von Radio Free Europe saß) und dem zeitweisen CIA-Chef Allen Dulles.

Am 9. Dezember 1947 wurde das Office of Policy Coordination (OPC) gegründet, eine Spezialabteilung für verdeckte Geheimdienstoperationen, die in die CIA eingebunden und dem US-Außenministerium unterstellt sein sollte. Das OPC sollte ausländische Regierungen beeinflussen, Veranstaltungen organisieren und Personen zur Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik gewinnen, ohne daß eine Beteiligung der amerikanischen Regierung sichtbar wird.

Frank Wisner wurde zum Leiter der Dienststelle ernannt. Der ehemalige Wall-Street-Anwalt war schon für den CIA-Vorläufer OSS in Europa tätig gewesen. Nach dem Krieg blieb er beim militärischen Geheimdienst und diente als Verbindung zur Organisation Gehlen, die aus der Abteilung des deutschen Nachrichtendienstes "Fremde Heere Ost" hervorgegangen war.

Die OPC-Gruppe wurde der CIA eingegliedert. Einer der ersten OPC-Rekruten in Deutschland war der Amerikaner Michael Josselson, der im Herbst 1948 als Leiter der Berliner Dienststelle für verdeckte Operationen beitrat.

In Berlin lebte damals auch Melvin Lasky. Der 1920 im New Yorker Stadteil Bronx geborene Sohn osteuropäischer jüdischer Einwanderer war als Kriegshistoriker nach Berlin gekommen. 1948 gründete er die einflußreiche Zeitschrift Der Monat. Für den Monat schrieben u.a. George Orwell, Hannah Arendt, Raymond Aron, Ignazio Silone, T.S. Eliot, Saul Bellow, Milovan Djilas und viele andere europäische Intellektuelle.

In einer ausführlichen Denkschrift aus dem Jahre 1947 an den US-Militärgouverneur in Deutschland, General Lucius Clay, erläuterte Lasky seine Strategie. Nach dem Kriege herrsche ein großes geistiges Vakuum, das man mit den "ruhmreichen Errungenschaften Amerikas auf dem Gebiet der Künste, der Literatur wie der Philosophie" ausfüllen solle.

Ein Ergebnis war die Gründung der erwähnten Zeitschrift Der Monat - ein monatlich erscheinendes Magazin, das eine ideologische Brücke zwischen deutschen und amerikanischen Intellektuellen schlagen und "die allgemeinen Ziele amerikanischer Außenpolitik in Deutschland und Europa" unterstützen sollte.

Eine weitere große Initiative war dann die Gründung des Kongresses für kulturelle Freiheit, die 1950 in Berlin stattfand. Zu den Koordinatoren gehörten der in England lebende Exilungar Arthur Koestler, der in Amerika lebende weißrussische Komponist Nicolas Nabokov, Sidney Hook, Michael Josselson, Melvin Lasky, James Burnham und Irving Brown, der in Europa über umfangreiche Verbindungen zu Linken und Gewerkschaften verfügte.

Unter den englischen Delegierten befanden sich Hugh Trevor Roper, Julian Amery, A.J Ayer, Herbert Read, Harold Davis, Christopher Hollis und Peter de Mendelssohn. Das britische Außenministerium finanzierte diese Bemühungen über das Information Research Department.

Aus Frankreich kamen Raymond Aron, David Rousset, André Malraux, Jules Romain und Georges Altman, und aus Italien der ehemalige Mussolini-Anhänger Ignazio Silone, Altiero Spinelli, Franco Lombardo und Muzzio Mazzochi.

Der Kongreß debattiert

Die Eröffnungsveranstaltung des Kongresses fand am 26. Juni 1950 im Berliner Titania-Palast statt. Es gab Podiumsdiskussionen und fünf Themenschwerpunkte: "Wissenschaft und Totalitarismus", "Kunst, Künstler und Freiheit", "Der Bürger in einer freien Gesellschaft", "Verteidigung von Frieden und Freiheit" und "Freie Kultur in einer freien Welt".

Man nominierte Laskys Entwurf folgend eine Kommission aus 25 Mitgliedern sowie ein halbes Dutzend Ehrenpräsidenten. Diese waren Bertrand Russell, der italienische Monarchist Benedetto Croce, John Dewey, der die amerikanische Linke vertrat, Karl Jaspers, Isaiah Berlin und Jacques Maritain.

Der schweizerische Schriftsteller Denis de Rougemont (Die Liebe und das Abendland) wurde Präsident des Exekutivkomittees. Im Krieg hatte er aktiv für die Stimme Amerikas gearbeitet; er hatte in der Föderalistischen Europäischen Union mitgearbeitet und leitete das von den USA unterstützte "Centre Européen de la Culture" in Genf.

Unter der Leitung Frank Wisners wurde nun der Kongreß für kulturelle Freiheit als dauerhafte Einrichtung etabliert. Nach der Genehmigung durch einen OPC-Projektausschuß erhielt er den Codenamen QKOPERA. Eine von Wisners ersten Entscheidungen bestand darin, die Operationsbasis des Kongresses von Berlin nach Paris zu verlegen.

Der CIA-Mann Tom Braden, mit direkter Verbindung zu Allen Dulles, sollte die institutionellen Grundlagen für Einrichtungen wie den Kongreß schaffen, der als Brückenkopf in Westeuropa den Vormarsch kommunistischer Ideen stoppen sollte.

1951 wurde in Frankreich unter François Bondy die Zeitschrift Preuves gegründet, und Ende des Jahres übernahm Ignazio Silone die Leitung der italienischen Vereinigung für kulturelle Freiheit, die Kulturgruppen mit Vortragsrednern, Büchern, Broschüren und Filmen im internationalistischen Geiste versorgte und die Zeitschriften Libertà della Cultura und Tempo presente veröffentlichte.

Die britische Gesellschaft für kulturelle Freiheit wurde ebenfalls 1951 in der Authors' Society in Whithall Court gegründet. 1953 erschien erstmalig die Zeitschrift Encounter, die anfänglich von dem - heute als Neokonservativer berüchtigten - Amerikaner Irving Kristol und dem Engländer Stephen Spender, später auch von Melvin Lasky geleitet wurde.

Offensive mit moderner Musik und Kunst

Im April 1952 fand in Paris, inzwischen das Zentrum des Kongresses für kulturelle Freiheit, ein erstes großes Kulturfestival statt. Es wurde zu einer augenfälligen Demonstration einer Kultur, die im Namen von "Demokratie und Freiheit" der klassisch-ästhetischen Kunstauffassung eine radikale Absage erteilte.

Das Boston Symphony Orchestra unter der Leitung von Pierre Monteux eröffnete das Festival Ouevre du Vingtième siècle (Werke des 20. Jahrhunderts) mit einer Aufführung von Igor Strawinskys Le sacre du printemps. In den darauffolgenden Tagen wurden rund hundert Sinfonien, Konzerte, Opern und Ballette von über 70 Komponisten des 20. Jahrhunderts aufgeführt, alles organisiert vom Kongreß für Kulturelle Freiheit. Paris ertrank förmlich in moderner Musik.

Die Gemälde- und Skulpturenausstellung unterstand dem Kuratorium von James Johnson Sweeney, einem Kunstkritiker und ehemaligen Direktor des Museum of Modern Art. Werke von Matisse, Derain, Cézanne, Seurat, Chagall, Kandinsky und anderen modernen Künstlern wurden gezeigt. Cette fête américaine, "dieses amerikanische Fest", über das der Figaro ausführlich berichtete, wurde in Frankreich Tagesgespräch.

In den folgenden Jahren wurden in Europa diverse Wanderausstellungen mit Werken zeitgenössischer abstrakter expressionistischer Malerei veranstaltet, vornehmlich Werke unbedeutender junger amerikanischer Maler und Bildhauer. Mit großzügiger Unterstützung von Nelson Rockefeller, der damals dem Vorstand des Museums of Modern Art angehörte, machte man sich den Einfluß auf die Museumsdirektoren in Europa zunutze - die meisten waren selbst im Vorstand des Kongresses für kulturelle Freiheit - , um Wanderaustellungen in diversen Hauptstädten zu organisieren und in einleitenden Vorträgen die Bedeutung der modernen Kunst zu betonen.

In Europa regte sich als Reaktion auf die "Gigantomanie" und "völlige Irrationalität", welche im Expressionismus zum Ausdruck kam, immer mehr Widerstand. Viele empfanden die Werke nicht als schön, man bemängelte, daß nicht ästhetische, vielmehr politische Kriterien bei der Auswahl und den Preisverleihungen bestimmend waren. Dies war sogar George Kennan nicht entgangen.

Über die Darmstädter Musiktage, einem weiteren Projekt des Kongresses für kulturelle Freiheit, die sich mit ihren Darbietungen insbesondere der Zwölftonmusik als feste Institution etablierten, schrieb die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag damals, daß "es ein Quietschen und Hämmern" sei. "Wir wußten, daß man von uns erwartete, häßliche Musik als angenehm zu empfinden", schrieb sie weiter.

Mit dem Vietnamkrieg, dem Aufkommen der Neuen Linken und der Beatgeneration setzte die zweite Phase im kulturellen Krieg ein. Es begann die Ära der Drogen-Rock-Sexkultur. 1967 enthüllte der langjährige Berater des Kongresses für kulturelle Freiheit Tom Braden in einem aufsehenerregenden Artikel der New Yorker Sunday Evening Post, der Kongreß und viele andere Operationen seien von Anfang an vom CIA über Tarnorganisationen (wie z.B. die Farfiel-Stiftung) finanziert worden. Der Kongreß löste sich 1969 auf. Aber das war nicht das Ende. Was nun folgte, war die 68er-Generation unter dem Einfluß der Frankfurter Schule.

(wird fortgesetzt)

 

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