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Aus der Neuen Solidarität Nr. 11/2005 |
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Von Lyndon LaRouche
Obwohl dieses Memorandum schon am 6. Februar 2005 entstand, gibt es eine direkte Antwort auf die jüngste beispiellose Preisentwicklung an den Weltrohstoffmärkten vor dem Hintergrund der Zusammenbruchskrise des Dollarfinanzsystems. Es ist eine von fünf Schriften, die LaRouche zwischen November 2004 und Februar 2005 als Grundlage für hochrangige Diskussionen über die notwendigen Lösungsansätze zur Überwindung der globalen Krise verfaßte. Sie werden demnächst in den USA unter dem Titel "Earth's Next Fifty Years" in Buchform erscheinen.
Auf dem Seminar am 18. Februar 2005 in Nordvirginia wird es u.a. um Herausforderungen gehen, die für den Fortbestand der Vereinigten Staaten als Republik von wesentlicher Bedeutung sind. Unser Land kann zur Bewältigung dieser Herausforderungen einen einzigartigen Beitrag leisten und trägt somit auch eine einzigartige Verantwortung: Die Vereinigten Staaten müssen in der Welt wieder eine Führungsrolle der Art einnehmen, wie sie unter Präsident Franklin Delano Roosevelt bis zu seinem unzeitigem Tod für alle sichtbar war. Diese einzigartige Fähigkeit erwächst einerseits aus den einmaligen Eigenschaften unserer Republik und andererseits daraus, daß die vom US-Dollar beherrschten, aber zusammenbrechenden gegenwärtigen Weltwährungs- und Finanzinstitutionen in der unmittelbar bevorstehenden Zeit das Wohl und Wehe der Menschheit entscheidend beeinflussen werden.
Wie ich schon bei früheren Gelegenheiten erklärt habe, hat die Welt in ihrer Entwicklung einen Punkt erreicht, an dem ein gesichertes Fortbestehen zivilisierten Lebens auf diesem Planeten nur möglich ist, wenn wir das verrückte Experiment mit der "Globalisierung" aufgeben und statt dessen eine Ordnung souveräner Nationalstaaten errichten, die weltumspannend zusammenarbeiten. Man könnte sagen: Es muß eine Weltordnung sein, mit der wir die erklärten und unausgesprochenen Ziele und Grundsätze des Westfälischen Friedens von 1648 verwirklichen würden. Mit dem Westfälischen Frieden endeten die Übel des ultramontanen Feudalismus und zumindest zeitweise auch der Hang zum Religionskrieg, wie er heute in vielen Teilen der Welt wieder sichtbar ist. Dies zeigt sich in Gestalt der wahnsinnigen Zwillinge des "religiösen Fundamentalismus" und des Rassismus - einem moralischen Verfall, der heute mit dem Globalisierungswahn, der den Fortbestand zivilisierten Lebens auf diesem Planeten bedroht, untrennbar verbunden ist.
Ich habe es schon in früheren Schriften betont: Die große Herausforderung, der wir uns heute stellen müssen, liegt darin, daß wir den Punkt erreicht haben, an dem zivilisiertes Leben nur noch möglich ist, wenn wir den Vorstoß zu einer ultramontanen oder ähnlichen imperialen Weltherrschaft mit aller Macht zurückschlagen. Derzeit wird diese Herrschaft zunehmend über spekulative Monopole auf die wichtigsten "Rohstoffe" angestrebt. Tatsächlich herrscht kein Mangel an notwendigen Rohstoffen, wenn souveräne Nationen die Rohstoffe auf diesem Planeten gemeinsam so erschließen, daß die Versorgung wächst und der unvermeidlich wachsende Bedarf aller Nationen gedeckt wird.
An diesem Punkt der finanziellen und realwirtschaftlichen Entwicklung der Nationen lassen sich faire Preise und ausreichende Deckung des heute absehbaren Rohstoffbedarfs nur mit langfristigen Verträgen im Rahmen eines neuen Systems fester Wechselkurse für geordnete Wirtschaftsbeziehungen zwischen souveränen Nationen sicherstellen. In einem solchen System bildet die zuverlässige Versorgung mit lebensnotwendigen Rohstoffen zu fairen Preisen den wichtigsten Bestandteil eines Systems zur langfristigen Kapitalbildung über einen Zeitraum von etwa zwei Generationen durch entsprechendes gemeinsames Wirtschaften.
"Derzeit wird diese imperiale Herrschaft zunehmend über spekulative Monopole auf die wichtigsten "Rohstoffe" angestrebt. Tatsächlich herrscht kein Mangel an notwendigen Rohstoffen, wenn souveräne Nationen die Rohstoffe auf diesem Planeten gemeinsam so erschließen, daß die Versorgung wächst und der unvermeidlich wachsende Bedarf aller Nationen gedeckt wird - mit langfristigen Verträgen im Rahmen eines neuen Systems fester Wechselkurse für geordnete Wirtschaftsbeziehungen zwischen souveränen Nationen."
Gegenwärtig ist die Welt gefangen in den Folgen närrischer Entscheidungen, mit denen man das am Ende des Krieges 1939-45 geschaffene System der festen Wechselkurse aufgeweicht und zerstört hat. Die immer aberwitzigere Spekulation wird nur übertroffen von dem schieren Wahnsinn eines Währungs- und Finanzsystems, das sich von Derivatspekulation beherrschen läßt. Die meisten nominellen finanziellen Ansprüche aus den Spekulationsorgien der Jahre 1971-2004 können niemals erfüllt werden. Trotzdem brauchen wir, um einen sicheren Ausweg aus dem mörderischen Wahnsinn dieses Finanz- und Währungssystems zu finden, ein sicheres System für langfristige Geld- und Finanzwerte bei notwendigen, gegenwärtigen und künftigen, öffentlichen und privaten Investitionen in die Verbesserung des Realkapitals - denn das ist die Vorbedingung zivilisierten Lebens der Nationen und ihrer Menschen.
Für diese Reform des Währungs- und Finanzsystems wird es notwendig sein, die wesentlichen Formen der Kapitalisierung solcher langfristigen Werte abzusichern, indem wir das Finanzkapital als Sicherheit für ein Programm zur zielstrebigen Erschließung der wesentlichen Rohstoffe verpfänden. Diese Rohstoffe dienen einer Gemeinschaft von Nationen, die alle auf das gemeinsame Ziel einer Verbesserung der Arbeitsproduktivkraft und der Lebensbedingungen der kommenden Generationen hinarbeiten.
Diese Betrachtung, was es bedeutet, die Rohstoffe richtig zu erschließen und zu verteilen, liefert uns die Grundsätze eines Systems langfristig fester Wechselkurse.
Allgemein bedeutet es, daß wir ein neues Währungssystem auf der Grundlage des Prinzips des Westfälischen Friedens - den heutigen Umständen und Herausforderungen entsprechend erneuert - errichten müssen. Es braucht kaum mehr als eine nüchterne Einschätzung der Lage, um zu erkennen, daß wir mit solchen Maßnahmen für Fortschritte unter Bedingungen der Zusammenbruchskrise des Weltwährungs- und Finanzsystems automatisch auch Maßnahmen zu einer allgemeinen Neuordnung der Welt ergreifen. Die Anfangsphase dieser Neuordnung wird nicht weniger als zwei Generationen dauern, d.h. sie beläuft sich hinsichtlich der Erfordernisse einer modernen Gesellschaft und ihrer Technik auf rund 50 Jahre. Vereinbarungen zu diesem Zweck müssen die Grundlage dafür bilden, das Verhältnis zwischen gültigem Kapitalbesitz und den Rückzahlungsbedingungen finanzieller Verpflichtungen über eine Anfangsphase von rund 50 Jahren auszugleichen.
Die einzige Alternative zu solchen Reformmaßnahmen wäre gegenwärtig das Chaos - und wahrscheinlich ein langes neues finsteres Zeitalter der ganzen Menschheit. Die ganze Welt steht jetzt am Rande einer allgemeinen Kettenreaktion des Zusammenbruchs.
Die politische Lage ist daher kurz zusammengefaßt folgende.
Vor allem seit dem ersten Amtsjahr der Regierung George W. Bush wünschen sich immer größere Teile der Welt, die Vereinigten Staaten sollten sich mit ihren selbstverschuldeten Krisen in absehbarer Zukunft als vorherrschende Macht der Erde selbst ausschalten. Es herrscht das Wunschdenken, wenn der amerikanische Einfluß ende, werde der Rest der Welt frei sein, eigene Wege zu gehen. Man muß diesen immer weiter verbreiteten Wunsch als Illusion verurteilen, denn die Folgen würden die ganze Zivilisation auf lange Zeit zugrunde richten.
Die Macht der USA als, wie einige meinen, Monopol für das Schicksal der Welt seit 1989-91, wird in vieler Hinsicht übertrieben. Die amerikanische Rolle heute ist nur die eines Werkzeugs des anglo-holländischen, liberalen Imperialismus, gegen den die USA selbst 1776-79 ihre Unabhängigkeit und ihre Verfassung erkämpften und von dessen Übermacht sie sich dank der Führung F.D. Roosevelts zeitweise befreien konnten - bis zu den praktisch verräterischen Währungsreformen der entsprechenden anglo-amerikanischen Geldkreise 1971-72. Aber auch wenn heute die öffentliche Meinung rund um die Welt die amerikanische Vormachtstellung im gegenwärtigen Weltwährungs- und Finanzsystem mißversteht: Die gegenwärtige, vom Dollar beherrschte anglo-holländisch-liberale Weltordnung der Zeit seit 1991 spielt auch heute noch eine so beherrschende Rolle auf der Welt, daß unter den Bedingungen der heutigen Krise bestimmte, den Dollar betreffende Vorstöße der amerikanischen Regierung zur Lösung der Krise für das Schicksal der ganzen Menschheit entscheidend sind.
Obwohl das jetzt zerfallende anglo-holländisch-liberale System aus der Zeit von 1763-1914 seit 1971 wieder die Welt beherrscht, brauchten wir also für diese Weltordnung Initiativen zur Schaffung eines neuen Währungs- und Finanzsystems, die sich ohne bestimmte Vorstöße der USA für Währungs- und Finanzrefomen nicht einführen lassen.
Ein Beispiel:
Sollte die US-Regierung so unentschuldbar töricht sein, das von George "Hjalmar Schacht" Shultz betriebene Pinochet-Modell für den Diebstahl von Billionen Dollars aus der amerikanischen Rentenversicherung zu tolerieren, dann würde die Lage sowohl für den US-Dollar als auch für das Weltwährungssystem hoffnungslos. Man denke an das ausufernde Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit der USA und die entscheidende Bedeutung des US-Dollar für den Zustand der durch Finanzderivate zerrütteten Haushalts- und Währungssysteme der Welt. Aus dem sich schon abzeichnenden Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit entwickelte sich eine Kettenreaktion, in der nicht nur der Dollar ins Bodenlose stürzte, dieser Dollarkollaps hätte auch unmittelbar verheerende Wirkungen u.a. auf ganz Eurasien. Kein Teil der Welt ist derzeit in der Lage, sich dem weltweiten Chaos, das eine solche Entwicklung auslösen würde, zu entziehen.
Man kann zwar unmöglich im voraus ausrechnen, wie schlimm die Wirkung des heraneilenden allgemeinen Währungs- und Finanzzusammenbruchs auf der Erde wäre, doch fest steht: Wenn man nicht zu den von mir vorgeschlagenen Lösungen greift, wären die Folgen so oder so furchtbar und träfen mit Sicherheit den ganzen Planeten.
Kein Teil der Welt könnte dem wahrscheinlich nahen Zusammenbruch des Dollarsystems wirksam etwas entgegensetzen, wenn nicht bestimmte politische Vorstöße aus den USA selbst hinzukommen. Im Rahmen des nach-Rooseveltschen Währungssystems der Zeit seit 1971, dem George Shultz und seine Komplizen in der Regierung Nixon den Weg ebneten, sind die notwendigen Maßnahmen von ihrer Natur her unmöglich. Nur eine umgehende Rückkehr zu den Grundsätzen des Amerikanischen Systems, von denen sich die Konferenz von Bretton Woods nach Roosevelts Vorgaben leiten ließ, kann die Grundlage für die dringend notwendige systematische Stabilisierung der in Dollar ausgewiesenen Schulden liefern. In der Lage, vor der die beiden nächsten Generationen auf diesem Planeten stehen werden, ist eine solche Stabilisierung des fungiblen langfristigen Schuldkapitals unverzichtbar.
Der entscheidende Punkt, den man bei allen Gesprächen über diese Frage betonen muß, ist daher folgender:
Unter den gegebenen Umständen können nur Maßnahmen zu einer Festigung der derzeit unvermeidbaren Rolle des Dollars als gegenwärtige Weltreservewährung den drohenden Absturz in eine weltweite Katastrophe ähnlich dem "neuen finsteren Zeitalter" im Europa des 14. Jh. verhindern. Was wir brauchen, ist ein Notstands-Konkursverfahren für das gegenwärtige Weltwährungssystem, in Zusammenarbeit von Regierungen souveräner Nationalstaaten, insbesondere der maßgeblichen Nationen Nordamerikas und Europas.
Eine solche Rettungsaktion hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn wir bestimmte vorhandene oder neu zu schaffende, langfristige, in Dollar ausgewiesene reale Werte zu vertretbaren, relativ festen Preisen einfrieren können. Diese Preise müssen mindestens ein Vierteljahrhundert, wenn nicht ein halbes Jahrhundert lang halten können. Nur das wäre eine glaubwürdige Grundlage für die Rückkehr zu einer Weltwährungsordnung mit festen Wechselkursen in dem Sinne von Roosevelts Absichten beim ursprünglichen Bretton-Woods-System.
Das dermaßen wohlgegründete neue Währungssystem muß so aufgebaut sein, daß es ein erweitertes System langfristiger Handelsabkommen tragen kann - insbesondere Abkommen zur Mitwirkung der Vereinigten Staaten an der zunehmenden gemeinsamen wirtschaftlichen Entwicklung von Nationalstaaten auf dem eurasischen Kontinent. Ohne eine solche, langfristig festgelegte Mitarbeit der USA an der gemeinsamen Entwicklung in Eurasien, wie ich sie beschrieben habe - insbesondere die Zusammenarbeit West- und Mitteleuropas mit dem produktiven Dreieck Rußland-China-Indien - , gibt es für diesen Planeten mindestens in den kommenden beiden Generationen keine praktikable Lösung.
Das größte geistige Hindernis für ein Verständnis der erforderlichen Notstandsreformen besteht darin, daß die große Mehrheit - die professionellen Nationalökonomen in Amerika und anderswo eingeschlossen - nicht erkennt, wo die tieferen Wurzeln der geistigen Schwäche liegen, die es möglich machte, daß Roosevelts Bretton-Woods-System unter Ideologen wie Shultz, dem Chefideologen der "Chikagoer Schule" in der Regierung Nixon, durch das jetzige System der freien Wechselkurse ersetzt wurde.
Damit soll nicht behauptet werden, daß die meisten führenden Volkswirtschaftler der letzten Generationen einfach dumm waren. Einige Wirtschafts- und Finanzexperten sind auf ihre Weise qualifiziert. Ihr Fehler, als sie zuließen, daß der Verfall des Weltwährungs- und Finanzsystems so weit fortschritt, lag darin - und das gilt für die sowjetischen genauso wie für die "westlichen" Ökonomen - , daß sie ihre Fähigkeiten auf das Arbeiten innerhalb des bestehenden Systems beschränkten, ohne angemessen zu berücksichtigen, welche falschen Grundannahmen wiederholt zu schweren Krisen (insbesondere) der neuzeitlichen europäischen Zivilisation geführt haben. Deshalb beschränken sie sich in ihren Reformvorschlägen auf Änderungen innerhalb der Grenzen der falschen philosophisch reduktionistischen, empiristischen oder ähnlichen Grundannahmen, aus denen alle großen wirtschaftlichen und strategischen Krisen der weltweit verbreiteten neuzeitlichen europäischen Zivilisation seit dem Fall Konstantinopels hervorgingen.
Im Gegensatz zu diesen "Expertenmeinungen" ist meine eigene Sicht der Volkswirtschaft im wesentlichen platonisch und entstand als Nachhall meiner Lektüre der Werke von Gottfried Leibniz. Für mich ist das Entscheidende an der europäischen Zivilisation im edleren Sinne dieses Begriffes das Ringen um eine Gesellschaft im Dienste der Schöpferkraft des individuellen menschlichen Geistes, die den Menschen grundsätzlich vom Tier unterscheidet. Entdeckungen universeller Prinzipien der Natur und der klassischen Kunst, wie man sie in der Geschichte mit dem Erbe von Thales, Solon von Athen, Pythagoras, Sokrates, Platon u.a. verbindet, definieren damals wie heute die richtige Bedeutung der Begriffe "menschliches Individuum" und "Gesellschaft" für die Zwecke der Staatskunst. Damit soll betont werden, daß gerade diese souveräne schöpferische Fähigkeit zur Hypothesenbildung, mit der wir experimentell nachweisbare Naturgesetze entdecken und anwenden, den Menschen vom Tier unterscheidet.
So gesehen sind die Übel der europäischen Geschichte - wie etwa der Reduktionismus der griechischen Sophisten, der Römer oder des imperialen Ultramontanismus der venezianischen Finanzoligarchie und ihrer normannischen Verbündeten bei den Kreuzzügen - ein Verbrechen an dem in der menschlichen Natur, was den Menschen von den Tieren unterscheidet. Deshalb muß für uns, die klassischen Humanisten in diesem Sinne, die Entfaltung dieser Fähigkeit des menschlichen Individuums der Zweck der Gesellschaft sein, der Maßstab, nach dem die Gesellschaft, ihre Gesetze und Gebräuche als gut oder schlecht beurteilt werden müssen.
Deshalb ist für uns moderne klassische Humanisten die europäische Renaissance des 15. Jahrhunderts - mit dem großen ökumenischen Konzil von Florenz, das Europa vom Erbe der venezianisch-normannischen, ultramontanen Tyrannei befreite, als Markstein - auch die Grundlage für alles das, was in der weltweit verbreiteten europäischen Zivilisation der Neuzeit gut ist. Für dieses Gute mußten wir gegen die spanische Inquisition kämpfen, gegen die immer neuen Religionskriege, die diese Inquisition entfesselte, und gegen die Nachfolger des venezianischen Übels, jene Tradition des liberalen Imperialismus der Finanzoligarchie, die seit dem Pariser Frieden im Februar 1763 die Welt am meisten beeinflußt hat. Man muß erkennen, daß die Gründung der amerikanischen Republik ein Aufstand gegen die anglo-holländisch-liberale Tyrannei zur Zeit der Amerikanischen Revolution 1776-89 war. Das kam besonders auch in den großen amerikanischen Patrioten dieser Tradition, wie den Präsidenten Abraham Lincoln und Franklin Roosevelt, zum Ausdruck.
Leider nutzten die Gegner Roosevelts und Verbündeten Winston Churchills im anglo-amerikanischen Kriegsbündnis Roosevelts Tod aus, um die großen Errungenschaften seiner Amtszeit zu untergraben und rückgängig zu machen. Von 1945-71, von Roosevelts Tod bis zur Zerstörung des Bretton-Woods-Systems durch George Shultz u.a., war der weltweite wirtschaftliche Fortschritt vor allem den Wirkungen und Nachwirkungen von Roosevelts erfolgreicher Bekräftigung des Amerikanischen Systems in Form des antibritischen Bretton-Woods-Systems zu verdanken.
Der Versuch, eine nachsowjetische Weltgeschichte als strategisches Monopol der USA zu definieren, förderte in Europa und anderswo bei solchen, die irregeführt sein wollten, den Irrglauben, die gegenwärtige Weltordnung sei eine amerikanische imperiale Ordnung. Es handelt sich aber im Gegenteil um eine Wiederaufrichtung des fabianischen, liberalen Imperialismus der Nachfolger des anglo-holländischen, liberalen Lord Shelburne - allerdings unter Umständen, unter denen die vom Spekulationswahn ergriffenen amerikanischen Fraktionen der imperialen, anglo-holländischen Tradition politisch eine beherrschende Rolle spielen. Der Ausweg für die Welt liegt also darin, die Kontrolle dieser weltweiten Finanzoligarchie über das Weltwährungs- und Finanzsystem zu brechen, und die gegenwärtigen Realitäten erfordern es, daß dies als erstes in den USA selbst geschehen muß.
In der rauhen Wirklichkeit kann eine solche Rettung der Welt aus der gegenwärtigen Währungs- und Finanzkrise nur in einer Rückkehr zu den Grundsätzen des alten Bretton-Woods-Systems bestehen. Diese Initiative muß aus den Vereinigten Staaten kommen, oder sie wird gar nicht kommen.
Es ist an der Zeit, die possenhafte Behauptung aufzugeben, Franklin Roosevelts Währungssystem der festen Wechselkurse sei ein "keynesianisches" System gewesen. Wie John Maynard Keynes im Vorwort zur ersten, Berliner Ausgabe seiner Allgemeinen Theorie selbst ausdrücklich schrieb, war sein System mit einem Deutschland unter Nazi-Herrschaft sehr gut vereinbar. Keynes sah sich selbst als Zentralbankier innerhalb einer internationalen Finanzoligarchie, von der gleichen Art wie seine synarchistischen Zeitgenossen der 20er und 30er Jahre überall auf der Welt. Roosevelt war ein Anhänger einer hamiltonischen Nationalbankpolitik, wie sie die amerikanische Bundesverfassung stillschweigend vorschreibt, und ein führender Gegner der internationalen synarchistischen Geldmacht jener Zeit.
Mit dem Bankrott aller west- und mitteleuropäischen Rivalen der USA in der Zeit von 1922-45 kam die Gelegenheit, den Vorrang des Amerikanischen Systems der festen Wechselkurse zu behaupten und seine Prinzipien durchzusetzen. Die imperiale Vorherrschaft des anglo-holländisch-liberalen Systems der Finanzoligarchie wurde zeitweilig gebrochen. Auch wenn Präsident Truman nicht einmal Franklin Roosevelts Begräbnis abwartete, um ins antiamerikanische Lager von Churchills finanzoligarchischem Imperialismus überzulaufen, gelang es der anglo-holländisch-liberalen Fraktion erst zur Zeit der Regierung Nixon mit Fachleuten wie George Shultz und Henry Kissinger, Roosevelts Amerikanisches System loszuwerden. Sie setzten das System der frei schwankenden Wechselkurse durch, dessen innere Logik die Welt inzwischen in einen Zustand versetzt hat, der weit schlimmer ist als nur ein allgemeiner Bankrott: eine allgemeine Zusammenbruchskrise der gegenwärtigen Weltordnung.
Das Endergebnis dieser maßgeblichen Entwicklungen des gerade vergangenen 20. Jh. ist die anomale, schicksalhafte Weltlage heute.
Nixons Berater wie Shultz und auch verhältnismäßig tiefer stehende Figuren wie Henry Kissinger lieferten das auf den Dollar bezogene System der Macht einer internationalen finanzoligarchischen Kabale aus, in der die entsprechenden amerikanischen Interessen nur einen Teil der maßgeblichen Interessen bildeten. Als Folge dieser Änderung, die unter der ersten Regierung Harold Wilson in Großbritannien begann und mit den umfassenden Änderungen des Weltwährungsgebäudes 1971-82 weiterlief, wurde aus dem auf den Dollar bezogenen Währungssystem ein Mittel, einen riesigen Berg weitgehend in Dollar ausgewiesener Schulden anzuhäufen - eine groteske Karikatur des anglo-holländisch-liberalen Weltreichs vor 1933.
Weil der Großteil der Finanzwerte auf der Welt heute in IWF-Dollars ausgewiesen ist, und weil die hyperinflationäre Anhäufung kurzfristiger Investitionen in Schulden inzwischen die langfristigen Geldanlagen in Realkapital bei weitem übersteigt - und das unter Präsident George W. Bush noch stark beschleunigt - , führt der Absturz des Dollars zu einer Lage, in der nur eine Reform des US-Dollars nach dem Vorbild des Rooseveltschen Bretton-Woods-Systems das notwendige Konkursverfahren für das ganze heutige Weltsystem ermöglicht.
Nur wenn in den USA Kräfte im Geiste des Rooseveltschen Erbes des alten Bretton-Woods-Systems die politische Führung zurückgewinnen, läßt sich das weltweite Verhalten des Dollars so steuern, wie es für die nötige weltweite Reform zur Sicherung langfristiger Stabilität des übertragbaren Schuldkapitals erforderlich ist.
Das bedeutet nicht amerikanischen Imperialismus, ganz im Gegenteil. Es bedeutet, daß die Initiative der USA als souveräne, nationalstaatliche Republik bei jedem Versuch zur Neugestaltung das Weltwährungssystems entscheidend ist. Es sind vor allem in Dollar ausgewiesene Schulden, die umgeschuldet werden müssen - selbst diejenigen, die andere Staaten als souveränen Besitz halten. Wir müssen zu den Grundsätzen des alten Bretton-Woods-Systems zurückkehren; aber das auf diese Weise geschaffene neue System muß eine Partnerschaft zwischen jeweils souveränen Nationalstaaten sein. Der Beitrag der Vereinigten Staaten wird bei dieser Reform entscheidend sein: Wenn die USA nicht das tun, was ich hier angedeutet habe, gibt es für die Welt keinen Grund für Hoffnung auf Rettung vor einem ziemlich raschen Absturz in ein langes, planetares, neues finsteres Zeitalter, das mit dem in Europa im 14. Jh. vergleichbar, aber schlimmer wäre.
Da es zwischen dem IWF, wie er zum Zeitpunkt des unzeitigen Todes Präsident Roosevelts eingerichtet wurde, und der hier beschriebenen Rückkehr zu einer Annäherung an das alte IWF-System mit festen Wechselkursen Unterschiede gibt, müssen wir anstelle eines Zustands des "harmonischen Konflikts", der für das alte Bretton-Woods-System zu seiner besten Zeit vorgesehen war, dem Vorbild des Westfälischen Friedens von 1648 folgen.
Mit diesem Bezug auf den Westfälischen Frieden ist keine Anpassung politischer Stimmungen gemeint. Es soll damit darauf hingewiesen werden, wie wichtig es ist, in einem System fester Wechselkurse gewaltige Mengen an langfristigen internationalen Krediten zu schaffen - hauptsächlich für gewaltige physische Investitionen in die dauerhafte grundlegende Infrastruktur. Diese Kapitalbildung ist nicht auf die öffentliche Infrastruktur beschränkt, aber die öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur müssen ein wesentlicher Faktor bei der langfristigen Kapitalbildung in allen produktiven und verwandten Bereichen sein. Verbindet man die vorhandenen, erhaltenswerten, langfristigen Anleihenschulden und ähnlichen privaten Schulden für Infrastruktur u.ä. mit der Schaffung umfangreichen neuen langfristigen Kapitals für die Infrastruktur bei festen Wechselkursen, dann wird eine erfolgreiche Neugestaltung des gegenwärtig bankrotten Systems plötzlich möglich.
Den größten und entscheidenden Teil der neuen Kapitalbildung in der Infrastruktur wird internationales Kapital im Zusammenhang mit langfristigen Abkommen zwischen souveränen Nationen bilden. Die Laufzeit des größten Teils dieses neuen Kapitals wird zwischen einem viertel und einem halben Jahrhundert betragen, wie das Beispiel der europäischen Beteiligung an der Entwicklung Chinas zeigt. Das verleiht dem Prinzip des "Vorteils des anderen" aus dem Westfälischen Frieden von 1648 eine noch tiefere Bedeutung.
Nationen müssen völlig souverän sein, aber sie haben ein gemeinsames Interesse daran, den Vorteil des jeweils anderen zu fördern. Ohne das wäre es äußerst unwahrscheinlich, daß auch nur eine Nation sich von der gegenwärtigen Krise erholen kann.
Gegenwärtig bildet sich in Eurasien eine Lage heraus, in der der Wohlstand einer jeden Volkswirtschaft von der erfolgreichen langfristigen Kapitalbildung in den anderen abhängt. Dieser langfristige Trend in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Nationen ist schon klar erkennbar. Beispielhaft ist Rußlands Beitrag als Brücke zwischen den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens und dem Wohlergehen der Staaten West- und Mitteleuropas.
Wir können es schaffen, aber nur unter dem Druck einer Weltkrise, die so bedrohlich ist wie die gegenwärtige. Die Notwendigkeit wird die starke Triebkraft der notwendigen Neuerungen sein. Die Nationen werden im Wasser des neuen Wirtschaftssystems schwimmen - nicht, weil sie so gerne schwimmen, sondern weil sie begreifen, daß sie schwimmen müssen, um zu überleben.
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