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Aus der Neuen Solidarität Nr. 6/2005

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Ein zweiter Westfälischer Friede für die kommende eurasische Welt

Von Lyndon LaRouche
- 5. Teil -

Im vorangegangenen Teil befaßte sich LaRouche mit den Ursprüngen des Amerikanischen Systems in der Kultur der europäischen Renaissance. Letztere wiederum stand in ständigem Konflikt mit den Einflüssen erst des spanischen und portugiesischen Kolonialismus und später mit dem liberalen anglo-holländischen Wuchersystem.


Warum nur bei uns in den Vereinigten Staaten?
"Das amerikanische System"

Warum nur bei uns in den Vereinigten Staaten?

Um den entscheidenden Punkt so einfach wie möglich zu beschreiben - wie ich bereits angedeutet habe: Der Keim zu dem Gedanken, unsere Vereinigten Staaten zu gründen, war schon im Denken des Märtyrers Sir Thomas More angelegt. Der Justizmord an More war schon an sich ein triftiger Grund, die Grundlage für die Gründung einer dauerhaften Republik auf der anderen Seite des Atlantiks zu schaffen; das legten die Umstände seines zu frühen und zutiefst ungerechten Todes auf Befehl eines verrückten, von venezianischen Verbrechern fehlgeleiteten Monarchen nahe.27 Höchstwahrscheinlich dachte Miles Standish fast ein Jahrhundert später ganz ähnlich, und mit Sicherheit dachten die Väter der Gründung und des Aufbaus der Massachusetts Bay Kolonie, mit der die Saat zur Gründung unserer Vereinigten Staaten gelegt wurde, ebenfalls so.

Praktisch kehrten Benjamin Franklin und seine Kreise in den Jahren 1763-66 auf das amerikanische Anliegen des Sir Thomas More zurück. Die Frage, die sich ab der Mitte des 17.Jh. immer mit stellte, war die: Mußten die Amerikaner in ihrem Widerstand gegen das kürzlich geschaffene Britische Empire so weit gehen, daß sie an einen Krieg, einen gewalttätigen Bruch mit diesem grausamen Reich für ihre Unabhängigkeit denken mußten? Die Erfahrung bestätigte die Antwort: die revolutionäre Unabhängigkeit der englischen Kolonien in Nordamerika war nicht nur gerechtfertigt, so wie es in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung beschworen wird. Sie war auch notwendig, um damit die Nationen Europas von der letztlich tödlichen Verseuchung, von der sie sich anders nicht heilen konnten, zu befreien. Die Gründung unserer Republik mußte und muß das Beste von Europa übernehmen, aber das frei von der tödlichen Verderbnis der in Europa vorhandenen institutionalisierten Kultur.

Eine Bestätigung läßt sich auch aus dem herauslesen, was Friedrich Schiller bemerkte, als er die Schrecken der Französischen Revolution sah: Eine große historische Gelegenheit wurde vertan, weil der Augenblick auf ein Volk traf, das moralisch zu kleingeistig war, um die langersehnte Gelegenheit zu ergreifen, als sie sich bot. Was in Frankreich 1789 hätte geschehen sollen, wurde später dank des Beitrages der Vereinigten Staaten unter Präsident Franklin Roosevelt erreicht. Unter Roosevelts Führung wurde ein Europa befreit, das selbst zunächst die Pestilenz des Jakobinerterrors und Napoleons und in jüngerer Zeit die des Faschismus über sich gebrachte hatte, weil es ständig kulturell und politisch verseucht war: Europa hatte es nicht fertiggebracht, sich selbst vom praktisch feudalen Erbe der anglo-holländischen liberalen und anderer, sogar noch älterer Traditionen wie der habsburgischen, zu befreien.

Heute sagt dieselbe Logik: "Wir müssen unsere Vereinigten Staaten von der tödlichen Verderbnis befreien, von der sie gegenwärtig befallen sind und die jener ähnelt, die Europa mit den beiden sog. ,Weltkriegen' und dem Aufstieg des Faschismus befallen hatte; dann können wir noch einmal so eingreifen, daß wir unsere Republik von diesem Wahnsinn befreien und gleichzeitig Europa aus seiner heutigen Torheit retten können."

Auch der aus europäischer Sicht massive Verfall der Vereinigten Staaten, die praktisch selbstverschuldet bankrott sind, ändert daran nichts Wesentliches. Wie ich weiter oben schon mehrfach betont habe, kann Europa vielleicht den Verfall der heutigen USA erkennen, aber Europa ist nicht bereit, die Verantwortung für die Maßnahmen zu übernehmen, durch die ihm wahrscheinlich die Führungsrolle zufiele, die jetzt aufgrund ihrer Geschichte die Vereinigten Staaten übernehmen müssen.

Zum Beispiel: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es praktisch zwei strategische Polaritäten auf der Erde, die im wesentlichen darüber entscheiden werden, in welche Richtung sich die Weltgeschichte wenden wird. Beispielhaft für die eine Seite ist der Angriff der amtierenden Regierung Bush auf die Renten in den USA. Dies wiederholt sich in ähnlich institutioneller Form in Westeuropa und in ähnlicher Weise in ganz Mittel- und Südamerika. Der Ausgang des Kampfes um die Rentenprivatisierung wird weitgehend darüber entscheiden, ob die Vereinigten Staaten unter Präsident George W. Bush faschistisch werden oder nicht - und das schon bald. Der andere Pol betrifft die Schlüsselrolle Rußlands im eurasischen Gesamtrahmen, für den das Netz der Zusammenarbeit um die verzahnten vertraglichen Beziehungen zwischen Rußland, China und Indien beispielhaft ist. Die Phasenräume, in denen alle anderen bedeutsamen Angelegenheiten des Planeten strategisch gelöst werden, werden dadurch definiert werden, wie sich diese beiden Weltpole überschneiden.

Zum Beispiel: Es ist ziemlich wahrscheinlich, daß Präsident George W. Bush mit seinem verzweifelten Vorstoß zur schnellen Rentenprivatisierung nicht durchkommen wird. Sie ist dasjenige Thema, das Bush wahrscheinlich in der kürzesten Zeit politisch stürzen könnte. Sollten die USA aber in diese Richtung gehen, hieße das, daß sich die schon vorhandenen Tendenzen für faschistische Austeritätsregimes rasch rund um die Welt verbreiteten. Wenn Bush, was zumindest wahrscheinlich ist, in dieser Frage verliert, wird eine positive Wende in der strategischen Lage möglich. Die unmittelbare Alternative hieße, daß die politische Vernunft in den USA und damit auf der Erde in Frage stünde.

Zum Beispiel: Der Geisteszustand um die Regierung Bush ist gegenwärtig so, daß ein alarmierend hoher Anteil der Wähler mit "Ja" antwortete, wenn man ihnen zur Probe die Frage stellte: "Nehmen Sie George Bush als Ihren persönlichen Erlöser und Erretter an?" Unter diesen Umständen, mit einer solchen geistigen Qualität an Unterstützung für die Regierung Bush und mit der Rolle verrückter profaschistischer Kreise in der Demokratischen Partei um Zbigniew Brzezinski im strategischen Kollisionskurs bei zur Wahl in der Ukraine und anderen Fragen ist die entsprechende Änderung der strategischen Haltung des russischen Präsidenten W. Putin und insbesondere die strategische Betonung eines Blocks eurasischer Zusammenarbeit um Rußland, Indien und China das wichtigste Gegengewicht zur Haltung der Regierung Bush auf der Welt. Alles, was sich nicht in diesen amerikanisch-russischen Komplex einfügt, ist entweder nur am Rande von Bedeutung oder wird aus Mangel an strategischer Klarsicht falsch eingeschätzt.

Daß Washington und Moskau den Dreh- und Angelpunkt der an Tempo zulegenden weltweiten strategischen Konfrontation und verwandter Entwicklungen bilden, bestätigt nur, daß die USA trotz des Verfalls ihrer politischen und wirtschaftlichen Institutionen bei der Entscheidung über die Optionen für Überleben oder Zusammenbruch der heutigen Weltzivilisation immer noch eine entscheidende Rolle spielen.

Nachdem das gesagt ist, weil es zur richtigen Einordnung des Gedankenganges notwendig ist, greifen wir den Faden hinsichtlich der geschichtlichen Entwicklung wieder auf.

Vom Brückengeländer der neuzeitlichen europäischen Geschichte aus betrachtet, führt uns dies zu der tiefgreifendsten Frage, die aufgeworfen wird, wenn man sich mit der gegenwärtigen Krise der asiatischen Kultur befaßt.

Das typische neurotische Problem von Kulturen wie einzelner Menschen ist, daß man das Denken einzelner oder auch ganzer Nationen gewöhnlich mit der Situation eines Goldfischglases vergleichen kann. Die Gedanken schwimmen in einem fischglasartigen Behälter, dessen Wände aus realen und falschen Annahmen bestehen, die eine axiomatische Herrschaft über die Meinungen der Insassen ausüben. Deshalb beschränkt sich das Handeln der eingepferchten Menschen darauf, sich zwischen den innerhalb der Grenzen dieses ideologischen Aquariums verfügbaren Zielen hin und herzubewegen.

Als der venezianische Gegenangriff gegen das große ökumenische Konzil von Florenz im 15. Jh. als wichtigste Flanke zur Zerstörung der Renaissance den Osmanen dabei half, Konstantinopel zu erobern, antwortete Cusanus mit seinem Vorschlag für weltumspannende Entdeckungsfahrten über die Ozeane, um dort draußen neue Partner für die großen ökumenischen Ziele der Renaissancebewegung zu finden. Darin drückten sich mehrere bedeutsame Prinzipien aus. Eines, das anscheinend auch dem Renaissancedenker Sir Thomas More durch den Kopf ging, sollte man als allgemeines Prinzip der Weltstrategie für heute unbedingt bedenken.

Wie ich gerade betont habe, hat die Entwicklung hin zur Gründung der amerikanischen bundesstaatlichen verfassungsmäßigen Republik zwei einzigartige Eigenschaften:

Erstens - die Rolle des Nikolaus von Kues und Mores bei der Anregung des Programms, das zur Bildung der Vereinigten Staaten führte, veranschaulicht diesen Punkt - : Der Plan, das Beste der von der italienischen und übrigen Renaissance entworfenen europäischen Zivilisation auf andere Erdteile auszuweiten, sollte nicht etwa dazu dienen, das geschüttelte Europa jener Zeit aufzugeben, sondern er war Teil eines Programms, die Schwierigkeiten Europas zu umgehen, indem man neu entwickelte brüderliche Beziehungen zu Orten, die damals weit genug von Europa entfernt waren, als Hebelwirkung von außen aufbaute.

Zweitens - dafür ist die Rolle richtiger Führung wie den Winthrops und Mathers beispielhaft - fanden die frühen Entdecker und Siedler Nordamerikas in dieser furchtbar schwierigen Wildnis einen ausgezeichneten Ort, um eine Erweiterung des Besten der europäischen Kultur aufzubauen - einen Ort, der sich verhältnismäßig frei von den bis dahin stets vorhandenen tragischen Merkmalen des Lebens und der Sitten Europas entfalten konnte. Dieser Ort, vor allem ein Nordamerika, das verhältnismäßig frei war von den Verrücktheiten, welche die Bande der Habsburger im Süden hinterlassen hatte, bot eine Gelegenheit zum Handeln, um die tödliche kulturelle Krankheit, die in Europa als Last aus der Vergangenheit mitgeschleppt wurde, möglicherweise zu überwinden. Wie mein kürzlich verstorbener Freund, der Historiker Graham Lowry, in seinem Buch How the Nation was Won (Wie die Nation gewonnen wurde)28 betont hat, verkörperte die Familie Winthrop, welche die Massachusetts-Bay-Kolonie gründete, insbesondere vor 1688-89, die Führungsqualitäten, die Sir Thomas More bei einem solchen Vorhaben bewundert hätte.

Zu Beginn der Entwicklung der späteren Vereinigten Staaten im 17. Jh. hatten die amerikanischen Kolonisten im wesentlichen noch keine Absicht, mit der britischen Monarchie zu brechen. Die führenden Kolonisten hatten verstanden, daß ihr Hauptfeind in England das war, wofür Wilhelm von Oranien und seine anglo-holländische Ostindiengesellschaft standen. Die Siedler gerieten in Streit mit dem liberalen Parlament Walpoles und seiner Nachfolger, hofften jedoch - wie sich bei Benjamin Franklins Führung besonders deutlich zeigt - , der britische Monarch werde dafür sorgen, daß die Venezianische Partei Wilhelms von Oranien und Marlboroughs die autonomen Untertanen des Königs in Nordamerika in Ruhe läßt. Doch je mehr sich die englischen Monarchen selbst als Geschöpfe der Ostindiengesellschaft der Venezianischen Partei erwiesen, gerieten die Amerikaner widerstrebend zu der Erkenntnis, daß der Bruch unausweichlich war.

Das gleiche ergab sich auch hinsichtlich der Beziehungen der USA mit Frankreich im 18. Jh., wie der teilweise tragische Widerstreit des Marquis de Lafayette zwischen seiner Sache und seinem König zeigt. Daher warnte Präsident George Washington vor einem weiteren Suche nach "verstrickenden Bündnissen" im damaligen Europa.

Zuhause in Europa, und nicht nur in England, sondern allgemein, verstanden die führenden Köpfe ziemlich gut, daß die größte unmittelbare Gefahr für jede Bestrebung zu besserem Leben in Europa von der räuberischen Finanzoligarchie um Venedig kam. Sie hatte Europa in den Alptraum des Finsteren Zeitalters im 14. Jh. geführt, als die Hälfte aller Gemeinden in Europa ausgelöscht wurde und insgesamt schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung verloren ging. Als 1648 der große Westfälische Friedensvertrag die Zeit religiöser Verfolgungen und Kriege seit 1492 beendete, und danach die neue Venezianische Partei, die anglo-holländische liberale Macht, Europa mit ihrer wachsenden Macht in neue Nöte stürzte, wie sie Venedig seit etwa 1000 n.Chr. verkörpert hatte, tauchte der Gedanke auf, den amerikanischen Kontinent und insbesondere Nordamerika als Ausgangsbasis zu benutzen, von der aus die Menschen, die sich dort niedergelassen hatten, Anstrengungen zur Umgehung der neu entstehenden Gefahr vorbereitet und ausgeführt werden könnten.

Ein entsprechendes Prinzip zeigte sich in den aufeinanderfolgenden Wellen der Auswanderung aus Europa nach Nordamerika, insbesondere die USA. Die Massen flohen die scheinbar hoffnungslose Verderbnis Europas, nicht weil sie mit ihrer heimischen Kultur, in der sie aufgewachsen waren, brechen wollten, sondern weil sie sonst für die Produkte ihrer Kultur in Europa selbst nur eine armselige Zukunft vorhersahen.

Hinter all dem gibt es ein tiefergehendes Prinzip, zu dem wir zurückkehren werden, nachdem wir dafür den Boden bereitet haben, indem wir uns nun mit einigen wesentlichen Punkten zum "amerikanischen System", wie Alexander Hamilton und andere es zu der Zeit und später nannten, beschäftigen.

"Das amerikanische System"

Während des Siebenjährigen Krieges, wie er später genannt wurde, versuchte die britische Ostindiengesellschaft, alle konkurrierenden Mächte Kontinentaleuropas zu schwächen und letztlich zu vernichten. Was die Gesellschaft dabei am meisten fürchtete und daher am stärksten haßte, war ein wachsendes Netz der größten europäischen Denker jener Zeit, das bis zu dem führenden nordamerikanischen Wissenschaftler und Politiker Benjamin Franklin reichte.

Ganz besonders wandte sich das anglo-holländische liberale transatlantische Vorgehen gegen den Einfluß eines Mannes namens Abraham Kästner, ein führender Leibniz-Anhänger, Mathematiker im Bereich von Leibniz' Arbeit, mit einem besonderen politischen Einfluß in den Kreisen der klassisch-humanistischen Kultur, wie etwa den damals entstehenden Kreisen um Gotthold Lessing und Moses Mendelssohn in Deutschland. Über diese und verwandte Kanäle übten die entsprechenden Leibnizschen Werke - darunter sein Angriff auf John Locke in seiner Neuen Abhandlung über den menschlichen Verstand - einen tiefgreifenden Einfluß auf die Weltsicht und Rechtsauffassung der amerikanischen Gründerväter aus.

Zu diesen europäischen Verbindungen, gegen die sich die liberale Bande in London und anderswo wandte, gehörten die Kreise um Franklin, die Leibniz' gegen Locke gerichtetes Prinzip des "Strebens nach Glückseligkeit" als zentrales positives Verfassungsprinzip der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 übernommen hatten. In diesem Zusammenhang wurde auch Leibniz' physische Wirtschaftswissenschaft zur wissenschaftlichen Grundlage des Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie, wie es Alexander Hamilton dann beschrieben hat.

Leibniz' physische Wirtschaftswissenschaft, die er in den Jahren 1671-1716 entwickelte, stellte die Anfänge einer solchen physikalischen Wirtschaftswissenschaft dar, die bis dahin erste und einzige wissenschaftliche Beschäftigung mit Wirtschaft in Europa. Diese Begründung der Wirtschaftswissenschaft durch Leibniz in seinen Schriften in jenem Zeitraum bildet die einzige Grundlage dafür, ein angemessenes Verständnis für irgendeines der in dieser Schrift bisher angesprochenen wichtigen kulturellen Probleme zu entwickeln und damit zu arbeiten. Was heute an den meisten Hochschulen und verwandten professionellen Einrichtungen "Wirtschaftswissenschaft" genannt wird, sind im wesentlichen Buchhaltermethoden, die mit echter Wissenschaft im Sinne des Begriffes "physische Wirtschaftswissenschaft" nichts zu tun haben.

Beispielsweise arbeitet die US-amerikanische Volkswirtschaft seit 1971-72 unter einer Doktrin, die einige ihrer wichtigsten Urheber die Politik der "kontrollierten Auflösung der Wirtschaft" nennen. Der radikal inflationäre Hochzinsschock, den der damals neuernannte Vorsitzende der Federal Reserve, Paul Volcker, im Oktober-November 1979 einführte, ist ein Beispiel dieser Politik, welche die Anhänger des Nationalen Sicherheitsberaters der Regierung Carter, Zbigniew Brzezinski, als langfristiges Programm der Trilateralen Kommission unter Brzezinskis Leitung betrieben. Im Grundsatz war es auch schon vor der Regierung Carter die Politik einer Gruppe innerhalb der Regierung Nixon um George Shultz, Paul Volcker und Henry Kissinger. Physisch ist die amerikanische Volkswirtschaft in den Jahren 1971-2004 ständig weiter zusammengebrochen. Allerdings wurde der durchschnittliche leichtgläubige Amerikaner dank der gnädigen Verbindung aus Inflation und grob gefälschten Statistiken der Federal Reserve und bestimmter Regierungsstellen zu dem irrigen Glauben verleitet, die Wirtschaft sei, trotz einiger geringer Rückschläge hier und da, in dieser ganzen Zeit ständig gewachsen.

Derweil stürzte die amerikanische Realwirtschaft nicht nur in den von mir richtig vorhergesagten tiefen Börsenkrach vom Oktober 1987, von dessen Dauerfolgen sie sich nie mehr richtig erholt hat - der anhaltende Trend war seit diesem Börsenkrach (wie schon zuvor) eine immer raschere Ausweitung des Umlaufs an Geld und Wertpapieren und gleichzeitig ein immer rascherer Rückgang des realen Güterausstoßes pro Kopf. Meine bekannte Typische Kollapsfunktion veranschaulicht das seit ihrer Veröffentlichung im Jahre 1996 sehr treffend. Derweil liest aber die leichtgläubige Mehrheit der oberen 20 Prozent der Bevölkerung begeisterte Berichte über die Geschwindigkeit der Ausweitung des Geldumlaufs und ausgewählter Marktindizes und erkennt anscheinend nicht, wie der Netto-Güterausstoß des Landes je Kopf und Quadratkilometer immer schneller zusammenbricht.

So war beispielsweise schon 1995-96 eine internationale Währungs- und Finanzkrise im Gange, aber Regierungen und Geldmanager schafften es gemeinsam, die Hauptlast des Zusammenbruchs 1997 mit Hilfe von George Soros den asiatischen Märkten aufzubürden und die Last der darauffolgenden Krise im August-September 1998 auf den spekulativen Markt mit russischen GKO-Staatsanleihen zu schieben - alles infolge eines wilden Schwindels einer Schar führender Hedgefonds-Spekulanten, auf den so gut wie jeder hereinfiel, sie selbst eingeschlossen.

Hinsichtlich dieser und vergleichbarer Beispiele sind zwei Beobachtungen zu machen.

Erstens: Das offene Zutagetreten eines in der physischen Wirtschaft (Realwirtschaft) bereits laufenden Zusammenbruchs auf den Währungs- und Finanzmärkten wurde zwar schon oft mit Hilfe von Finanz- und Währungstricks erfolgreich hinausgezögert, da die entsprechenden Regierungsstellen und andere Institutionen daran gewöhnt sind, nur Buchhalterberichte zu lesen, statt die physischen Tatsachen der wirklichen Lage zu betrachten, können Regierungen und andere Inflation als Maske benutzen, damit die Öffentlichkeit selbst einen schwerwiegenden wirtschaftlichen Niedergang, der schon stattgefunden hat, erst später als solchen erkennt. Diese Erkenntnis läßt sich dann so hinausschieben, daß sie erst mehrere Jahre oder noch länger nach dem Zusammenbruch in der Realwirtschaft geschieht.

Zweitens kommen zwei Faktoren zusammen: der immer raschere Hang zur Globalisierung und das Schwinden der Vernunft in der Bevölkerung, ausgelöst durch den Wandel von einer produzierenden Gesellschaft zu einer "Spaßwirtschaft", wo Schulden und Geld verwechselt werden. Man benutzt bei dieser Taktik den scheinbaren "Wohlstandseffekt" einer Kreditkarten-Schuldenwirtschaft - dem Verlust von Nettosparguthaben auf der Bank und dem Verlust stabiler Verhältnisse zwischen Geldwert und Lebenshaltungskosten - , um in der breiten Bevölkerung die Tendenz zu verstärken, kurzfristige teure Schuldenabhängigkeit mit einem zufriedenstellenden Einkommen zu verwechseln. Aus diesem langen, seit über einer Generation andauernden, Schwindel sind seit dem Zweiten Weltkrieg zwei Generationen von Erwachsenen hervorgegangen, die jede Verbindung zu unserem früheren praktischen Sinn für die funktionalen Zusammenhänge zwischen Produktion, Einkommen, Schulden und Verbrauch verloren haben.

Aber auch schon vorher, seit in den letzten drei Jahrzehnten ein derartiger Massenwahn überhand nahm, war das, was die Volksmeinung gewöhnlich irrtümlich für "Wirtschaftswissenschaft" hielt, keine Wissenschaft, sondern ein Zweig der Buchhalterei - und ist es heute noch. Was an den Hochschulen und anderswo unter der Bezeichnung Wirtschaftswissenschaft geboten wird, wurde nach der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und später von der Britischen Ostindiengesellschaft entwickelt. Die britische Finanzoligarchie wollte eine solche Volkswirtschaftslehre entwickeln und verbreiten, um zu verhindern, daß die Welt sich mit dem auf Leibniz gestützten Amerikanischen System der politischen Ökonomie beschäftigt. Die Spitzen des liberalen Systems in London beauftragten die Kreise um Lord Shelburnes Mann Jeremy Bentham damit, daß Programm der Haileybury-Schule der Britischen Ostindiengesellschaft zur politischen Ökonomie zu entwickeln, von dem alle "üblichen Verdächtigen" der britischen Volkswirtschaft, die noch heute gelehrt werden, abgeleitet sind.

Ich habe mich mit der Bedeutung dieses Gegensatzes in früheren Veröffentlichungen befaßt. Hier, in dieser Schrift, beschränke ich mich auf die Punkte, die in zweierlei Hinsicht von unerläßlicher Bedeutung sind: erstens bei den Gegensätzen zwischen dem Amerikanischen Volkswirtschaftssystem und europäischen monetaristischen Systemen und zweitens bei den Wurzeln der entsprechenden kulturellen Unterschiede zwischen amerikanischer und europäischer Kultur einerseits und asiatischer Kultur andererseits. Um das Schwergewicht, wie es notwendig und richtig ist, auf die physische Wirtschaft zu legen, statt auf naturgemäß irreführende monetär-finanzielle "Wohlstandseffekte", lege ich deshalb die Argumente für das Amerikanische System, wie es sich aus der von Leibniz entdeckten physischen Wirtschaftswissenschaft ableitet, vor dem Hintergrund von Wernadskijs Begriff der "Noosphäre" dar.

Zugegeben, die Namen und Trickkästchen der heute gelehrten Wirtschaftslehren verändern sich, so wie die von der Wall Street ausgehende Reform der Automobilwerbung die Methoden des New Yorker Textilviertels an der Seventh Avenue eines ständigen Wechsel der Mode nachahmte. Die neuen Moden der Wirtschaftslehren sollten uns an das in schmale Lumpen gehüllte, halbnackte Skelett erinnern, das zu einem knöchernen rhythmischen klack-klack-klack einen typischen Mailänder Modesteg von heute hinabmarschiert. In den beiden Fällen gab es im wesentlichen höchstens minimale Verbesserungen von Funktion und Geschmack, wenn überhaupt. Gebt uns unsere Fabriken wieder und gebt diesen armen, hungernden, schlotternden Mädchen etwas zu essen und anzuziehen, jetzt, wo der Winter kommt!

Bei ihren Versuchen zur Verleumdung und Aufweichung des Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie, das wir heute mit Namen wie Franklin, Alexander Hamilton, den Careys, Friedrich List, Abraham Lincoln und Präsident Roosevelt verbinden, ging die anglo-holländische liberale Bande von dem Wissen aus, das sie aus dem Innern ihrer Kultur heraus gewonnen hatte, daß dieses Amerikanische System der politischen Ökonomie die größte denkbare langfristige Bedrohung für Lord Shelburnes Pläne für ein neues Römisches Weltreich mit London im Mittelpunkt darstellte. Deshalb gingen sie gegen Franklin und das Amerikanische System vor, genauso wie sie vorher Leibniz' Werk verleumdet hatten, weil sie es fürchteten: Sie wußten, daß es dem Empirismus überlegen und eine große Gefahr für ihn darstellte.

Die bevorzugte Taktik der Liberalen besteht darin, alles, von dem sie fürchten, es könne ihrem System überlegen sein, zu zerstören, indem sie es bösartig verleumden - so wie diese Liberalen insbesondere in den letzten 30 Jahren mehr Zeit und Energie für bösartige Verleumdungen gegen meine Person aufgewandt haben als bei jedem anderen Intellektuellen auf der Welt, gegen den sie vorgegangen sind. Diese Liberalen vergeuden keine Anstrengung damit, etwas über längere Zeit zu verleumden, wenn sie es nicht für gefährlich wahr und gleichzeitig tödlich für ihre strategischen Sonderinteressen erkannt haben. Kurz: Sie lügen nur da, wo sie es für nötig halten, aber da ohne Grenzen.

Das gesamte anglo-holländische liberale System, in der Staatskunst allgemein und in der Wirtschaft im besonderen, war und bleibt ein riesiger Betrug. Und dieser Betrug stürzt nun in sich zusammen, der ganzen Welt um die Ohren - eingeschlossen die armen, frierenden, spindeldürren Mädchen in Mailand, die Nachfahren der legendären Twiggy aus England.

Um die gegenwärtige Zivilisation vor ihrem drohenden selbstverschuldeten Untergang zu bewahren, muß eine fähige moderne Wissenschaft an Naturwissenschaft, klassische Kultur und Volkswirtschaft gleichermaßen vom Standpunkt der antiken klassisch-griechischen Wissenschaftsmethode herangehen, die - wie oben erwähnt - mit den voraristotelischen wissenschaftlichen Vorstellungen und Methoden von Thales, den Pythagoreern und Platon verbunden ist. Nach dieser antiken Sicht, auf der die Gründung der neuzeitlichen europäischen Experimentalwissenschaft beruhte, drückte die Wissenschaft in einheitlicher Weise die Vorstellung des Menschen als einem einzigartigen Wesen aus, das anders war als alle anderen bekannten Lebewesen und über ihnen stand.

Bei dem, was ich gerade gesagt habe, scheint der Schwerpunkt auf physischen Werten zu liegen. Das tut es in einem hohen Maß, aber die funktionalen Gesichtspunkte wahrhaft klassischer Kunstwerke sind auch physisch - ich werde diesen wichtigen Punkt später noch einmal betonen.

Der größte Feind der Weltzivilisation ist heute weniger das anglo-holländische liberale Wirtschaftssystem an sich als die irreführende Weltanschauung über das Wesen der Wissenschaft im besonderen und der Wahrheit im allgemeinen, die in die öffentliche Meinung und Volksmeinung eingeimpft wurde, als die Gesellschaft "gehirngewaschen" wurde, damit sie die sog. "Philosophie" des liberalen Systems des Großen Bruders hinnimmt. Deshalb müssen wir unsere Aufmerksamkeit der Frage des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Kultur jetzt dieser Wurzel des Übels, z.B. in der Naturwissenschaft und verwandten Bereichen, zuwenden.

Das zentrale Thema dieser antiken und modernen Naturwissenschaft ist der Begriff der Kraft, wie ihn die Pythagoreer und andere aus den Methoden der ägyptischen physikalischen Astronomie, der sog. Sphärik, übernahmen. Dieser Begriff erscheint auf eine für die Astronomie einzigartige und beispielhafte Weise wieder im Werk von Aristarch und Eratosthenes im Altertum und bei der Entdeckung der universellen Gravitation durch Johannes Kepler, von dessen Pionierarbeit alle kompetente Naturwissenschaft der Neuzeit abgeleitet oder sonst irgendwie angeregt ist.

Keplers Werk, das sich nach seiner eigenen Aussage auf die Vorgaben seiner Vorläufer wie Kardinal Nikolaus von Kues, Luca Pacioli und Leonardo da Vinci stützt, bildete die Grundlage für alle kompetente neuzeitliche physikalische Astronomie und für die Ableger seines astronomischen Werkes wie Leibniz' Entdeckung eines universellen infinitesimalen Kalkulus und die Meisterung der Bedeutung elliptischer Funktionen durch Carl Gauß, Bernhard Riemann u.a. Was man die grundsätzlich geometrische Methode von Keplers Entdeckung der Gravitation nennen kann, und was auch der Art und Weise entspricht, wie Leibniz einen Kalkulus und das damit verwandte universelle Prinzip der geringsten physikalischen Wirkung ableitete, stimmt mit dem Begriff der Sphären überein, wie man ihn aus dem Werk der entsprechenden voraristotelischen griechischen Wissenschaftler wie Thales, den Pythagoreern und Platon kennt.

Die universellen Naturprinzipien, die sowohl mit der antiken wie der modernen Vorstellung der Sphärik übereinstimmen, heißen "Kräfte". Aber die Methoden dieser Wissenschaftler entsprechen nicht den empiristischen Begriffen algebraischer Darstellung, mit denen die physikalischen Prinzipien im Werke von Galileo und den Newtonianern wie d'Alembert, Euler, Lagrange, Cauchy, Clausius, Helmholtz usw. in irreführender mathematischer Form ausgedrückt sind.

Indem Wernadskij in seiner Arbeit zur Noosphäre wieder ganz zur klassischen, geometrischen Methode der voraristotelischen klassischen griechischen Wissenschaftler der pythagoreisch-platonischen Tradition zurückkehrt, liefert uns die Bedeutung seines Werks die gewünschte "gemeinsame Sprache" der experimentellen Methode, die man braucht, um die wirtschaftlichen und kulturellen Fragen, um die es in dieser Schrift geht, wirksamer zu behandeln.

Wie ich noch ausführen werde, ist dieser Begriff der "Kräfte" nicht nur auf Fragen aus dem Umfeld der Naturwissenschaften anwendbar, sondern auch auf Gesichtspunkte sozialer Abläufe, die in den Prinzipien der klassischen Künste verherrlicht werden. Das sind die wissenschaftlichen Mindestvoraussetzungen, um die in dieser Schrift behandelten drei Kategorien weltweiter kultureller Probleme von wirtschaftlicher Bedeutung richtig einzuordnen.

Als Beispiel erwäge man die folgende Zusammenfassung desselben Punktes, diesmal aus der Sicht der kulturellen Bedeutung von Alexander Hamiltons Definition der Prinzipien der Entwicklung unter dem Amerikanischen System der politischen Ökonomie. Ich stelle dem Gedankengang eine Erläuterung des Begriffs des universellen physikalischen Prinzips voran, wie es aus der Sicht der klassischen Vorstellung der "Kräfte" definiert werden muß. Dazu werden ich eine erneute Beschreibung der Definition der "Kraft", wie sie hier anzuwenden ist, einschieben. Zunächst liefere ich dem Leser ein Glossar einiger der wesentlichsten Begriffe, die im Wortschatz der wirtschaftlichen Praxis im allgemeinen und ganz besonders bei der Regierung einer fortschrittlichen, souveränen, nationalstaatlichen Republik unverzichtbar sind. Ich beginne mit dem Konzept von "Kraft".

wird fortgesetzt


Anmerkungen

27. Dazu gehören beispielsweise Francesco Zorzi (alias "Giorgi"), der mutmaßliche Chef des venezianischen Geheimdienstes, der als "Eheberater" Heinrichs VIII. nach England geschickt wurde; Kardinal Pole, Anwärter auf den englischen Thron aus der Familie Plantagenet und venezianischer Agent; und Thomas Cromwell, der von Venedig ausgebildet wurde. Als erstes versuchte man, einen Streit zwischen dem spanischen Zweig der Habsburger und England vom Zaun zu brechen, wobei Spanien zugleich auch Frankreich man als vordringliche Kontrahenten einer blutigen Fehde ausersehen hatte. Letztendlich spielten diese Machenschaften in die Hände der Fraktion in Venedig, die sich später in jenem Jahrhundert mit Paolo Sarpi an der Spitze als "neuer Tyrann von Venedig" durchsetzen sollte. Sarpi war persönlich für den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) mit verantwortlich und legte somit die Grundlage für die Umwandlung der anglo-holländischen liberalen venezianischen Fraktion zum anglo-holländischen liberalen Modell für ein neues Weltreich nach römischem Vorbild, wie es Lord Shelburnes Schreiberling Edward Gibbon vorschwebte, ein schwaches Abbild der sog. "Demokraten" (d.h. der Sophisten) im Athen des Peloponnesischen Krieges.

28. Dieses Buch wurde 1987 von der Nachrichtenagentur Executive Intelligence Review in Washington veröffentlicht.

 

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