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Aus der Neuen Solidarität Nr. 35/2007

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LaRouches Entwurf einer Wahlkampfplattform für die Demokratische Partei 2008

Die Lage unserer Union: Schluß mit der Selbsttäuschung!

Von Lyndon H. LaRouche
- 3. August 2007 -

Das folgende Dokument dient als dringend notwendiger Entwurf für ein zu schaffendes Programm für die kommenden Wahlen. Anlaß hierfür war die Tatsache, daß die angeblich führenden Präsidentschaftsbewerber bisher weder das geringste Verständnis für die Realität, der die Wähler bis zur Wahl im November gegenüberstehen werden, noch eine Ahnung der Themen zu erkennen gegeben, die bis zur Amtseinführung Januar 2009 entscheidend werden. Es ist zutreffend zu sagen, daß die vermeintlichen Spitzenkandidaten die Zukunft bisher so behandeln, als wäre sie lediglich die Weiterführung von Bedingungen, die es gar nicht mehr gibt. Folglich ist bei ihnen weder eine Vorstellung von dem zu erkennen, was sie erwartet, noch von dem, was unternommen werden muß, wenn unsere Republik auch nur kurzfristig eine Zukunft haben soll.

Vorwort: Wie es zu dieser Krise kam

Wie ich vor weniger als einer Woche in meinem Internetforum sagte, ist die gegenwärtige Krise des Weltfinanzsystems „... zu einer Zeit ausgebrochen, in der sich das weltweite Geldsystem nun tatsächlich in seiner Auflösung befindet.“

Wie die einschlägige Presse in Deutschland die Situation beschreibt, mußte die KfW [Kreditanstalt für Wiederaufbau] einspringen, um im Fall der Krise bei der IKB [Deutsche Industriebank] zu versuchen, das überdehnte und wankende Bankensystem Deutschlands zu retten. Anscheinend war der Versuch, ein Loch einfach zu stopfen, an einem gewissen Punkt der Ereigniskette gescheitert. Eine solche Entwicklung innerhalb des deutschen Bankensystems nimmt den Anstrengungen von US-Finanzminister Henry Paulson und anderer jede Glaubwürdigkeit, die Illusion zu erhalten, die amerikanische Seite der gegenwärtig weltweiten Finanzpanik sei bloß der Seitenaspekt einer begrenzten Krise auf dem Subprime-Hypothekenmarkt.

Tatsächlich aber geht es auf der einen Seite um die verschiedenen Märkte für hypothekenbesicherte Papiere und auf der anderen Seite um die weltweiten Operationen der „Hedgefonds“ auf den britischen Kaiman-Inseln. Das sind die beiden „Buchstützen“ einer Krise des globalen Finanzsystems, das durch den „Carry Trade“ in Japan ganz besonders kompliziert gemacht wird. Daß die Banken nicht in der Lage sind, das fehlende Geld für Übernahmen durch Hedgefonds bereitzustellen, bedeutet den allgemeinen Zusammenbruch des gesamten Systems.

Um die jetzige Phase dieser globalen Finanzkrise zu verstehen, dürfen wir uns daher nicht von dem Geschnatter beeindrucken lassen, mit dem wir von der entscheidenden Bedeutung des Versagens an den beiden äußersten Enden des internationalen Systems abgelenkt werden sollen. Letztere sind, bildlich gesprochen, wie sich lockernde „Hufeisennägel“, deren Verlust sich wie eine Kettenreaktion fortpflanzt, bis Reiter und Königreich gleichermaßen verloren sind.

Zusammenwirkende Entwicklungen, wie sie durch die Katastrophe bei einigen Bear-Stearns- Fonds, den politischen Umbruch bei den japanischen Parlamentswahlen sowie den Entwicklungen um die Deutsche Industriebank (IKB) am Montag, dem 30. Juli 2007, angekündigt wurden, signalisieren den Eintritt in die Endphase der globalen Krise, die sich jetzt kettenreaktionsartig in die transatlantischen und anderen führenden Finanzmärkte fortsetzt. Die sture Weigerung, sich mit den wesentlichen Tatsachen auseinanderzusetzen, hat einen praktisch unvermeidbaren, großen, globalen Finanzkrach auf den Weg gebracht, der 2007 oder nur wenig später eingetreten sollte. Jetzt ist die Krise da.

Zwar läßt sich das jetzige Weltfinanzsystem nicht retten, aber wie ich in den vergangenen Jahren wiederholt erklärt habe, könnte ein Kollaps der physischen Weltwirtschaft verhindert werden - allerdings nicht, solange man versuchen wird, das jetzige Weltfinanz- und -währungssystem mit seinen gleitenden Wechselkursen zu erhalten, das 1971-72 auf Initiative George Shultzs unter der Regierung Nixon eingeführt wurde.

Infolge dieses sturen Festhaltens der gegenwärtigen politischen Entscheidungsträger an einer falschen Politik, besonders der nun gescheiterten amerikanischen und britischen Geld-, Wirtschafts- und Kriegspolitik der vergangenen drei Jahrzehnte, befindet sich das jetzige weltweite Finanzsystem in seiner Todesagonie. Ein neues, reformiertes Währungssystem könnte überleben; das gegenwärtig existierende könnte es nicht. Was Träumer und falsche Propheten für unmöglich erklärt haben, ist nun geschehen. Ich wiederhole: Während die physische Weltwirtschaft vor dem Bankrott des gescheiterten gegenwärtigen Geldsystems gerettet werden könnte, ist das gegenwärtig vorherrschende Geld- und Finanzsystem ebenso zum Untergang verurteilt wie der legendäre Dodo.

Dem System drohte bereits infolge der von Präsident Harry Truman eingeleiteten Politikwende in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine zukünftige Krise. Aber die langfristigen wirtschaftlichen Gefahren von Trumans Vorgehen traten erst zwei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Eintritt der USA in den langwierigen Krieg in Indochina klar zutage. Heute würde ohne eine Rückkehr der USA zum antimonetaristischen Amerikanischen System der politischen Ökonomie, das bereits die Grundlagen für die Erholung aus der Depression der 30er Jahren unter Franklin Roosevelt legte, der schlimmste vorstellbare Ausgang dieser Geschichte bald eintreten.

Ist die Wirtschaft jetzt dem Untergang geweiht?

Deshalb ist es notwendig, die Darstellung der notwendigen umfassenden Reformvorschläge mit einem Rückblick auf die wichtigsten Probleme zu beginnen, die sich seit dem Tod des großen Präsidenten Franklin Roosevelt akkumuliert haben, der die außerordentliche Erholung von den früheren Fehlern in den 20er Jahren unter den Präsidenten Coolidge und Hoover sowie auch unter Andrew Mellon anführte.

Nach dem ersten Amtsantritt Präsident Franklin Roosevelts am 4. März 1933 gelang es unseren Vereinigten Staaten von Amerika, aus der Hoffnungslosigkeit von 1929-1932, in die es während der Regierungen Coolidge und Hoover abgestürzt war, zu unserem Triumph als Nation aufzusteigen - einem Triumph, der nicht nur den Sieg über die Hitler-Diktatur möglich machte, sondern auch die USA zur größten Konzentration realwirtschaftlicher Macht aller Zeiten aufbaute. Doch mit dem Tode dieses Präsidenten am 12. April 1945 veränderten unsere USA unter der Regierung Truman ihre langfristige Orientierung und wurden zu einer klassischen Tragödie im Sinne des antiken Aischylos oder Shakespeares und Schillers heute.

Betrachtet man nur die physikalisch-wirtschaftlichen Fakten, so ist unsere Wirtschaft, trotz aller kurzfristigen Probleme, bis zur Ermordung von Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 insgesamt weiter stark gewachsen. Es könnte so scheinen, als habe der ruinöse Absturz unserer Wirtschaft erst mit dem langanhaltenden Krieg der USA in Indochina von 1964-1972 begonnen, aber dieser Krieg alleine erklärt nicht die Tatsache, daß sogar noch nach Ende dieses Kriegs weiter katastrophalste politische Richtungswechsel vorgenommen wurden. Diese umwälzenden Veränderungen unter den Präsidenten Nixon, Ford und Carter waren die eigentliche Ursache dafür, warum unsere Wirtschaft immer tiefer und tiefer in diesen katastrophalen Zustand realwirtschaftlicher Dekadenz abgesackt ist, unter welcher die Mehrheit unserer Bürger heute leidet.

Bis die Auswirkungen des amerikanischen Krieges in Indochina spürbar wurden, setzten sich in den wirtschaftlichen und kulturellen Perspektiven unserer Republik immer noch die Erfahrungen der Zeit unter Präsident Franklin Roosevelt fort, so wie diese sich in seinem Wiederaufbauprogramm sowie in seiner Mobilisierung für den Sieg über Hitler zum Ausdruck kamen. Der Erwachsenengenerationen, welche die Depression, den Wiederaufbau und diesen Krieg erlebten, ist diese Erfahrung in Fleisch und Blut übergegangen. Ich kann heute als Augenzeuge sagen, daß es meine Generation war, die sich um Präsident Dwight Eisenhower und um die ausdrückliche Wiederbelebung des Erbes von Franklin Roosevelt durch Präsident John F. Kennedy sammelten.

Die Ermordung von Präsident John F. Kennedy und der Beginn des Indochinakrieges schufen die soziale Chemie, in der die damals schon brodelnden radikalen Veränderungen in der herrschenden kulturellen Perspektive unserer Nation in Gang gesetzt wurden. Dies waren Veränderungen der Art, die Präsident Dwight Eisenhower als „militärisch-industrieller Komplex“ bezeichnete, Veränderungen, die praktisch in dem Moment begannen, als Präsident Franklin Roosevelt starb. Typisch für die Abkehr von unseren wissenschaftsgetriebenen landwirtschaftlichen und industriellen Traditionen waren die von der Regierung Carter übernommenen programmatischen Ansichten der Trilateralen Kommission, die das eigentliche Fundament unserer Binnenwirtschaft zersetzten, wofür politische Unterstützung hauptsächlich von den jungen Erwachsenen der sogenannten „Babyboomer“-Generation kam.

Auf diese Weise zerstörten die korrosiven moralischen und wirtschaftlichen Wirkungen eines langen Krieges von 1964-1972, der Wahnsinn der Zerstörung des Bretton-Woods-Abkommens und die „nachindustrielle“ Revolte von 1968-1981 das Haus, das Franklin Roosevelt gebaut hatte, und wandelten die politischen Vorgänge in eine Form des Sophismus um, die Historiker bedenklich an die sozialen Kräfte hätte erinnern sollen, welche bereits für die Selbstzerstörung Athens im Peloponnesischen Krieg verantwortlich waren.

Um zusammenzufassen: Die liberalen monetären, wirtschaftlichen und sozialen Reformen in der Zeit von 1968-1981 sind zu der politischen Matrix geworden, die unsere Republik in den Jahrzehnten seither zerstört hat. Die Veränderungen, die uns ruinierten, begannen mit einer Art moralischer Korruption unter der Regierung von Harry Truman, aber was uns jetzt untergehen läßt - wenn wir es nicht jetzt verändern -, ist der radikale politische Wandel, der als Abfolge in der Zeit von 1968-1981 eingeführt wurde. Das hat uns ruiniert. Dieser kulturelle Paradigmawandel war die unmittelbare Hauptursache für den ruinösen Zustand, in dessen Griff sich unsere Republik immer noch befindet. Und diese politischen Veränderungen müssen wir jetzt, und zwar plötzlich und mit unmittelbarer und durchgreifender Wirkung umkehren, wenn unsere Republik die herannahende Zusammenbruchskrise des existierenden Weltsystems überleben soll.

Dies ist, zusammengefaßt, unsere gegenwärtige nationale Tragödie.

Um unsere Republik vor unmittelbaren Gefahren, vor wirtschaftlichen und ähnlichen Gefahren für unser Verfassungssystem zu retten, müssen wir deshalb zu dem Punkt zurückkehren, von dem die moralische Korruption unseres politischen Gestaltungsprozesses ihren Ausgang nahm - nicht erst seit der Ermordung Präsident Kennedys, sondern schon seit dem Tod von Präsident Franklin Roosevelt.

Um die Ursachen für den ruinösen Zustand unserer Wirtschaft heute zu verstehen, muß man sich genauer mit den langfristigen Implikationen der Abkehr vom Erbe Franklin Roosevelts beschäftigen, einer Abkehr, die mit dem Amtsantritt Präsident Trumans begann. Die Bedeutung von Trumans Aufstieg wurde klarer, als seine Beliebtheit in seiner zweiten Amtszeit nachließ. Die Nation wandte sich weise an Dwight Eisenhower, um die Nation vor Trumans Fehlern zu retten. (Ich war damals dabei und verstand es schon in jener gesegneten Zeit richtig.) Trotz der wohlverdienten Beliebtheit der Präsidenten Eisenhower und John F. Kennedy verdanken wir den heutigen Ruin der US-Wirtschaft einer langen Welle, einem sich über Jahrzehnte hinziehenden Richtungswechsel, in dessen Verlauf der „militärisch-industrielle Komplex“, wie ihn Präsident Dwight Eisenhower bezeichnete, immer mehr Macht erhielt, ein Richtungswechsel, der eigentlich schon unmittelbar nach Trumans Einzug ins Weiße Haus begann.

Trotz des relativen Anstiegs im realen Pro-Kopf-Wohlstand zwischen 1945 und 1963 deutete somit die radikale Abkehr von den globalen und nationalen politischen Strukturen Franklin Roosevelts bereits die Richtung der langfristigen wirtschaftlichen Veränderungen an, die die langfristig wirkenden politischen Trends in der gesamten Zeitspanne vom 12. April 1945 bis heute nehmen würde.

Dieses Konzept ist aus dem Grunde wichtig, weil unsere Republik ohne eine solche Geschichtsauffassung der Zeit von 1945 bis heute, d.h. einer sich nach Roosevelts Tod entfaltenden klassischen Tragödie, in einer Weise scheitern würde, daß nicht nur unsere Nation zum Untergang verurteilt wäre, sondern auch die ganze Welt das gleiche Schicksal erleiden ließe. Die größte Gefahr für die Weltzivilisation sind nicht unsere gegenwärtigen Probleme unter dem nominellen Präsidenten George W. Bush jr., sondern die Unfähigkeit unserer Republik, schnell wieder zu jener Form von Führungsrolle zurückzufinden, von der das Wohlergehen des ganzen Planeten in den kommenden Jahrzehnten abhängt.

Die Macht der Tragödie

Das klassische europäische Paradigma für jenes Versagen der Staatskunst, welches die USA nach dem Tode Präsident Franklin Roosevelts so oft erfahren haben, ist der Zerfall Athens unter Perikles im ruinösen Peloponnesischen Krieg. Was ich eben als Abkehr von dem kreativem Optimismus beschrieben habe, mit dem Präsident Franklin Roosevelt unsere Verfassungstradition wiederbelebte, ist die lange Herrschaft des Sophismus, der das antike Athen dem Untergang weihte und unter Präsident Truman und später die Kontrolle über unser Schicksal übernahm.

Was sich die USA seit dem Tode Franklin Roosevelts und noch offensichtlicher seit der Ermordung Präsident John F. Kennedys angetan haben, ist eine vollkommene Tragödie im strengsten Verständnis der Prinzipien des klassischen Dramas von Aischylos, Shakespeare und Friedrich Schiller. Die Bedeutung von „Tragödie“ beschränkt sich nicht auf einen Todes- oder Leidensfall, der hätte vermieden werden können; im strengen, klassischen Sinn handelt sie von einem Opfer, welches eine Einzelperson oder eine gesamte Gesellschaft sein kann, das sich aufgrund eines allgemein akzeptierten Glaubens oder, was das gleiche ist, einer gewohnheitsbedingten Tradition selbst ins Unglück stürzt. In diesem strengen Sinne des Begriffs „Tragödie“ war das kürzliche Verhalten bzw. das völlig unangemessene Verhalten des wahlkampfgeldbewußten US-Kongresses im umfassenden Sinne des Wortes eine Tragödie.

Will man dieses Konzept auf den spezifischen Krisenfall der heutigen USA anwenden, muß man auf den Begriff „Dynamik“ verweisen, der im klassischen Griechenland und in der modernen Wissenschaftskultur ein Begriff der Wissenschaftsmethode ist.

Wenn ich an dieser Stelle von „Dynamik“ spreche, bedeutet dies, daß es entgegen den romantischen Lehren akademischer und ähnlicher Ideologen in der Geschichte so manchen Propheten gibt, sich aber unter den aktiven Wortführern einer Kultur, die in eine wahrhaft tragische Phase ihrer Existenz eingetreten ist, keine wirklichen Helden finden. Ich spreche über die Tragödie, in die die USA nach dem Tode Franklin Roosevelts eingetreten ist. In allen klassischen Tragödien, wie sie von Aischylos, Shakespeare und Friedrich Schiller dargestellt werden, hat die jeweilige Kultur einer Gesellschaft als Ganzer versagt - ein Systemversagen der Kultur, das die Führung aller für diese Gesellschaft typischen Institutionen, aber auch die große Mehrheit der Bevölkerung ergriffen hat. Ich weiß das ganz genau, ich war dabei und habe diese Tatsache damals sofort erkannt.

In einer wahrlich tragischen geschichtlichen Phase einer Kultur - wie der, welche in Athen unter Perikles begann, oder der, welche die Geschichte der USA und der Weltgeschichte seit dem Tode Franklin Roosevelts beherrschte - ist es auch die von der großen Mehrheit der Bevölkerung, aber mehr noch von den führenden sozialen und politischen Klassen geteilte Meinung, welche den Untergang der Gesellschaft selbst herbeiführt.

Wie in den USA unter Präsident Truman sowie in den Anfängen des Schaulaufens der Reichen im Athen des Perikles gibt es häufig eine Phase anfänglichen Wohlstandes und Triumphgefühls, welches die führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft in die gleiche Falle überzogener Selbstsicherheit lockt, die zum schicksalhaften Untergang Athens im Peloponnesischen Krieg führte oder welche die törichten USA in den selbstmörderischen Krieg in Indochina von 1964-1972 und den gegenwärtigen Hexenkessel in Südwestasien lockte.

Dieses durchgehende Muster führte zum völligen Versagen der USA unter sämtlichen Präsidenten, angefangen mit Harry S Truman bis hin zum bisher schlimmsten, Dick Cheneys Marionettenpräsidenten George W. Bush. Wir haben uns an einigen relativ guten Präsidenten während dieser Zeit erfreut, aber sie waren dazu auserwählt, eine Gesellschaft zu leiten, die zunehmend die Merkmale einer lebenden Tragödie zeigte, auch wenn sie sich persönlich das Gegenteil wünschten.

Um eine Tragödie aufzuhalten, reichen Reformen niemals aus; da Tragödien immer die Frucht von Massenillusionen sind - von den hohen sozialen Rängen der Gesellschaft bis nach unten -, ist es unverzichtbar, daß die axiomatischen Annahmen des gesamten Systems verändert werden: etwa der Glaube an den „Freihandel“, der ein wichtiger Faktor im Verhalten der Massen war, um die öffentliche Meinung dahin zu bringen, die eigene Wirtschaft zu zerstören, so wie wir es in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten erlebt haben.

Jede bekannte Kultur in der bisherigen Geschichte der Menschheit - ob diese Kultur glücklich war oder nicht - zeigt uns Menschen, die fast alle in einem undurchdringlichen Dickicht axiomartiger Annahmen gefangen sind. Nach simplistischer Auffassung würde man diese Menschen als „programmiert“ bezeichnen. Andere würden solche Glaubensstrukturen, die entweder universelle Prinzipien sind oder es vorgeben, als sogenannte „Gesetze unseres Universums“ bezeichnen. In einer solchen Realität ist der eigentliche Idiot jemand, der behauptet, sein Urteil sei von den kulturellen „Zäunen“ seiner Umgebung, in denen sich seine geistigen Vorgänge bewegen dürfen, nicht beeinflußt. Man spricht z.B. manchmal von „Unfallneigung“, oder von jemandem, der von seinen Zwangsvorstellungen genauso kontrolliert wird wie ein wütender Hund an der Leine.

Zwar wird manchmal über solche Fragen gesprochen, aber gewöhnlich verschwindet das Bewußtsein über solche lächerlichen Beziehungen in der sprichwörtlichen Hitze momentaner Entscheidungen. Was sind die Kräfte, die Ihre Entscheidungen „in der sprichwörtlichen Hitze des Augenblicks“ kontrollieren? Wie kann eine Bevölkerung, deren Mehrheit Massenwahnsinn in den Rängen ihrer Führung unterstützt hat, wie die USA in den vergangenen Jahrzehnten, dazu veranlaßt werden, sich nicht mehr so närrisch zu verhalten, wie es die Mehrheit in den letzten Jahrzehnten nachweislich gewesen ist?

Das ist die Macht der Tragödie. Diese Frage fasziniert nachdenkliche und kultivierte Menschen zu recht, wenn der Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit die antike klassische Tragödie Griechenlands, Shakespeares Geschichte Englands als Gesamtwerk oder die noch besser entwickelte Einsicht in das Prinzip der Tragödie ist, welche sich bei Friedrich Schiller findet, der auf den Werken seiner Vorgänger aufbauen konnte.

Prolog zu William Shakespeares Drama Heinrich V

Chorus (tritt ein).
Oh! eine Feuermuse, die hinan
Den hellsten Himmel der Erfindung stiege!
Ein Reich zur Bühne, Prinzen drauf zu spielen,
Monarchen, um der Szene Pomp zu schau’n!
Dann käm’, sich selber gleich, der tapfre Heinrich
In Marsgestalt; wie Hund' an seinen Fersen
Gekoppelt, würde Hunger, Feu’r und Schwert
Um Dienst sich schmiegen. Doch verzeiht, ihr Teuren,
Dem schwunglos seichten Geiste, der’s gewagt,
Auf dies unwürdige Gerüst zu bringen
Solch großen Vorwurf. Diese Hahnengrube,
Faßt sie die Ebnen Frankreichs? Stopft man wohl
In dieses O von Holz die Helme nur,
Wovor bei Azincourt die Luft erbebt?
O so verzeiht, weil ja in engem Raum
Ein krummer Zug für Millionen zeugt,
Und laßt uns Nullen dieser großen Summe,
Auf eure einbildsamen Kräfte wirken!
Denkt euch im Gürtel dieser Mauern nun
Zwei mächt’ge Monarchien eingeschlossen,
Die, mit den hocherhobnen Stirnen dräuend,
Der furchtbar enge Ozean nur trennt.
Ergänzt mit dem Gedanken unsre Mängel,
Zerlegt in tausend Teile einen Mann
Und schaffet eingebild’te Heereskraft.
Denkt, wenn wir Pferde nennen, daß ihr sie
Den stolzen Huf seht in die Erde prägen;
Denn euer Sinn muß unsre Kön'ge schmücken.
Bringt hin und her sie, überspringt die Zeiten,
Verkürzet das Ereignis manches Jahrs
Zum Stundenglase. Daß ich dies verrichte,
Nehmt mich zum Chorus an für die Geschichte,
Der als Prolog euch bittet um Geduld;
Hört denn und richtet unser Stück mit Huld!

(deutsche Übersetzung zitiert nach: Projekt Gutenberg [0])

Beim Verfassen und Aufführen klassischer Tragödien wird allzu oft übersehen, daß der Gegenstand des Dramas nicht auf der Bühne wahrzunehmen ist, sondern, wie Schiller betonte, in der Reaktion der Leute in den Rängen des Theaters auf die Handlung, die auf der Bühne zum Leben erweckt wird, als fände sie im Gedächtnis der Menschen im Publikum statt. Wie Friedrich Schiller betonte: das Ziel des Dramas ist es, eine Person dahin zu führen, das Theater als ein besserer Bürger zu verlassen, als er oder sie es vor dem Betreten des Theaters war.

In bestimmten Maße profitiert der Historiker wie auch der intelligente Bürger in dem gerade von Schiller unterstrichenen Punkt sehr von einer guten Aufführung des einleitenden Monologes des Chores in Shakespeares Heinrich V. In allen klassischen Dramen seit dem klassischen Griechenland müssen die Darsteller auf der Bühne und alle Requisiten hinter die Realität der Szene und Darstellung zurücktreten, welche diese bloßen Erscheinungen im Gewande der mentalen Bilder, die gesehen und gehört werden, auf einer höheren Ebene als der einfachen Bühne, im Geiste des Menschen im Publikum, hervorrufen. Das Drama muß das Erscheinen dieser Bilder, Töne und Handlungen, auf die sich die Aufführung bezieht, hervorrufen. Die Darsteller und die Szene dürfen die Aufmerksamkeit des Publikums nicht von den historisch bedeutsamen Anblicken und Tönen des eigentlichen Dramas - anstatt von den Bildern auf der Bühne selbst - ablenken.

Die Transformation, welche die Aufführung eines solchen klassischen Dramas oder die lebendige Bühne hervorrufen muß, hat die gleichen Wirkmerkmale wie die Entdeckung eines universellen physikalischen Prinzips oder die kreative Einsicht eines gut ausgebildeten Darstellers bei der künstlerischen Arbeit. Das Wesentliche bei einer solchen notwendigen Transformation axiomatischer Denkprämissen - politisch oder anderweitig - ist es, die Aufmerksamkeit von den lokalen Handlungen auf die Frage der Prinzipien, die den ganzen Prozeß bestimmen, zu lenken.

Die wahre klassische Kunst der Politik ist es, uns selbst als Darsteller in jenem Drama der ganzen Gesellschaft auf genau dieser Bühne zu betrachten. Es wäre klug, die heute globale Geschichte der europäischen Kultur über eine Zeitspanne seit etwa 700 v. Chr. zu betrachten. Wenn man die kritischen Veränderungen und ihre Folgen in der Geschichte versteht, geraten auf diese Weise die notwendigen wesentlichen Ideen in den Blick.

Zu einer solchen Herangehensweise müssen wir uns jetzt durchringen, damit es uns gelingen möge, die notwendige Transformation von bloßem menschlichem Stimmvieh, das einfach nur wählen geht, in Menschen zu erreichen, die wie wahre Bürger einer Republik denken und handeln.

--- Leesburg, Virginia, 1. August 2007

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006
- Internetseite des Schiller-Instituts
Was Lyndon LaRouche wirklich sagt
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees
- in englischer Sprache