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Aus der Neuen Solidarität Nr. 43/2007

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Bodenschätze und russische Infrastruktur

Dr. Sergei Tscherkassow vom Staatlichen Geologischen Wernadskij-Museum der Russischen Akademie der Wissenschaften hielt diesen Vortrag in seinem Namen und dem des wissenschaftlichen Direktors des Museums, Dmitrij Rundquist, der auch Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften ist. Ihr Vortrag umfaßte eine Reihe von Illustrationen, von denen wir einige wiedergeben.

Dmitrij Rundquist und ich wollten diesen Vortrag eigentlich gemeinsam halten, aber er konnte leider nicht kommen. Er ist Präsident der Russischen Mineralogischen Vereinigung, die gerade jetzt eine Konferenz in Jekaterinburg abhält. Er sendet jedoch seine besten Grüße an alle Teilnehmer dieser Veranstaltung.

Wir haben uns vorgenommen, zu zeigen, was die Landbrücke für die Erschließung der mineralogischen Rohstoffvorkommen bedeuten kann. Dieser Vortrag hat drei Teile. Zunächst werde ich die gegenwärtige Situation der Bodenschätze darstellen. Dann werde ich darauf eingehen, wie Rußland seine Reserven einer erneuten Überprüfung unterzieht - insbesondere in den nördlichsten Landesteilen und im Fernen Osten. Ausgehend davon werden wir sehen,  welche Herausforderungen und Lösungen sich für die Frage der Bodenschätze in Bezug auf die Landbrücken stellen.

Im Laufe ihrer Geschichte verwendete die Menschheit immer mehr Elemente. Im Altertum gebrauchten die Menschen nur 18 Elemente; nach der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert waren es 67. Seit der Zähmung des Atoms und der Synthese neuer Elemente im 20. Jahrhundert wurde fast das ganze Periodensystem vom Menschen benutzt.

Gleichermaßen fanden Veränderungen des russischen Territoriums statt. Auf verschiedenen Karten sieht man, angefangen vor dem 16. Jahrhundert,  wie sich die Erschließung bestimmter Rohstoffvorkommen bereits vor dem Beginn des 16. Jahrhunderts zu verschiedenen Zeitpunkten entwickelte. (Er zeigt auf verschiedenen Karten den Wachstumsprozeß des russischen Staates und die Entdeckung von Bodenschätzen)...

Später gab es Ausweitung in verschiedene Richtungen. Die russische Regierung war vor allem daran interessiert, neue Territorien jenseits des Urals zu entwickeln. Ich habe Bekannte in Krasnojarsk, deren Familien aus dem europäischen Teil Rußlands in den Osten gingen, wo ihnen Land zugeteilt wurde. Sie entwickelten das Land und durften soviel besitzen, wie sie entwickeln konnten.

Gleichzeitig entstanden verschiedene Abbautechniken. Die Tagebaugruben wurden größer. Im 20. Jahrhundert hatten wir bereits mehrere große Vorkommen und solche Minen wie die Eisenerzgrube Lebedinskij, die ziemlich beeindruckend aussieht.

Heute verfügt Rußland auf 20,5% der weltweiten Landmasse mit 3% der Weltbevölkerung über 22% der weltweiten Waldfläche, 20% des Frischwassers, 30% der Gesamtfläche der den Küsten vorgelagerten Schelfgebieten und 16% der mineralogischen Rohstoffe.

Unser geologisches Wissen über das russische Territorium variiert je nach Region. Für den größten Teil existieren geologische Karten im Maßstab 1:200.000; d.h. alle zwei Kilometer wurden Messungen durchgeführt. Sie können sich denken, was das in Bezug auf die Rohstoffvorkommen bedeutet. Diese Flöze sind manchmal lediglich einige zig Meter groß. Wir sind uns sicher, daß in Rußland viele noch viele bisher nicht entdeckte Mineralstofflager existieren.

Für etwa 30% des russischen  Territoriums gibt es geologische Karten im Maßstab 1:50.000 (Vermessungen alle 500 Meter). Einige Landflächen sind also besser erforscht, aber immer noch nicht so gut, daß man sicher sein kann, nichts übersehen zu haben. Im staatlichen Register sind nun etwa 9.000 Rohstofflager verzeichnet.

Bezüglich dessen, was Prof. Menschikow zur Situation Rußlands sagte, kann ich folgendes hinzufügen. Zunächst sehen Sie hier, daß Rußland einen relativ großen Anteil an den weltweiten Ressourcen und Reserven hat (Abb. 1). Aber bei der Produktion ist es viel weniger und der Anteil des Verbrauchs ist äußerst gering. Das Bild sieht nur bei der Elementengruppe des Platins und bei Nickel etwas anders aus. Diese werden jedoch vor allem in Norilsk gewonnen - weit jenseits des Polarkreises.

Ebenfalls ist wichtig,  wie Prof. Menschikow sagte, daß unsere Wirtschaft sich auf den Export orientierte, als all die Veränderungen in Rußland anfingen. Der Anteil der Produktion verschiedener Metalle und Rohstoffe, der in den Export fließt, sah 1999 folgendermaßen aus:

Öl 57,3%
Gas 32,0%
Kohle 12,0%
Eisenerz 14,9%
Kupfer 85,0%
Nickel 91,0%
Zink 59,0%
Blei 9,1%
Wolfram 96,0%

Diese Angaben sind nicht neu, sondern schon ein paar Jahre alt. Aber im Jahr 1996 exportierten wir beinahe 417% unserer Jahresproduktion an Uran. In einem anderen Jahr exportierten wir 356% der Jahresproduktion an Molybdän. Das bedeutet, daß alle unsere Vorräte einfach ausverkauft wurden.

Aber schauen wir uns die Verteilung der Bodenschätze nach Bezirken der Russischen Föderation an. Die große Zahl von 53% in der Mitte im Ural-Bezirk kommt durch die sehr gut erschlossenen Öl- und Gasprovinzen östlich des Urals zustande. Die vergleichsweise niedrige Prozentzahl im Osten zeigt, daß diese Gegend tatsächlich nicht sehr gut erforscht ist.

Natürlich hat das Klima einen großen Einfluß. Vergleicht man den Gesamtpreis der Bodenschätze der verschiedenen Bezirke mit der Anzahl der jährlichen Temperaturtage unter dem Gefrierpunkt, kann man beispielsweise in den Gebieten, durch die die Landbrücke geplant ist, sehen, daß dort die Temperaturen fast während des ganzen Jahres unter Null liegen. Natürlich schafft das einige Schwierigkeiten.

Aber gleichzeitig gewinnen Bodenschätze immer mehr an Bedeutung. In den letzten 40-45 Jahren hat die Menschheit 85% des Öls, 50% der Kohle und 50% des Eisens, die in der menschlichen Geschichte gefördert und produziert wurden, verbraucht.

Rußland ist wirklich reich. Betrachtet man die Liste der hauptsächlichen Güter, so sieht man, daß die russischen Rohstoffvorräte im Weltmaßstab sehr beeindruckend sind. Es verfügt über 32% der weltweit bekannten Gasvorräte, sowie 12-13% der Öl- und 12% der Kohlevorräte. Bei den seltenen Elementen, die auf der Erde vorkommen, verfügt es über 35% des Niobiums, 80% des Tantals, 50% des Yttriums, 28% des Lithiums, 15% des Berylliums und 12% des Zirkoniums. Der russische Anteil an weiteren industriell eingesetzten Metallen beträgt 36% bei Nickel, 27% beim Eisenerz, 27% bei Zinn, 20% bei Kobalt, 16% bei Zink und 12% bei Blei. Rußland hat auch agrochemische Erzvorkommen; es liegt weltweit an erster Stelle bei Kalisalzen und auf dem zweiten Platz beim Apatit und Phosphorit. Es besitzt die weltweit größten Diamantenlager und liegt an dritter Stelle, was Gold betrifft.

Warum bewerten wir unsere Reserven jetzt neu? Erstens aufgrund der wachsenden Nachfrage - und das nicht nur bezüglich der schon bekannten Erze und Metalle. Auch das Spektrum der verwandten Metalle verändert sich. Übrigens hat eine der erfolgreichsten Bergbaugesellschaften Rußlands, Norilsk Nickel, allein schon deshalb gegenwärtig so großen Erfolg, weil der Palladium-Preis so unglaublich angestiegen ist. Gleichzeitig haben wir neue Arten von Erzvorkommen entdeckt. Zum Beispiel wissen wir, daß es in Nordrußland Öl-Titan-Vorkommen gibt. Das heißt, in einigen Sänden ist Öl enthalten, aber die Sände bestehen aus Schwermetallen - Ilmenit und anderen.

Dann gibt es auch neue Gewinnungstechnologien. Dank ihrer kann man Vorkommen erschließen, bei denen das vorher einfach unmöglich war. Zum Beispiel gibt es ein unterirdisches Lösungs- (Auslaug-)verfahren. Als ich letztes Jahr in Usbekistan war, konnte ich 300 km entlang der Straße Röhren sehen. Diese sind unterirdisch in einem System miteinander verbunden, wobei in die Röhren eine Lösung eingepumpt wird. Andere Röhren transportieren diese dann ab, wobei sich Uran bereits in der Lösung befindet. Diese Technologie erlaubt uns, Vorkommen mit sehr geringen Rohstoffkonzentrationen abzubauen.

Einer der wichtigsten Aspekte vom wirtschaftlichen Standpunkt ist, daß sich die Methoden der Bewertung von Rohstoffvorkommen in der Sowjetunion, Rußland, und der westlichen Welt sehr voneinander unterscheiden. Ich habe selbst im letzten Jahr an vier Experten-Untersuchungen teilgenommen, bei denen es darum ging, bereits bekannte mineralische Rohstoffvorkommen neu zu bewerten. Dann gibt es die staatlichen Programme, von deren Resultaten einige veröffentlicht worden sind. Das erste Buch wurde vom Allrussischen Geologischen Karpinskij-Institut veröffentlicht, und ein zweites vom Nationalen Ozean-Geologischen Forschungsinstitut, ebenfalls in St. Petersburg. Wir selbst haben an der Russischen Akademie der Wissenschaften ein Buch herausgegeben mit dem Titel „Große und übergroße Rohstoffvorkommen“, sowie zusammen mit dem französischen Geologischen Vermessungsinstitut (BRGM) eine CD-Rom „Die größten Rohstoffvorkommen der Welt“.

Hier (Abb. 2) sieht man das Resultat der Neubewertung, die im Rahmen des Programms der Akademie der Wissenschaften über große und übergroße  Rohstoffvorkommen vorgenommen wurde. Man kann darauf die Regionen erkennen, von denen wir glauben, daß es die vielversprechendsten bezüglich der Entdeckung neuer Rohstoffvorkommen sind. Man vergleiche diese Karte mit einer Karte existierender Eisenbahnen entlang des Urals und der neuen Eisenbahn, die nördlich von Jekaterinburg gebaut wird. Diese wird das Industriegebiet des Urals mit dem arktischen Uralgebiet verbinden. Die erwarteten Investitionen in dieses Projekt umfassen 2.4 Mrd. $ für die Eisenbahnstrecke von 1000 km und 3,5 Mrd. $ für die Energieinfrastruktur.

Neue, in Planung befindliche Pipelines in Sibirien und der Ostseeregion sind ebenfalls wichtig, ebenso wie die geplante Landbrücke von Jakutsk zur Beringstraße. Auch wenn wir keine Eisenbahnexperten sind, können wir sehen, daß die Transsibirische Eisenbahn fast 10.000 km lang ist. Sie wurde in einem Zeitraum von 25 Jahren gebaut und 1916 fertiggestellt.

Es gibt aber noch eine andere Schwierigkeit. Sie können sehen, daß die Eisenbahn- oder Infrastrukturkorridore zur Beringstraße hauptsächlich durch Jakutien, die Republik Sacha, verlaufen. Vergleichen wir die Größe der Bevölkerung von Jakutien mit der Bevölkerung der Ihnen bekannten Länder, so bedarf das keines weiteren Kommentars...

In Nordjakutien gibt es das Popigaj-Diamantenvorkommen, das aus dem Einschlag eines großen

Meteoriten stammt. Diese Diamanten werden nicht für Juwelen benutzt, sondern industriell verwendet. Diese Vorkommen sind größer als alle anderen in der Welt. Sie werden nur deshalb nicht erschlossen, weil es dort absolut keine Infrastruktur gibt. Niemand lebt 200 km im Umkreis von diesem Ort.

Das Russische Geologische Vermessungsamt hat die Konturen der Erzvorkommen im Gebiet dieser östlichen Eisenbahn kartographisch umrissen. Sie stellen die sogenannte goldführende Jana-Kolyma-Provinz dar, die von der silberführenden Provinz überlappt wird. Diese sind bezüglich der Größe vergleichbar mit Deutschland.

Da gibt es jedoch ein Problem. Man hat berechnet, daß zur Erschließung dieser Provinzen etwa 300.000 Arbeitskräfte gebraucht werden. In diesem Gebiet leben jedoch vielleicht etwa 10.000 Einwohner. Deshalb sind wir davon überzeugt, daß Infrastruktur- und Entwicklungskorridore der Schlüssel zur Erschließung dieser neuen Rohstoffe sind. Und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Menschen diese Rohstoffe brauchen werden.

Das ist jedoch nicht nur eine technische Angelegenheit, sondern eine Frage gewisser sozialer und politischer Entscheidungen. Ich habe schon darüber gesprochen, wie Sibirien in vergangenen Zeiten bevölkert wurde. Wir kennen natürlich auch ein anderes Beispiel: Stalin beutete recht erfolgreich dieselben Vorkommen in der Kolyma-Region aus, indem er Strafgefangene dorthin schickte. Aber das ist natürlich kein Vorbild für heute. Ein anderes Beispiel: in der sowjetischen Ära versuchte die Regierung, Leute durch die Zahlung höherer Gehälter, etwa verbunden mit der Möglichkeit, ein Auto zu kaufen, anzuwerben. Auf diese Weise wurde die Baikal-Amur-Eisenbahn gebaut. Wie sollten wir heute diese Fragen lösen? Das ist schwer zu beantworten.

Aber von meinen Standpunkt verblassen all die ingenieurtechnischen und wirtschaftlichen Probleme  vor dem Problem, daß wir etwas bauen werden, was, wie Prof. Menschikow sagte,  nicht nur durch eine Wüste führt. Diese Eisenbahn verläuft entlang einem extremen Kältepol. Hier wurden Temperaturen von -87C gemessen.

Ich glaube, daß wir all diese Probleme bewältigen können, aber wir müssen sehr sorgfältig darüber nachdenken. Unsere Schlußfolgerung ist, daß es natürlich auf jeden Fall verwirklicht werden sollte, aber wir müssen uns über einige der Schwierigkeiten bewußt sein, die uns auf dem Weg erwarten. Vielen Dank.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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