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Aus der Neuen Solidarität Nr. 45/2007

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Automatischer Güterverkehr im Untergrund, ein verkehrstechnisches Zukunftsszenario

Von Dr. Dietmar Beckmann

Dr. Dietmar Beckmann arbeitet als Logistik- und Bahnfachmann bei der Fa. Stein und Partner GmbH, die den CargoCap vermarktet. Er vertrat Prof. Dr.-Ing. Dietrich Stein, den Erfinder des CargoCap, der leider aus gesundheitlichen Gründen verhindert war, auf der Konferenz des Schiller-Instituts.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen die Vision eines automatischen Gütertransportes unter der Erde vorstellen.

Beginnen möchte ich aber mit einer historischen Vision. Denn im vorletzten Jahrhundert gab es ein gewaltiges Problem in unseren Städten, das Problem mit dem Abwasser, das aus jedem Haushalt in offenen Gerinnen durch unsere Städte führte, mit gewaltigem Gestank, mit Krankheitserregern. Damals kamen einige Leute auf die Idee, dieses Abwasser unterirdisch abzuführen - damals eine Utopie, woran keiner so richtig glauben konnte. 1843 wurde dieses Projekt dennoch angepackt, und wie man sieht, ist es für uns heute vollkommen selbstverständlich, daß das Abwasser unter der Erde läuft, wo wir es nicht sehen, nicht hören und in der Regel auch nicht riechen: Wenn wir es in unseren Ausguß schütten,  können wir es eigentlich vergessen. Das war vor 150 Jahren überhaupt keine Selbstverständlichkeit, sondern reine Utopie.

Heute haben wir wieder ein gewaltiges Problem in unseren Städten: den Verkehr. Hier ein Zeitungsausschnitt: „NRW - 338 km Stau an einem Tag, der gesamte Verkehr war im Prinzip zusammengebrochen.“ Zwar ist es nicht jeden Tag so schlimm, aber wir erleben es hier - wie in jedem Ballungsraum - sehr häufig, daß es zu Staus und damit zu extremen zeitlichen Verzögerungen kommt. Hinzu kommt eine gewaltige Belastung mit Lärm, Abgasen und, ganz neu, mit Feinstaub. Das Problem wird sich nicht von selbst lösen, sondern es wird allenfalls schlimmer.

Betrachten wir uns die zukünftige Verkehrsentwicklung: bis zum Jahre 2015 ist eine gewaltige Erhöhung des Verkehrs, insbesondere des LKW-Verkehrs zu erwarten. Hinzu kommt der sog. E-commerce, der immer größere Formen annimmt, d.h. Ware wird im Internet bestellt und dann nach Hause geliefert, was gerade in unseren Ballungsräumen eine gewaltige Verkehrszunahme verursachen wird. Die derzeitigen Verkehrsysteme sind nicht mehr in der Lage, diesen Mehrverkehr, der zu erwarten ist, aufzunehmen, das System ist überlastet. Es gibt Flächennutzungskonkurrenzen, es gibt Bürgerinteressen, die sich zu recht gegen neue Autobahnen wehren, und es gibt knappe öffentliche Mittel, weil neue Verkehrswege in unseren Ballungsräumen extrem teuer sind.

Es wurden einige Lösungsansätze entwickelt, um die Verkehrleistung zu verbessern: eine ist die elektronische Deichsel, also die Steuerung des Abstandes zwischen den LKWs, oder die Telematik, d.h. die elektronische Verkehrssteuerung, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, die Probleme werden so nicht durchgreifend verbessert.

Die Anforderungen an ein modernes Verkehrssystem

Wie müßte ein neues Verkehrssystem aussehen? Es müßte technisch und rechtlich realisierbar sein, und zwar relativ schnell, ohne die Bürgerinteressen zu verletzen. Es muß in das bestehende Verkehrsystem integrierbar sein, denn man kann ja nicht von heute auf morgen das Verkehrssystem ändern, sondern es muß eine Kompatibilität hergestellt werden. Es muß rentabel, also wirtschaftlich sein, es muß bezahlbar sein, und es muß auch die Interessen der öffentlichen Hand berücksichtigen.

Unter diesen Prämissen hat sich ein Projektteam der Ruhr Universität Bochum - ein sehr interdisziplinär arbeitendes Team mit Juristen, Technikern, Bauingenieuren, Maschinenbauern, Elektrotechnikern und Wirtschaftswissenschaftlern - daran gemacht, ein neues System zu entwickeln. Dadurch entstand ein neues Konzept, das den Namen CargoCap trägt. Man könnte es auch als die fünfte Transportalternative neben Straße, Wasser, Schiene und Luft bezeichnen.

Im Prinzip handelt es sich dabei um relativ kleine Gütertriebwagen oder Kapseln, die durch unterirdische Röhren fahren - gar keine Tunnel im herkömmlichen Sinne, sondern bessere Rohrleitungen. Die Kapseln werden mit Paletten beladen, also dem standardisierten Gefäß für den Güterverkehr innerhalb der Städte. Dazu braucht man einen Innendurchmesser dieser Röhren von lediglich 1,60 m, also relativ klein, worin man noch nicht einmal aufrecht gehen kann.

Die Kapseln würden in Zugverbänden durch den Untergrund geführt, also im Prinzip wie ein Eisenbahnzug, allerdings nicht mechanisch, sondern elektronisch gekoppelt über eine elektronische Abstandshalterung. Im Film (http://www.cargocap.de) sieht man, wie sich einige Kapseln bei einer Stationseinfahrt aus dem Zugverband herauslösen und einen anderen Weg suchen. Das ist technisch kein Problem, weil sie ja nicht mechanisch gekoppelt sind. Die übrigen Kapseln fahren dann zur nächsten Station weiter. Auf der Station hier werden die Paletten mit Gabelstaplern oder ähnlichen Systemen automatisch entladen und an die Verteilerebene oder an die Oberfläche weitergeleitet. An der Oberfläche merkt man von all dem gar nichts. Auf diese Weise ließe sich das CargoCap-System über Röhrenleitungen in das bestehende System eingliedern.

Speziell untersucht haben wir das Ruhrgebiet, einen der größten Ballungsräume der Welt, und zwar eine Trasse mit 80 km Länge von Dortmund im Osten bis an den Rhein in Duisburg mit einigen Stationen in den Innenstädten, d.h. Einkaufszentren, Verteillager von Unternehmen wie UPS, DHL usw., die miteinander verbunden werden und solch ein System wirtschaftlich machen.

Zu den Baukosten: Eine Doppelröhre, also eine zweigleisige Strecke, kostet etwa 3 Mio. Euro pro Kilometer. Im Vergleich dazu kostet ein Autobahn-Kilometer an der Oberfläche 13-15 Mio. Euro, bei einem Tunnel sind wir schon beim Zwanzigfachen dieses Preises. Noch ein Vergleich: eine Hochgeschwindigkeitsstrecke der Bahn kostet 15-18 Mio. Euro pro Kilometer.

Solch ein System ließe sich mit Verfahren bauen, die bereits im Kanalbau, zum Bau von Kanalisierungen, sehr verbreitet Einsatz finden. Alles spielt sich unterirdisch ab, d.h. man braucht nur einen Startschacht und einen Zielschacht, die durchaus mehr als einen Kilometer weit auseinander liegen können. Die Rohre werden nach unten gehievt und durch den Boden gepreßt. Vorne arbeitet eine Maschine, die sich sozusagen durch den Boden frißt und einen Hohlraum herstellt, in den dann die Rohre hineingeschoben werden. Bei langen Strecken kann man nicht nur von einer Stelle aus schieben, sondern man setzt sog. Zwischendehner ein, die den Rohrstrang stückchenweise weitertreiben - ganz so, wie sich ein Regenwurm fortbewegt.

Dieses Verfahren ist, wie gesagt, keine Utopie, es wird heute bereits verbreitet angewendet; zig Kilometer Rohre wurden alleine in Deutschland bereits so verlegt, und das sehr umweltschonend. Alle tausend Meter gibt es einen Schacht, wo die Rohre eingebracht werden müssen.

Im Moment wird im Ruhrgebiet mit genau diesem Verfahren ein großer Abwasserkanal gebaut: 50 km lang quer durchs Ruhrgebiet, und mit Dimensionen zwischen 1400 und 2800 mm gleich groß oder noch größer als unser CargoCap-Rohr.

Zur Wirtschaftlichkeit dieses Systems folgendes. Das trassenrelevante Güteraufkommen im Ruhrgebiet beläuft sich auf etwa 10 Mio. Tonnen im Jahr. Um das System unter Einbeziehung aller Investitionen, die wir tätigen, wirtschaftlich zu betreiben, wären gerade einmal 350.000 Tonnen im Jahr nötig, also ein winziger Anteil dieser trassenrelevanten Güter. Bei einer Doppelspurstrecke ist die Kapazität um ein Vielfaches größer, als es für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderlich ist. Das heißt, sobald wir über den genannten Wert hinauskommen, ist das System unter Einbeziehung aller Kosten, die auch in der Investitionsphase entstehen, wirtschaftlich.

Wir haben neben der Ruhrgebietstrasse auch eine Trasse im Kölner Raum am Rhein betrachtet, sowie vor allem auch die Verbindung beider Trassen - Stichwort Netzwirkung. So kann man die Investitionen für die Ruhrtrasse, für die Rheintrasse und für die Verbindung zwischen beiden dem Kapitalbarwert gegenüberstellen, also dem Nutzen, der daraus entsteht. Daraus ergibt sich, daß die Verbindung beiden Trassen einen gewaltigen Nutzen erzeugen und die Baukosten verhältnismäßig sehr gering sind. Das ist genauso wie bei den Anfängen der Eisenbahn. Die Eisenbahn als Insellösung war relativ unwirtschaftlich, aber in der Verbindung zu einem Netz wurde das ganze zu einem wichtigen Verkehrssystem, das auch entsprechend wirtschaftlich arbeiten kann.

Wir haben auch eine rechtliche Beurteilung durchgeführt. Kann man einfach eine Rohrleitung quer durchs Ruhrgebiet bauen? Man kann es, und rechtlich gesehen sogar ziemlich problemlos. Man braucht dazu keinen Planfeststellungsbeschluß und im Prinzip auch keine Baugenehmigung, denn man kann das System rechtlich als Versorgungsleitung - als Wasserleitung oder ähnliches - deklarieren. Auch die Unterfahrung von privaten Grundstücken läßt sich vermeiden, denn der Eigentümer hat ja auch ein Recht auf seinen Untergrund. Aber durch die relativ kleinen Rohre und die Flexibilität in der Trassenführung gibt es die Möglichkeit, sich stets unter öffentlichen Straßen zu bewegen, so daß auch von dort keine Probleme bestehen.

Der weitere Vorteil ist, daß man keine naturschutzrechtlichen oder sonstigen umweltrechtlichen Bedenken berücksichtigen muß. Es ist ein elektrisch betriebenes Fahrzeug, es macht keinen Lärm, es fährt im Untergrund, man hört es nicht, man riecht es nicht, und es ist - wie heute unser Abwasser - im Prinzip vollkommen unsichtbar.

Hier noch einmal zusammengefaßt die Vorteile von CargoCap: Das System hat eine sehr hohe Leistungsfähigkeit, es ist flexibel und vor allen Dingen zeitgenau - das ist ein wichtiges Thema. Eine Belieferung „just in time“ ließe sich minutengenau garantieren. Es gibt keine Beeinflussung von außen, keine Witterungsstörungen, die anderen Verkehrsträgern zu schaffen machen. Wir können immer nach Fahrplan fahren, möglicherweise auch nach einem ganz kurzfristigen Fahrplan, so daß man dem Kunden auf die Minute genau sagen kann, wann seine Ware am Ziel ankommt, und man kann sich auch nach seinen Vorgaben entsprechend einrichten. Das System ist sofort umsetzbar, es ist erweiterbar, umweltgerecht und flächensparend, weil es nur an den Stationen Schnittstellen zur Oberfläche gibt.

In einer Halle, die von der AEG für einige Jahre gestiftet wurde, haben wir bereits eine Modellstrecke im Maßstab 1:2 in einem großen Oval aufgebaut, also schon recht groß. Es werden jetzt noch Weichen folgen, um das Einschleusen und Ausschleusen von Kapseln während der Fahrt zu demonstrieren. Letztlich sollen die Kapseln auf der Hauptstrecke immer mit gleicher Geschwindigkeit fahren, recht langsam, etwa 40 km/h, aber das ist viel schneller, als jeder LKW im Ballungsraum schafft.

Gegner? Wir dachten zunächst, aus dem Bereich der Logistik käme Widerstand, aber das sieht ganz anders aus. Denn die Unternehmer sagten uns, daß der Transport in den Ballungsräumen sehr unwirtschaftlich, weil eben nicht kalkulierbar sei. Der Leiter des Logistikzentrums von Quelle mitten in Bochum, also mitten im Ballungsgebiet, hat das Problem, daß er nicht weiß, wie lange sein LKWs etwa bis Dortmund brauchen. Das kann in 20 Minuten erledigt sein, das kann aber auch 2 oder 3 Stunden brauchen. Darum wäre es für ihn ein sehr großer Vorteil, wenn er seinen Kunden auf die Stunde genau sagen könnte, wann die Lieferung eines Kühlschranks o.ä. zu erwarten ist. Das wäre für ihn ein gewaltiger Wettbewerbsvorteil; das ist es, was der Kunde möchte.

Die Bahn ist auch kein Konkurrent, denn Herr Mehdorn hat selbst erklärt, daß er den Transport von Gütern unter 150 km Entfernung kampflos den Wettbewerbern, also den LKW-Spediteuren, überlassen möchte. Das ist genau die Entfernung, wo unser System in der Feinverteilung seine Stärken zu zeigen beginnt. Es wäre also eine ideale Ergänzung zur konventionellen Eisenbahn.

Das Transportwesen der Zukunft

Versuchen wir uns vorstellen, wie ein Ballungsraum in Zukunft logistisch aussehen wird. Tendenzen hierfür sind schon vorhanden, d.h. es gibt an der Peripherie Güterverteilzentren (GVZ) - die Bahn nennt sie heute Railports, wenn sie mit der Bahn beliefert werden. Diese GVZ werden von außen mit der Bahn bzw. mit dem Fern-LKW beliefert, einige Züge fahren auch direkt zu bestimmten Großkunden in den Ballungsräumen, genauso Fern-LKW. Doch die Feinverteilung geschieht heute meist über den Güterregionalverkehr, und da gibt es im Moment kaum eine Alternative zum LKW.

Genau hier wäre der Bereich, den CargoCap heute übernehmen könnte - dort, wo die Ware vom Container auf die Palette umgebrochen wird. Dort könnte CargoCap als Schnittstelle mit der Außenwelt verbunden werden.

Wir haben uns auch Gedanken darüber gemacht, wie es außerhalb der Ballungsräume mit dem Güterfernverkehr, d.h. der Belieferung der GVZ aussieht. Ein Forschungsvorhaben hat sich speziell mit der Verbindung der deutschen Seehäfen mit dem Ruhrgebiet befaßt. Ein mit Containern beladenes Schiff landet gewaltige Mengen an Waren an, und diese Waren müssen weiterbefördert werden. Das ist die Aufgabe des sogenannten Seeland-Hinterland-Verkehrs, der immer größere Ausmaße annimmt. Inzwischen ist es billiger, einen Container von Thailand nach Hamburg zu befördern, als von Hamburg weiter nach Bremen.

Für diese Art des Verkehrs braucht man natürlich andere Fahrzeuge, hierfür reicht ein Rohrleitungsdurchmesser von 1,6 m nicht. Hier müssen entsprechende Gütertriebwagen verwendet werden, die mit Containern oder über ein Zwischenmodul mit LKW-Aufliegern beladbar sind. Wichtig ist, daß auch diese Einheiten selbstfahrend sind und individuell ihre Ziele ansteuern können. Diese Fahrzeuge wären kein Eisenbahnzug, sondern ein automatisches Tunnelsystem, d.h. Personen können nicht gefährdet werden, z.B. bei einem Brand.

Dadurch läßt sich der Tunnelquerschnitt relativ klein halten, wesentlich kleiner als ein Eisenbahntunnel, weil Fluchtwege etc. gar nicht notwendig sind. Bei einer Flachlandstrecke, die meistens oberflächennah verläuft, muß auch der Querschnitt des Tunnels nicht unbedingt kreisrund sein, wie es aus statischen Gründen bei der Untertunnelung von Gewässern oder Gebirgen sinnvoll ist. Man kann den Querschnitt optimieren und entsprechend kleiner ausbilden. Es gibt es auch schon Tunnelbaumaschinen, die nicht nur kreisrunde Querschnitte auffahren, sondern auch rechteckige.

Zum Trassenverlauf: In Deutschland zumindest hat man die Möglichkeit, stillgelegte Bahntrassen zu nutzen, denn Bahntrassen dürfen nicht umgewidmet werden. Sie sind zwar zugewuchert, teilweise kaum noch sichtbar, aber für einen solchen Zweck durchaus wieder aktivierbar. Man würde solch ein System auf den bestehenden Trassen entweder eingehaust oder unterirdisch bauen.

Man könnte sich ein solches System auch sehr gut für Europa und Eurasien vorstellen, denn das Thema hier ist ja der Behringstraßen-Tunnel.

Diese Vision wollte ich Ihnen vorstellen, und danke für ihr Interesse.

 

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