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Aus der Neuen Solidarität Nr. 21/2008

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Deutschland braucht die Ideen Schillers, um zukunftsfähig zu werden!

Vor mehr als 200 Jahren entwickelte Friedrich Schiller die Begriffe der politischen Freiheit und Souveränität in seinen Dramen und theoretischen Schriften erstaunlich weitsichtig und klar. Für ihn war die politische Freiheit nicht nur eine Frage der Staatsverfassung, sondern vor allem etwas, das sich aus dem Innern der Menschen, aus seiner Seele, heraus entwickelt. Darum ging es beim Schillerfest der LaRouche-Jugendbewegung am 9. Mai in Essen. Wir dokumentieren hier Helga Zepp-LaRouches Festrede.

Ich grüße Sie, liebe Mitglieder des Schiller-Institutes, und der Büso, liebe Gäste,

wir haben uns entschlossen, dieses Jahr, am 203. Todestag von Friedrich Schiller, dieses Schillerfest zu feiern, nicht weil es nicht nächstes Jahr auch einen wichtigen Anlaß zu feiern gäbe; dann ist nämlich der 250. Geburtstag von Friedrich Schiller. Aber wir haben uns gedacht, auch wenn wir dieses Jahr keinen runden Jahrestag haben: Deutschland braucht in diesen Tagen Schiller ganz dringend.

Schiller ist ja weltweit als Dichter der Freiheit bekannt, und er hat uns ein Werk hinterlassen, das vielleicht mehr als alles andere die Hoffnung in sich trägt, daß die Deutschen wieder zukunftsfähig werden. Um diese Zukunftsfähigkeit der Deutschen ist es im Augenblick sehr schlecht bestellt. Wenn man die Menschen draußen auf der Straße fragt, ob sie es für nötig oder wichtig halten, politische Veränderungen durchzusetzen, dann sagen sie sehr häufig: „Ach, man kann ja doch nichts machen“. Das ist sicherlich ein Satz, den wir mit Sicherheit, wenn wir mal die politische Macht erlangen, verbieten und unter Gefängnisstrafe stellen werden. Jeder, der ihn sagt, muß für 10 Jahre ins Zuchthaus bei Brot und Wasser. Das sollte so abschreckend sein, daß Leute das nie wieder sagen.

Als ich vor genau 25 Jahren, nämlich 1983, die Idee des Schiller Instituts hatte, das ist immerhin schon ein Vierteljahrhundert her, da war die Hauptüberlegung, daß die Ideen Friedrich Schillers für die politische Welt - sowohl für Deutschland, als auch für die internationalen Beziehungen - dringend nötig wären. Denn als ich sein Menschenbild kennenlernte, seinen unglaublichen Optimismus über die unbegrenzte Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen, seine wunderbare Idee, daß jeder Mensch eine schöne Seele sein kann, daß jeder Mensch erhaben sein kann, war ich tief berührt. Ich dachte mir, es sei nötig, ein Institut für internationale Beziehungen zu gründen, nämlich das Schiller-Institut, damit diese Ideen in die Politik einfließen könnten.

In den ästhetischen Briefen, genauer gesagt im zweiten Brief, sagt Schiller: „Das größte Kunstwerk ist der Bau der politischen Freiheit.“ Und das gesamte Werk Schillers ist ja nicht akademisch, es war auch nicht zur Unterhaltung geschrieben. Sein ganzes Schaffen, seine Gedichte, seine wunderbaren historischen Dramen, seine ästhetischen Schriften, seine historischen Schriften waren alle darauf angelegt, die Menschen zu sich selbst finden zu lassen und innerlicher zu machen. Der Bau der politischen Freiheit ist nicht nur eine äußere Sache, sondern die Freiheit  muß im Innern des Menschen entstehen. Das war für Schiller eine Schlüsselfrage: Wie kann der Mensch innerlich frei werden?

Schiller hat dieses Ideal der schönen Seele aufgestellt. Nun muß ich ihnen erzählen, wir hatten an meiner Schule eine wunderbare Deutschlehrerin, die uns das zu vermitteln versuchte. Ich habe zwar damals nicht genau verstanden, was damit gemeint ist, aber ich fand es eine großartige Idee, daß der Mensch danach streben soll, eine schöne Seele zu haben. In meiner Klasse gab es diese dumme Gans, die saß eine Reihe vor mir. Sie machte sich über diese Idee lustig, nach dem Motto: „ha, ha, ha, eine schöne Seele, was soll das denn“ - ich habe mich so darüber geärgert, daß ich sie verprügelt habe. Das war vielleicht noch nicht unbedingt die Tat einer schönen Seele; aber ich wußte, es war mir ein Gedanke, der mir sehr kostbar und teuer war, und für den ich auch zu kämpfen bereit war.

Und irgendwie blieb diese Idee der rote Faden in meinen Leben. Viele Jahre später, als ich unter schwierigen Umständen in Amerika war und ich wirklich ein Jahr lang Zeit hatte, viel zu lesen, habe ich mir das Gesamtwerk von Schiller vorgenommen. Ich wußte, daß ich das irgendwann einmal tun müßte, um da anzuknüpfen, wo man in der Schule aufgehört hatte. Ich habe dann festgestellt: Es gibt kaum einen Denker und Dichter, der so starke Visionen entwickelt hat und der so klare Begriffe hatte von Souveränität, Freiheit und Schönheit, wie eben Schiller. Und ich möchte sie alle ermutigen, daß sie den heutigen Abend als Anreiz nehmen, nach Hause zu gehen, den Bücherschrank zu öffnen, das Gesamt werk von Schiller herauszunehmen, oder Online zu gehen, das Gutenberg-Projekt ist ja auch nützlich, falls sie den Schiller nicht mehr vorrätig haben.

Also was ist diese schöne Seele von Schiller? Schiller definiert das an verschiedenen Stellen, besonders in den ästhetischen Briefen, aber auch in den Kallias-Briefen. Die schöne Seele ist eine Person, die nicht deswegen schön ist, weil sie etwas Gutes tut, sondern weil sie existiert, weil sie eine Person ist, die das Paradox von Freiheit  und Notwendigkeit für sich gelöst hat. Eine solche Person erfüllt ihre Pflicht mit Leidenschaft.

Nun kennen sie sicherlich alle Menschen, die Pflichtgefühl haben, pflichtbewußt ihre Pflicht tun, meistens mit saurem Gesicht. Kurz: sie sind kantianisch, typisch deutsch. Schiller hatte um dieses Problem herum eine ganz wichtige Auseinandersetzung mit Kant. Der hatte ja in den 1790er Jahren seine berühmten Kritiken geschrieben, u.a. seine „Kritik der Urteilskraft“. Als Schiller diese Schrift gelesen hat, hat er sich furchtbar geärgert. Er hat gesagt: Wie kann jemand  die Freiheit so mißhandeln? Kant hat doch nur für Knechte geschrieben, aber nicht für uns schöne Seelen.

Worauf er sich bezog, war der kategorische Imperativ von Kant, der sinngemäß etwa lautet: Man soll nie etwas tun, was nicht der allgemeine Maßstab für alle anderen sein kann, und von dem man nicht will, daß es einem selber zugefügt wird. Und dann hat Schiller geschrieben: Wenn ich zugucke, wie jemand, nur um moralisch zu sein, seine Gefühle unterdrückt, und die Freiheit ganz und gar auf der Strecke bleibt, dann kann das jemanden wie mich, der die Freiheit so liebt, nicht befriedigen. Es muß ein anderer Begriff von Freiheit existieren; und das ist die Leidenschaft. Es ist die Fähigkeit, die Pflicht mit Leidenschaft und Freude anzunehmen und dadurch frei zu werden.

Und das führt natürlich zu dem anderen Begriff von Schiller, die Idee des Erhabenen. Der Mensch ist, solange er nur ein physisches Individuum ist, natürlich von allen möglichen Gefahren bedroht. Er kann und wird sterben, er kann krank werden, er kann alle möglichen Probleme haben. Er empfindet dann meistens Angst, die ihn unfrei macht. Ist das nicht das Problem unserer Zeitgenossen, die Angst? Sie haben keinen Mut, das zu tun was richtig ist, weil sie verängstigt sind. Schiller entwickelt mit diesem Begriff des Erhabenen die Idee, daß dann, wenn der Mensch seine Identität an höhere Ideale knüpft, die unsterblich sind, daß er dann zwar nicht physisch sicher wird, aber moralisch frei.

Das ist ein ganz wichtiger Gedanke. Denn ist nicht heute die Freiheit in Europa und in Deutschland in allerhöchster Gefahr? Und das Schlimmste ist: Die meistern Menschen wissen das nicht mal, oder sie kümmern sich nicht darum.

Ich will vielleicht nur auf einen wichtigen Umstand hinweisen. Letzte Woche hat der Bundestag den sogenannten Lissaboner Vertrag ratifiziert. Und dieser Vertrag ist die Aufgabe der Freiheit, die Abschaffung des Grundgesetzes, ein Staatsstreich von oben, der Europa einer Diktatur unterwerfen würde, wenn er wirklich voll und ganz ratifiziert würde. Er würde die parlamentarische Demokratie abschaffen. Er würde die gesamte Souveränität aufheben, die vom Volk ausgeht, wie es Artikel 20, Absatz 2 im Grundgesetz sagt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ In dem Augenblick, da der Lissaboner Vertrag vollkommen in Kraft träte, würde der Wähler zwar noch seinen Abgeordneten wählen können. Aber dieser Abgeordnete hätte diese Souveränität längst an die europäische Kommission und den Europarat abgegeben.

Sie werden gleich eine Szene hören aus Wilhelm Tell, die wunderbare Szene zwischen Stauffacher und seiner Frau Gertrud. Dort sagt Gertrud diesen wichtigen Satz: „...denn über dir erkennst du keinen Herrn als nur den Höchsten der Christenheit.“  Das heißt, Schiller hatte 1804/05, als er den Wilhelm Tell schrieb, diesen Begriff der Souveränität schon als Idee entwickelt, und in seinem Stück verarbeitet. Lange, bevor es politische Souveränität gab. Sie wurde, vielleicht auch nur halbwegs, erst viel später - 1870, mit der deutschen Einheit - errungen. Aber damit wird auch deutlich: Die großen Dichter wie Schiller sind diejenigen, die die Ideen prägen, von denen die Politik lebt.

Diese Idee der Souveränität ist eben heute in größter Gefahr. Z.B. die Landwirte: Sie bekamen erst etwa um 1850 ihre Freiheit und Souveränität. Heute sollen sie wieder in feudale Abhängigkeit von den großen Kartellen zurückgestoßen werden. Das heißt, eigentlich haben wir gerade mal 150 Jahre einen kleinen Vorgeschmack auf politische Freiheit erhalten.

Und jetzt laufen wir Gefahr, daß Europa ein Empire wird. Es soll militärisch aufgerüstet werden  für Auslandseinsätze zur Krisenprävention überall auf der Welt. In 40 Nationen gibt es Hungeraufstände und natürlich kommt dann schnell die Idee auf, daß man da militärisch eingreifen müsse. Oder jetzt in Myanmar , wo die amerikanische Flotte schon vor der Küste aufmarschiert ist, um einzugreifen. Das wäre eine ganz furchtbare Entwicklung.

Aber da wir mit Schiller und Leibniz Optimisten sind, sind wir überzeugt, daß eine Krise auch eine große Chance bedeutet. Wir glauben daran, daß diese Gefahr der Diktatur noch abgewendet werden kann. Denn Widerstand regt sich auf vielen Ebenen. Es gibt Anzeichen dafür, daß der EU-Vertrag vielleicht scheitert. Vielleicht wird Irland in einem Referendum mit Nein stimmen. Überall stehen Parlamentarier auf, die nicht mit dem Zeitgeist gehen. Gerade heute hat der dänische ehemalige Europaparlamentarier, Herr Bonde, von dem wir vor kurzem in der Zeitung ein Interview hatten, Frau Merkel beschuldigt, daß sie das dänische Parlament erpreßt hätte, kein Referendum zu machen. Und er sagt, Frau Merkel hat diesen Vertrag wahrscheinlich gar nicht gelesen. Weil niemand ihn verstehen kann, und deshalb auch Frau Merkel nicht.

Also es gibt ganz interessante Entwicklungen. Auch die Hunger-Revolten, die schon in 40 Nationen stattgefunden haben, führen dazu, daß sich jetzt mehr und mehr Stimmen erheben, die von Völkermord reden. Manche sprechen davon, die Produktion von Treibstoff aus Nahrungsmitteln sei ein Verbrechen gegen die Menschheit.

Ich glaube, dies alles sind Gründe, warum wir uns heute mit Schiller beschäftigen sollten. Deutschland wird nur dann in einer neuen gerechten Weltwirtschaftsordnung zukunftsfähig, wenn wir uns wieder auf unser klassisches Erbe besinnen. Wir sollten uns auf die besten Traditionen unserer Geistesgeschichte besinnen und sie lebendig machen. Dann können vor allem junge Menschen sich dieser globalisierten Kultur von Cyberspace und Disco und Massen-Punk-Konzerten, die sie in dionysische, wabernde Massen verwandeln, entziehen und statt dessen ihre Individualität in den großen Ideen unserer klassischen Dichter und Denker finden.

Wenn Sie jetzt diese Präsentationen hören, die nicht den Anspruch erheben, schon perfekte Meisterwerke zu sein, sondern eher ein Blick in die Werkstatt der Jugendbewegung sind, also  „works in progress“,  achten sie nicht auf die Unvollkommenheiten! Sondern lassen Sie sich begeistern davon, junge Menschen um wahre Ideen kämpfen zu sehen. Versuchen Sie einfach, der Sache zu folgen, und haben Sie viel Vergnügen!

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Schillers Kriegserklärung an das „Ich kann ja doch nichts machen“!
- Neue Solidarität Nr. 21/2008
Nun kommt die Schillerzeit! Feier zu Schillers 248. Geburtstag in Frankfurt
- Neue Solidarität Nr. 47/2007
Schiller lebt!
- Internetseite des Schiller-Instituts

 

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