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Aus der Neuen Solidarität Nr. 21/2008

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Profit für die Spekulanten - oder Nahrung für die Menschen?

Von Helga Zepp-LaRouche

Die weltweite Mobilisierung für eine schnellstmögliche Verdopplung der Nahrungsmittelproduktion ist im vollen Gang. Eine Verschiebung der Macht hat begonnen.

In einer weltweiten Mobilisierung, bei der es buchstäblich um Leben und Tod geht, treffen immer mehr Regierungen Maßnahmen, um dringend die landwirtschaftliche Produktion in ihren Ländern zu erhöhen, um so schnell wie möglich wieder zu der jahrelang von den Vertretern des Freihandels verpönten Nahrungsmittelsicherheit zurückzukehren. Wenn es für Hunderte von Millionen oder sogar bis zu zwei Milliarden Menschen um die nackte Existenz geht, wenn Aufstände, Hungerkriege und Revolutionen drohen, dann bleibt den Regierungen, die im Amt bleiben wollen, gar nichts anderes übrig, als sich um das Gemeinwohl zu kümmern.

Auf der anderen Seite hindert der immer offensichtlicher werdende Bankrott des Systems der Globalisierung und der ungezügelten freien Marktwirtschaft dessen Propagandisten allerdings nicht daran, dem Patienten Weltwirtschaft mehr von ihrer giftigen Medizin anzupreisen. So versuchen derzeit der WTO-Chef Pascal Lamy und der Brite Peter Mandelson, der für die Verhandlungen mit der WTO zuständige EU-Handelskommissar, die sogenannte Doha-Runde noch bis Ende Mai oder Anfang Juni zu einem Abschluß zu bringen. Dabei wollen sie auch noch die allerletzten Reste der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) eliminieren, was nach Einschätzung von Agrarexperten noch einmal dramatische Einbußen für die europäischen Landwirte von bis zu 20 Prozent bedeuten würde.

Nutznießer dieser angesichts des Welthungers verabscheuungswürdigen Politik wären die großen Nahrungsmittelkartelle sowie Hedgefonds und andere Spekulanten, die an einer Verknappung der Produktion Interesse haben und die sich nach dem Zusammenbruch der Blasen des New Economy-Markts und des US-Hypothekenmarktes nun auf die Spekulation mit Lebensmittel geworfen haben bzw. meinen, im Biospritmarkt eine neue Quelle der Profitmaximierung gefunden zu haben.

Dahinter stehen aber vor allem die britische Oligarchie und ihre Kodenker weltweit, die die Macht von supranationalen Bürokratien wie WTO, IWF, Weltbank, EU etc. ausbauen wollen, um die Welt als Empire zu regieren. Leidtragende sind Milliarden von Menschen in den Entwicklungsländern, die von Hungerskatastrophen bedroht sind, die Landwirte in Europa, denen immer weiter die Existenzgrundlage entzogen wird, und wir alle, die Konsumenten, die immer mehr für unser Essen bezahlen müssen.

Auch Crawford Falconer, der WTO-Unterhändler für Landwirtschaft in Genf, wird in dieser Woche ein neues Papier vorlegen, in dem Landwirtschaftsgüter und alle anderen als ein Komplex behandelt werden sollen (also Nahrungsmittel ebenso Spekulationsobjekte sein sollen wie alles andere). Ziel dieser neoliberalen Freihändler ist es, das Abkommen über die Doha-Runde bis Ende Mai durchzupauken, damit die Regierungen es noch innerhalb der nächsten sechs Monate absegnen können, also solange die Bush-Administration noch im Amt ist.

Widerstand auf fünf Kontinenten

Glücklicherweise regt sich Widerstand in Frankreich, Deutschland und Italien. Der französische Landwirtschaftsminister Michel Barnier hat seinerseits ein Papier veröffentlicht, in dem er nicht nur die GAP für Europa verteidigt, sondern als Modell für Afrika, Lateinamerika und andere Regionen vorschlägt. Darin geißelt er auch die Praxis des WTO, arme Entwicklungsländer zu zwingen, landwirtschaftliche Produktion für den eignen Unterhalt zugunsten von sogenannten „Cash Crops“, d.h. Ernten für den Export aufzugeben, damit die durch die von IWF-Konditionalitäten verursachten Schulden bezahlt werden können. Statt dessen fordert Barnier eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung überall auf der Welt, und nicht nur dort, wo es profitabel ist. Seehofer und der italienische Landwirtschaftsminister unterstützen ihn. Aller Voraussicht nach wird es zu einer Konfrontation zwischen diesen dreien auf der einen Seite und der britischen Position sowie der EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer-Boels kommen, und es wird erneut deutlich werden, daß die EU-Politik in einem diametralen Gegensatz zu den Interessen der Nationen in Europa steht.

Gleichzeitig trifft die internationale Mobilisierung des Schiller-Instituts und der LaRouche-Jugendbewegung auf fünf Kontinenten für die Verdopplung der Nahrungsmittelproduktion mit den Anstrengungen vieler Staaten zusammen, die eigene Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen, die Produktion zu steigern und sich aus dem tödlichen Korsett des WTO-Regimes zu befreien. Ziel dieser Mobilisierung ist es, die dringende Notwendigkeit der Verdopplung der Produktion auf die Tagesordnung der vom 3.-6. Juni in Rom stattfindenden FAO-Konferenz zu setzen.

Um nur einige Beispiele von vielen Dutzenden zu erwähnen: In Argentinien organisierte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses des Parlaments, Alberto Cantero Gutierrez, eine Anhörung, in der er für eine Verdopplung der nationalen Produktion und die Schaffung einer staatlichen Kontrolle der Vermarktung eintrat, und unterstützte in einem Exklusivinterview die Forderung des Schiller-Instituts, die Verdopplung der Produktion weltweit auf die Tagesordnung der FAO-Konferenz zu setzen. In den USA erhielt Hillary Clinton auf einer Wahlkampfveranstaltung in Süd-Dakota begeisterten Beifall, als sie einem Vertreter der LaRouche-Initiative „Nahrungsmittel für den Frieden” auf dessen Frage antwortete, daß natürlich die Nahrungsmittelproduktion massiv gesteigert werden müsse und daß amerikanische Farmer helfen könnten, den Hunger zu besiegen und Ländern wie z.B. Haiti helfen könnten, Selbstversorger zu werden.

Angesichts des enormen Ausmaßes der Welthungerkrise, die durch Naturkatastrophen wie die in Myanmar und China noch verstärkt wird, finden immer mehr Menschen den Mut, die wahren Schuldigen beim Namen zu nennen. In einer Anhörung des Finanzausschusses im amerikanischen Kongreß sprachen sich Experten für eine neue Revolution in der Landwirtschaft aus und betonten die Notwendigkeit, IWF und Weltbank daran zu hindern, den Entwicklungsländern „Konditionalitäten” aufzuzwingen, für deren zerstörerische Konsequenzen diese Institutionen sich niemals verantworten mußten. Mehrere Experten, darunter Dr. Raj Patel von der Universität Berkeley, unterstützten die Analyse des UN-Sonderrapporteurs de Schutter, daß die Welt nun für 20 Jahre Fehler bezahlen müsse und daß die Weltbank und der IWF die Hauptschuld trügen. Dr. Patel attackierte auch den ehemaligen US-Landwirtschaftsminister John Block, der in einer berüchtigten Rede bei einem GATT-Treffen 1986 die Idee, daß sich Entwicklungsländer selbst versorgen können sollen, als Anachronismus bezeichnet hatte. Auch wenn dies bisher nur Worte sind und der Kongreß noch keine effektiven Gesetze erlassen hat, so ist doch eine Diskussion um die Gründe für die Katastrophe nützlich.

Aber auch Wege zur Lösung werden mehr und mehr diskutiert. Auf einem Seminar des International Development Research Center in Ottowa betonten mehrere Redner, darunter Robert Zeigler, Generaldirektor des International Rice Research Centers (IRRI), daß es kein Problem sei, die Welt mit ausreichend erschwinglichen Nahrungsmitteln zu versorgen - alles was dazu nötig wäre, sei, die Landwirte mit den existierenden Technologien und Verfahren auszurüsten. Eine Prognose des International Food Policy Research Institute betont, daß die Preise für Mais sofort um 20%, für Maniok um 14% und für Weizen um 11% fallen würden, wenn der Schwindel mit der subventionierten Produktion von Biotreibstoff beendet werde.

Auf einer Pressekonferenz in Lima anläßlich des Gipfels zwischen der EU und Lateinamerika behauptete EU-Kommissar Mandelson auf die Frage einer Repräsentantin des Schiller-Instituts allerdings, einen solchen Zusammenhang zwischen Nahrungsmittelpreisen und Biotreibstoff gäbe es nicht!? Man sollte doch einmal nachschauen, um wieviel die Nasenlänge von Herrn Mandelson zugenommen hat. Tatsache ist jedenfalls, daß ein Mensch ein halbes Jahr von den Nahrungsmitteln leben könnte, die für eine einzige Tankfüllung aus Biotreibstoff für einen Mittelklassewagen benötigt werden! Und die Misanthropen, die ihre Tanks mit Biosprit abfüllen, um ihr Ökogewissen zu beruhigen, können sich ja ausrechnen, wie vielen Menschen sie so pro Jahr die Lebensgrundlage vernichten.

Unterdessen toleriert das Nahrungsmittelprogramm der UN immer noch Triage bei den 82 „Low Income Food Deficit Nations“ (LIFDN), also den einkommensschwachen und nahrungsmittelimportabhängigen Ländern - ein Programm, bei dem einigen geholfen wird, und anderen eben nicht, und arme Nationen einfach keine Chancen haben, weil sie die höheren Preise nicht aufbringen können. Dagegen setzen einige Nationen an der Wurzel an.

So hat Präsident Wade in Senegal ein Programm in Gang gesetzt, das nicht nur den Gesamtverbrauch an Getreide, Reis, Maniok, Milch, Fleisch etc. decken, sondern auch die Kornkammern füllen soll. Malawis Präsident Bingu Wa Mutharika hat sich ebenfalls über die „Gesetze der freien Markwirtschaft” hinweggesetzt und durch die Vergabe von Coupons für Samen sowie Fördermittel für Dünger eine 283-prozentige Steigerung der Getreideproduktion erreichen können. In den Philippinen, die früher in Bezug auf Reis Selbstversorger waren und dann unter dem Regime von IWF und WTO zu einem der größten Reisimporteure wurden, ist man jetzt dabei, die Produktion massiv anzukurbeln. Ebenso ist Malaysia entschlossen, bezüglich der Nahrungsmittel wieder Selbstversorger zu werden. In vielen anderen Ländern ist man dabei, die Konsequenz aus dem Scheitern des neoliberalen Freihandels zu ziehen.

Eine weitere Bestätigung für die Inkompetenz der Freihändler lieferte jetzt Yves Mersch, Gouverneur der Zentralbank von Luxemburg und Mitglied des Rats der EZB, der jetzt die Sorge über den raschen Wertverfall von strukturierten Wertpapieren ausdrückte, die die EZB von diversen spanischen, holländischen und britischen Banken als Sicherheit für Kredite akzeptiert hatte. Der Skandal besteht darin, daß von vornherein klar war, daß es sich bei diesen angeblichen Sicherheiten um eigentlich unverkäuflichen „Giftmüll“ gehandelt hat, und man sogar Nicht-Banken wie Lehmann Brothers und Macquarie Leasing, eine auf Autos spezialisierte australische Leasingfirma, versorgt hat. Ob diese Praktiken mit dem Statut der EZB vereinbar sind, dürfte mit einem Fragezeichen versehen werden.

Eines ist jedenfalls gewiß: Die Mehrheit der Menschheit ist nicht bereit, mit dem inzwischen selbst von Bundespräsident Köhler zugegebenen Kollaps des Finanzsystems der Globalisierung unterzugehen. Die Stimmen für die Verdopplung der globalen Nahrungsmittelproduktion werden in den nächsten Wochen zu einem unüberhörbaren Crescendo anschwellen.

Außerdem haben jetzt die Außenminister Rußlands, Chinas und Indiens auf ihrem Treffen in Jekaterinburg eine enge Zusammenarbeit auf internationaler und regionaler Ebene beschlossen. Ein Aspekt dabei ist die Forderung, Indien umgehend in den UN-Sicherheitsrat aufzunehmen, ein anderer ist, daß Indien die Unabhängigkeit des Kosovo nicht unterstützen wird. Die Vertiefung der strategischen Partnerschaft dieser drei wichtigen Nationen, um die es auch bei dem anstehenden Besuch von Präsident Medwedew in Indien gehen wird, ist nicht nur die vorhersehbare Antwort auf den Unilateralismus der Bush-Administration und die imperialen Pläne der Ostausdehnung von Nato und EU, sondern sie bedeutet auch ein neues Gravitationszentrum, das bereits zum Anziehungspunkt für viele Entwicklungsländer geworden ist.

Wir haben in Europa die Wahl: Entweder wir machen uns die in der strategischen Partnerschaft Rußland-China-Indien verbundenen Staaten und die Entwicklungsländer zum Feind, weil wir aus ideologischen Gründen an dem gescheiterten Modell der Globalisierung mit WTO, IWF, Weltbank und EU à la Lissabon festhalten, oder die Nationen Europas werden wirkliche Partner und Freunde dieser Staaten. Das erfordert allerdings, daß wir wirksame Gesetze gegen die Spekulation und für die Förderung der physischen Produktion bei Landwirtschaft und Industrie machen und auch bei uns zuhause den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaft stellen.

Auf jeden Fall bestimmt die Agenda der LaRouche-Bewegung die Agenda für die Zukunft: Verdopplung der Nahrungsmittelproduktion, ein Neues Bretton Woods System und ein New Deal für die Welt!

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Menschheit in existentieller Gefahr! Verdoppelt die Agrarproduktion!
- Neue Solidarität Nr. 19/2008
Um den Hunger zu besiegen, muß man die WTO abschaffen!
- Neue Solidarität Nr. 19/2008
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- Neue Solidarität Nr. 16/2008
Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)

 

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