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Aus der Neuen Solidarität Nr. 30/2008

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V. Phädon: Was ist Unsterblichkeit?

Nun ist in diesem Bericht die Zeit gekommen, von mir selbst zu schreiben.

Der größte aller gewöhnlichen Fehler bisheriger Gesellschaften war das Unvermögen, die wirkliche Bedeutung des gemeinsamen Themas in Platons Phädon und in dem Werk des großen Moses Mendelssohn zum gleichen Thema zu erkennen: die wahre Bedeutung der Unsterblichkeit der Seele eines sterblichen, menschlichen Individuums. Leider sehen selbst jene, die nach vermeintlicher Unsterblichkeit streben, diese nicht als Fortsetzung von etwas, was dem menschlichen Leben auf ganz besondere Art eigen ist, sondern eher als eine Vorbemerkung an der erwarteten Schwelle des Todes: „Und dann?“

Was den Rest der Menschheit angeht, so sind sie von der furchtsamen Vorahnung auf den eigenen Tod so eingenommen, daß sie nicht einmal den Zweck erahnen, den sie mit ihrem sterblichen Leben anstreben sollten. Der beste Teil an ihnen ist der, welcher eine furchtsame Ahnung hat, daß da etwas ist, wonach sie suchen sollten.

Die tierische Seite des Individuums verleugnet solches Wissen; aber das, was man die Seele nennt, verbleibt, wie es aussieht, immer da. Wie ich darüber bei früheren Gelegenheiten gesagt und geschrieben habe, deutet das Weiterleben der Seele auf eine Ansammlung von Seelen aus vergangenen Zeiten hin, wie es in Raphael Sanzios Gemälde Die Schule von Athen dargestellt ist.

Das Problem ist, daß die meisten Menschen (wie z.B. Empiriker) auch heute noch nicht glauben, daß sie eine wirkliche „Seele“ besitzen, außer vielleicht als Sonntagsausgehkleidung, die sie sich für einen bestimmten Anlaß ausgeliehen haben.

Es gibt einen Grund für dieses Phänomen, nämlich den, daß die Opfer jener Anschauung sich als loyale Untertanen des olympischen Zeus verstehen, wie ihn Aischylos im Gefesselten Prometheus beschrieb. Sie akzeptieren die Verpflichtung, das eigentliche Prinzip individueller menschlicher Kreativität zu verleugnen, welche den Menschen vom Tier unterscheidet und außerhalb der Grenzen der den Tieren eigenen Sterblichkeit liegt. Sie akzeptieren praktisch den Status als Vieh, welchen der britische Empirismus etwa des Sklavenhalters John Locke den Menschen zuschreibt. Sie akzeptieren die Sicht eines willigen Sklaven, der nichts erschafft, sondern vielmehr hofft, daß gute Dinge, insbesondere Geld oder das, was man damit kaufen könnte, auf ihn hernieder regnen möge - wie jene in den USA, die den Schwindel der sogenannten „Glaubens-Initiativen“ für bare Münze nehmen.

Dort, wo man Wahrheit kennt, können große volkswirtschaftliche Errungenschaften, wenn sie auftreten, oft ein „Leben“ von etwa einem Jahrhundert oder mehr haben. Wichtige Entwicklungen von Energiesystemen und wesentliche Investitionen in Produktionsanlagen haben wirtschaftliche Lebensspannen, die der Länge eines Menschenlebens vergleichbar sind, wenn nicht länger. Die Entwicklung der Technologien, die für Fortschritte unentbehrlich sind, erfordert eine Entschlossenheit, diese Wirkung über mehrere aufeinanderfolgende Generationen zu produzieren. Die Mission der Gesellschaft ist in dieser Hinsicht unsterblich, da jede Generation eine nachfolgende produziert, und diese wieder die nächste. Wir vermitteln unserer Jugend, wenn wir vernünftig und moralisch sind, die Voraussetzungen für die Leistungen, die einmal von unseren Kindern und Enkelkindern erreicht werden.

Aber jene Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien, die alle großen Verbesserungen hervorbrachten, leben ewig weiter, so wie das Gute jener relativ langlebigen, vom Menschen gemachten Wohltaten zeitweise, für eine Generation oder länger, unserem Vorteil dienen.

Deshalb sollten wir schon allein auf dieser Erfahrungsgrundlage davon ausgehen, daß das menschliche Individuum im Unterschied zu den Funktionen im Tierreich unsterblich ist.

Ein oder zwei höllische Tatsachen

Ich habe dies weiter oben in diesem Aufsatz erläutert, als ich das spezifische Erbe Paolo Sarpis als zentralen anglo-holländischen, liberalen Bestandteil des heutigen britischen Liberalismus hervorhob. Bei der Geschichte des britischen Liberalismus seit dessen Entstehen im Umkreis Sarpis während der letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts haben wir es mit es mit einer geistig-moralischen Krankheit zu tun, die sich in moralischer und intellektueller Stagnation äußert - so wie bei dem Übergang von Marlowe und Shakespeare zu den verkommenen Kreisen um Bacon und Hobbes. Unter glücklicheren Umständen sollte man einen hohen Zuwachs an geistigem Fortschritt von Generation zu Generation erwarten.

Wenn man sich überlegt, welche Armut auf ganzen Kontinenten wie Afrika und Asien heute herrscht, und wenn man weiter überlegt, welche bekannten Mittel notwendig wären, um diese Zustände zu überwinden, muß eine moralische Gesellschaft nach ihrer jahrhundertelangen Ausrichtung auf erkennbare allgemeine Entwicklungsziele definiert werden, um die Qualität nicht nur der Arbeitsproduktivkräfte als solcher, sondern der schöpferischen Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen zu erhöhen. Somit leben unsere verstorbenen Vorfahren in uns, genauso wie wir in den Veränderungen zum Besseren leben, die wir an unsere Nachfahren weitergeben.

Wenn man den Begriff Produktivität auf diese Weise definiert, ergibt sich eine qualitativ andere Auffassung von Individuum und allgemeiner Moral, als wenn man nur die engen Interessen des Lebens in der Spanne zwischen Geburt und Tod im Auge hat.

Man kommt der Wahrheit näher, wenn man zum Beispiel von „unsterblichen“ Kunstwerken spricht, etwa Filippo Brunelleschis Entwurf der Kuppel von Santa Maria del Fiore in Florenz, der die erste moderne Anwendung der Kettenlinie als physisches Bauprinzip war, die später durch Leibniz’ Beweis des universellen Prinzips physikalischer geringster Wirkung definiert wurde.55 Auch Johannes Keplers Entdeckung des universellen Gravitationsprinzips, wie er es in seiner Weltharmonik darstellt, ist ein wahres universelles physikalisches Prinzip; Albert Einsteins Aussage über die einzigartig gültige Universalität von Keplers Entdeckung als Prototyp eines wirklichen universellen physikalischen Prinzips ist hier wichtig.

Unsterblichkeit ist kein „Ding“, sondern ein Prinzip des Universums, für das bestimmte Objekte Prädikate sind. Unsterbliche Prinzipien der Art, die einen Unterschied zwischen der menschlichen Seele und allen Formen tierischen Lebens darstellen, liegen in den fortschreitenden akkumulierten Erkenntnissen des menschlichen Geistes, den Fähigkeiten, die sich durch die Weitergabe solcher lebender Konzeptionen mit Hilfe des Nacherlebens solcher Entdeckungsakte entwickeln. Die großen Werke der Naturwissenschaft und klassischen Kunst sind Fußabdrücke des Fortgangs dieser Prinzipien. In der Replizierung solcher Entdeckungsakte universeller Prinzipien drückt sich die Unsterblichkeit der menschlichen Seele am unmittelbarsten aus. In den Fußabdrücken der sich bewegenden schöpferischen menschlichen Seele erkennt man am besten den Ort, wo die Werke liegen, die durch die Unsterblichkeit der menschlichen Seele hervorgebracht wurden.

Selbst bei gewandten individuellen Denkern besteht gewöhnlich die Schwierigkeit, daß sie furchtsam den sterblichen Akt, der einen Fußabdruck der Unsterblichkeit ausdrückt, mit dem tatsächlichen Fuß verwechseln, der diesen Abdruck hinterläßt.

Der wahre Staatsmann, den wir brauchen, um die vor uns liegende große Herausforderung zu bestehen, erkennt und handelt nach diesem spezifischen geistigen Unterschied, der den wahren Helden durch die augenblickliche Wirkung bewegt, die der Geist ausgedrückt hat. Ein langes Leben von Männern und Frauen, die Großartiges beigetragen haben, ist gut; aber die Unsterblichkeit ist alles, was wirklich Bestand hat. Solche Männer und Frauen sind die wahrhaft Unsterblichen unter uns Menschen.

Jene von uns, die dieser Überzeugung sind, nehmen es als die unsterbliche Mission ihres Lebens an, der Zukunft der Menschheit zu dienen. Und dieses Eigeninteresse müssen wir bewahren. Und wir weigern uns, dieses Eigeninteresse zu verraten.

Der heutigen Menschheit stellt sich die Herausforderung einer großen Mission. Die Mission besteht darin, die besonderen Souveränitäten der Völker unterschiedlicher Nationen zu akzeptieren, wobei jeder Versuch eines „Turmbaus von Babbel“ verboten ist. Die Existenz jedes souveränen Volkes hat ihre Funktion in der gesamten zukünftigen Menschheit.

Die Zeichen sind klar. Die schrecklichen Zeiten, die unmittelbar vor uns liegen, mahnen uns, uns als Souveräne zusammenzuschließen, um die angemessenen gemeinsamen Ziele der Menschheit zu verteidigen.

* * *


Anmerkungen

55. Paolo Sarpis Gauner Galileo Galilei wußte beispielsweise nie, was eine Kettenlinie ist, obwohl er das Gegenteil behauptete.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Einleitung
- Neue Solidarität Nr. 30/2008
I. Eine einzigartige Chance für wirtschaftliche Erholung
- Neue Solidarität Nr. 30/2008
II. Was ist wirtschaftlicher Wert?
- Neue Solidarität Nr. 30/2008
III. Die Wissenschaft der physischen Ökonomie
- Neue Solidarität Nr. 30/2008
IV. Das Entwicklungsprogramm
- Neue Solidarität Nr. 30/2008

 

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