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Neue Solidarität
Nr. 43, 21. Oktober 2009

Hat die SPD noch eine Zukunft?

Von Alexander Hartmann, Landesvorsitzender BüSo Hessen

Ist die SPD jetzt, nach dem schlechtesten Wahlergebnis in den letzten 60 Jahren, nach dem Verlust von fast 40% ihrer Wähler, endlich bereit, sich auf eine Ursachenforschung darüber einzulassen, welche Fehler wirklich für diese Wahlniederlage verantwortlich sind? Die bisherige „Führungsdebatte“ in der Partei und ihr vorläufiges Ergebnis, daß der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel den Parteivorsitz übernehmen soll, deuten darauf hin, daß dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil, es bewahrheitet sich einmal wieder die Erkenntnis erfahrener Unternehmensberater, daß die Probleme des Unternehmens in der Regel meist genau dort liegen, wo seine führenden Manager es besonders gut zu machen glauben.

Es ist offensichtlich, daß der wichtigste unmittelbare Grund für diese Wahlniederlage darin liegt, daß derzeit in Deutschland - trotz aller geschönten Statistiken - real rund 8,6 Millionen Menschen arbeitslos sind, und vor allem, daß nicht nur diese Arbeitslosen die Realität der wirtschaftlichen Lage zu spüren bekommen, sondern auch ein erheblicher Teil derer, die momentan noch nicht arbeitslos sind, aber ahnen, daß sich dies in den nächsten Monaten sehr wahrscheinlich ändern wird.

Diese Menschen sehen, daß „ihre“ Partei sie verlassen hat - Hartz-4 und die Agenda 2010 lassen grüßen -, und deshalb verlassen sie ihre Partei. Und wenn sich ihre Partei nicht gründlich ändert, dann tun sie recht daran, auch wenn das vielleicht bedeuten könnte, daß von der SPD nicht viel mehr als eine Ökosekte übrig bleibt, die sich um die 5%-Hürde Sorgen machen muß. Eine Partei, die sich sozial und demokratisch nennt, darf keine Politik betreiben, die ein großer Teil der ärmeren Bevölkerungsschichten als Angriff auf ihre Existenz verstehen muß.

Das Dilemma der SPD-Führung ist, daß sie dies zwar soweit wohl durchaus erkennt, aber keinen Weg sieht, der sie aus diesem Dilemma herausführt. Denn sie kennt nur die „harten wirtschaftlichen Fakten“, angesichts derer sie keine Alternative zur Sparpolitik zu haben glaubt. Aber sie bemerkt nicht, daß diese Krise ein Ergebnis eben jener Politik ist, die sie selbst schon in den fast drei Jahrzehnten seit dem Sturz von Kanzler Helmut Schmidt vertreten und durchgesetzt hat. Und selbst diejenigen, die diesen Zusammenhang erkennen, haben das Problem, daß auch ein großer Teil der Bevölkerung diesen Zusammenhang nicht sieht, und daß sie es nicht wagen, die Bevölkerung hierüber aufzuklären, weil sie fürchten, daß sie dann nicht mehr wiedergewählt werden.

Genau hier zeigt sich der Unterschied zwischen einem Politiker, der seine Politik nur im Rahmen des Möglichen absteckt, und einem Staatsmann, der durch energisches Einschreiten „gegen den Strom“ Dinge möglich macht, die zuvor scheinbar nicht möglich waren. Auch Staatsmänner können scheitern, wenn sie nicht die Unterstützung der Bevölkerung gewinnen können, aber das ist dann nicht ihre Schuld, sondern die des Zeitgeistes - die Tragik liegt in diesem Falle nicht bei den Politikern, sondern bei der Bevölkerung, die von ihren Politikern eine falsche Politik erwartet und verlangt. Die SPD und ihre früheren Wähler haben keine Chance, die jetzt über uns hereinbrechende Krise zu überleben, wenn sich nicht jemand findet, der den Mut hat, gegen den Strom zu schwimmen und die wirklichen Ursachen für die Krise anzusprechen. Aber das tut derzeit kein einziger führender Politiker der etablierten Parteien. Ich bin aber überzeugt, daß viele Bürger auf genau solch einen Politiker warten, den sie dann auch unterstützen würden.

Der Weg in die Krise

Denn was ist die Ursache für diese Wirtschaftslage? Sie hat einerseits politische Ursachen, d.h., sie ist die Folge konkreter politischer Entscheidungen, die in den letzten dreißig Jahren getroffen wurden, aber sie ist auch Folge kultureller Entwicklungen, die zu diesen politischen Entscheidungen geführt haben.

Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 30 Jahre - denn so lange und noch weiter reicht der wirtschaftliche Niedergang zurück, der uns in den letzten Jahren unfähig gemacht hat, im Rahmen der bis dahin üblichen Methoden eine sozialverträgliche Politik zu verfolgen -, so sieht man, daß hier mehrere Prozesse wirken; der amerikanische Ökonom Lyndon LaRouche hat diese Prozesse in seiner inzwischen berühmten „typischen Kollapsfunktion“ zusammengefaßt und beschrieben.

Einerseits wurde die reale, produktive Wirtschaft immer mehr geschrumpft - zunächst im Namen der Ökologie, dann im Namen der Globalisierung, dann im Namen der Erzeugung kurzfristiger finanzieller Gewinne der Spekulanten und zuletzt im Namen des Versuchs, die zusammenbrechenden Finanzmärkte zu stützen. Die konkreten Begründungen wechselten, das Resultat - eine pro Kopf der Gesamtbevölkerung und pro Fläche des Landes immer weiter schrumpfende reale Produktion im Inland - war eine sich beschleunigende Verschlimmerung der Lage; zwar gibt es noch große Produzenten; aber wie groß ist inzwischen der Anteil ihres Endproduktes, der im Ausland erzeugt wird? Man kann wohl getrost davon ausgehen, daß die reale, produktive Wertschöpfung in Deutschland höchstens noch die Hälfte oder sogar noch weniger von dem ist, was in Deutschland vor 30 Jahren produziert wurde.

Man hat uns erklärt - auch SPD-Politiker haben das getan - das sei nun einmal so, aber das sei eben der Zug der Zeit und es sei auch gar nicht schlimm. Wuchs denn die Wirtschaft nicht trotzdem? Man müsse diesen Strukturwandel nur sozial verträglich gestalten, und die Nuklearingenieure müßten nur bereit seien, als Versicherungsverkäufer oder Taxifahrer zu arbeiten, dann könnten sie doch ganz gut leben. Statt produktiver Unternehmen müsse man den Dienstleistungssektor ausbauen, und das tat man dann auch. So konnte man die Beschäftigung stabilisieren, vergrößerte aber die Kosten, die von den Resten der schrumpfenden Realwirtschaft zu tragen waren. In diesem Sinne wirken auch die zahlreichen Arbeitsplätze, die im sogenannten „Ökosektor“ geschaffen wurden: Sie tragen nichts zum realen Wirtschaftswachstum bei und sind real nur ein inzwischen gigantischer Kostenfaktor. Dies beschleunigte die Auswanderung der produzierenden Betriebe („Globalisierung“) nur noch mehr, während die sozialen Systeme zunehmend an ihre Grenzen stießen.

Gleichzeitig wurde eine immer größere Scheinwirtschaft der Spekulation aufgebaut, deren Volumen die Wirtschaftsstatistiker zu dem der schrumpfenden Realwirtschaft hinzuaddierten, um dann zu behaupten, die Wirtschaft sei doch gewachsen, man müsse nur den „Gewinn“ gerecht verteilen. Es entwickelte sich eine gigantische Blase, wie bei einem Kettenbrief, und es war klar, daß dieser irgendwann abreißen und dann die Blase platzen würde. Aber schon vorher war die reale Wirtschaft bereits so sehr geschwächt, daß es nicht mehr möglich war, die sozialen Systeme - Renten, Arbeitslosenunterstützung, Gesundheitssysteme - in gewohnter Weise aufrecht zu erhalten.

Hartz-4 ist die unmittelbare Folge dieser Auszehrung der Realwirtschaft; aber auch diese „Einsparungen“ versetzten die Realwirtschaft nur kurzfristig in die Lage, die Finanzblase weiter zu finanzieren; im Gegenteil, die Sparmaßnahmen beschleunigten den Kollaps der Realwirtschaft, sodaß das Platzen der Blase unausweichlich wurde. Genau das ist geschehen, schon im Sommer 2007.

An diesem Punkt hätte man das Insolvenzverfahren über den Finanzsektor (einschließlich der Finanzabteilungen der großen Industriekonzerne, soweit sie sich auf den Derivathandel und ähnliche Spekulationen eingelassen haben) eröffnen müssen. In der Insolvenz hätte man - nach dem Kriterium des Gemeinwohls, dem unser Land sich im Grundgesetz als unmittelbar geltendes Recht verpflichtet hat - unterscheiden müssen zwischen Schulden, an deren Bezahlung die Gesellschaft ein Interesse hat - wie die Renten und Sparguthaben des „kleinen Mannes“, Löhne für geleistete Arbeit oder Rechnungen für gelieferte Waren etc. - und die deshalb geschützt und garantiert werden müssen, und Schulden, an deren Bezahlung die Gesellschaft kein Interesse hat - wie etwa Forderungen aus finanziellen Wettgeschäften - und die deshalb abgeschrieben und aus den Büchern gestrichen werden müssen.

Das hat man nicht getan, sondern vielmehr versucht, den Zusammenbruch der Papierwerte, die die Realwirtschaft nicht länger finanzieren konnte, statt dessen „mit der Druckerpresse“ zu finanzieren und so die Fiktion, sie seien noch irgend etwas wert, aufrecht zu erhalten. Faktisch traten die Regierungen und Zentralbanken an die Stelle derer, die den Kettenbrief der Spekulanten nicht mehr kaufen konnten oder wollten.

Aber dadurch wurde, wie man nun sieht, der Zusammenbruch der Realwirtschaft noch einmal erheblich beschleunigt. Das Geld für diese Stützungsaktionen kam zum großen Teil von den Zentralbanken, die es den Banken z.T. direkt gaben, indem sie deren Schrottpapiere aufkauften oder als Pfand annahmen, oder indirekt, indem sie die Anleihen aufkauften, mit denen die Regierungen die staatlichen Bankrettungspakete finanzierten. Der Versuch, dieses Geld nun durch brutale Sparmaßnahmen wieder hereinzuholen, etwa im Gesundheitssektor, wird die Bevölkerung zum Aufstand gegen die betreffenden Regierungen und Parlamente treiben, wie dies in den Vereinigten Staaten schon jetzt geschieht.

Der Weg aus der Krise

Will man aber den Lebensstandard der Bevölkerung wiederherstellen, so ist die einzige Chance, dies zu tun, mit der Globalisierung zu brechen und ein Programm zur schnellen Wiederherstellung der produktiven Wirtschaft in Gang zu setzen, die notwendig ist, um die Bevölkerung in Arbeit und Brot zu setzen. Dafür brauchen wir vor allem große Infrastrukturprogramme, um die physischen Voraussetzungen für eine funktionierende industrielle Produktion in unserem Land wiederherzustellen: vernünftige Verkehrssysteme, eine ausreichende Energieversorgung, etc. Von den etablierten Parteien kommt in dieser Hinsicht leider sehr wenig. Das hat etwas damit zu tun, daß sie in dieser Frage ideologisch blind sind und deshalb die eigentlichen Gründe für die Krise nicht sehen wollen.

Und damit sind wir bei den kulturellen Ursachen der heutigen Krise. Denn die Entscheidung, aus der Industriegesellschaft auszusteigen, war getragen von der ideologischen Ablehnung der modernen Industriegesellschaft durch die „68er“, deren vollständiges Scheitern wir heute konstatieren müssen. Die Demontage der produzierenden Wirtschaft war gewollt.

Die wenigsten derer, die diese Demontage betrieben haben, legen sich oder gar anderen Rechenschaft darüber ab, wieviel Elend sie mit dieser Politik über die Welt gebracht haben. Denn vieles, was wir zwar selbst nicht mehr produzieren, aber trotzdem weiter konsumieren, kommt aus der „Dritten Welt“ - und wird im Grund auch von dieser bezahlt.

Wie die Kolonialherren früherer Jahrhunderte läßt der „Weiße Mann“ die „Eingeborenen“ der Kolonien für sich arbeiten, er treibt durch seine kaufkräftige Nachfrage, mit der er sich dort mit Waren eindeckt, für die er einen ehrlichen Preis zu zahlen nicht bereit ist, die Preise in diesen Ländern in die Höhe, er verbraucht die dort erzeugte Energie oder das Trinkwasser in Fabriken, die für seinen Bedarf produzieren, er nimmt ihnen die Nahrungsmittel oder die Agrarfläche, die für die Versorgung der dort lebenden Menschen gebraucht würde. Die Globalisierung hat im vorigen Jahr zu Hungeraufständen in 40 Staaten der Welt geführt. Wie viele Menschenleben diese Politik inzwischen bereits gekostet hat, ist kaum abzuschätzen; aber kein vernünftiger Mensch kann bestreiten, daß sie mörderisch ist.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, dieser Plünderung der Dritten Welt ein Ende zu setzen. Entweder wir produzieren künftig wieder den größten Teil unseres Bedarfs selbst - oder wir hören auf zu konsumieren. Letzteres hieße, den Lebensstandard unserer Bevölkerung auf den der „Dritten Welt“ zu senken. Nach Art. 20 GG hat jeder Bundesbürger das Recht auf Widerstand gegen jeden, der dies versucht.

Mit dem „ökologischen Paradigma“ brechen!

Eine soziale Politik ist nur möglich durch eine Wiederindustrialisierung - und das bedeutet, daß die SPD mit dem „ökologischen“ Paradigma brechen muß. Sie muß sich für eine Lösung für die weltweite Wirtschaftskrise einsetzen, die wirklich funktionieren kann. Und dazu muß sie aus dem Fehler Holger Börners lernen, der vor den „Ökofaschisten“, wie er sie selbst genannt hatte, kapitulierte. Die Leiden der heutigen SPD sind nicht zuletzt die späte Strafe für diese Fehlentscheidung.

Um es auf den Punkt zu bringen: Sigmar Gabriel ist nicht die Lösung für die Probleme der SPD, sondern er ist ihr Problem, bzw. der führende Vertreter eben jener ideologischen Haltung, die die SPD zukunftsunfähig macht, auch oder gerade weil er vom Gegenteil überzeugt sein mag. Ich wage die Prognose: Mit Sigmar Gabriel als Vorsitzenden ist für die SPD der Verlust der nächsten sechs Millionen Wähler programmiert; wie gesagt, die Partei könnte sich dann bald als Ökosekte an oder gar unterhalb der 5%-Hürde wiederfinden. Um zu Überleben braucht die SPD eine dramatische Richtungsänderung, wieder zurück zu der fortschrittsfreundlichen Politik, die sie noch unter Helmut Schmidt vertreten hat.

Sollten sich die vernünftigen Strömungen innerhalb der Sozialdemokratie nicht in der Lage sehen, eine solche Richtungsänderung in ihrer Partei durchzusetzen, so dann sollten sie sich der Bürgerrechtsbewegung Solidarität anschließen, die sich seit Jahren für genau eine solche Änderung einsetzt.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)