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Neue Solidarität
Nr. 29, 21. Juli 2010

„Reagieren wir auf diese Krise,
indem wir eine neue Renaissance machen!“

An die Vorträge von Helga Zepp-LaRouche und Jacques Cheminade beim Berliner Internetforum der BüSo am 30. Juni (siehe Neue Solidarität 26 und 27/2010) schloß sich eine etwa zweiständige Debatte an. Wir bringen weitere Auszüge.

Wir müssen aufhören, über Geld nachzudenken

Frage aus Berlin zum Trennbankensystem: „Es sprechen heute viele Parteien von Finanzreformen. Man druckt sogar eine Reihe von langen Texten und ganzen Büchern zu Wahlkämpfen. Die Frage ist die: Wenn jeder von stärkerer Regulierung des Finanzsektors spricht, spiegelt das noch lange nicht das eigentliche Prinzip der Trennung der Banken wider. Denn es gibt alle möglichen Arten von Reformen - so, wie ja auch die Agenda 2010, die beweist, daß nicht jeder Reform ein Prinzip innewohnt. Wenn man auf die Geschichte der Menschheit verweist und auf das 14. Jahrhundert, und seine gravierenden Folgen betrachtet, dann ist das Trennbankengesetz ein Beweis für ein Prinzip von etwas Höherem, als es uns zunächst erscheint. Könnten Sie, Frau Zepp-LaRouche, auf dieses Prinzip eingehen, damit dieser für uns technische Begriff sich von den anderen sogenannten Finanzreformen absetzt?

 

Helga Zepp-LaRouche: Ich glaube, das ist wirklich ein wichtiger Punkt, denn wir wollen nicht das monetaristische System perpetuieren, und alle die Leute, die von Regulierung sprechen und von Transparenz und Kontrolle - die wollen eigentlich das System der Spekulation beibehalten, und das ist absolut nicht nötig.

Wir brauchen keine Derivate, wir brauchen keine kreativen Finanzinstrumente, das ist eigentlich alles vollkommen überflüssig. Und deshalb schlagen wir vor, daß mit dem Trennbankensystem einfach nur eine Methode gefunden wird, wie man sicherstellt, daß das, was wertvoll im jetzigen System ist, gerettet werden kann, indem man das in gewisser Weise mit einem Etikett versieht und sagt: „Das ist im neuen System auch noch gültig.“ Sodaß, wie ich schon sagte, Renten, Löhne, Mittelstandskredite, Spareinlagen, Dinge, die für den Sozialbereich notwendig sind - die müssen für eine gewisse Zeit vom Staat garantiert werden, damit wir nicht im Chaos enden.

Denn die Gefahr ist, sowohl wenn ein unkontrollierter Kollaps eintritt - von dem die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ganz offen redet, die im Grunde sagt, ein Schock von nie gekannter Größe kann jederzeit passieren - oder eben diese Geldschöpfung in hyperinflationärer Weise: das würde so viele Teile dessen zerstören, was die Bevölkerung dringend braucht. In beiden Fällen! Und deshalb sagen wir: Der Staat muß für eine gewisse Zeit den Geschäftsbankenbereich unter Kontrolle stellen und schützen und in die Lage versetzen, neue Kredite auszugeben.

Im Grunde braucht man keine Investmentbanken. Es gibt natürlich Leute, die dann entsetzt aufschreien und sagen: „Ja, aber wir brauchen doch Derivatversicherungen!“ Gut, man wird vielleicht eine Regelung haben können, daß man eine einfache Versicherung auf zukünftige Geschäftsabschlüsse abschließen kann, die dann aber nicht gehandelt werden kann in der Form von Verbriefungen und all diesen Sachen. D.h., die ursprüngliche Idee der Derivatversicherung, daß man einfach sagt: In drei Monaten habe ich das und das Geschäft, und ich will mich jetzt versichern für den Fall, daß das schief geht - das könnte man noch erlauben. Aber nicht, daß diese Versicherung dann als neues Paket verkauft wird, und weiterverkauft und weiterverkauft und weiterverkauft.

Und deshalb ist dieser Schlußstrich absolut notwendig. Wir wollen ja zu der physischen Wirtschaft, zu dem Kreditsystem, wo staatliche Kredite Kreditlinien erzeugen zur Beförderung dessen, was letztendlich die Wirtschaft ausmacht.

Die physische Wirtschaft

Wirtschaft hat nichts mit Geld zu tun, sondern die Wirtschaft ist in gewisser Weise die Summe aller entdeckten physischen Prinzipien über das physische Universum zu dem jeweiligen Zeitpunkt, d.h., jede wissenschaftliche Entdeckung, die zu einer Technologie führt.

Jeder Mittelständler versteht, was ich sage, denn ein Mittelständler, der weiß, daß die Produktivität in seinem Betrieb davon ab hängt: wie viele kompetente Ingenieure gibt es, wie viele Leute, die wirklich eine Entdeckung machen?

Früher war es oftmals so, daß die Mittelständler selber Erfinder waren, selber Patente entdeckt haben, und jedes Mal, wenn jemand eine Entdeckung sich hat patentieren lassen, dann war das ein Fortschritt - entweder ein fundamentaler Fortschritt im Bereich der Wissenschaft, oder eine neue technische Verbesserung einer schon existierenden wissenschaftlichen Erkenntnis. Und letztendlich ist es das, was gefördert werden muß, wenn man versteht, daß die einzige Quelle des gesellschaftlichen Reichtums eben nicht das Prinzip von Margaret Thatcher ist - „billig kaufen, teuer verkaufen“, und möglichst viel am Zwischenhandel verdienen -, sondern, daß im Grunde die einzige Quelle des Reichtums die menschliche Kreativität ist.

Und deshalb muß der Staat auch Gesetze machen, die das befördern, d.h., der Staat muß die Bereiche der Gesellschaft fördern, in denen Grundlagenforschung gemacht wird, in der wissenschaftliche und kulturelle Bildung vermittelt wird, die die Menschen in die Lage versetzt, diese Entdeckungen zu machen, und das läuft bei uns völlig falsch. Das ist in der Globalisierung wirklich vollkommen falsch gelaufen. Die Steuergesetze, die Zinsabgabe – alles war genau in die gegenteilige Richtung.

Und deshalb denke ich, wir werden aus diesem Loch, in das wir hineingefallen sind, nicht herauskommen durch kleine kosmetische Pflaster, sondern das ist etwas, was uns 50 Jahre lang - oder, wie mein Mann sagt, wahrscheinlich sogar drei oder vier Generationen, bis die wissenschaftlichen Herausforderungen, die durch die bemannte Raumfahrt für längere Exkursionen geplant sind, gelöst sind - beschäftigen wird. D.h., man muß jetzt in Bereiche investieren, von denen wir vielleicht – zumindest meine Generation - die Ergebnisse überhaupt nicht erleben werden.

Und das ist etwas, was in der Politik wirklich völlig abhanden gekommen ist, weil die Politiker sagen: „Ich bin für das Gemeinwohl, aber nicht so sehr, daß es mich meine Karriere kostet oder daß ich in meinem Wahlkreis nicht mehr aufgestellt werde.“

Davon müssen wir wirklich weg, und wir müssen sagen, wir müssen uns die gemeinsamen Ziele der Menschheit vornehmen -- ich meine, das erscheint jetzt vielleicht angesichts der gegenwärtigen Katastrophe nicht als dringendstes Problem, aber wenn wir uns z.B. nicht ernsthaft mit Forschungen beschäftigen, wie wir Kometen oder andere Himmelskörper, die die Erde mal treffen könnten, effektiv abwehren, obwohl das vielleicht in den nächsten Millionen Jahren nicht passiert -- aber es könnte auch in zehn Jahren passieren.

D.h., man muß anfangen, in die Zukunft zu denken: Wie können wir das fortlaufende Überleben der Menschheit nicht nur auf der Erde, sondern im Universum, sicherstellen?

Das würde bedeuten: Wir hören auf, über Geld nachzudenken, Geld ist nur ein Mittel zum Erreichen der Ziele, die die Menschheit erreichen muß. Und das Ziel der Menschheit ist Fortschreitung - Fortschreiten im Wissen, im Charakter, in den Gefühlen.

Wir müssen aufhören, uns auf diesem infantilen Niveau zu befinden, denn ich glaube, daß der Mensch -- wirklich, der ist noch in so einem Baby-Zustand, und wir haben im Grunde noch alle Dimensionen der Zukunft vor uns. Und danach muß das Kreditsystem orientiert sein.

Und es wird einmal eine Zeit geben, wo man sagen wird: Das war der Tiefstpunkt der menschlichen Zivilisation seit dem 14. Jahrhundert, als nämlich die schwarze Pest ein Drittel der Menschheit ungebracht hat, Flagellanten da waren, Hexenverbrennungen; dann gab es eine gewisse Phase dazwischen, und dann kam das Jahr 2010, das war der nächste Tiefpunkt. Man wird auf dieses Jahr zurückblicken und sagen: Zum Glück gab es LaRouche und die BüSo, die das herumgerissen haben. [Applaus.]

Eine neue Französische Revolution verhindern

Frage: Viele Deutsche, die wütend auf die Politik der Regierung sind, loben die Streikbereitschaft und die Aktivität der Franzosen und vergleichen das mit der Untätigkeit der Deutschen. Aber wie wir von der Französischen Revolution wissen und bei der Steigerung der Gewaltbereitschaft auf den Straßen erleben, muß ein Protest viel mehr als nur Wut ausdrücken und darf sie schon gar nicht zum Leitmotiv machen. Wie sehen Sie die Entwicklung des Massenstreiks in Frankreich, hinsichtlich der Qualität der Gedanken und der Forderungen, die aufgegriffen werden? Wie sehen Sie die Möglichkeiten, daß die französische Bevölkerung die historische Chance erkennt und ergreift?

Cheminade: Das ist meine Aufgabe. Ich muß da etwas unternehmen.

Frankreich ist wohl das Land in der Welt, in dem es aufgrund der Geschichte die stärkste Konfrontation zwischen der Oligarchie und der Republik gibt. Unser Problem ist, daß die Oligarchie die Republik mit ihrer Ideologie und Sprache infiziert hat.

Die Oligarchie ist venezianisch, inspiriert von den Werken der Venezianer, darunter der Abbé Conti, der in Frankreich war, um Leibniz zu sabotieren, und Paolo Sarpi, ihr Ideologe. Man redet nicht viel von ihm, aber er war der Ideologe des französischen Positivismus. Es wird soviel geredet über die französische „Aufklärung“ im 18. Jahrhundert - Montesquieu, Diderot, Voltaire, Rousseau und andere, die ein Teil dieser Form des antihumanistischen Denkens waren.

Jemand hier im Raum, ein Franzose, hat mich darauf aufmerksam gemacht, und ich bekomme viele Kommentare und Beiträge zu diesem Thema: Das wichtigste Buch, das heute an den französischen Schulen als Text hierzu verbreitet wird, ist Voltaires Candide. Das ist ein Angriff auf Leibniz. Es beschreibt die Abenteuer eines Mannes und einer Frau, die glauben, daß alles positiv ist, was in der „besten aller möglichen Welten“ geschieht. Das ist ein Angriff auf Leibniz. Das Buch ist albern, aber es verbreitet Pessimismus. Am Ende heißt es darin beispielsweise, man könne nur glücklich sein, wenn man seinen eigenen „geheimen Garten“ hegt: „Seid schlau, tut euch nicht hervor, mischt euch nicht ein, und wenn ihr wirklich glücklich werden wollt, dann müßt ihr ein bißchen dumm sein.“

Diese pessimistische Einstellung hat das republikanische Lager infiziert. Das ist die Verbindung des Pragmatismus, der aus Venedig kommt, mit dem Empirismus, der aus London kommt. Und das Produkt ihrer Ehe ist nicht gerade schön anzusehen. Die Republik ist also eingeschränkt durch ihre innere Schwäche. Es gibt eine gesuchte, strukturalistische, eingefrorene Ausdrucksweise, eine Sprache für Diplomaten, Eliten und impotente Diskussionen. Und wenn es dann zu einer Revolte kommt, dann ist es ein Wutanfall - sogar in der Sprache.

Deshalb ist es meine Aufgabe - die Menschen in meiner Umgebung verstehen das nicht immer -, ein Gefühl dafür zu vermitteln, daß es eine klassische Kultur gibt, eine Kultur einer wahren Freiheit. Freiheit von den Gesetzen der Oligarchie.

Um Ihnen ein Beispiel dafür zu nennen: Als Mozart in Paris war, gab er ein Konzert. Aber er wurde wütend und wäre beinahe wieder gegangen, ohne sich bezahlen zu lassen, weil ihm niemand zuhörte. Die Leute haben die ganze Zeit geredet, während er spielte. Da war nur ein einziger alter Mann, der ihm zuhörte, und der hatte lange Jahre außerhalb von Frankreich gelebt. Das berichtet Mozart. Für diese Leute ist Musik etwas zur Unterhaltung des Hofes, und nichts, was den menschlichen Geist in der Tiefe anspricht.

Der republikanische Impuls, der im Land tief verankert ist, wird durch diese ideologisch-kulturelle Frage blockiert. Man kann das hören, wenn die Mitglieder unserer französischen Jugendbewegung Englisch reden - es ist nicht ihr individuelles Problem, es ist ein grundsätzliches Problem, sich aus dieser strukturellen Ideologie zu befreien.

Die „Aufklärung aus dem Osten“

Und da zeigt sich die Macht der in Deutschland beheimateten Kultur. Am Ende des 18. Jahrhunderts sprach man von der „Aufklärung aus dem Osten“. Ihr bester Ausdruck war ein Priester, der von den Republikanern, von den Monarchisten und von Rom abgelehnt wurde, Abbé Gregoire. Er kommt aus dem Osten Frankreichs, und er führte in Frankreich eine interessante Strömung des Denkens ein, wie man eine christliche Kultur in das weltliche, politische Leben hineinbringen kann.

Das zeigte sich direkt und indirekt in der Bretagne, wo wir gerade unseren jüngsten Regionalwahlkampf geführt haben.

Es gab die sogenannten „demokratischen Äbte“ im Geiste Leos des XIII., die eine andere Sicht in die französische Politik hineinbrachten. Sie wurden als die „roten Fische im heiligen Wasser“ angegriffen. Sie waren sowohl gegen die atheistische, jakobinische Kultur, als auch gegen die Hierarchie der Kirche, die in dem, was sie die Bevölkerung lehrte, ganz auf der falschen Seite stand.

Es wurde also auf verschiedenen Wegen eine Form der Kultur aus dem Osten nach Frankreich gebracht. Zunächst natürlich durch die Musik. Da gab es einen großen Kampf zwischen der traditionellen Kultur und der klassischen Kultur der deutschen Musik, und den Spielchen, die die sogenannten modernen Komponisten spielten. Jetzt gibt es eine interessante, wenn auch manchmal nicht sehr klar ausgerichtete Heine- und Schiller-Renaissance in Frankreich. Auch die Humboldts waren am Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich, und Humboldts Einfluß im Bildungssektor ist immer noch spürbar. Und wir haben das sehr interessante Phänomen des Einflusses sowohl von Einstein als auch von Wernadskij, als sie in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Paris waren. Es war ein Franzose, Edouard Le Roy, der nach einer Vorlesung Wernadskijs in Paris den Begriff der „Noosphäre“ prägte.

Da waren die Curies - Marie Curie und Eve Curie, ihre Tochter, und ihre Tradition -, die sich in einer kleinen Stadt in der Bretagne niederließen, wo sie regelmäßig Urlaub machten: L'Arcouest. Es ist wie ein Puzzlespiel, das hier zusammenkommt.

Wir müssen also diese „Aufklärung aus dem Osten“, die deutsche Kultur, in die französische Politik hineinbringen, um diese ideologische, mechanistische, eingefrorene Struktur loszuwerden, die so stark in den Köpfen der Menschen verankert ist, daß sie, wenn sie tiefergehende Gefühle ausdrücken müssen, dies in einer wütenden und gewalttätigen Weise tun.

In diesem Sinne ist die Kultur wahrscheinlich die wichtigste Frage in einem Präsidentschaftswahlkampf, um ein Gefühl für diese Dinge zu vermitteln, die nicht in Büchern oder auf Papier niedergeschrieben sind, sondern in der Realität.

Kommen wir zurück auf die brennende Frage „Glass-Steagall“: Viele Leute diskutieren über Glass-Steagall, beispielsweise haben die Sozialisten und die Kommunisten, gemeinsam oder getrennt, einen Antrag im Parlament eingebracht, einen Glass-Steagall-Vorschlag zu prüfen. Die Regierung wird aufgefordert, den Vorschlag zu studieren und darüber zu berichten. Die Sozialisten forderten den Bericht bis Dezember an, die Kommunisten bis September - die sind da ein bißchen weiter als die Sozialisten, allerdings sind sie alle beide überhaupt nicht auf der Höhe der Weltgeschichte.

Ich muß also dieses freudige Gefühl der Dringlichkeit hineinbringen, das zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten hin und wieder zurück springt.

Man kann die Menschen verändern!

Ich bin davon überzeugt, daß man die Menschen verändern kann. Wenn man sich de Gaulle im Jahr 1939 anschaut, seine Kultur und seine Probleme: Niemand hätte geglaubt, was bis 1942 aus ihm werden würde. Und das war möglich, weil er eine sehr tiefe und schwere lateinische Kultur hatte, aber gleichzeitig auch eine gewisse Vorstellung von der deutschen Geschichte und Kultur.

Für die Franzosen ist es schwierig, sich vorzustellen, daß Deutschland oder die Vereinigten Staaten aus der gleichen Kultur hervorgegangen sind. Sie betrachten die Vereinigten Staaten als etwas für sich, so, als würden dort alle das gleiche sagen, und sie betrachten Deutschland für sich.

De Gaulle - und auch Leon Blum, der Kopf der Volksfront - haben beide gesagt: Wenn wir den Krieg gegen Deutschland gewinnen, dann werden wir sie nicht als Nazis betrachten, sondern als ein Land, das beraubt wurde durch Machenschaften, die von außen gegen das Land betrieben und die in einer schrecklichen Periode der Geschichte im Innern aufgegriffen wurden.

Aber das nicht nur eine Frage von Deutschland, es ist eine Frage der Zivilisation. Dann wird der Nationalstaat etwas lebendiges, und man kann dann viele Witze über die Rückständigkeit des eigenen Volkes machen.

Wir befinden uns in einem Moment der Geschichte, und damit komme ich zum Schluß, in dem das, was uns bevorsteht, in Frankreich in gewissem Sinne noch schlimmer ist als in Deutschland. Denn es gibt in Frankreich besondere Unternehmen, die sich um Behinderte und Alte kümmern, die nicht mehr für sich selbst sorgen können. Die Mittel dafür kommen von den Departements, mit Unterstützung der Regierung. Es gibt etwa 90 Departments in Frankreich. Davon sind zehn praktisch bankrott, im nächsten Jahr werden 30 bankrott sein, und in zwei Jahren alle 90, wenn es so weitergeht wie im Augenblick. Kein Geld mehr für die Behinderten, kein Geld mehr für die Alten, die sich nicht mehr selbst versorgen können, kein Geld mehr für die ärmsten unter den Arbeitslosen - das sind insgesamt etwa vier bis fünf Millionen Menschen.

Dann ist es geboten, sich dem anzuschließen, was in der Welt, in Deutschland und in den Vereinigten Staaten geschieht. Denn man darf keinen Moment glauben, daß man es alleine schafft.

Was können Bürgermeister tun?

Xenia Biereichelt: Bereits vor einem Jahr hatten wir einen Aufruf für eine Pecora-Kommission zur Untersuchung der Ursachen der Finanzkrise an einige Bürgermeister gereicht. Damals waren die Reaktionen verschlossener, heute sieht das anders aus. Viele haben sich bei uns für den Hinweis auf die Diskussion über das Glass-Steagall-Trennbankensystem in den USA, wo jetzt bereits 78% der Bevölkerung eine Trennung zwischen Investmentbanken und Geschäftsbanken fordern, bedankt. Einige Bürgermeister möchten diesen Aufruf auch weiter an die Stadtverordnetenversammlungen geben. Niemand streitet mehr ab, daß die Kommunen letztendlich für die Rettungs- und Sparpakete geradestehen müssen. In Hessen haben Bürgermeister und Landräte vor einigen Wochen protestiert und mit einer Klage gegen das 400 Mio. Euro schwere Sparpaket in Hessen gedroht, da dieses „die lokale Demokratie gefährdet“. Viele Kommunen müssen jetzt entscheiden, welche Einrichtungen sie schließen müssen, und wissen nicht mehr, wo sie sonst noch sparen sollen. Trotz dieser dramatischen Situation und der dramatischen Anklage gegen die Sparpolitik von hessischen Bürgermeistern zögern andere noch. Viele Bürgermeister sehen ihre Hände gebunden und können, obwohl sie nicht mit der Bundespolitik übereinstimmen, keinen Einfluß ausüben. Einige gehen sogar soweit und sagen, ihr Amt sei kein politisches, sondern ein reines Verwaltungsamt, und sie könnten somit nur Schäden begrenzen, nicht aber verhindern.

Ich habe zwei Fragen an Frau LaRouche. Die erste Frage bezieht sich auf den Massenstreikprozeß, der in den USA tobt, aber auch vor Europa nicht haltmacht, gerade, um so schlimmer die Eurokrise wird. Weshalb können die meisten diesen Prozeß nicht erkennen, und wie können sie ein Verständnis davon erlangen, um eingreifen zu können? Welche Rolle können die Bürgermeister dabei spielen?

Meine zweite Frage bezieht sich auf unsere Mobilisierung vor drei Jahren in den USA, für das Gesetz zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken. So, wie ich verstanden habe, kennen viele der jetzigen Unterstützer des Glass-Steagall-Gesetzes uns von dieser Kampagne. Wie wichtig waren die Stadträte dabei, und was genau haben sie tun können und tun sie auch jetzt?

 

Helga Zepp-LaRouche: Ich glaube, daß wir in Deutschland an einen Punkt kommen, wo die verschiedenen Wellen von Gehirnwäsche, die in diesem Land seit 1945 stattgefunden haben, mit der Realität kollidieren.

Die meisten Leute haben das Credo: „Man kann ja doch nichts machen.“ Ich habe schon oft gesagt: Wenn ich Bundeskanzlerin wäre, dann würde ich dafür sorgen, daß dieser Satz unter zehn Jahre Zuchthausstrafe gestellt wird [Lachen], jeder der den wiederholt, müßte dramatisch betraft werden als Abschreckungsmaßnahme.

Das ist natürlich das Resultat der deutschen Geschichte. 1945 gab es zwar einen Aufbruch, wo einige wirklich wollten, daß man sich Grundlagen gibt, damit so etwas nie wieder geschehen könnte. Es gab damals eine kulturelle Renaissance - Furtwängler, Schlusnus, andere haben Konzerte gespielt auf Trümmerfeldern, weil die Menschen ein fundamentales Bedürfnis hatten nach den Wurzeln der deutschen Kultur. Aber das wurde dann ziemlich brutal durch die Besatzungsmächte abgewürgt, durch verschiedene Kampagnen.

Die Frankfurter Schule kam zurück aus dem Exil; die wurden dann die Mentoren der 68er - und das muß man wirklich noch mal betrachten, denn Adorno und ähnliche Leute haben im Grunde einen Angriff auf die deutsche Kultur gemacht. Adorno sagt: „Schiller führt zum Faschismus, denn jeder, der Idealist ist, wird irgendwann zum Nazi.“ Oder: „Klassische Musik ist schlecht.“

Dann kam der nächste Schwung, mit dem Kongreß für kulturelle Freiheit. Das war eine Riesenoperation, die unter der Truman-Administration gemacht wurde, damit nirgendwo auf der Welt wieder die axiomatische Basis in der Bevölkerung existieren würde, die einen Roosevelt akzeptieren würde. Der Kongreß für kulturelle Freiheit war im Grunde die größte kulturelle Kriegsführungs-Operation aller Zeiten. Die haben zum Schluß 120 Kulturzeitschriften gehabt, die haben alle Konzerte organisiert, die haben eingeführt, daß man, wenn man heute in ein klassisches Konzert gehen will und vielleicht Beethoven oder Schubert hören möchte, gleichzeitig auch mindestens einen russischen Komponisten hat und einen modernen wie Berg, oder Messiaen, der wirklich satanistisch ist.

Ich verstehe unter Satanismus die Nietzschesche Umkehrung aller Werte und die bewußte Zerstörung. Es gibt ein Lied von diesem Messiaen, das heißt ungefähr Halleluja - und das will ich jetzt dem Publikum nicht zumuten, das zu demonstrieren, aber das klingt so schrecklich, daß es genau das Gegenteil ist von dem, was Halleluja eigentlich soll, nämlich die Menschen erheben.

Das war also eine ganz bewußte Kampagne, die bis 1967 lief und die das gesamte Kulturleben in Deutschland, Frankreich wirklich manipuliert hat. Das Regietheater kommt aus dieser Zeit, so daß man schon seit 40 Jahren praktisch in kein klassisches Theaterstück mehr gehen kann, ohne daß das Regietheater alles ruiniert. Wie oft kann man sich auf der Bühne nackt ausziehen, und es bleibt noch interessant? Vielleicht einmal, dann hat das einen Neuigkeitseffekt. Aber seit 40 Jahren ziehen sich die Leute auf der Bühne aus, und es ist langweilig - und oftmals unästhetisch noch dazu.

Dann kam die 68er-Bewegung. Die 68er, die schon grün waren - Mitscherlich, die „Unwirtlichkeit der Städte“, wo schon die erste antiindustrielle ideologische Kampagne kam.

Dann wurde die Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur als bewußte Zerstörung des kognitiven Potentials der Bevölkerung lanciert. Die 68er-Bewegung, eine Mischung von Maoismus und einfach nur Frankfurter-Schule-Ideen, wurde dann durch eine ganz bewußte Kampagne des Club of Rome von Meadows und Forrester allmählich transformiert in die Ökologiebewegung. Der SDS war noch nicht grün, aber die wurden dann in der Nachfolge grün, durch dieses „social engineering“, so nennt man das im Englischen. Ich habe noch kein gutes deutsches Wort gefunden, was das erklärt, ich würde das auf Deutsch „Gehirnwäsche“ nennen. Oder es gibt auch den Begriff „spin“: alles wird durch diesen „Dreh“ ins Gegenteil verdreht.

Und dann, wenn man sich anschaut, wie in den letzten Jahren die Vergrünung in allen Parteien stattgefunden hat: Es sind ja längst nicht mehr nur die Grünen, die SPD ist total grün, die CDU ist auch weitgehend grün, die CSU, selbst die Linkspartei ist grün, selbst die FDP ist grün.

Oder nehmen Sie das ganze System, der Unterschied zwischen dem Präsidialsystem in Amerika und dem parlamentarischen System bei uns. Ein normaler Bürger, der sagt, ich bin nicht mit der Lage einverstanden, jetzt gehe ich in die Politik, um etwas zu verändern - dieser frohgeherzte junge Mann oder junge Frau tritt also in die CDU ein, und sagt, ich möchte eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung, und dafür möchte ich kandidieren. „Ja, junger Mann, junge Frau, was haben Sie sich gedacht? Sie müssen erst einmal den IWF unterstützen, die Weltbank unterstützen, die EU-Kommission unterstützen, Doha-Freihandelsrunde. Wenn Sie alle diese Sachen nicht unterstützen, dann können wir Sie leider nicht aufstellen.“

Also, mit anderen Worten: Der Weg, etwas wirklich verändern zu wollen, ist durch dieses System versperrt, daß die Parteien die Kandidaten aufstellen, und daß der einzelne, nachdem er den Abgeordneten gewählt hat, gar keine Möglichkeit mehr hat, ihn auf den Topf zu setzen. Herr Müntefering, der gewiß nicht der schlimmste war, hat doch gesagt, es sei unfair, wenn man Politiker Monate nach der Wahl an ihre Wahlversprechen erinnert!

In Amerika ist das ganz anders. In Amerika müssen die Kongreßabgeordneten und Senatoren zu ihren Wählern gehen und ihre Politik vorstellen, und die Wähler können eigentlich relativ uneingeschränkt in den Kongreß gehen und ihre Abgeordneten bearbeiten. Das ist ganz normal. Man kann da erst mal wahrscheinlich mit den Assistenten und Büroleitern, aber wenn man eine wichtige Sache hat, auch mit seinem Senator oder Abgeordneten persönlich sprechen. Und wenn das viele tun, wie jetzt bei diesem Massenstreik in Amerika, dann hat das eben auch einen Effekt.

Das heißt, der Druck von der Basis ist viel einfacher zu vermitteln. In Deutschland hat man alle diese Wellen von Gehirnwäsche seit 1945, und man hat eine politische Struktur, in der die Politiker eigentlich längst vergessen haben, daß sie die Diener der Bevölkerung sein sollen. Sie denken, sie sind gewählt, und deshalb sind sie irgendwie die Herren, und das Volk soll ihnen zu nutze sein. Das hat sich total verändert in das Gegenteil von dem, was es eigentlich sein soll.

Heute ist es notwendig, daß wir das ändern, damit die Bevölkerung wirklich versteht, daß die Mißstände, die sich mit der Globalisierung entwickelt haben, die Antwort brauchen: „Wir sind das Volk!“ D.h., daß die Bevölkerung eben nicht akzeptiert, daß Gesetze da sind, die eigentlich unser aller Zukunft ruinieren.

Dieses Glass-Steagall-Gesetz muß durchgesetzt werden, und ich denke mal, die Bürgermeister und Stadträte und andere Leute, die mit den Auswirkungen dieser sozialen Krise zu tun haben, sind diejenigen, die es am ehesten verstehen, denn die haben den Druck der Bevölkerung.

In Amerika war es wirklich so: Dieses HBPA-Gesetz wurde in über hundert, zum Teil sehr großen Städten - Philadelphia, Detroit, Pittsburgh, andere große Städte - verabschiedet, und genau das müssen wir hier auch machen.

Im Grunde auch die Pecora-Kommission - das ist ein Thema, was wieder auf die Tagesordnung kommen muß. „Das ganze Weltfinanzsystem ist ein einziger Madoff-Schwindel“ - das war meine Überschrift vor anderthalb Jahren, und wenn man sich heute ansieht, wie viele kriminelle Aspekte da mitgespielt haben: Goldman Sachs, die Berater von Griechenland - über zehn Jahre haben die denen die Bilanzen gefälscht! Dafür muß doch irgendwo eine Instanz sein, die das in Ordnung bringt.

Also von daher würde ich sagen: Wir brauchen wirklich eine absolute Mobilisierung, aber eben eine, die eine Amerikanische Revolution mündet, und nicht in eine Französische Revolution.

Was ich mit Amerikanischer Revolution meine, ist, daß man sich als Verfassungsstaat betrachtet. Unsere Verfassung ist nicht perfekt, unser Grundgesetz ist eigentlich keine richtige Verfassung, aber sie hat einige extrem wichtige und gute Grundsätze: den Artikel 1 natürlich, die Menschenwürde, dann Artikel 20, Absatz 4, daß Widerstand gerechtfertigt ist, wenn jemand versucht, den Charakter Deutschlands als demokratischem und sozialem Staat zu ändern. Das steht in unserem Grundgesetz, daß die Bevölkerung das Recht auf Widerstand hat, und das ist einer der Gründe, warum wir das Grundgesetz so verteidigt haben gegen den Lissaboner Vertrag. Denn auch wenn dieses Grundgesetz nicht wirklich perfekt ist: Es hat ganz wichtige, unverzichtbare Grundsätze, die gerade in einer Krise wie jetzt absolut hochgehalten und verteidigt werden müssen. Und das ist eine Sache der Bevölkerung, und der Bürgermeister und Stadträte.

 

Frage einer Mitarbeiterin aus einem Bundestagsbüro: Wie verläuft der Prozeß der Einigung der Staaten weltweit über die festen Wechselkurse? Schließen die festen Wechselkurse kursschwache Staaten auf dem Weltmarkt aus, bzw. verursachen erhebliche Nachteile und verlangen dann nach Klärung?

Frage von Armin Azima, Hamburg: Es gibt ja den Aspekt, daß die Währungsspekulation und die damit nicht gerechtfertigten Profite durch die Einführung fester Wechselkurse verhindert werden müssen, aber auf der anderen Seite gibt es auch dieses Leistungs- und Handelsbilanzdefizit zwischen den südeuropäischen Staaten und einem Exportstaat wie Deutschland, was man durch flexible Wechselkurse, d.h. Abwertung der Währung, in den Griff kriegen könnte. Wie können diese beiden Aspekte zusammengebracht werden?

 

Helga Zepp-LaRouche: Man muß natürlich, ehe man die Wechselkurse festlegt, eine Begradigung vornehmen, so daß man die Abwertung, die die Exportchancen dieser Länder verbessern würde, vorher macht. Und dann müssen die Wechselkurse eine gewisse Bandbreite haben, in der sich das bewegen kann, die aber sehr begrenzt sein muß.

Aber die viel wichtigere Frage ist, daß man erst mal die Gesamtwirtschaftskraft eines Landes feststellen muß und damit zu der Bemessung der Währung kommt.

Das ist natürlich vollkommen gebunden an die physische Wirtschaft, an den Vektor der Entwicklung und die Zukunftsaussichten, die dieses Land dann mit diesem Kurs einschlägt. Wenn ein Land sehr auf hohe Energieflußdichten setzt, auf Dinge, die insgesamt die Produktivität der Wirtschaft verbessern, hat das einen höheren Wert als ein Land, das beschließt, völlig grün sein zu wollen und meinethalben nur Parks haben will.

Das ist ja das Tolle an diesem Begriff der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte, den LaRouche entwickelt hat. Man muß davon ausgehen, daß die natürlichen Ressourcen an jeder Stelle in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte immer an eine absolute Grenze kommen - d.h. nicht, wo es eine Erschöpfung gibt, aber wo die Erschließung der Rohstoffe mit der [existierenden] Technik einfach nicht mehr wirtschaftlich ist. Der Begriff der Wirtschaftlichkeit ist also ganz wichtig - daß eine qualitative Steigerung absolut notwendig ist, wenn die Menschheit weiterbestehen will. D.h. die Notwendigkeit des Fortschritts ist ein Teil des Naturgesetzes.

Das heißt, daß man Technologien und auch ganze Industriezweige danach bemessen kann, ob sie diesem Fortschritt der Menschheit, der langfristigen Möglichkeit der Fortexistenz der Menschheit förderlich sind, oder ob es eher in eine andere Richtung geht. Und das ist zum ersten Mal möglich mit diesem Begriff der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte, die immer steigen muß, d.h., wenn sie nicht steigt, dann kommt es zu einem ökologischen, zivilisatorischen, biologischen Kollaps.

Ein wissenschaftliches Kriterium für gut und böse

Damit ist zum ersten Mal in der Geschichte ein wissenschaftlicher Begriff gefunden, womit man gut und böse realistisch festlegen kann. Bis zu dem Zeitpunkt war es ein metaphysischer Begriff oder ein moralischer Begriff. Aber wenn man das sich wirklich mal durchdenkt, dann ist natürlich für die menschliche Gattung die Existenz das allerwichtigste, denn wenn wir uns selber ausradieren durch unsere Narrheiten, dann ist es müßig, sich darüber zu unterhalten, was wir dann noch machen. Wenn niemand mehr da ist, um darüber zu diskutieren, dann erübrigt sich die Sache. Können wir uns vielleicht darauf einigen, daß die Existenz der Menschheit die erste Frage ist, die gelöst werden muß, weil alles andere danach absurd wird?

Wenn man sich dann darüber klar wird, wie diese Existenz langfristig, nachhaltig gesichert werden kann, dann ist gerade die Erweiterung der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte ein Muß. Und das bedeutet, daß man notwendigerweise die Produktivität und auch die Energieflußdichte im Produktionsprozeß erhöhen muß, d.h., die Arbeitsteilung muß weitergehen, die Bevölkerungszahl muß größer werden, was bedeutet, daß man die Wüsten wieder erschließen muß mit Bewässerung, Entsalzung, etc. Und wenn man sich das durchdacht hat, dann kann man z.B. bemessen, ob es sinnvoll ist, in eine Technologie zu investieren, oder eben nicht.

Und das ist einer der Gründe, warum wir sagen: „Grüne Jobs“ sind wirklich falsch, weil man dabei wirklich etwas an Kapazitäten zerstört und neutralisiert, was dringend in die andere Richtung gehen muß. Durch die Globalisierung sind wir sowieso schon in Bezug auf die industriellen und landwirtschaftlichen Kapazitäten, die heute notwendig wären, um die Weltbevölkerung auf einem menschenwürdigen Niveau zu ernähren, weit runtergekippt von dem, was eigentlich notwendig wäre. Das kann man an dem Welthunger sehen, der in den letzten vier Jahren von 800 Millionen auf 1,2 Milliarden [betroffene Menschen] gestiegen ist, man kann es an der zunehmenden Armut sehen, in der ganzen Welt, selbst in Deutschland, Kinderarmut, Armut generell. Wir müssen jetzt dringend einen qualitativen Sprung machen, und der kann nur durch einen Wissenschaftsmotor kommen. Und wo der Wissenschaftsmotor am meisten greift, ist die Raumfahrt, weil wir da gezwungen sind, Dinge zu lösen, die wirklich einen qualitativen Fortschritt bedeuten.

Ich denke, daß die Bestimmung eines Wechselkurses von all diesen Faktoren abhängt. Es ist nicht einfach nur eine monetaristische, willkürliche Beschreibung – „du bist mit deiner Drachme jetzt so und soviel wert“ -, sondern wir müssen den Vektor der Entwicklung von diesem Standpunkt berücksichtigen.

Und darin liegt dann die Souveränität, denn eine Regierung hat natürlich Freiheitsgrade, es kann ja sein, daß einige Leute wirklich „grün“ sein wollen. Dann müssen sie aber auch akzeptieren, daß sie dann in diesem neuen Bemessungsspektrum einen anderen Platz haben.

 

Moderator: Es sind einige Fragen gekommen an Jacques Cheminade, und eigentlich drehen sich alle um das Thema: Wie soll das deutsch-französische Verhältnis der Zukunft aussehen? Einige erwähnen, daß Roosevelt in seinen ersten 100 Tagen im Amt einen fundamental neuen Kurs eingeschlagen habe, und fragen, was Cheminades Aktionen in den ersten 100 Tagen wären... Jemand anderes fragt: Wie wahrscheinlich ist es, daß Deutschland und Frankreich in naher Zukunft an einem Strang ziehen und aus dem Euro austreten? Dann gibt es noch eine Frage: Herr Cheminade, worin liegt Ihrer Ansicht nach die Wichtigkeit der deutsch-französischen Beziehungen für das zukünftige, mehr oder weniger vom Einfluß der Oligarchie befreite Europa? Wie gewichten Sie den Deutsch-Französischen Vertrag [von 1963] für dieses zukünftige Europa? Schließlich gibt es noch einen Fragesteller aus Brüssel, einen Anführer und ehemaligen Kandidaten einer belgischen Partei. Er erklärt den Zustand Europas heute, daß wir sehr oligarchisch geprägt sind, daß eine kleine Elite all den Reichtum in ihren Händen konzentriert, und er fragt dann: Wie kann man dagegen ankämpfen? Es wird ein harter Kampf, dessen ist er sich bewußt, aber was ist die schwache Flanke, wo man diese Leute angreifen kann?

 

Jacques Cheminade: Ich denke, das beste für das deutsch-französische Bündnis wäre es, der Zukunft der Menschheit gemeinsam etwas zu schenken - zusammen mit China, Indien, Rußland und den Vereinigten Staaten. Und das wird ein neues Kreditsystem für die gegenseitige wirtschaftliche Entwicklung sein. Das wesentliche dabei ist: Was derzeit in den Vereinigten Staaten geschieht, das wird darüber entscheiden, was in der übrigen Welt geschieht.

Wir selbst sollten unser Verhalten und Denken verbessern. Und das bedeutet, in den Begriffen eines Raumfahrtprogramms zu denken, und diese Dinge zu stoppen, die in Europa geschehen - nicht nur in Europa, aber oft in Europa. Hier wissen die Menschen eine Menge und diskutieren viel über Ideen. Aber wenn man über Ideen nur diskutiert, geht man nicht weit genug. Und wenn man die französische und die deutsche Kultur als etwas gegebenes betrachtet, dann geht man nicht weit genug.

Das Geschenk für die Zukunft ist, zu einem Zweck und Ziel zusammenzuarbeiten. Das sollte zwischen den Nationen genauso geschehen wie zwischen den Individuen. Wenn man über Ideen diskutiert, wird es meist schnell langweilig, und die Menschen versuchen dann, für sich selbst zu sprechen oder eine „Ego-Show“ abzuziehen. Aber wenn man auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten kann - und ich nehme an, wir alle hier haben erlebt, was das bedeutet -, dann ist es eine Freude, miteinander zu kommunizieren, das beste, was man zum Vorteil des anderen beitragen kann. Denn dann teilt man etwas, für einen Zweck! Und das Schönste daran ist nicht die Vollkommenheit des Resultats, sondern der Weg zu dieser Vervollkommnung.

Das ist die Idee des Raumfahrtprogramms: Der Weltraum ist da, und wir sollten dorthin gehen, um das beste untereinander zu vergleichen. Die Europäische Weltraumbehörde [ESA] ist eine Katastrophe, ein Witz. Sie ist so schlimm wie die Europäische Zentralbank - sie ist nur ein anderer Ausdruck der gleichen Sache.

Es gibt also zwei Dinge. Wir sollten, wie unsere amerikanischen Freunde, die im „Basement“ [dem Wissenschaftsteam der LaRouche-Jugendbewegung] arbeiten, mit dem Gefühl einer Mission darauf hinarbeiten, etwas zu erreichen, sowohl im politischen Bereich, als auch in der Wissenschaft und in der Kunst. Wenn man selbst an seine Grenzen stößt und mit anderen zusammenarbeitet, die an ihre Grenzen stoßen, nicht weil es schön ist, sondern um etwas Gutes für die Menschheit zu erreichen: dann ist man Mensch.

Durch eure jeweiligen Besonderheiten - die deutsche Sprache, die französische Sprache, die Kulturen, die Errungenschaften - ist man plötzlich in seiner eigenen Kultur, seiner eigenen Sprache erleuchtet und erhoben durch das, was man in den anderen sieht, und vor allem durch das, was man von den anderen hört - für den Franzosen etwa in der Frage der Musik. Vergeßt die „harte“ Version, das ist Messiaen, und die „weiche“ Version, das ist Fauré oder Poulenc. [Lachen.] Manchmal sind die weichen Sachen wie Klebstoff - es klebt an einem, und das ist dann noch schlimmer als Gewalt.

Wenn wir unsere Kulturen miteinander vergleichen, in der Absicht, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, dann nehmen wir das Beste unserer jeweiligen Kulturen und betrachten einander: Dann kann ein Wunder geschehen. Dann machen die Franzosen Witze über die französische Ideologie und die Deutschen Witze über die deutsche Ideologie, und nicht umgekehrt! Wenn die Deutschen Witze über die französische Ideologie machen, und die Franzosen Witze über die deutsche Ideologie, dann funktioniert es nicht! [Lachen.] Aber wenn man mit Freude sieht, was die anderen erreichen, dann sieht man sich selbst mit seinen Grenzen, und man kann darüber lachen. Und wenn man über diese Grenzen lacht, dann kann man sie auch überwinden. Das ist Ironie.

Ein paar Leute haben vor einigen Jahrzehnten gesagt, was Europa am meisten fehle, sei die Idee der Glückseligkeit. Das ist wahr, wenn man es vom Standpunkt des amerikanischen Denkens - des „Strebens nach Glückseligkeit“ [Formulierung in der US-Verfassung] - betrachtet. Glückseligkeit in diesem Sinne ist nicht das, was der Anhänger eines Fußballteams oder eines Rockstars empfindet. Glückseligkeit ist es, wiederzuerkennen, wie das Universum arbeitet: Wie ich mich selbst in diesem Universum sehe, wie ich bestimmte Prinzipien des Universums verstehen kann, und wie ich andere zu ihrem Besten und zum Besten der kommenden Generationen dazu bringen kann. Aber dafür sollten wir viel zusammenarbeiten, mit etwas, was absolut notwendig ist, um dieses Streben nach Glückseligkeit zu erreichen, und das ist das Prinzip der Ironie, das uns sogar noch viel mehr fehlt als das Streben nach Glückseligkeit.

Mit dieser Ironie können wir uns den etablierten Mächten stellen, den bestehenden Fürsten und Mächten, uns über sie lustig machen. Wenn Sie LaRouche betrachten und die Art, wie er redet, die Art, wie er gestikuliert, wenn er redet, dann müssen Sie immer die Leute vor Augen haben, die er angreift, und wie sie reagieren, wenn sie sehen, daß man in dieser Weise über sie lachen kann. Rabelais, der französische Schriftsteller, sagt, daß das wahre Lachen eine Zurückweisung oder ein Zurechtstutzen ungerechtfertigten Respekts darstellt.

Das ist meines Erachtens ein Teil unserer bevorstehenden Aufgabe bei unserer Arbeit insgesamt, mit dieser Ironie den Geist der anderen zu erreichen und einen höheren Zweck des Lebens einzuführen - eine Veränderung, damit wir gemeinsam über unser bisheriges Leben lachen und über unser künftiges Leben nachdenken können. Und das ist der Punkt, wo die französische und die deutsche Kultur zusammenfinden.

 

Moderator: Die Frage, die jetzt zum Schluß kommt, resultiert aus einer Konferenz, bei der wir waren, einer Armutskonferenz in Potsdam. Die wollte ich gerne zusammentragen mit anderen Fragen hier aus dem Raum, wo eigentlich überall klar wird: Es ist ein Verlangen nach einer optimistischen Zukunftsperspektive da, gerade bei den jungen Leuten. Aber was soll diese Zukunftsperspektive sein?

Die Frage lautet: „Ich besuchte am 21. Juni den Sozialkongreß in Brandenburg in Potsdam anläßlich der Nationalen Armutskonferenz. Obwohl sich während der Podiumsdiskussion vieles um die Frage der Umverteilung drehte, waren alle, vom Regierungsvertreter bis zum Sozialarbeiter, begeistert, als es um die Frage eines Trennbankensystems ging. Natürlich lag das auch daran, daß die Kontrolle über die internationalen Finanzmärkte im Abschlußkommuniqué des Kongresses ausdrücklich gefordert wurde.

Auf diesem Kongreß wurden uns zahlreiche Fragen gestellt, und ich möchte sie hier stellen: Dazu werde ich auf die Grundaxiome eingehen und die zwei Fragen zusammenfassen. Erstens: Bei der ganzen Debatte über die Umverteilung von Geld oder die Einführung von Mindestlöhnen wird vergessen, die Frage zu beantworten: Was sollen wir machen, wenn jeder genug Geld hat? Wie soll es dann weitergehen, was sollte dann die Aufgabe der Menschheit sein? Oder, anders gesagt: Es fehlt an einer Konzeption, wie eine Gesellschaft ohne Armut überhaupt aussehen soll - gerade so, als habe man sich eigentlich schon mit dem Faktor Armut abgefunden und versucht nur noch, die Auswirkungen zu behandeln statt der Ursache. Also, wie stellen Sie sich eine Gesellschaft ohne Armut vor, und ist das überhaupt möglich? Zum zweiten: Was sind Ihre konkreten Schritte, um die Menschen aus der Armut zu holen, und wie lange würde das dauern?“

Diese Grundfrage - wie sieht eine Gesellschaft ohne Armut aus - geht einher mit anderen Fragen, die von hier im Saal kommen, aber auch aus ganz Deutschland und Frankreich: Wie soll ein neues System aussehen? Manche äußern Bedenken: Wie soll das mit Roosevelt klappen? Der New Deal wurde auch angegriffen, der New Deal wurde komplett auseinander genommen. Brauchen wir nicht ein neues Gesellschaftssystem? Andere fragen - noch mal an Jacques, er hat über die Notwendigkeit der Raumfahrt gesprochen: Warum ist das Programm der Raumfahrt so notwendig? Denn er sprach davon, daß das der Bevölkerung Hoffnung, Optimismus und Kampfgeist gibt.

Ich würde damit Helga bitten, ein Schlußwort zu sprechen um diese Frage: Wie soll die Zukunft aussehen?

 

Helga Zepp-LaRouche: Ich denke, daß die Überwindung der Armut eigentlich die Frage ist, ob wir als Menschheit die moralische Fähigkeit haben, zu überleben. Es ist jetzt ein Zustand erreicht, wo ein Drittel der Menschheit jeden Tag hungert und ein Drittel nicht genug hat, und eigentlich nur etwa eine Milliarde gut lebt. Und das kann es ja wohl nicht sein!

Ich würde sagen, der allererste Schritt, auf den sich das neue Weltfinanzsystem, das eben kein monetäres System mehr sein darf, verpflichten muß, ist, den Welthunger und die Weltarmut zu beseitigen.

Und wenn ich Welthunger und Welthunger sage, dann meine ich auch Afrika, dann meine ich auch Asien, Lateinamerika, aber natürlich auch die Armut bei uns. Ich glaube, Papst Johannes Paul II. einmal auf einer Afrika-Reise gesagt: Wenn die Menschen keine Wohnung haben und nur hinter ein paar Pappschildern leben, und vielleicht eine Mahlzeit am Tag gerade so essen können, dann kann man von Menschenwürde gar nicht reden.

Deshalb meine ich mit dem Bereitstellen von ausreichenden Mitteln, daß jeder Mensch, jede Familie eine Wohnung hat, die groß genug sein muß, daß Kinder auch lernen können, studieren können, genug Mittel da sind, um sich bilden zu können.

Es muß genug da sein, um eine wirkliche Gesundheitsversorgung zu haben, möglichst eine Präventivmedizin, die darauf gerichtet ist, das menschliche Leben so lebenswert wie möglich zu gestalten durch Vorsorge. D.h., es gibt einen gewissen Mindeststandard, der eigentlich in Deutschland mal zum Sozialstaat gehört hat, den wir für die ganze Welt brauchen.

Und da ist kein Kompromiß zu machen, denn die Idee, daß immer ein Teil der Menschheit, meinethalben im Europa und in Amerika und Japan, irgendwie gut lebt und die Dritte Welt immer in Armut bleibt: Das ist ein Gedanke, der mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren ist. Wenn irgendwo auf diesem Erdenrund - noch sind wir ja nicht auf dem Mond oder auf dem Mars - ein Mensch leidet, dann ist eigentlich die Menschenwürde der ganzen Menschheit beschädigt. Und wenn man nicht so denkt, dann ist man nicht menschlich. Es sollte uns eigentlich ein wichtiger Punkt sein, daß wenn irgendwo auch nur ein Mensch durch einen Mangel an materiellen Mitteln in unwürdigem Zustand lebt, daß muß es jeder Mensch zu seinem Belang machen muß, das zu überwinden.

Und das ist gar nicht schwer. Wie einfach wäre das! Mein Mann hat 1975 den Vorschlag der Internationalen Entwicklungsbank IDB entwickelt. Das war damals die Idee, pro Jahr 400 Mrd. - damals noch D-Mark - als Technologietransfer für wohldefinierte Entwicklungsprogramme zur Verfügung zu stellen. Das war 1975, das ist inzwischen 35 Jahre her. Hätte man das 35 Jahre lang gemacht und etwas aufgebaut, die Armut wäre schon weg...

Wir haben vorhin öfters gesagt, wir sind in einem Notfall. Wir sind in einem Notfall der Zivilisation, d.h., man müßte jetzt vorgehen wie im Notfall und ein Crashprogramm machen.

Ein Crashprogramm würde bedeuten: Man denkt nicht an Geld, sondern man stellt soviel Mittel zur Verfügung, wie man braucht, um eine Aufgabe zu lösen. Okay, man braucht vielleicht eine gewisse Phase, wo man Technologien in der Landwirtschaft vermittelt. Vielleicht braucht man ein Jahr, bis der Welthunger weg ist. Aber ich glaube nicht, daß es legitim ist, diesen Zustand noch mehr als ein Jahr lang zu dulden.

Gerade nach den Hungerskatastrophen - ich glaube, das war im September, im Herbst 2008, als diese Spekulation war und dann Nahrungsmittelknappheit war - haben einige afrikanische Länder beschlossen, die Nahrungsmittelproduktion massiv zu erhöhen. Ich hatte damals diesen Aufruf zur Verdoppelung der landwirtschaftlichen Produktion weltweit geschrieben, und dann gab es einige Länder - Senegal z.B. hat die landwirtschaftliche Produktion in einem Jahr um 80% erhöht, ich glaube Guinea-Bissau um 240%.

Das heißt: Wenn der politische Wille da wäre, wäre das ganz, ganz einfach zu machen. Es fehlt nur am politischen Willen, an nichts anderem. Denn man hat ja jetzt gesehen: Für verzockte Banken hat man erst 750 Milliarden und dann noch mal, also insgesamt zweistellige Billionenzahlen einfach mal so herausgeschmissen. Wenn man das kann, dann kann mir kein Mensch erzählen, warum man nicht ähnliche Beträge in Gang setzen könnte, um wirklich in einem Crashprogramm die Armut zu überwinden.

Und die Armut würde man nicht überwinden durch Umverteilen - obwohl natürlich einige Auswüchse da durchaus geändert werden könnten durch eine entsprechende Steuergesetzgebung. Es braucht niemand Multimilliardär zu sein, das ist einfach verrückt, da würde ich eine so drastische Steuer erheben, daß sich das auf ein gesundes Maß zurück entwickelt, und zwar schnell. [Applaus.]

Aber das ist letztlich nicht der wichtige Punkt. Das wichtige ist, daß der Kuchen größer gebacken wird! D.h., wir müssen im Grunde die Fehlentwicklung, die in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat, die nachindustrielle Utopie - daß man angeblich keine Industrie mehr braucht, daß man nur noch Dienstleistungen macht, daß man Arbeitsplätze schafft durch Feinstaubzonen - all dieser Quatsch, der wirklich Reichtum zerstört hat: das muß man in gewisser Weise einfrieren und wirklich ein Crashprogramm machen für eine zukunftsorientierte Industriegesellschaft.

Und das heißt zuerst einmal Infrastruktur. Die deutschen Autobahnen sind streckenweise schon schlimmer als die in der DDR in der Endphase - wenn man sich erinnert an diese Huppel, die man immer überfahren mußte: Das ist heute auf vielen Autobahnen so...

Ich habe das mal für den Wahlkampf 2005 berechnet: Wenn wir zu einer produktiven Vollbeschäftigung in Deutschland zurückkommen wollen, dann muß man natürlich überlegen: Wie viele Arbeitsplätze muß man schaffen? Wieviel kosten diese Arbeitsplätze? Ich habe damals „über den Daumen gepeilt“ Arbeitsplätze im Bausektor genommen, denn das ist so ein Mittelding, da kostet ein neuer Arbeitsplatz ungefähr 12.000 Euro. Wenn man produktive Vollbeschäftigung haben will, muß man Investitionen so machen, daß das dabei herauskommt, und ich bin damals als Annäherung - wie gesagt, das ist jetzt keine endgültige Zahl, aber als Annäherung - auf 200 Mrd. Euro pro Jahr gekommen; man könnte auch sagen, 400 Mrd. D-Mark. Das ist nach oben variabel, das ist jetzt kein Festbetrag; einfach, daß man sagt: Wir machen jetzt Investitionen in alle Bereiche, in die man auch investieren würde, wenn die Wirtschaft boomen würde und es uns total gut ginge.

Ich würde sofort 10% des Haushaltes in Grundlagenforschung investieren, denn das sind die Wachstumsgebiete, aus denen dann der zukünftige Produktivitätszuwachs kommt, Infrastruktur und natürlich Höherqualifizierung der Arbeitskräfte, denn das ist natürlich das andere Problem, daß gerade viele Jugendliche überhaupt nicht einstellbar sind.

Das ist nicht nur ein Problem in Amerika, das ist ein Problem in ganz Europa, auch in Deutschland. Wir haben viele mittelständische Kontakte, die wirklich sagen, die Schüler, die von den Schulen kommen, sind lebensuntüchtig, weil sie einfach nicht gelernt haben zu lernen. Sie haben keine Methode gelernt, wie man lernt.

Auch diese ganzen neuen Studienlehrgänge, Masters und Bachelors, da ist von der Humboldtschen Idee überhaupt nichts übrig geblieben. Man müßte Bachelor und Master rausschmeißen und Humboldt wieder hereinholen. Wir brauchen eine dritte Lehrerprüfung, denn die müssen sich auch qualifizieren, daß sie das überhaupt können.

Also wie gesagt: Ich würde wirklich dafür sorgen, so schnell wie möglich zu einer produktiven Vollbeschäftigung zu kommen, weil einfach so viel im Argen liegt, daß das relativ schnell möglich wäre.

Und wenn man gleichzeitig diesen Grundsatz berücksichtigt, daß die wirkliche Quelle des gesellschaftlichen Reichtums das kreative Potential der Bevölkerung ist, dann ist vollkommen klar, wie man die Weichen stellen würde: Alle Jobs, die die kognitiven Fähigkeiten herabmindern, solche Wahnsinnssachen wie Ein-Euro-Jobs oder Make-work, wo man einfach nur Arbeitsplätze macht, damit die Leute irgendwie beschäftigt sind - das muß alles weg.

Man muß für Deutschland dasselbe machen, was auch der Roosevelt gemacht hat mit dem Ausbildungsprogramm für die Jugendlichen CCC (Civilian Conservation Corps), wo man Projekte definiert, und dann eine Kombination von ausgebildeten Arbeitskräften, Ingenieuren - Leuten, die das pädagogisch können -, die während des Projektes die Leute anlernen und in gewisser Weise durch die gemeinsame Mission auch die Motivation schaffen. Denn ein Jugendlicher, der keine Zukunft hat, weil er keinen Job kriegen wird, warum soll der etwas lernen, wenn die ganze Umgebung so ist, daß sie das nicht befördert?

Dagegen sollte man sagen: Wir haben eine europäische Mission, auch als besonderes Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich - wobei wir aber nicht exklusiv sind, sondern Italien und andere Länder miteinbeziehen -, und machen ein Crash-Programm, um Afrika aus dieser unverschuldeten Armut zu befreien, innerhalb kürzester Zeit ein Programm mit neuen Städten, Infrastruktur, Industrialisierung und vor allen Dingen Modernisierung der Landwirtschaft. Und da werden wir junge Leute genauso einbeziehen wie in die Raumfahrt. Und dann sagt man, daß die nächste Stufe der Entwicklung der Menschheit die Idee ist, daß wir in drei, vier Generationen nicht nur Mond und Mars besiedeln können, sondern andere Planeten, Asteroide, um uns überhaupt im Raum einzurichten. Rußland hat gerade beschlossen, wirklich diesen Kosmodrom [in der Amur-Region] zu bauen, der auf unserer Kiedricher Konferenz 2007 vorgestellt wurde. Dort sollen 35.000 Menschen leben, praktisch als Training für die Raumfahrt.

D.h., einige Regierungen machen das schon. Wir sollten mit diesen Ländern zusammenarbeiten und junge Leute ausbilden, daß sie Astronauten werden können. Das ist der Krafft Ehrickesche Begriff des „extraterrestrischen Imperativs“, daß man nicht mehr aussteigt, weil man „null Bock hat“, sondern man will einsteigen, und zwar ins Raumschiff, weil es viel mehr Spaß macht, neue Horizonte zu durchbrechen und damit tatsächlich die Entwicklung der Menschheit nach vorne zu bringen.

Und das Gute ist ja, daß diese Investitionen nicht den Bedürfnissen auf der Erde fehlen, denn man hat festgestellt, daß beim Apollo-Programm der zivile wirtschaftliche Nutzen 14mal so hoch war wie die Kosten dieser Programme. D.h., indem wir die Probleme des Weltalls oder der Weltraumbesiedelung lösen, fallen viele Nebenprodukte ab, die die Probleme hier auf der Erde lösen - von Krankheiten wie Osteoporose, Klimafragen bis zu Landwirtschaft unter bestimmten Bedingungen in einer künstlichen Umgebung.

Die Idee, daß man entweder das eine oder das andere macht, ist also völlig falsch, sondern in dem Augenblick, wo wir als menschliche Gattung sagen, wir reagieren auf diese größte Krise, indem wir wirklich eine Renaissance machen, lösen wir beide Probleme gleichzeitig.

Und das ist im Grunde die beste Weise, wie wir so unwürdige Probleme wie die Armut am schnellsten in den Griff kriegen.

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