Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Neue Solidarität
Nr. 9, 3. März 2010

Ein Wort von Cervantes

Niemand eignet sich besser, das britische Spiel mit den Brasilianern unter den geeigneten Blickwinkel zu bringen, als Miguel Cervantes. Im 42. Kapitel des Zweiten Buchs von Cervantes’ Klassiker Don Quichotte vergnügen sich der Herzog und die Herzogin mit ihrem Spielzeug - dem verwirrten Don Quixote und seinem Knappen Sancho Panza -, indem sie vorgeben, letzterem die Herrschaft über eine ihrer Inseln zu gestatten (zitiert nach: Der sinnreiche Don Quijote von der Mancha, Zweites Buch, Winkler, Düsseldorf 2000):

„Der Herzog und die Herzogin fanden solches Vergnügen an dem Ausgang des Abenteuers mit der Schmerzenreich, daß sie sich vornahmen, noch mehr Possenstreiche zu spielen; sie sahen, daß sie die rechten Leute dazu hatten, die Spaße für Ernst zu nehmen. Nachdem sie daher ihren Plan entworfen sowie ihren Dienern und Untertanen Anweisungen erteilt hatten, wie sie sich gegenüber Sancho bei dessen Statthalterschaft über die versprochene Insul verhalten sollten, sagte der Herzog zu Sancho am Tage nach der Luftfahrt des Holzzapferich, er möge sich zurechtmachen und herrichten, um die Reise zu seinem Statthalterposten anzutreten, denn seine Insulaner erwarteten ihn bereits sehnlich wie einen Maienregen...

,Bedenkt, Freund Sancho’, entgegnete der Herzog, ,ich kann keinem einen Teil vom Himmel geben, wäre er auch nicht größer als eines Nagels Breite; dem lieben Gott allein ist die Spendung solcher Gnaden und Hulden vorbehalten. Was ich zu geben vermag, geb ich Euch, nämlich eine echte rechte Insul, rund und gesund und in schönster Ordnung und über die Maßen fruchtbar und ergiebig, allwo Ihr, wenn Ihr es am rechten Ende anzufangen wißt, nebst den Schätzen der Erde die des Himmels einheimsen könnt.’

,Wohlan’, versetzte Sancho, ,so mag denn die Insul nur herankommen; ich will mir alle Mühe geben, ein solcher Statthalter zu sein, daß ich allen Schelmen zu Trotz in den Himmel gelange; und dies tue ich nicht aus Gierde, meinen niederen Stand zu verlassen oder mich zu höherer Stufe zu erheben, sondern weil ich einmal versuchen möchte, wie es schmeckt, Statthalter zu sein’... ,Señor’, entgegnete Sancho, ,ich denke mir, es ist was Schönes, zu befehlen, wäre es auch nur über eine Herde Schafe’...“

Und nun, werter Leser, erlaube uns, dich von der Mancha des 17. Jahrhunderts in das London des 21. Jahrhunderts zu entführen. Anlaß ist der 5. November 2009, an dem ein moderner Herzog (der von Kent) einem wiedergeborenen Sancho (dem brasilianischen Präsidenten Lula) einen Preis verlieh, nicht für seine Statthalterschaft auf der Insel Barataria, sondern den genauso beeindruckenden Preis des Chatham House 2009 für Lulas „innovative und verantwortungsbewußte Wirtschaftspolitik unter Bewahrung des finanziellen Gleichgewichts“. Und höre, wenn du magst, zusammen mit uns den Kommentar, den der Associate Fellow des Chatham House und führende britische Brasilienexperte Professor Bulmer-Thomas für diesen Anlaß verfaßte:

„Brasilien steht jetzt an der Spitze der wichtigsten internationalen Fragen, und ein Großteil des Verdienstes dafür gebührt dem Gewinner des diesjährigen Chatham-House-Preises. Die Vergabe der Olympischen Spiele des Jahres 2016 an Rio de Janeiro ist ein zusätzliches Sahnehäubchen auf den Kuchen... Brasiliens Anspruch auf eine internationale Führungsrolle mußte wegen einer Kombination aus nach innen gerichteter Entwicklung, Militärregierung und Hyperinflation lange vertagt werden. Erst seit Mitte der neunziger Jahre, als Brasilien die Inflation endgültig gestoppt hatte, seine Wirtschaft öffnete und die Demokratie konsolidierte, konnte es wieder eine globale Rolle ins Auge fassen.

Anspruch ist eine Sache und Ausführung eine andere. Der Kampf um einen Platz am Tisch der Großen ist nicht einfach... (Brasilien) wird dafür arbeiten, die Welt von Atomwaffen zu befreien, es wird sich bei den Verhandlungen über den Klimawandel konstruktiv verhalten...

Wie andere Anwärter wird Brasilien keinen Dauerplatz bekommen, ohne eine lange Lehrzeit im Club der reichen Länder zu absolvieren.“

Eine Lehrzeit als Zauberlehrling? Als ob man so etwas noch lange brauchen kann oder wird.

dns/ggs