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Neue Solidarität
Nr. 11, 16. März 2011

Die geistigen Väter des „Wisconsin-Modells“

Arbeitnehmerrechte. Die Pläne zur Zerschlagung der Gewerkschaften sind nicht auf dem Mist von Gouverneur Walker gewachsen, sondern stammen von rechten Stiftungen. In deren Fußstapfen will jetzt auch die EU-Kommission treten.

Im Vorfeld des EU-Gipfels vom 11. März haben Mitarbeiter von Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratspräsident Herman van Rompuy einen Plan mit wirtschaftlichen Vorschlägen für die EU-Kommission ausgearbeitet. Mehr als die Hälfte des Dokuments betrifft Vorschläge für Lohnsenkungen, Abschaffung von Tarifvereinbarungen und Rentenkürzungen!

Unter dem Titel „Wettbewerbsfähigkeit stärken” wird gefordert, Tarifverhandlungen praktisch abzuschaffen. Man solle „die Methoden zur Festlegung der Löhne überprüfen, um Dezentralisierung im Verhandlungsprozeß zu fördern und die Indexierungen zu verbessern” sowie für „Lohnzurückhaltung im öffentlichen Sektor” sorgen. Das ist genau die Politik, gegen die sich in den USA in Wisconsin und anderen Bundesstaaten die Massenstreikbewegung formiert.

Unter dem Deckmantel der „Produktivitätssteigerung” wird gefordert, „geschützte Sektoren durch Maßnahmen auf nationaler Ebene zu öffnen..., um ungerechtfertigte Beschränkungen für Fachdienstleistungen, wie Quoten und Closed Shops [Firmen, die nur Gewerkschaftsmitglieder beschäftigen], zu beseitigen”. Zur „Beschäftigungsförderung ” fordert man Arbeitsmarktreformen für mehr „Flexibilität”, d.h. Lockerung des Kündigungsschutzes. Und für die „Nachhaltigkeit von Renten und Sozialleistungen” fordern die Planer eine Anhebung des Rentenalters, „Abbau von Plänen für Frühverrentung und gezielte Anreize für die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte und lebenslanges Lernen”. Der letztere Ausdruck ist bekanntlich eine Umschreibung dafür, daß niemand mehr Anspruch auf einen qualifizierten und gut bezahlten Vollzeitarbeitsplatz hat.

Wie wir bereits berichtet haben, laufen gerade in den USA massive Versuche, die Gewerkschaften auszuhebeln und die bisherigen Tarifverträge abzuschaffen. Der Vorstoß des neugewählten Gouverneurs Scott Walker in Wisconsin, mit seiner republikanischen Mehrheit im Landtag den Landesbediensteten das Recht auf Tarifverhandlungen abzusprechen, hat massive Proteste ausgelöst, die schon seit Wochen anhalten.

Hinter diesem Vorstoß Walkers zur Ausschaltung der Gewerkschaften steht ein klar abgrenzbares Netzwerk von der Wallstreet finanzierter, rechter Stiftungen, die seit Jahren darauf hinarbeiten, die letzten Hinterlassenschaften von Franklin Roosevelts New Deal zu beseitigen. Walker hat sich seinen Plan zur Zerschlagung der Gewerkschaften nicht selbst ausgedacht, man hat ihm vielmehr, als er ins Amt kam, ein Drehbuch in die Hand gedrückt, dem er seither treu folgt.

Dieses Drehbuch kam direkt aus einem Netz von Stiftungen und Denkfabriken, die gegründet wurden, um die aus dem alten Habsburgerreich hervorgegangene „Österreichische Schule der Ökonomie“ zu propagieren - ein Gegenentwurf zum „Amerikanischen System“, wie es der erste amerikanische Finanzminister Alexander Hamilton, Friedrich List, Henry Carey und Präsidenten wie Abraham Lincoln und William McKinley vertraten.

Verfaßt wurde Walkers Drehbuch von der Lobbygruppe American Legislative Exchange Council (ALEC), die nach der Wahl im November 2011 Treffen mit Walker und mit mehreren republikanischen Gouverneuren aus dem Süden der USA organisierte. Bei diesen Treffen entstand der Plan, Wisconsin zu einem Bundesstaat mit „Recht auf Arbeit“ zu machen - eine Wortverdrehung, die bedeutet, Arbeitnehmer ohne Tarifverträge zu möglichst schlecht bezahlter Arbeit zu zwingen. (So als habe man Hartz-4 nur eingeführt, um den betroffenen das „Recht auf Arbeit“ zu sichern.) Die Gewerkschaften als Hindernis sollen ausgeschaltet werden - zuerst die des öffentlichen Dienstes, dann auch die des privaten Sektors. Ähnliche Initiativen laufen inzwischen in 37 der 50 US-Bundesstaaten.

ALEC wird von den „großen Drei“ unter den rechtsextremen Stiftungen finanziert: Scaife-, Olin- und Bradley-Stiftung. Die Gruppe erhält auch großzügige Unterstützung von der Familie Koch, Besitzer des gleichnamigen riesigen Energie- und Industriekonzerns. (Zum früheren hessischen Ministerpräsidenten, der in seiner Amtzeit das „Wisconsin-Modell“ propagierte, besteht aber wohl nur eine geistige Verwandtschaft.) Sie arbeiten seit Jahrzehnten gegen die Gewerkschaften und propagieren die Privatisierung oder „Auslagerung“ staatlicher Dienstleistungen.

Walker stellte sich von Anfang an mitten in dieses Netzwerk. Die Koch-Brüder David und Charles gehörten zu den größten finanziellen Unterstützern seines Wahlkampfs für das Gouverneursamt. Ein Internet-Blogger, der sich als David Koch ausgab, hatte keine Probleme, sich zu Walker telefonisch durchstellen zu lassen. Walker verbrachte 20 Minuten am Telefon mit diesem falschen „Koch“ und prahlte, er werde in wenigen Tagen „eine Bombe auf die Gewerkschaften abwerfen“, und er verglich sein Vorgehen mit Präsident Reagans Vorgehen gegen den Streik der Fluglotsen 1981.

Schon vor Jahren gaben die Koch-Brüder das Geld für die Gründung des „libertären“ CATO-Instituts und der „Bürger für eine solide Wirtschaft“, die später in „FreedomWorks“ und „Amerikaner für Prosperität“ umfirmierten und zu den wichtigsten Manipulatoren der Tea-Party-Bewegung gehören. Dieses Netzwerk organisierte Busladungen von Gegendemonstranten, die Walkers Maßnahmen zur Zerschlagung der Gewerkschaften unterstützten, als Hunderttausend amerikanische Bürger vor und im Landtag von Wisconsin gegen dessen Politik protestierten.

Daß Michael W. Greb, der Präsident und Vorstandschef der Bradley-Stiftung, Walkers Übergangsteam leitete, rundet das Bild ab. In Wisconsin sitzen die Strippenzieher nicht weit weg von ihren Marionetten.

alh

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Weltweite Massenstreikbewegung erfaßt die Vereinigten Staaten und Deutschland
- Neue Solidarität 10/2011
Massenproteste weiten sich auf die ganzen USA aus
- Neue Solidarität 10/2011
Koch und das "Wisconsin-Modell"
- Neue Solidarität 33/2001