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Neue Solidarität
Nr. 32, 10. August 2011

Trennbankensystem statt Rettungspakete!

Von Stefan Tolksdorf, Spitzenkandidat der BüSo für die Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September

Das gesamte Weltfinanz- und -wirtschaftssystem stürzt vor unseren Augen in sich zusammen. Innerhalb von etwas mehr als einer Woche haben sich fünf Billionen Dollar an den einbrechenden Aktienmärkten in Luft aufgelöst. Das entspricht dem Wert der gesamten Jahresproduktion des Hochindustrielandes Japan. Währenddessen verhungern in Afrika Millionen Menschen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs können mit all ihren dringenden Telefonaten, Krisensitzungen, abgebrochenen Urlausbsreisen und Sondergipfeln längst nicht mehr den Anschein erwecken, sie seien noch Herr der Lage. Der Kollaps, vor dem die BüSo lange gewarnt hat, spielt sich gerade vor unser aller Augen ab, und es ist absolut möglich, daß die Welt zum Zeitpunkt der Abgeordnetenhauswahl in Berlin bereits in Chaos oder Hyperinflation versunken sein wird.

Es könnte aber auch sein, daß das Glass-Steagall-Gesetz in den USA bis dahin wiederhergestellt ist. Der wichtigste Schritt für die Einführung eines weltweiten Trennbankensystems wäre damit getan, kurz: die Möglichkeit wäre geschaffen, die gigantischen Mengen toxischer Schuldtitel aus dem Finanzsystem zu löschen. Das gescheiterte monetäre System könnte in kürzester Zeit einem Kreditsystem weichen.

Und nur in einem solchen internationalen Kontext kann auch Berlin wieder eine Zukunft haben. Den Wählern in der Stadt etwas anderes vorzumachen, wäre gelogen, fahrlässig und gefährlich. Sicher gibt es jede Menge lokaler Aufgaben und Probleme zu lösen, doch die unmögliche Verschuldung der Stadt erlaubt das einfach nicht. Man kann z.B. wunderbar über den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur streiten - doch ohne die entsprechenden Kreditmittel wird sich das nicht machen lassen.

Aber, sollte man solche großen Fragen überhaupt in einer Berliner Abgeordnetenhauswahl ansprechen? Ich denke schon. Immerhin erfüllt Berlin eine einzigartige Aufgabe in der Bundesrepublik: Die Stadt ist Gastgeberin der Bundesregierung. Und als guter Gastgeber schafft man seinen Gästen nicht nur eine angenehme Atmosphäre, sondern bringt ihnen auch hin und wieder mal Manieren bei - und manchmal muß man den Gästen auch mal den Weg zur Tür zeigen. Betrachtet man die gegenwärtige Bundesregierung, ist man eher an die Graf-Koks-Variante von Gästen erinnert, die zwar nie irgendwas zustande bekommen, aber dafür immer alles wissen und lange Reden darüber schwingen können.

Blicken wir noch einmal auf Berlin: 1989 wurde die Stadt für die Welt zum Symbol der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft. Die friedliche Revolution in Deutschland hatte Deutschland und Europa die Chance geboten, Entwicklung für die Welt als wichtigste Mission auf die Tagesordnung zu setzen. Angefangen mit der Modernisierung der Industrien auf dem Gebiet der ehemaligen DDR hätte gemeinsam mit den osteuropäischen Staaten und Rußland der Aufbau der Infrastruktur auf dem ganzen eurasischen Kontinent in Angriff genommen werden können. Indien und China wären bei diesem Vorhaben sichere Partner geworden. Doch der Traum der friedlichen Revolution von 1989 wurde Stück für Stück zum Albtraum.

Unter dem Diktat Thatchers, Mitterands und Bushs wurde Deutschland gezwungen, die eigene Souveränität aufzugeben. Eingeschnürt in das Korsett der Maastrichter Verträge, mußte Deutschland die D-Mark und nach und nach auch die Entscheidungsgewalt über die eigene Wirtschaftspolitik abgeben. Die gewollte Deindustrialisierung der neuen Bundesländer schuf auch für Berlin die schlimmen Zustände, unter denen der damalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin Ende 2002 erklären konnte, Berlin werde zehn Jahre lang hart sparen müssen, um das bloße Wachstum neuer Schulden bremsen zu können.

Nachdem sich der Bauboom von Büroflächen zu Spekulationszwecken als - wie soll es anders sein?! - Unsinn herausgestellt hatte, sollen nun Mode- und Fashion-Shows, Star-Köche und Fernsehsendungen Berlins Zukunft sein. Ähnlich wie in der „Einkaufsstadt” Essen oder der „Medienstadt” Leipzig, soll Berlin von seinem „Flair” leben. „Arm aber sexy”, hatte Klaus Wowereit das mal genannt.

Auch ohne den Ausbruch der lange reifenden weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise sähe die Lage heute hier nicht gut aus. Doch seit Milliarden und Abermilliarden an Rettungspaketen geschnürt werden, wird auch immer deutlicher, was Austeritäts- bzw. Sparpolitik wirklich bedeutet: Absenkung des Lebensstandards auf so brutale Art, daß jetzt in Griechenland zu Tränengas und Polizeigewalt gegriffen wird, weil die Sparmaßnahmen jedes erträgliche Maß überschreiten und von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert werden.

Auch die Gesetzgebung, die in den USA auf direktes Geheiß von Präsident Obama durchgepeitscht wurde, ist ein Beispiel dieser absolut gefährlichen Richtung der Politik: der US-Kongreß gibt seine eigene legislative Gewalt an ein Gremium von zwölf Personen ab, und die brutalen Einsparungen in Billionen(!)höhe, die mit der Heraufsetzung der Schuldenobergrenze einhergehen, werden in jedem Fall durchgesetzt - mit oder ohne Zustimmung der gewählten Volksvertreter, die zu den Beschlüssen der „Zwölf” lediglich ja oder nein sagen dürfen, ohne irgendwelche Änderungen vornehmen zu dürfen.

Auch in Berlin haben Arbeitslosigkeit, Verarmung und sozialer Verfall der Bevölkerung immer weiter zugenommen. Die soziale Lage in einigen Teilen der Stadt ist so schlimm, daß man nicht mehr viel Vorstellungsvermögen braucht, um sich auszumalen, wie ein finsteres Zeitalter aussieht. Berlin ist im Kleinen, und hier vor Ort für jeden sichtbar, ein gutes Abbild dessen, was mit der ganzen westlichen Welt geschehen ist.

Der Blick in die Vergangenheit und ein gutes Stück über den Berliner Tellerrand hinaus ist wichtig, denn weder sind die Probleme Berlins originär oder lokal einzigartig in dieser Stadt, noch wird man sie hier vor Ort „im Kleinen” lösen können.

Im Februar diesen Jahres veröffentliche eine US-Untersuchungskommission (FCIC) unter Leitung von Phil Angelides ihren Bericht über die Ursachen der Finanzkrise. Im April zogen die Senatoren Tom Coburn und Carl Levin mit dem Bericht ihres Untersuchungsausschusses im US-Senat nach. Beide zeigen, daß die Finanzkrise hätte vorhergesehen und verhindert werden können, und zeichnen die Schritte detailliert nach, durch die sich die Krise über viele Jahre hinweg entwickelte: grobes Versagen der Finanzaufsicht, exzessive Verschuldung, riskante Investitionen, mangelnde Transparenz, die zerstörerische Rolle der Ratingagenturen, außerbörsliche Derivatgeschäfte, Gier und der systemische Zusammenbruch von Verantwortlichkeit und ethischen Grundsätzen - die Liste dokumentierter Fehler und Vergehen ist lang.

Phil Angelides hat im FCIC-Bericht und seit seiner Veröffentlichung während vieler Buchvorstellungen und Interviews im Radio, Fernsehen und u.a. auch im Europaparlament betont, daß die jahrzehntelange stückweise Auflösung regulativer Standards 1999 in die vollständige Abschaffung des Trennbankensystems nach dem Glass-Steagall-Standard mündete, was das Weltwirtschafts- und finanzsystem in die absolute Katastrophe riß.

Nicht nur zeichnen sich alle im Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien dadurch aus, daß ihnen die Entstehung dieser Krise völlig entgangen ist, bisher hält auch keine einzige dieser Parteien eine Untersuchung der Ursachen der Krise für nötig. Ein Baden-Württemberger Vertreter dieser Klasse professioneller Politiker im Bundestag ging sogar soweit, im Gespräch mit mir die Untersuchung der Bankenpraktiken mit den Worten „Es gibt doch kein Verdachtsmoment!” abzulehnen.

Die BüSo hat vor der Krise gewarnt. Punkt. Und zwar schon lange und aus den richtigen Gründen. Um der sich inzwischen stündlich verschlimmernden Krise Herr werden zu können, muß der Glass-Steagall-Standard wieder eingeführt und damit ein effektives Trennbankensystem wieder hergestellt werden. Zwischen toxischen Finanzpapieren, die in der Größenordnung von Billiarden das Weltfinanzsystem verseuchen und solchen Finanzwerten, die mit der realen phyischen produktiven Wirtschaft und mit Anstand zusammenhängen, muß eine Brandmauer gezogen werden [siehe http://bueso.de/trennbankensystem].

Das fordern wir nicht allein. In den USA ist Glass-Steagall zur breiten Forderung geworden, und die Liste der Unterstützer im US-Repräsentantenhaus für das Gesetz zur Wiederherstellung von Glass-Steagall (HR 1489) wächst unter massivem Druck der Wählerbasis ständig an. Aber auch die Indignados-Bewegung, die empörten Jugendlichen Spaniens und Frankreichs, haben Glass-Steagall zur zentralen Forderung gemacht.

Das Trennbankensystem ist keine Formsache, sondern Ausdruck eines Prinzips. Bei jedem Wirtschaftssystem, das nicht auf der Entwicklung der Kreativität des Menschen als eigentlicher Quelle des Reichtums aufbaut, ist das Scheitern vorprogrammiert. Wert liegt nicht in Besitztümern, sondern in der Fähigkeit, immer neue Prinzipien des unbegrenzten Universums zu entdecken und anzuwenden und damit das Überleben des Menschen als Gattung langfristig zu sichern. Tiere, die diese Fähigkeit eben nicht haben, sind langfristig immer dem Aussterben geweiht, soviel wissen wir schon aus der Geschichte unseres Planeten.

Die Fähigkeit des Menschen, sich immer weiter zu verbessern, ist nicht begrenzt. Begrenzend für einige unserer lieben Gäste in Berlin ist lediglich das Brett vor dem eigenen Kopf oder die Leere darin. Sparpolitik in einer Zusammenbruchskrise führt zu Tränengas und Diktatur.

1971 kam es zu einer berühmten Debatte zwischen Lyndon LaRouche und Prof. Abba Lerner. Lerner war einer der bekanntesten Vertreter der Wirtschaftstheorie und -philosophie John Maynard Keynes’, während LaRouche das amerikanische System von Hamilton, Friedrich List und Franklin D. Roosevelt vertritt. Als LaRouche Lerner in der Debatte in die Ecke drängte, schockierte Lerner die versammelte Zuhörerschaft, indem er sagte: „Hätte die Bevölkerung die Politik Hjalmar Schachts akzeptiert, wäre Hitler gar nicht nötig gewesen.” Schachts Politik war Austerität: Sparpolitik weit über jede Schmerzgrenze hinaus. Die Folgen kennen wir, und nach 1945 sagten wir dazu ein klares „Nie wieder“!

Andere Parteien lassen sich von teuren PR-Agenturen nichtssagende Sprüche auf ihre Plakate bringen oder sehen den Wahlkampf in Berlin vielleicht lediglich als Sprungbrett in die Bundespolitik an (Frau Künast sagte ja schon der BILD die gruseligen Worte, „Kanzlerin kann ich auch”). Die BüSo hat ein Programm für den Aufbau der Wirtschaft und die Entwicklung der Welt. Ohne Trennbankensystem, ohne das Löschen von Billiarden an illegitimen Schuldtiteln aus dem Weltfinanzsystem wird es nicht möglich sein, Kredite für Investitionen in den Aufbau zu schaffen. Es wird ein sicherlich immer noch beachtlicher Teil realer Schulden verbleiben, um die sich auch gekümmert werden muß, aber vor allen Dingen muß die Richtung wieder die von Wachstum und Entwicklung sein. Nach 1945 hieß es „Nie wieder!” - heute bedeuten diese Worte „Trennbankensystem” und „Glass-Steagall”!

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Die Internetseite der BüSo Berlin