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Neue Solidarität
Nr. 44, 2. November 2011

Bald EU-Kolonialverwaltung für Griechenland?

Die brutale Sparpolitik, die Griechenland durch die berüchtigte Troika aufgezwungen wurde, ist nur ein Vorgeschmack für das Schicksal sämtlicher EU-Mitgliedstaaten, wenn nichts getan wird, um die Lage radikal zu verändern. Wie den Vordenkern des EU-Empires wohl bewußt ist, kann eine so drastische Senkung des Lebensstandards nur mit Polizeistaatsmethoden durchgesetzt werden. Und die Regierung unter Premierminister George Papandreou hat gezeigt, daß sie eine willige Marionette der Troika ist.

Nicht nur der Lebensstandard der Griechen ist auf ein Niveau abgesunken, wie man es seit den Tagen der Militärjunta, die zwischen 1967 und 1974 herrschte, nicht mehr erlebt hat, auch das Demonstrationsrecht der Bürger wird von der Regierung mit Methoden, die man zuletzt unter der Junta gesehen hat, brutal unterdrückt. Ein 48stündiger Generalstreik am 19./20. Oktober brachte am ersten Tag 500.000 und am zweiten Tag 100.000 Menschen auf die Straßen der Hauptstadt Athen. Beide Demonstrationen wurden von der sogenannten „anarchistischen Jugend“ angegriffen, was wiederum den Sicherheitskräften den Vorwand lieferte, die Demonstranten anzugreifen.

Eine Betrachtung der Videoaufnahmen und Bilder von den Auseinandersetzungen zeigt, daß es sich bei der „anarchistischen Jugend“ um sehr erwachsene Schlägertruppen handelt, die als Provokateure eingesetzt werden. Ein Demonstrant, Mitglied der kommunistischen Gewerkschaft, starb infolge der Krawalle, was die Vorsitzende der KP, Aleka Papariga, zu dem Vorwurf veranlaßte, daß der „Mechanismus des Parastaates“1) dafür verantwortlich sei. Diese Sicht wird von einem großen Teil der Öffentlichkeit in Griechenland geteilt.

Diese Polizeistaatstaktik, die auf Anweisung der Troika angewandt wird, ist nur ein Vorspiel für die volle Übernahme der griechischen Regierung durch die EU. Reuters publizierte einen Entwurf für die Entsendung von „Hunderten“ von „Experten“ mit Exekutivvollmacht, die griechische Regierung zu führen, der dann in der Tageszeitung Kathimerini und anderen griechischen Zeitungen aufgegriffen wurde. Ein EU-Vertreter sagte ganz offen: „Entweder das, oder sie sehen kein Geld.“ Selbst Reuters mußte zugeben, daß dies wie „Kolonialismus“ schmecke.

Nach Angaben der zitierten Quellen geht es um „Hilfe, die von außen aufgezwungen wird. Außenseiter übernehmen einige Elemente der Operationen“, d.h. souveräne Funktionen des griechischen Staates. Der Vorschlag umfasse „den Einsatz von mehreren hundert technischen Experten vor Ort, um Griechenland zu verwalten... Diese Idee lebt in einigen Hauptstädten. Es gibt keine Alternative.“

Obwohl solche Absichten abgestritten werden, räumte die EU-Kommission ein, daß sie eine Arbeitsgruppe habe, die sie als „eine administrative Struktur“ bezeichnete, die darauf abziele „die griechischen Behörden zu unterstützen“. Dieser Arbeitsgruppe, die von Horst Reichenbach, einem deutschen Beamten im Apparat der EU-Kommission, geleitet werde, könnten „Exekutivbefugnisse“ gegeben werden.

„Die Größenordnung dieser Intervention ist beispiellos“, zitiert die Zeitung ihren Gewährsmann. „Es ist eine Frage der Autorität“, sagte er. „Es wird viele Widerstände geben. Die formelle Autorität liegt nicht in ihren Händen - das müssen die Griechen akzeptieren.“

Jemand anderes wird zitiert: „Man braucht jemanden, der griechisch spricht, aber nicht auf Seiten der Griechen steht. Ihre Befugnisse werden als Bedingung mit dem Kredit verknüpft. Das muß sorgfältig präsentiert werden - sagen wir als technische Hilfe oder so etwas. Man kann nicht einfach auf ihnen herumtrampeln.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die EU die sogenannte Europäische Gendarmerietruppe (EGF) nach Griechenland entsandt hat, „eine Polizeitruppe mit Militärstatus, der ihr volle Polizeivollmachten gibt“. Diese Truppe wurde von Frankreich, den Niederlanden, Italien, Spanien und Portugal gegründet, seitdem haben sich auch Rumänien, Polen und Litauen angeschlossen; sie ist kein Teil der EU-Struktur und untersteht daher auch nicht der EU-Kommission oder dem EU-Parlament, sondern sie wird von einem Gremium der zuständigen Minister aus sechs der beteiligten Staaten geführt. Wird sie von der EU mit einem Einsatz betraut, untersteht sie dem Europäischen Rat. Ihr Einsatz in Griechenland erfolgt offenbar aufgrund der sog. „Solidaritätsklausel“ des Lissaboner Vertrages, die im Fall von Naturkatastrophen, Terroranschlägen oder anderen Krisenlagen greift.

Die Frage stellt sich, ob ihre Entsendung mit Sicherheitsaspekten der Bankenrettungspakete zu tun hat, oder ob sie helfen soll, mit der Sicherheitslage in Griechenland umzugehen, also den Generalstreiks und den Massenprotesten. Der Leiter der EU-Arbeitsgruppe für Griechenland, Reichenbach, traf sich am 25. Oktober u.a. auch mit dem griechischen Minister für Bürgerschutz Christos Papoutsis, der für die Polizei, die Sicherheitsdienste und die Geheimdienste zuständig ist.

Diese Politik, die jetzt Griechenland aufgezwungen wird, aber mit Sicherheit bald auch anderswo verfolgt werden wird, unterstrich auch der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am 19. Oktober in seiner Abschiedsrede in Frankfurt. Er präsentierte darin seine „Vision“ für Euroland, wo der Brüsseler Überstaat bei der „rigorosen Überwachung“ der Fiskalpolitik „direkte Verantwortung ausübt“ und in der Lage ist, „Entscheidungen zu treffen, die sofort in jeder einzelnen Volkswirtschaft umzusetzen sind“, alle getragen von dem gleichen „demokratischen Willen“ - wie man ihn schon jetzt in Griechenland sehen kann.

eir



Anmerkung

1) = überstaatliche, mächtige Strukturen