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Neue Solidarität
Nr. 20, 16. Mai 2012

Leserforum

Verschiedene Rechtsauffassungen

Da wächst Jahr für Jahr der Paragraphenwald, der schließlich von Juristen - meist mit Titel garniert - kreiert wird, und trotzdem oder gerade deshalb gibt es verschiedenste Rechtsauffassungen. Das heißt doch nichts anderes, als daß man mit Gesetzen nie eine eindeutige Rechtslage erreichen kann, da jeder Fall eben anders liegt bzw. speziell ist. Es wird also zugegeben, daß Gesetze immer interpretierbar sind und somit einen Papiertiger darstellen, der kein einziges Problem löst, sondern nur juristische Spitzfindigkeiten und Unrecht schafft.

Paradebeispiele sind die Fälle Hildebrand/SNB [Schweizerische Nationalbank], und Stocker/Sozialamt ZH [Zürich]. Wenn jemand den Mut aufbringt, ein Unrecht aufzudecken und an die Öffentlichkeit gelangt, wird der Kläger zum Angeklagten. Man sagt dazu neuerdings „political correctness“, was im Klartext nichts anderes heißt, als auf keinen Fall unnötigen Staub aufzuwirbeln, weil ein ganzer Rattenschwanz von „angesehenen“ Leuten - genannt Filz - in ein schlechtes Licht geriete. Sowohl Hildebrand, wegen Insidergeschäften, als auch Stocker, wegen mangelnder Sorgfaltspflicht im Umgang mit Fürsorgegeldern, wurde kein Haar gekrümmt. Hingegen werden die Kläger wegen Bankgeheimnis- bzw. Amtsgeheimnisverletzung verurteilt.

Im Fall Blocher [Schweizerische Volkspartei] gab es nur zwei Rechtauffassungen betreffend Immunität eines Parlamentariers. Damit man dem Angeklagten wenigstens etwas anhängen kann, gilt in diesem Fall die Immunität erst nach dessen Vereidigung als Nationalrat, dies obwohl dieser Eid von den meisten als alter Zopf betrachtet wird. Dank dieses alten Zopfs kann man sogar das Datum für den Beginn der Immunität verschieben. Ich möchte nicht kontrollieren, wie oft Parlamentarier - Eid hin oder her - bewußt Halbwahrheiten oder gar Lügen erzählen. Das läuft wahrscheinlich auch unter verschiedener Rechtsauffassung. Zum Fall Hildebrand empfehle ich interessante Beiträge in der Wirtschaftszeitschrift BILANZ.

Auch in den andern „Wissenschaften“ ist alles relativ. Da wird stundenlang über die Aussage und Bedeutung eines Experimentes diskutiert und phantasiert. Alles ist eben komplex und mit vielen Unbekannten behaftet und Richter sind eben auch nur Menschen. Allerdings sollte es auch erlaubt sein, nichts zu ernst zu nehmen. Was ist schon der Tod eines einzelnen, wenn man bedenkt, daß Politiker und große Konzerne Tausende von Menschen in den Krieg schicken oder verhungern lassen, nur weil dabei gute Geschäfte in Aussicht stehen. Was für den Normaldenkenden ein Angriffskrieg ist, wird nach anderer Rechtsauffassung zum Friedenseinsatz. Die Mittel sind die gleichen: radioaktive Bomben, Brutalitäten aller Art. Letztere führen sogenannte Rebellen aus, die ein Chaos zu veranstalten haben, damit die NATO mit dem Segen der UNO wieder Ordnung schaffen darf.

Zusammenfassend stelle ich fest, daß man mit dem juristischen Faustrecht jeden Rechtsstaat aushebeln kann. Die Gesetzgebung ist beliebig interpretierbar und somit ein willkürliches Werkzeug der Justiz.

Johanna Haidvogl-Werder, Gelterkinden, 28.04.2012

Antwort der Redaktion

Sehr geehrte Frau Haidvogl-Werder,

Sie haben Recht, daß die Justiz im heutigen politischen Geschäft scheinbar recht oft mit unterschiedlichen Gewichten abwägt. Aber noch öfter gilt der Spruch: Es gibt keine ehrlichen Skandale - d.h., nicht die Empörung über ein Vergehen dieses oder jenen Politikers ist das wahre Motiv für den Skandal, sondern etwas ganz anderes.

Das erkennt man am besten, wenn man sich eine Liste prominenter Skandalopfer des letzten Jahres zusammenstellt - Personen, die plötzlich wegen angeblicher oder tatsächlicher Vergehen oder Fehler in die Schlagzeilen gerieten und dann zurücktreten mußten. Ganz prominent natürlich der deutsche Bundespräsident Christian Wulff; in Italien der frühere Chef der Lega Nord, Umberto Bossi; in Schweden der frühere Vorsitzende der Sozialdemokraten Hakan Juholt, in der Schweiz Nationalbankchef Hildebrand.

Was haben sie gemein? Sie alle wagten es, sich der Politik der Rettungspakete zu widersetzen. Damit wurden sie für die Finanzwelt zu einer existentiellen Bedrohung, und dann sprach man plötzlich über Insidergeschäfte, Geschäftsfreunde, Veruntreuung von Parteigeld oder auch einfach nur „Unfähigkeit“; die Massenmedien begannen eine regelrechte Treibjagd gegen sie, bis sie zur Strecke gebracht waren.

Ob an den Vorwürfen dann auch tatsächlich etwas dran ist oder nicht, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, ebenso die Frage, ob die jeweiligen Zielscheiben der Kampagne dann anschließend auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Wenn sie aus der Position entfernt sind, in der sie den Banken gefährlich werden konnten, ist ja der Zweck der Kampagne bereits erreicht - es sei denn, man will ein Exempel statuieren, um auch andere Politiker einzuschüchtern, damit sie nicht „auf dumme Gedanken kommen“.

Damit soll jetzt nicht dieses oder jenes Verhalten gewisser Politiker schöngeredet werden, aber als Beobachter und Bürger sollte man sich darüber im klaren sein, daß die Skandale auch dazu dienen, „das Thema zu ändern“ und die Bevölkerung von dem wirklichen Skandal abzulenken - nämlich, daß unsere Regierungen ganz offen Hunderte und Tausende von Steuermilliarden veruntreuen und bankrotten Spekulanten zuschanzen, und so die Existenzgrundlagen der gesamten Bevölkerung zerstören. Das ist viel gravierender als alles, was den betreffenden Personen - zu Recht oder zu Unrecht - vorgeworfen wurde.

Alexander Hartmann, Chefredakteur