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Neue Solidarität
Nr. 43, 24. Oktober 2012

Euro vor dem Aus?

Heftige Debatten um die Währungsunion in Wien

Bei einer Podiumsdiskussion über Jürgen Bozsokis neues Buch „Euro vor dem Aus?“ kam zu einer heftigen Debatte zur Überwindung der Eurokrise.

So voll war das Wiener Wirtschaftsmuseum wohl noch nie: EU-Parlamentarier Hannes Swoboda, Finanz-Staatssekretär Andreas Schieder und Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Gertrude Tumpel-Gugerell lieferten sich mit Jürgen Bozsoki, dem Autor des Buches Euro vor dem Aus?, einen inhaltlichen Schlagabtausch. Weil der Saal bereits eine halbe Stunde vor Beginn überfüllt war, fand zusätzlich in einem zweiten Saal ein „Public Viewing“ der Podiumsdiskussion statt. Über 300 Besuchern wurde so vor Augen geführt, daß auch innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie eine große Kluft zwischen hochrangigen Funktionären und „Querdenkern“ herrscht.

Bozsoki: ESM ist ein Banken-Subventionsprogramm!

Bozsoki kritisierte zunächst den ESM als Banken-Subventionsprogramm, der die Probleme der Eurozone nicht löse, sondern eher an Konkursverschleppung erinnerte. Schieder und Tumpel-Gugerell widersprachen dem heftig. Sie verteidigten die Milliardenzahlungen an die Banken und warnten vor einem Dominoeffekt, der letztendlich zum Ende der Währungsunion führen werde.

Bozsoki hingegen schilderte als Gegenthese das Beispiel Island. Hier ließ man Banken pleitegehen. Die Sparguthaben der kleinen Leute und der Mittelschicht hingegen schütze der Staat. Kapitalverkehrskontrollen, Währungsabwertung und eine vorübergehende Einschränkung der Möglichkeit sein Geld abzuheben verhinderten Kapitalflucht. „Ich sehe nicht ein, weshalb Carry Trades von ausländischen Anlegern, die ihr Geld zu 1% Zins aufnehmen und es in Island um 7% anlegen, ohne irgendeine Leistung zu erbringen, um jeden Preis von der hart arbeitenden Bevölkerung garantiert werden müssen“, fragte der Buchautor kritisch und erntete dafür den Applaus des Publikums. Sein Fazit: Island hat die Krise überwunden, ohne die Menschen zu schröpfen. Die Euro-Länder kommen nicht aus der Krise, obwohl immer drakonischere Sparprogramme durchsetzen.

Schieder meinte hingegen, daß die Eurozone diese Möglichkeiten nicht habe. Anders als in Island können einzelne Länder nicht abwerten, und Kapitalverkehrskontrollen sind auf Dauer ebenfalls verboten. Aus seiner Sicht sei der ESM notwendig, um die Staatsanleihen der Problemländer möglichst niedrig zu halten. Die Eurozone inklusive Griechenland & Co. müssen um jeden Preis gehalten werden, koste es, was es wolle.

Konsens bei Trennbankensystem

Zustimmung gab es dagegen bei Bozsokis Forderung nach einem Trennbankensystem im Sinne des Glass-Steagall-Acts in den USA. Sowohl Swoboda als auch Schieder unterstützten diesen Vorschlag, der auf Initiative von Bozsoki auch am Wiener Landesparteitag der SPÖ als Antrag mit großer Mehrheit angenommen wurde. Tumpel-Gugerell stimmt zwar der Analyse zu, konnte sich jedoch auch die britische Mogelpackung namens „Firewallmodell“ vorstellen - ohne dieses beim Namen zu nennen.

Streit um EZB-Geldpolitik

Völlig unterschiedliche Meinungen gab es hingegen zur Geldpolitik der EZB. Während Swoboda, Schieder und Tumpel-Gugerell den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB verteidigten, forderte Bozsoki in Anlehnung an Lyndon LaRouche ein zweigleisiges Kreditsystem. Der EZB sollte es nur erlaubt sein, Notenbankkredite unter strengen Bedingungen und über dafür autorisierte Staatsbanken, beispielsweise der Europäischen Investitionsbank, zu schöpfen (= produktive Kreditschöpfung), um damit große Infrastrukturprojekte zu finanzieren. So sollte ein „European Deal“ nach dem Vorbild von Roosevelts New Deal ermöglicht werden, ohne von der Willkür der Finanzmärkte abhängig zu sein. Andererseits sollten Kredite für Konsum, Spekulation etc. deutlich teurer werden.

„Was die EZB heute macht, ist jedoch unproduktive Kreditschöpfung, wo keine Kapitalbildung stattfindet. Weil gleichzeitig durch eine drakonische Sparpolitik die Wirtschaft gedrosselt und die Kapazitäten der Unternehmen abgebaut werden, muß das langfristig in Inflation enden“, warnte Bozsoki und forderte einen völligen Kurswechsel.

Tumpel-Gugerell konnte trotz freundlichem Ton nicht verbergen, daß sie sowohl die Analyse als auch die Alternativen Bozsokis nicht teilt, und verteidigte den aktuellen Kurs Mario Draghis. Ein Raunen im Saal deutete aber an, daß die meisten Besucher diese Haltung nicht verstanden.

Die Debatte geht weiter

Fazit der Veranstaltung: In einigen Bereichen, etwa dem Trennbankensystem gibt es seitens der Politik in Österreich bereits ein Umdenken. In anderen wird stur am bisherigen Kurs festgehalten.

Die Podiumsdiskussion im Wiener Wirtschaftsmuseum zeigte aber deutlich, daß innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie zunehmend Kritik am Kurs der politischen Führung deutlich wird.

Buchautor Jürgen Bozsoki liefert in seinem Buch Euro vor dem Aus?, das im Verlag Edition Vabene erschienen ist,1 den Kritikern zahlreiche Argumente, daß Alternativen möglich sind, und bezieht sich dabei ausdrücklich auf die Ideen von Lyndon LaRouche. Ob er sich damit auf lange Sicht in der österreichischen Sozialdemokratie durchsetzen wird, ist aber mehr als fraglich. Doch je länger die Eurokrise dauert und der Leidensdruck steigt, desto größer sind die Chancen, daß es ein Umdenken geben wird. Die Debatte geht auf alle Fälle weiter.

eir


Anmerkung

1. Vgl Buchbesprechung: Euro vor dem Aus?, Neue Solidarität 28/2012.