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Neue Solidarität
Nr. 3, 16. Januar 2013

Eine Renaissance der klassischen Kultur in Europa

Den Abschluß der Konferenz des Schiller-Instituts bildete ein Podiumsgespräch zwischen der Vorsitzenden des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, der Vorsitzenden der LaRouche-Bewegung in Italien (Movisol), Liliana Gorini, Odile Mojon von der Solidarité et Progrès aus Frankreich, sowie Katarzyna Kruczkowski (Essen) und Stefan Tolksdorf (Berlin) von der Bürgerrechtsbewegung Solidarität. Wir dokumentieren hier ihre Beiträge, sowie Ausschnitte aus der abschließenden Diskussion mit dem Publikum.

Helga Zepp-LaRouche: Wir kommen nun zum abschließenden Teil dieser Konferenz, den man etwas hochgestochen „das Kultur-Panel“ nennen könnte, doch eigentlich soll damit Gelegenheit für weitere Diskussionen gegeben werden. Ich habe deswegen die vier Teilnehmer auf dem Podium hier gebeten, sich jeweils kurz dazu zu äußern, wie sie sich Europa in der Zukunft vorstellen. Ich bin trotz all der schrecklichen Dinge, über die wir gestern und heute diskutiert haben, ein unverbesserlicher Optimist, einfach weil ich glaube, daß alle Menschen potentiell kreativ sind. In letzter Zeit sind nur deswegen so wenige Genies in Erscheinung getreten, da die materiellen Belastungen es den Menschen nicht erlaubt haben, ihr kreatives Potential zu entwickeln, und deswegen meint man, ein Genie sei eine Ausnahmeerscheinung. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, daß dies der natürliche Zustand des Menschen ist.

Nikolaus von Kues, den ich viel zitiere, ist ein wahrer Quell der Erkenntnis, und ich kann nur jeden, der es noch nicht getan hat, ermuntern, sich mit seinen Werken zu beschäftigen. Seine De Docta Ignorantia hat er mit der Bemerkung eingeleitet, er sei sich völlig darüber bewußt, hiermit etwas ganz Neues geschrieben zu haben, was bisher noch kein Mensch auf der Erde gedacht hätte, und diese Gedanken bedeuteten für die Menschheit den Anbruch einer neuen Ära.

Das stimmte vollkommen. Aber wie konnte er das wissen und die Zukunft auf so kühne Weise vorhersagen? Nun, er wußte, daß er durch die Ablehnung des falschen Denkens der Peripathetiker und Scholastiker die Ideen Platons auf einer höheren Ebene wiederbelebte. In seiner kurzen Verteidigungsschrift gegen die Angriffe des Johannes Wenck, der die Docta Ignorantia als pantheistische Häresie angegriffen hatte, beschreibt er Menschen, die etwas Wahres gefunden haben; sie seien wie die Menschen, die von einem hohen Turm herab auf jene Aristoteliker herabschauen, die den Dingen kreuz und quer hinterherjagten. Jemand, der sich auf die Ebene des platonischen Denkens gehoben habe, sehe hingegen das Gejagte, den Jagenden und den Prozeß des Jagens.

Er war sich demnach der Dynamik insgesamt bewußt, während der arme Aristoteliker, der meint, etwas sei entweder nur a oder b, in diesen Widersprüchen gefangen ist und gar nichts versteht.

Wir müssen die Paradigma-Diskussion wirklich ernst nehmen, denn das, was Platon die „Hypothese der höheren Hypothese“ oder was Nikolaus von Kues die „Coincidentia Oppositorum“ nennt, ist eine völlig andere Denkweise. Jeder muß diesen Sprung im Denken nachvollziehen, und nicht umsonst sagt mein Ehemann, der wahrscheinlich der beste Prognostiker ist, der derzeit auf der Erde lebt, schon seit Monaten, daß wir die Menschen von der Ebene der Sinnesgewißheiten wegbringen müssen, denn das verdumme die Leute. Die Oligarchie reduziert die Menschen bewußt auf die Ebene des maximalen Lustgewinns und der Schmerzvermeidung im Hier und Jetzt, um sie mit all der blödsinnigen Unterhaltung noch banaler, noch brutaler, perverser und pornographischer zu machen.

Genau das müssen wir bewußt zurückweisen, denn Europa befindet sich derzeit nicht nur wirtschaftlich in einem schrecklichen Zustand, Europa ist auch moralisch weit weg von dem, was es sein sollte.

Ich lehne die Europäische Union aus vielerlei Gründen ab, aber der wahrscheinlich wichtigste Grund ist, daß die EU nichts mit den Hochperioden Europas zu tun hat. Es wird nichts unternommen, um die klassische Periode des antiken Griechenlands wiederzubeleben, und man spricht mit dem spanischen Volk nicht vom Standpunkt der andalusischen Renaissance oder der Gemälde Goyas oder von Raimundus Lullus oder der anderen kostbaren Beiträge, die Spanien geleistet hat. In Italien wird nicht versucht, die italienische Renaissance wiederzubeleben - von Deutschland einmal ganz abgesehen. Wobei ich mit Professor Tahhan von gestern übereinstimme, daß Deutschland stolz auf seine Vergangenheit sein kann. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen der klassischen Tradition und dem heutigen Heer mittelmäßiger und noch dümmlicherer Politiker, die keinerlei Anteil an dieser Tradition haben.

Aus dieser Konferenz sollte etwas hervorgehen, was für die Zukunft Europas getan werden muß: Wir müssen nicht nur eine Offensive starten, um den dritten Weltkrieg zu verhindern, sondern auch den Leuten die Alternativen aufzeigen, daß es Entwicklung statt Krieg geben kann: Der neue Name für Frieden heißt Entwicklung. Wir müssen nicht nur das Problem des Euros lösen, und dafür brauchen wir das Fachwissen von Prof. Hankel, der schließlich einmal die Währungsabteilung des Finanzministeriums geleitet hat und Chefökonom der Kreditanstalt für Wiederaufbau gewesen ist. Er kommt aus einer Zeit, in der man noch realwirtschaftlich dachte. Zusätzlich brauchen wir aber auch dringend die Errungenschaften meines Ehemanns, der nach meiner bescheidenen Ansicht heute immerhin der weltweit führende Ökonom ist, der das Konzept der physischen Ökonomie wie kein anderer weiterentwickelt hat. Er sieht die Lösung darin, die Menschen von ihrem Vertrauen auf Sinnesgewißheiten wegzubringen, sie wieder zu kreativem Denken zu erheben, und das nicht nur am Sonntag, sondern die gesamte Woche. Es muß zu einer Lebenseinstellung werden, Probleme vom Standpunkt kreativer Lösungen anzugehen, in Metaphern zu denken, Flanken zu eröffnen, Ungewöhnliches zu denken, sich nicht auf zwei Dimensionen zu reduzieren, sondern sein kreatives Potential zu entwickeln. Das muß in der Bevölkerung wiedererweckt werden, damit sie die Süßigkeit der Wahrheit wieder mehr zu lieben beginnt als die Süße von Konfektstückchen.

In gewisser Weise müssen wir das gleiche tun wie Friedrich Schiller mit seinen großen Dramen: Wenn ein normaler Bürger ins Theater geht, wird er dort durch Schiller mit den großen Fragen der Zivilisation konfrontiert, er muß sich mit dem Schauspieler auf der Bühne identifizieren und sich dafür entscheiden, Gutes für die kommenden Generationen zu tun und wie ein Staatslenker oder wie ein König in Schillers historischen Dramen zu denken (womit ich keinesfalls der Monarchie das Wort reden will). Dadurch werden Leute dazu gebracht, wirklich groß zu denken, an die gesamte Menschheit, an Europa zu denken und sich persönlich dafür verantwortlich fühlen, was aus dieser Geschichtsepoche herauskommt.

Wenn wir das in die Bevölkerung hineintragen, wird es absolut möglich sein, Europa wiederzubeleben. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Entwicklungsplänen brauchen wir eine moralische Renaissance; wir müssen zur klassischen Kultur zurückkehren und wieder die Idee durchsetzen, daß Kunst schön sein muß - womit sofort alle möglichen Kategorien von dem, was heute als Kunst ausgegeben wird, wegfallen. Schiller hat in einem Brief an Körner einmal das sehr überzeugende Argument benutzt, daß ein Gedicht, das nicht schön ist, ein schlechtes Gedicht ist.

Deswegen muß die Schönheit in die Diskussion zurückkehren, und wir müssen die klassische Musik wiederbeleben; das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern klassische Musik ist die einzige Musik, die den kreativen Fähigkeiten des menschliches Geistes entspricht, während alle anderen Formen der Musik, insbesondere der Krach bestimmter Rhythmen, zerstörerisch für alle Denkprozesse sind.

Ich weiß, daß es schwieriger ist, verdummte Menschen kreativ zu machen, als Leute in Dummköpfe zu verwandeln, aber das ist der einzige Weg, der uns offen steht. Und dafür kämpfe ich hier in Europa.

Damit gebe ich das Wort an Liliane.

Das Don-Giovanni-Prinzip

Liliana Gorini: Mein Name ist Liliana Gorini, und für diejenigen, die mich noch nicht kennen - es sind ja einige neu hier: Ich bin die Vorsitzende von Movisol, der LaRouche-Bewegung in Italien, und ich hatte in den letzten 40 Jahren die Ehre, mit Herrn und Frau LaRouche in einigen der wichtigsten Kampagnen für eine kulturelle Renaissance zusammenzuarbeiten - angefangen mit unserer Kampagne für die Rückkehr zur Verdi-Stimmung, die 1988 die Unterstützung von mehr als 2000 Opernsängern in aller Welt fand, und, erst kürzlich, dem Don-Giovanni-Projekt in Virginia, in dem unsere jungen Sänger von der LaRouche-Jugendbewegung eine ganze Oper aufführten - Don Giovanni von Mozart.

Aber bevor ich auf die positive Seite eingehe, was zu tun ist, um ein Europa zu bekommen, das kulturell auf der Höhe der Renaissance und der deutschen Klassik, der spanischen Klassik und der arabischen Klassik steht, möchte ich dies mit etwas kontrastieren, was Sie vielleicht schockieren wird. Denn gestern abend hatten wir einen kulturellen Höhepunkt, mit Beethoven und Verdi, und jetzt bekommen sie einen Geschmack - nur einen sehr kurzen - vom tiefsten Punkt der heutigen Kultur. Ich werde das zuerst zeigen, und dann werde ich sagen, was es ist - einige werden es vielleicht kennen.

[Sie zeigte dann einen kurzen Ausschnitt aus dem Video „Gangnam Style“ des südkoreanischen Rappers „Sky“.]

Einige werden das vielleicht kennen - es ist einer der größten Hits auf MTV. Sie kennen es? Da bin ich mir sicher. [Lachen.] Was mich vor ein paar Wochen schockierte, war folgendes: Ich befolge den Rat Daniel Estulins und nutze Facebook. Wir sind in Italien nur eine sehr kleine Organisation und müssen alle Mittel nutzen, um bekannt zu werden. Ich veröffentliche daher unsere Stellungnahmen und LaRouches Erklärungen auf Facebook. Und auf Facebook fand ich einige Leute, die sagten, daß dieses Musikstück im Mittelpunkt eines Treffens von 12.000 Menschen in Spanien stand, die alle in einem gigantischen Stadion zusammenkamen, um diesen ekelhaften Tanz zu tanzen, der so aussieht, als würden man auf einem Pferd reiten und es peitschen. 12.000 Menschen tanzten gemeinsam dieses Zeug. Und das ist vielleicht die Antwort auf Helgas gestrige Frage, warum nicht mehr junge Menschen auf den Straßen sind, um gegen den Krieg und für den Wiederaufbau des Nahen Ostens zu kämpfen: Sie waren dort, statt sich auf der Straße für unser Programm zur Entwicklung des Nahen Ostens einzusetzen.

Das ist eine Herausforderung für uns, denn das ist es, womit wir konfrontiert sein werden, wenn wir auf die Straße gehen und junge Menschen treffen. Vielen von ihnen haben das im Kopf, oder die Disko, oder sie wollen sich schon mit 15 Jahren betrinken. Das ist Teil des Plans der Oligarchie, die Bevölkerung zu zerstören. Wie wir schon sagten, ihr Feind sind die Menschen, und die Kultur wird dazu benutzt, Menschen zu töten - zuerst geistig, aber dann auch physisch. Ich weiß nicht, wie das in anderen Ländern ist, aber in Italien gibt es viele Autounfälle, bei denen junge Menschen sterben, nach der Disko am Samstagabend.

Eines der Prinzipien, die meiner Meinung nach bei dem Don-Giovanni-Projekt im vergangenen Jahr in Virginia deutlich wurden, ist das, was ich das „Don-Giovanni-Prinzip“ in der Politik nenne. Diese Leute, diese Politiker - Frau Merkel, Monti, Samaras, praktisch sie alle, auch Hollande: Sie glauben, daß sie die Wähler betrügen können, daß sie sich über das Naturrecht hinwegsetzen können. Sie sind wirklich so arrogant, daß sie glauben, sie könnten sich weiter an der Macht halten, selbst wenn die Bevölkerung leidet und an Hunger stirbt, oder weil sie keine Krankenversorgung hat.

Nun, das Don-Giovanni-Prinzip zeigte sich in einer Reihe von Fällen, beispielsweise als Berlusconi abgesetzt wurde. Er war einer dieser Kerle und glaubte, er könne Spaß mit minderjährigen Mädchen haben und trotzdem der beliebteste Politiker auf der Erde bleiben, aber er ging bei der Wahl unter. Dominique Strauss-Kahn ist ein weiteres Beispiel.

Aber es sind nicht nur Männer, es geht nicht bloß darum, Frauen zu vergewaltigen, es geht um die Vergewaltigung ganzer Nationen. Und das können sogar Frauen tun - Merkel tut es, Susan Rice tut es. Obama tut es in dem Sinne, daß er glaubt, er könne das Naturrecht mißachten und trotzdem gewinnen, so wie er wieder die Wahl gewonnen hat. Er denkt, es spiele keine Rolle, daß das amerikanische Volk leidet, er werde trotzdem weitermachen und gewinnen - denn er ist ein Nero, ein Egomane - und die Menschen würden ihn immer noch mögen.

Sie haben kein Mitleid für die Bevölkerung, was Obama beispielsweise in seiner ersten Debatte mit Romney gezeigt hat.

Aber was lehrt uns Don Giovanni?

Der Commendatore, der das Naturrecht verkörpert, bestraft am Ende Don Giovanni, indem er ihn zum Essen einlädt und in die Hölle führt. Und Don Giovanni nimmt diese Einladung an, weil er glaubt, sich auch dort noch über das Naturrecht hinwegsetzen zu können und am Ende zu gewinnen. So, wie sie es im vergangenen Jahr in der Mailänder Scala den Don Giovanni aufgeführt haben: Sie ließen ihn gewinnen. Das zeigt, daß die Oligarchie genau weiß, was das Don-Giovanni-Prinzip in der Politik ist.

Helga hat mich gebeten, mir vorzustellen, wie Europas Kultur in zehn Jahren ausschauen wird. Nun, wenn wir gewinnen, dann wird es so ausschauen, daß neue Dantes dessen Commedia neu schreiben werden. Und sie werden viel Material dafür haben, wie Graf Ugolino, der seinen eigenen Sohn auffrißt, „E dopo il pasto ha più fame che pria -- und nach dem Mahl ist er hungriger als zuvor“: Das ist die Oligarchie, das sind die Investmentbanken. Es ist genau dieses Bild.

[Roberto] Benigni beispielsweise, der berühmte Schauspieler und Oscar-Gewinner, liest Dantes Commedia auf den Plätzen von Florenz, weil die Regierung Monti beschlossen hat, den Lehrstuhl für Dante-Studien an der Universität von Florenz abzuschaffen. Deshalb haben sie das auf den Plätzen, auf den Straßen tun müssen. Und er sagte, Monti sei ein perfekter Kandidat für den Höllenkreis der Technokraten in Dantes Commedia.

Ich denke also, anstatt Gangnam-Style zu tanzen, sollten die Italiener eine neue Commedia schreiben über diese empörenden Politiker, die wir in den letzten 30 Jahren hatten - angefangen mit Monti, Draghi und der gegenwärtigen Regierung. Und natürlich sehe ich in zehn Jahren, daß sich junge Leute in den Stadien versammeln - nicht um Gangnam-Style zu tanzen, sondern um Beethovens Ode an die Freude aufzuführen. Das ist meine Vorstellung für in zehn Jahren - wenn wir gewinnen. [Applaus.]

Man nimmt uns die Möglichkeit, zu kommunizieren

Odile Mojon: Guten Tag, ich bin Odile Mojon aus Paris von Solidarité et Progrès. Ich möchte in die gleiche Richtung gehen wie Liliana und dazu kurz ein Bild skizzieren. Was wir in der Kultur sehen, ist in vieler Hinsicht offensichtlich, aber auch in anderer Hinsicht sehr hinterhältig. Durch die Kultur und das Umfeld, das durch sie geschaffen wird, kann man die Menschen wirklich zu dieser freiwilligen Knechtschaft verleiten, wie es Jacques [Cheminade] heute morgen erwähnt hat, indem man die Menschen vollkommen zu Komplizen ihrer eigenen Knechtschaft und Zerstörung macht, bis sie am Ende Sklaven werden. Und ich sehe zwei wesentliche Punkte, die sehr wichtig sind, wie universelle Ideen zerstört werden. Und sie werden offensichtlich zerstört, indem man kulturellen Relativismus einführt. Das ist sehr klar.

Ich will Ihnen ein Beispiel aus Frankreich anführen. Vor etwa 20 Jahren wurde ein sehr großes Gebäude in Paris gebaut, die „Cité de la Musique“, unter der Leitung von Pierre Boulez, [einem Komponisten und Dirigenten] der für seinen schrecklichen Charakter berüchtigt ist. Und dort befindet sich die bedeutendste Musikschule Frankreichs. Nun hat man sie nicht der „Musik“ gewidmet - im Singular -, sondern den „Musiken“ im Plural. Man stellt also alle möglichen Formen der Musik auf die gleiche Ebene, die klassische Musik ebenso wie alle anderen Formen der Musik. Es gibt nichts besonderes mehr, alle Musiken sind wie Produkte in einem kulturellen Supermarkt, in der ausdrücklichen Absicht, die klassische Musik zu banalisieren und jedes Verständnis für sie zu beseitigen. Und das ist das wichtige daran, wie man durch diesen Prozeß des kulturellen Relativismus die Zerstörung jedes Prinzips bewirkt.

So wie dafür geworben wird, geht das damit einher, daß diese Musik vor allem auf die sinnliche Wirkung ausgerichtet ist. Ich spreche hier jetzt nur über die Musik, aber das gilt auch für viele andere Felder. Wenn man beispielsweise in Frankreich in ein Konzert geht - ich denke hier zunächst an Paris -, gibt es in allen Konzerten, sagen wir, einen klassischen Komponisten, etwa Beethoven, aber dann beispielsweise dazu einen Prokofjew oder ein Stück von Schönberg - alles mögliche. Dadurch wird die Einheit des klassischen Prinzips der Kunst zerstört. Und das hat wirklich eine Wirkung auf die Menschen, denn sie können nicht mehr verstehen, was klassische Musik bedeutet.

Eine weitere Wirkung, die ich auch erwähnen möchte, ist die Frage der Sprache. Ich habe ab und zu im Internet nach moderner Poesie gesucht. Und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es so etwas wie eine moderne Poesie gar nicht gibt. Das ist sicherlich eine der Künste, die vollkommen kaputtgemacht wurden. Ich habe Dinge gesehen, die als „Gedicht“ bezeichnet wurden, die aber bloß Ansammlungen von Worten ohne jede Bedeutung waren, ohne jegliche Idee - nichts.

Und das ist sehr wichtig, denn Poesie ist eine Sprache, und eine Sprache ist die Fähigkeit, Ideen auszudrücken. Und wenn man jetzt an die Krise denkt, in der wir uns befinden: Wir treffen oft Leute, die interessante Ideen haben, aber man erkennt sehr schnell, daß es ihnen sehr schwer fällt, diese Ideen auszudrücken.

Es ist noch schlimmer, wenn man in die Vorstädte geht, denn hier gibt es Menschen, denen alles genommen wurde, denen jeder Zugang zu produktiven Aktivitäten genommen wurde - keine Arbeit, keinerlei Zukunft und natürlich auch keine Kultur - außer dem, was Liliana gezeigt hat, oder ähnlichem. Und diese Leute können Ideen einfach nicht ausdrücken, sie können sich Ideen nicht einmal vorstellen. Man hat ihnen also sogar die Fähigkeit geraubt, überhaupt zu denken.

Und um darauf zu kommen, was in zehn Jahren sein könnte: Ich denke, dafür braucht man vor allem das, worüber wir im Zusammenhang mit den Großprojekten gesprochen haben. Denn sobald man die Verantwortung für die Kolonisierung des Weltraums trägt, wird es auch eine andere Kultur geben, denn dazu muß man natürlich denken können, Ideen formulieren können. Wenn man ein neues Grenzgebiet entdeckt, eine neue Welt, von der wir noch gar nichts wissen, dann wird es auch notwendig sein, daß man etwas neues ausdrücken kann, um es seinen Mitbürgern mitzuteilen - ein neues Werkzeug. Was dieses Werkzeug sein mag, weiß ich nicht, aber es wird auf der Ebene der Kunst sein; es könnte Poesie sein, es könnte Musik sein, ich weiß es nicht. Aber man muß einen neuen Weg finden, um das, um eine neue Schönheit auszudrücken.

Und wo werden wir das finden? Man wird es finden, indem man die Klassik wieder aufgreift und etwas findet, was ihr im Geiste am nächsten kommt, um darüber hinaus zu gehen, aber die gleiche Qualität der Sprache beizubehalten. Und man wird das als Sprungbrett benutzen, um eine neue Qualität der Musik, eine neue Qualität der Poesie, des Theaters oder irgendwelcher anderen Formen der Kunst zu entwickeln.

Noch etwas, was ich für sehr wichtig halte: Wir werden auch neue, schöne Städte bauen müssen. Denn es ist sehr schwer für die Menschen, darüber nachzudenken, wie sie diese neue Qualität der Kunst erschaffen können, wenn sie in scheußlichen Städten leben, so wie es heute bei den meisten Menschen der Fall ist. [Applaus.]

Nur einige wenige werden die Träume verwirklichen

Katarzyna Kruczkowski: Guten Tag, mein Name ist Kasia Kruczkowski, und ich bin politisch aktiv bei der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Essen.

Nun, Europa in zehn Jahren? Ich denke, Europa wird dann wirkliche „Leader“ haben - und in zehn Jahren wird man das auch auf deutsch ausdrücken können.

Wir sind in einer Zeit, in der wir ein großes Problem haben. Denke wir an alle die Vorträge, die wir in den letzten beiden Tagen gesehen haben, alle diese Früchte, die wir für die Zukunft pflanzen - viele Menschen haben Probleme, das zu kommunizieren, und da müssen wir anfangen, vor allem die Jugend in Europa.

Denn das Bild der Lage, insbesondere für die junge Generation, ist wirklich eklatant. In Spanien beispielsweise liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 78%. Und dann die Zahl der Selbstmorde. Alle diese Dinge, von denen wir immer mehr hören, sind ein Zeichen, daß wir etwas grundsätzlich ändern müssen, im Denken und in der Herangehensweise der Politik. Und das muß bei der Vorstellung von der Zukunft anfangen.

Frau LaRouche hat uns und insbesondere die jungen Aktivisten in dieser Bewegung wiederholt aufgefordert, eine klare Vorstellung davon zu zeichnen, wie wir uns die Zukunft vorstellen, wie die Welt unserer Meinung nach ausschauen sollte. Ich weiß, daß die meisten diesen Denkprozeß innerhalb von fünf Sekunden abbrechen. Sie alle wissen, was für Gedanken dazwischenkommen, so etwas wie: „Ach, das sind ja bloß Tagträume.“ Oder: „Dazu wird es nicht kommen.“ Oder: „Das ist zu schön, um wahr zu sein oder wahr zu werden.“ Und da müssen wir anfangen, wenn wir alle diese Projekte verwirklichen wollen.

Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß es sehr lange ein Traum der Sklaven war, frei zu werden und Bürger zu werden, denen alle Menschenrechte zuerkannt sind. Die meisten konnten sich das gar nicht vorstellen, konnten nicht einmal darüber nachdenken, und es waren nur sehr wenige, die es dann durchgesetzt haben.

Es war ein sehr, sehr großer Traum vieler Menschen, fliegen zu können. Die meisten konnten sich das gar nicht vorstellen, sie hatten keine Idee davon, aber es waren einige wenige, die es dann möglich gemacht haben. Und es war auch ein sehr, sehr großer Traum vieler Menschen, unseren Fuß auf einen anderen Planeten zu setzen, und wie Sie wissen, gibt es noch heute viele Menschen, die sich das gar nicht vorstellen können und sogar abstreiten, daß es geschehen ist. Und wieder waren es nur sehr wenige Menschen, die das erkämpft haben.

Und ich möchte Sie fragen, ob es bloß ein Traum ist, sich eine Welt vorzustellen, in der alle Nationen für die gemeinsamen Ziele der Menschheit zusammenarbeiten. Jeder, der versucht, andere Menschen zu organisieren, weiß, daß es für die meisten Menschen sehr schwer ist, sich das auch nur vorzustellen. Und das ist die Herausforderung für uns. Und es werden nur sehr wenige sein, die das realisieren werden.

Diese Führer Europas werden durch diese Konferenz inspiriert sein, durch diese Ideen, diese Projekte, die bis jetzt bloß Gedankendinge sind. Aber es liegt an uns, sie zu realisieren und dafür zu sorgen, daß sie wahr werden.

Ich weiß, daß viele der Menschen, mit denen wir reden, sagen: „Ja, ich stimme vollkommen zu, es muß sich etwas grundsätzlich ändern. Aber es muß von der Jugend kommen, der jungen Generation.“ Wie ich schon sagte: Die sind nicht auf den Straßen, aus mehreren Gründen.

Ich stimme zu, daß die Jugend zu denen gehört, die am stärksten von der Krise betroffen sind, aber es ist nicht nur die Jugend. Denn was die Jugend braucht, ist Inspiration. Sie brauchen eine Idee, worum es in der menschlichen Gesellschaft überhaupt geht. Und jeder von uns ist Teil der menschlichen Gesellschaft. Wir sollten also diese Ideen, über die wir in den letzten beiden Tagen diskutiert haben, hinaustragen und so viele Menschen wie möglich dafür begeistern. Damit diese Menschen nicht bloß von einer besseren Zukunft träumen, sondern aktiv daran teilnehmen, sie zu verwirklichen. Vielen Dank. [Applaus.]

Eine Lehre von Frederick Douglas

Stefan Tolksdorf: Mein Name ist Stefan Tolksdorf und ich bin, wie Kasia, politisch aktiv - in der Hauptstadt Berlin. Nun, die Zeit läuft davon, und ich möchte gerne, daß wir noch diskutieren können. Deshalb möchte ich mich sehr kurz halten. Ich denke viel darüber nach, wie man die junge Generation und die heutige Jugend in diesen Kampf hineinholen kann. Und jeder, der organisiert, weiß, wie schwierig das ist. Wir haben ausführlich über die Probleme gesprochen. Und ein sinnvolles Mittel, herauszufinden, daß es in der Arbeitsweise des menschlichen Geistes etwas Universelles gibt, sind Witze. Deshalb will ich hier einen kurzen Witz erzählen, bloß um einen kleinen Geschmack davon zu vermitteln, auch wenn das eine Art Bruch des Protokolls darstellt.

Der Witz handelt von einem polnischen Juden, der im 19. Jahrhundert mit seiner Frau Paris besucht. Sie besuchen also die Stadt, besichtigen die wichtigsten Orte, die man dort sehen muß, wie den Louvre, andere Museen usw. Und eines Abends haben sie eine Verabredung in einem berühmten Club, dem Moulin Rouge. Sie sind also im Hotel, und der Mann hat sich schon umgezogen und wartet in der Halle darauf, daß seine Frau mit ihrem Make-up und allem anderen fertig wird. Und während er da sitzt, kommt eine sehr elegante und schöne junge Frau die Treppe herunter, und als sie an ihm vorüberschwebt, sieht sie, daß er sie anschaut. Und sie flüstert ihm ins Ohr: „Tausend Francs.“ Und der arme Mensch denkt einen Bruchteil einer Sekunde nach und flüstert zurück: „Fünfhundert.“ Sie geht weiter und schwebt zur Tür hinaus. Seine Frau kommt und sie nehmen die Kutsche ins Moulin Rouge, wo ein Tisch für sie reserviert ist, und genießen das Programm, was immer man dort bietet. Der Platz neben dem Mann ist leer. Da kommt dieselbe junge Frau herein, setzt sich auf den leeren Platz. Und sie sieht sich die Ehefrau an und flüstert ihm ins Ohr: „Sehen Sie, was Sie für Ihre fünfhundert bekommen haben.“ [Lachen.]

Nun, wie ich schon sagte, Sie werden mir das vergeben müssen. Ich benutze oft Witze beim Organisieren - es gibt schlechte Witze, es gibt bessere, für die man etwas mehr Arbeit und Zeit braucht, aber Witze haben etwas Universelles. Sie provozieren zum Lachen, und wenn man darüber nachdenkt, dann kann man eine Art Voraussage machen. Man tut etwas, und man hat bereits eine Vorstellung davon, wie derjenige, mit dem man spricht, darauf reagieren wird. Das ist nicht notwendigerweise etwas, was sie wollen. Ich meine, sie können auch völlig blockiert sein und dann werden sie gar nicht lachen, und dann ist es beinahe peinlich - auch das kommt vor.

Nun, Beethoven und Schiller haben, auf einer viel höheren Ebene als ein einfacher Witz, eine Wirkung auf den menschlichen Geist, und ich kann Ihnen versichern, daß das, was sie gestern abend gesehen haben, nur eine ganz kleine Kostprobe davon war. Wenn sie bloß das gesehen haben, haben Sie noch gar nichts gesehen, auch wenn es schön war. Es gibt noch sehr viel mehr in dieser Welt, das entdeckt und den Menschen nahegebracht werden muß.

Diese Konferenz ist etwas ganz besonderes, denn anders als andere Konferenzen, die wir hatten, erinnert sie mich an etwas, was ich vor vielen Jahren gehört habe, von Dr. Martin Luther King: Nur wenn es dunkel genug ist, kann man die Sterne sehen. Und ich denke, die Krise ist so schlimm und so offensichtlich geworden, daß die Menschen nach Antworten suchen. Das hat - für mich sehr bewußt - die Diskussion bestimmt, die wir hier hatten, eine sehr bewußte Diskussion darüber, daß wir mit unserem Leben nicht herumspielen können - nicht in dieser Zeit, in dieser Welt.

Ich habe etwas Schwierigkeiten, vorherzusagen, wie die Welt in zehn Jahren oder in 50 Jahren aussehen könnte. Aber ich akzeptiere nicht, daß diese dummen Bürokraten den Namen „Europa“ für ihr Konstrukt in Beschlag nehmen, für ein Konstrukt, das unmenschlich und brutal ist und Menschen umbringt. Ich kann das nicht akzeptieren, weil es nicht akzeptabel ist.

Ein Schritt, den man dazu machen kann - und ich rede immer sehr gern über ihn - ist es, Frederick Douglas kennenzulernen. Denn Frederick Douglas tat als Sklave in Amerika zwei Dinge, die den Herausforderungen ähneln, die sich uns stellen. Das eine war, ganz persönlich der Sklaverei zu entfliehen - die eigene Sklaverei nicht hinzunehmen und einen Ausweg zu finden.

Aber dann auch - und bei ihm war das nicht viel später -, die Verantwortung zu entdecken, die mit dieser Handlung verbunden ist. Und das ist: Wie holt man auch die anderen Sklaven aus der Sklaverei? Nun ist die heutige Sklaverei weit abscheulicher und hinterhältiger, sie verleitet junge Menschen dazu, zu glauben, daß es gar keine Sklaverei sei, sondern Spaß. Und wenn man ein bißchen darüber nachdenkt, ist Spaß, nach heutigem Verständnis, immer einfach. Es ist immer einfach - man sieht einen Film an, man nimmt Drogen, man geht auf Parties. Nichts davon bedeutet irgendwelche Mühe für denjenigen, der diese Art von Spaß sucht.

Schon das sollte uns mißtrauisch machen. Wenn es zu einfach ist, kann es ja gar nicht so viel Spaß sein. Und bei Douglas erkennt man, daß es nicht um die leichten Dinge geht, es sind wirklich die schwierigen Dinge. Beispielsweise die Tatsache, daß er trotz des Systems, in dem er aufgewachsen war, das ihm nicht einmal einen Familiennamen gab und ihm seine Familie verweigerte (er kannte weder seinen Vater noch seine Mutter, man behandelte ihn praktisch wie ein Tier) - trotzdem unterzog er sich der intellektuellen Mühe, zu erkennen, daß die Unabhängigkeitserklärung und die Verfassung der Vereinigten Staaten Instrumente der Freiheit sind, die mit Ideen geschaffen wurden, für die man viele Jahrhunderte gekämpft hatte. Und es war Frederick Douglas, wenn ich mich richtig erinnere, der Schiller den Namen „Dichter der Freiheit“ gab. Und er las ihn auf deutsch. Nun, das ist eine Herausforderung für Sie!

Ich denke, darüber sollten wir diskutieren, aber ich denke auch, das sollte von dem Standpunkt des Organisierens aus geschehen. Das ist manchmal eine sehr schwierige Sache, manchmal kann das auch ziemlich frustrierend sein, wenn man am Informationsstand organisiert und versucht, die Menschen mit unseren Ideen bekannt zu machen, sie ihnen nahe zu bringen - oder manchmal sogar, sie überhaupt nur zum Stehen zu bringen, um überhaupt mit ihnen reden zu können, das manchmal eine ziemliche Arbeit. Aber auf der anderen Seite ist es die einzige Quelle wirklicher Freude. Denn man tut etwas, was zu etwas beiträgt, was viel, viel größer ist als das eigene Leben oder das der Person, mit der man gerade redet. Und ich denke, das ist das einzige, was wirklich zählt - jene Dinge, von denen man sicher sein kann, daß sie wichtig sind, noch lange nachdem man sein Leben gelebt hat: Das ist die Quelle der Glückseligkeit. [Applaus.]

Der extraterrestrische Imperativ

Toni Kästner: Ich möchte etwas ansprechen, weil es ja die Tendenz gibt, Witze über die Kultur zu machen, ohne daß man erkennt, wie schlimm sie wirklich ist. Vor etwa sechs Wochen haben sich z.B. drei junge Leute in Berlin so sehr gelangweilt, daß sie einfach einen anderen jungen Mann totgeschlagen haben, und gerade gestern ist das schon wieder geschehen, fast am gleichen Platz. Wir bekommen mehr und mehr Berichte dieser Art - vor drei Monaten hat, glaube ich, ein 15jähriger seine 8jährige Schwester vergewaltigt.

Ich meine, das ist das, was diese Kultur anrichtet, und wir sind uns dessen nicht so bewußt, aber das fängt mit diesen Videos an. Denn sie schwächen uns immer mehr - man hat ständig eine Ausrede, nicht menschlich zu sein. Und es fängt nicht bloß mit diesen Videos an, es fängt schon damit an, daß man sagt: „Ja, ich habe mein Privatleben und ich habe [getrennt davon] mein Arbeitsleben, oder ich habe mein politisches Leben und ich habe mein privates Leben.“ Und das funktioniert nicht.

Herr LaRouche und auch Helga [Zepp-LaRouche], so wie ich sie kenne, sie trennen das nicht. Sie sagen wirklich: „Ich stelle mich der Herausforderung, mein Potential zu entwickeln.“ Und das ist, denke ich, die größere Aufgabe bei all den Programmen, über die wir heute gesprochen haben - den Nationen die Möglichkeit zu bieten, daß die Menschen das haben können. Schließlich kann ein Kind, das mit zwei Jahren verhungert, diese menschliche Qualität, dieses menschliche Potential wohl nicht entwickeln. Aber wir reden hier über Beethoven und seine Musik, weil sie den Menschen hilft, dieses Potential zu verwirklichen, nicht wahr?

Wenn wir über ein Mars-Programm reden, dann nicht, weil wir irgendwelche verrückten Science-Fiction-Fans wären, sondern weil wir das als unsere Mission als Mensch betrachten, weil wir die einzige Gattung sind - jedenfalls, soweit wir wissen -, die die Fähigkeit dazu hat. Und eine Person, die mit unserer Bewegung zusammengearbeitet hat, Krafft Ehricke, hat gesagt, daß es einen extraterrestrischen Imperativ gibt: Wir müssen es tun. Und von diesem Standpunkt, wenn man das ernst nimmt, ist die Frage: Haben wir wirklich eine Kultur, mit der das geht? Haben wir eine Kultur, die uns in die Lage versetzt, zum Mars zu gelangen?

Viele Leute, die sich durch unser Material arbeiten, denken vielleicht: „Ja, wir schaffen es zum Mars.“ Nun, meine Herausforderung ist: Wie kommen wir weiter, über unser Sonnensystem hinaus? Wir kommen wir zum nächsten Sonnensystem? Das ist eine große Herausforderung. Und ich kann Ihnen sagen: Wenn sie diesen [Gangnam-]Tanz in einem Raumschiff tanzen wollen, dann könnte es auseinanderfallen. Man würde gar nicht erst zum Mars kommen, nicht einmal zum Mond. Nehmen wir also diese Herausforderung an und betrachten wir es aus der größeren Perspektive, daß es um uns geht, um unsere Natur, wenn wir diese Idee entwickeln und das, was wir tun müssen.

Wahrscheinlich hast du, Helga, auch etwas dazu zu sagen. Du kanntest ja Krafft Ehricke sehr gut und ich weiß, daß das auch für unsere Bewegung eine begeisternde Zeit war. Also, vielleicht kannst zu dem noch etwas hinzufügen. [Applaus.]

Helga Zepp-LaRouche: Nun, Krafft Ehricke - wir haben verschiedene Dinge mit ihm zusammen getan, mit der Fusion Energy Foundation, aber einmal erklärte er sich auch bereit, eine Rundreise durch Deutschland für uns zu machen, um das Wissenschaftsprogramm und die bemannte Weltraumfahrt wiederzubeleben. Und bei zwei Gelegenheiten, einmal in München und auch in Braunschweig, wenn ich mich nicht irre, wurden seine Veranstaltungen von den Grünen angegriffen. Und das war der Punkt, an dem er sagte, daß er genau das auch in den dreißiger Jahren gesehen hat. Warum sollte jemand einen Wissenschaftler angreifen, der ein Marsprogramm entwickeln will? Das zeigt die Bestialität der Grünen.

Und dann, später, als er leider an Krebs erkrankt war, hatten wir mehrere längere Telefongespräche und er sagte, er wolle wirklich seine volle Unterstützung für das Schiller-Institut zum Ausdruck bringen, denn die Wissenschaft sei nicht das Problem. Wissenschaft kann zum Guten wie zum Bösen dienen, das liegt ganz an den Menschen, die diese Wissenschaft nutzen. Und deshalb sagte er, brauche man, ganz wie wir es sagen, den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, man müsse ihn aber unbedingt mit einer Renaissance der Kultur verbinden und man braucht die ästhetische Erziehung der Menschen. Denn man kann alles entwickeln und damit die Zivilisation zerstören, wie jetzt mit thermonuklearen Waffen, aber man kann auch die friedliche, thermonukleare Kernfusion entwickeln und die Reisezeit zum Mars auf eine Woche reduzieren.

Und er hatte diese phantastische Idee über die Evolution der Zivilisation und des Lebens auf der Erde. Er wollte eine Stadt auf dem Mond bauen und Städte auf dem Mars bauen. Aber er war vollkommen davon überzeugt, daß die Bildung des Menschen, die humanistische Bildung, die wichtigste Herausforderung ist.

Und ich denke, da haben wir die größte Krise. Denn die Vorstellung, daß die Menschen danach streben sollten, schöne Seelen zu werden, ist nicht mehr das Ideal. Wenn man heute in eine Schulklasse gehen und die Kinder fragen würde: „Habt ihr schon daran gedacht, etwas für die Schönheit eurer Seele zu tun?“ - dann würden sie wahrscheinlich denken, man sei verrückt. Aber wenn man sie fragte: „Wart ihr schon im MacFit“ oder etwas ähnlichem, um schöne „Muckies“, also starke Muskeln zu bekommen, dann wären sie sehr daran interessiert.

Ich denke daher, daß diese Idee, daß man an seinem eigenen Geist arbeiten muß, daß man an der Schönheit der eigenen Seele arbeiten muß, daß man seine Emotionen durch die klassische Kunst erziehen muß - das ist etwas, was jeder große Wissenschaftler weiß. Deshalb hat Einstein auf seiner Geige gespielt, bevor er an seine Studien ging. Man braucht diesen geistigen Rahmen, der unsere Fähigkeiten in einer ganz besonderen Weise darauf einstimmt, kreativ zu denken.

Man muß sozusagen „den Computer säubern“ von allem, was das stört. Wenn man schlechte Gewohnheiten hat, muß man versuchen, sie so schnell wie möglich abzulegen. Die Menschen werfen ihr Leben einfach weg, anstatt daran zu denken, daß das Leben sehr kurz ist und daß man wirklich einen Plan braucht, um ein kreativer Mensch zu werden.

Krafft Ehricke hat das verkörpert, und mit das Schönste in meinem Leben war, daß ich durch die Arbeit mit meinem Ehemann das Glück hatte, einige der besten Menschen auf diesem Planeten zu treffen - einige der kreativsten, wie Norbert Brainin, aber auch viele andere, und einige der herausragendsten Staatsführer, wie Indira Gandhi; Menschen, die ihr Leben der Aufgabe gewidmet hatten, die Menschheit voranzubringen.

Und einige Leute haben das Unglück, daß sie niemals in ihrem Leben auch nur eine einzige Seele treffen, die den göttlichen Funken in ihnen berührt, und dann tun sie, was sie tun, und sterben irgendwann - und wofür überhaupt?

Ich habe viel über die Frage nachgedacht: Warum konzentriert sich Lyn [LaRouche] so sehr auf die Frage der Kreativität? Warum redet er soviel darüber, daß wir die Sinnesgewißheit überwinden müssen? Müßten wir nicht viel dringender über die Gefahr des Dritten Weltkrieges reden?

Aber ich denke, es ist ganz klar. Er weiß, wenn wir nicht in den Menschen diese Liebe zur Kreativität wecken, dann bleiben sie Sklaven der Oligarchie. Und ich möchte wirklich, daß Sie diese Botschaft aus dieser Konferenz mitnehmen, daß Sie wirklich ein neues Leben beginnen, daß Sie sagen: „Ich habe jetzt die Zeit, den Zweck meines Lebens und meine Herangehensweise neu zu definieren.“

Stürzen Sie sich in die klassische Musik, fangen Sie an, Gedichte zu lesen, versuchen Sie, ein Gedicht zu schreiben. Warum nicht?

Sie werden feststellen, daß es eine große Herausforderung ist, ein Gedicht zu schreiben, das die Kriterien eines klassischen Gedichts erfüllt. Denn man kann dann keine Seifenoper schreiben, es kann kein Smalltalk sein, man kann nicht einfach irgendwelche Reime ohne Rhythmus und ohne Sinn aneinanderreihen, man braucht eine poetische Idee, und diese Idee muß entwickelt werden, sie muß durchkomponiert werden, und sie muß auch ein Ende haben, damit die Metapher des Gedichts uns über die Prosa hinausführt. Denn sonst könnte man auch Prosa schreiben. Und das - oder auch ein Musikstück zu komponieren, das ist das gleiche - ist eine Herausforderung. Man muß bis an die Grenzen des eigenen Denkens gehen.

Es muß notwendig sein, nicht willkürlich, es muß etwas sein, was notwendig ist. Denn das ist auch etwas, was die Menschen vergessen - daß Notwendigkeit, Leidenschaft und Freiheit ein und dasselbe sind. Freiheit liegt nicht außerhalb der Notwendigkeit, sonst hätte man Anarchie. Aber das zu tun, was notwendig ist, in der Freude, daß man das tut, was die Menschheit braucht - das macht uns frei. Und dies sind Gedanken, die Sie durchdenken müssen, und wenn Sie sie durchdacht haben, dann werden Sie zu dem Schluß kommen, daß Sie Ihr Leben dafür einsetzen werden, ein Teil der Lösung zu sein, an einem Punkt, wo es nicht garantiert ist, daß die Menschheit durchkommt.

Ich möchte Ihnen diesen Druck nicht abnehmen. Wir haben heute nicht viel darüber gesprochen, aber die Russen haben extrem scharf auf die Entsendung der Patriot-Raketen [in die Türkei] reagiert; sie haben im Grunde gesagt, daß die den Zweck haben, eine Flugverbotszone in Syrien durchzusetzen. Nun wollen diese Idioten dazu auch noch AWACS-Flugzeuge hinschicken - Sie wissen schon, diese militärischen Systeme, die das begleiten sollen, und es ist eine militärische Vorbereitung auf den Dritten Weltkrieg.

Das ist der Druck, unter dem wir über diese Ideen diskutieren, und ich denke, das ist etwas, was Sie nachhause mitnehmen sollten und dann darüber nachdenken, was Sie dagegen tun wollen. [Applaus.]

Schließen Sie sich der Bewegung an!

Leona Meyer: Hallo, ich bin Leona Meyer, und ich bin aktiv bei der BüSo in Stuttgart. Ich denke, wenn die Menschen nicht handeln, hat das sehr viel mit ihrem Pessimismus zu tun. Und ich denke, dieser Pessimismus kommt daher, daß man an die Sinneswahrnehmungen glaubt, daß man diese abscheuliche Kultur sieht, daß man diese Politiker sieht, die nichts tun oder das falsche tun. Und ich denke wirklich, daß wir diese Sinneswahrnehmungen überwinden müssen.

Es ist möglich, in die Geschichte zurückzuschauen, auch Mike Billington hat darüber berichtet: Wir haben schon Wunder vollbracht, mit kleinen Kräften, aber mit der größten Kraft des Geistes weniger Menschen. Und ein solches Wunder müssen wir jetzt vollbringen.

Wie ich schon sagte, ich arbeite jetzt in Baden-Württemberg, und dort gab es im 19. Jahrhundert wichtige Menschen, die für die Zukunft der Menschheit gekämpft haben, wie Friedrich Schiller, der mit den Humboldt-Brüdern und vielen anderen in Kontakt stand. Man sieht, daß es ein Netzwerk war, das tatsächlich nur ein kleiner Prozentsatz der gesamten Bevölkerung war, aber diese Leute haben die Zukunft für die Menschheit verbessert.

Wir müssen uns jetzt dieser Herausforderung stellen, und wir können das nächste weltweite Netzwerk schaffen - nicht von Milliarden Menschen, aber von Menschen, die das richtige, kreative Denken haben, und mit jener Qualität, die das Individuum braucht, um die Geschichte wirklich zu verändern. Das ist es, was wir jetzt tun müssen. Und ich denke, daß alle die jungen Menschen hier darüber nachdenken sollten, sich dazu so schnell wie möglich unserer Bewegung anzuschließen. [Applaus.]

Helga Zepp-LaRouche: Ich denke, das war das letzte Wort. Ich möchte Ihnen allen dafür danken, daß Sie hier waren und daß Sie die Leidenschaft und die Geduld hatten, diese beiden Tage lang hier zu sitzen. Und ich möchte Sie alle auffordern: Machen Sie mit. Verhindern wir den Dritten Weltkrieg und schaffen wir eine bessere Welt! [Applaus.]