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Neue Solidarität
Nr. 51, 18. Dezember 2013

Merkels Spiel mit dem Dritten Weltkrieg:
Worum es in der Ukraine wirklich geht

Von Helga Zepp-LaRouche

Kein Wunder, daß die Bevölkerung in Deutschland bezüglich der Ereignisse in der Ukraine verwirrt ist. Die „etablierten“ Medien vermitteln ein Bild, demzufolge sich ein Großteil der ukrainischen Bevölkerung nach europäischen Werten sehnt und von einem korrupten und Moskau-hörigen Präsidenten Janukowitsch an Rußland, das unter der Knute eines Diktators leidet, ausverkauft wird. Boxweltmeister Klitschko appelliert in der Bild-Zeitung an deren Leser um Sympathie für die armen Demonstranten: „Die Sicherheitskräfte schlugen Zelte kaputt, trieben Demonstranten mit Schlagstöcken auseinander, zerstörten unsere friedlichen Proteste.“ Ja, dann ist doch klar, wer im Recht und wer im Unrecht ist!

Realität ist dagegen, daß es bei den langjährigen Anstrengungen der USA und der EU, die Ukraine baldmöglichst in die EU und ebenso in die Nato zu integrieren, darum geht, die Einkreisungsstrategie gegenüber Rußland bis zu dem Punkt voranzutreiben, an dem Rußland praktisch wehrlos wird. Der texanische mit Sicherheitsquellen gut vernetzte Nachrichten-Dienst Stratfor hebt hervor, daß die Ukraine ein Gebiet sei, „das tief im Herzen Rußlands liegt“ und dessen Ausscheiden aus der Einflußsphäre Rußlands bedeute, „daß Rußland nicht mehr zu verteidigen ist“.

Aus dem gleichen Grund hat das russische Militär wiederholt und unmißverständlich betont, daß die Installation des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Osteuropa nicht akzeptabel sei, weil es die strategische Zweitschlagskapazität, mit der Rußland auf einen atomaren Erstschlag der USA oder der Nato reagieren könnte, ausschalten würde. Wer jemals auf die Landkarte geschaut hat, wird ohnehin nicht geglaubt haben, daß diese Systeme in Polen und Tschechien gebaut werden, um die Gefahr von Raketen aus dem Iran abzuwehren, denn dann hätten die USA das Angebot Rußlands annehmen können, eine gemeinsame Raketenabwehr in Südrußland und Aserbaidschan aufzubauen. Als es deshalb bei den Genfer 5+1-Verhandlungen zu einer möglichen Einigung mit dem Iran kam, argumentierte der russische Außenminister Lawrow sofort, daß das Raketenabwehrsystem in Osteuropa ja nun nicht mehr notwendig sei, und versäumte somit nicht die Gelegenheit, auf den Bluff hinzuweisen.

Es geht bei der Ukraine um brutale Geopolitik. Durch das Wegbrechen der Ukraine von Rußland, mit dem es durch vielfältige wirtschaftliche Verflechtungen verbunden ist, soll eine wirtschaftliche Erholung Rußlands verhindert werden. Die Ukraine, die über beträchtliche industrielle und landwirtschaftliche Kapazitäten verfügt, soll zum Nutzen der Großkonzerne den gleichen Freihandelsmethoden unterworfen werden, wie dies auch für die geplante TAFTA anvisiert ist, d.h. die weitgehende Ausschaltung jeglicher Rolle des Staates beim Schutz des Gemeinwohls seiner Bürger zugunsten des maximalen Profits der großen Player der Kasino-Wirtschaft.

Die bisherigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Ukraine und der EU haben diesen Trend bereits verdeutlicht: Nicht als gleichberechtigter Partner ist die Ukraine im Umfeld der EU erwünscht, sondern als Rohstofflieferant auf Dritte-Welt-Niveau und als neues Terrain für die Heuschrecken. Und nicht nur für die französische Landwirtschaft wäre die Assoziierung der Ukraine ein Desaster.

Diese Erfahrung dürfte in die Entscheidung der Ukraine, auf dem EU-Osteuropa-Gipfel in Vilnius am 28./29. November dem Assoziierungsabkommen mit der EU nicht beizutreten, ebenso eingeflossen sein, wie das marode Bild, das die EU und vor allem die Opfer ihrer Politik in Griechenland, Zypern, Italien, Spanien und Portugal heute abgeben, in denen die Politik der Troika die Lebenserwartung der Menschen dramatisch reduziert. Für diese Politik hat Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium die treffenden Worte gefunden: Das ist eine Wirtschaftspolitik, die tötet.

Wenn die ukrainische Regierung nun dem massiven Druck seitens der schon wieder einmal mit Sanktionen drohenden EU und USA nachgeben und doch noch dem Assoziierungsabkommen mit der EU beitreten sollte, dann bedeutete dies, daß es zu einem neuen Griechenland an der russischen Grenze zu werden droht und zusätzlich in einen internen Krieg - und zwar nicht in einen Bürgerkrieg, sondern in irreguläre Kriegsszenarien - gestürzt werden könnte.

Denn wer sind diese pro-europäischen Kräfte in der Ukraine? Seit über zehn Jahren haben diverse Neokon-Kreise aus Großbritannien, den USA und der EU buchstäblich Hunderte von Millionen investiert, um nach den Techniken des Gene Sharp die personelle und logistische Infrastruktur aufzubauen, die 2004 zur „Orangenen Revolution“ geführt hat. George Soros’ Open Society Foundation, das National Endowment for Democracy, das Carnegie Endowment, die Smith Richardson Foundation, das IRI, aber natürlich auch die Universitäten Oxford und Cambridge und diverse andere Denkfabriken finanzieren seit Jahren 2200 (!) NGOs in der Ukraine, die die Aufgabe haben, einen „Regime-Wechsel“ herbeizuführen, wie gegenüber jeder anderen, legitim gewählten Regierung, die nicht bereit ist, sich dem globalen Kasino-Empire zu unterwerfen.

Schlüssel-Agenturen für die Politik sind das Center for US-Ukrainian Relations (CUSUR), das National Endowment for Democracy, dessen stellvertretende Vorsitzende Nadia Diuk derzeit vor Ort in Kiew Aktivitäten der Opposition koordiniert, sowie der American Foreign Policy Council, in dessen Vorstand solche Neokons wie Newt Gringrich, Robert McFarlane, James Woolsey und Robert Joseph sitzen. Seminare dieser Organisationen, die teilweise durch das Internet zugänglich sind, lassen keinen Zweifel daran, daß diese Kreise es auf die territoriale Integrität Rußlands und Chinas abgesehen haben und die Nato-Integration oder Balkanisierung der Ukraine nur ein Schritt auf diesem Wege ist.

Dabei sind diese Geldgeber diesmal noch weniger zimperlich bei der Wahl ihrer Protegés als während der Orangenen Revolution: Dieses Mal setzen sie auf  ein rechtes Spektrum von Organisationen, das von der Svoboda-Gruppierung mit faschistischem Hintergrund, deren Logo in einem stilisierten Hakenkreuz besteht, bis zu Timoschenkos Vaterland-Wahlbündnis, Klitschkos UDAR-Partei (Faushieb) und weiteren faschistischen Organisationen reicht.

Dabei verfolgt die EU arbeitsteilig ihre eigene geopolitische Strategie. Laut Spiegel will Bundeskanzlerin Merkel Vitali Klitschko durch gemeinsame Auftritte und Einladungen zum Treffen der Staats- und Regierungschefs der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und einem persönlichen Treffen mit Merkel zum Oppositionsführer aufbauen, was ursprünglich als Vorbereitung für Klitschkos Teilnahme an der Präsidentschaftswahl 2015 dienen sollte und nun aufgrund Janukowitschs möglicherweise temporärer Entscheidung, das Assoziierungsabkommen nicht zu unterschreiben, eskaliert wird.

Diesen Berichten zufolge führen die Konrad-Adenauer-Stiftung und die EVP Schulungen für UDAR-Parlamentarier und deren Mitarbeiter durch. Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla haben sich demnach zu vertraulichen Gesprächen mit Klitschko getroffen und ihm Unterstützung zugesagt. Pofalla wird wegen seiner Äußerung gegenüber Wolfgang Bosbach in Erinnerung bleiben, als dieser ihn auf die im Grundgesetz garantierte Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten hingewiesen hatte und Pofalla erwiderte: „Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen. Ich kann den Scheiß nicht mehr hören.“ Wer eine solche mißachtende Haltung gegenüber dem Grundgesetz hat, dem ist natürlich auch die UN-Charter egal, die die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates garantiert.

Ausgerechnet einen Boxer, der inhaltlich außer PR-Sprüchen, daß alle Ukrainer das Recht auf Freiheit und ein besseres Leben haben, noch nichts von sich gegeben hat, als Präsidentschaftskandidaten zu präparieren, verrät lediglich die Absicht dieser Kreise: geopolitische Dominanz. Die ukrainische Bevölkerung täte gut daran, sich rechtzeitig zu erkundigen, wie das „bessere Leben“ der Griechen oder Spanier aussieht, seitdem die Troika sie unter der Knute hat. Und sich ausgerechnet mit der EU zu assoziieren, wenn diese das Bail-in-Gesetz verabschiedet, grenzt an kalkuliertes Harakiri. Die Ukrainer sollten besser ihre Notgroschen auf den Mond schießen, ehe auch sie das Zypern-Detroit-Modell ereilt.

Für Deutschland, und die anderen europäischen Nationen genauso, ist ein gutes Verhältnis zu Rußland von existentieller Bedeutung. Helmut Schmidt hatte nicht nur Recht mit seiner negativen Beurteilung der EU-Institutionen und derzeitigen politischen Führung in Europa, die er bei seinem „Abschiedsbesuch“ in Moskau Putin gegenüber zum Ausdruck brachte, wichtig war auch sein Hinweis, daß Deutschland und Rußland nach den Tragödien des 20. Jahrhundert Nachbarn bleiben werden, die durch ein gemeinsames Schicksal miteinander verbunden sind.

Wenn Deutschland als Industrienation überleben will - ein Status, der ohnehin schon durch den Atomausstieg und die daraus folgenden Energiepreise ebenso wie durch die Folgen der Kasino-Wirtschaft für die Realwirtschaft gefährdet ist -, dann muß ein souveränes Deutschland gemeinsam mit anderen souveränen Republiken eine Allianz für wirkliche wirtschaftliche Zusammenarbeit eingehen. Deutschlands wirtschaftliche Kooperation mit Rußland, China, Indien, Japan und Südkorea, um nur die wichtigsten Nationen zu nennen, entscheidet mit darüber, ob die Welt aus der gegenwärtigen Krise herauskommen und einen fundamentalen Wandel in der Wirtschaftsordnung - weg von der Kasinowirtschaft, hin zu einer Rekonstruktion der Realwirtschaft - verwirklichen kann. Deutschland verfügt dabei über Kapazitäten, Maschinenbau und mittelständische Unternehmen, die auf der ganzen Welt gebraucht werden und geschätzt sind.

Es ist allerhöchste Zeit, die Konsequenz aus dem gescheiterten und gefährlichen Euro- und EU-Experiment zu ziehen, die Souveränität über die eigene Wirtschafts- und Währungspolitik zu erlangen, und einen eurasischen Kontinent der Vaterländer wirtschaftlich aufzubauen, vom Atlantik bis zum chinesischen Meer. Die vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf die Tagesordnung gesetzte Politik der Neuen Seidenstrasse muß dabei zur Basis einer wirklichen Kooperation und Freundschaft aller kooperierenden Nationen werden.