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Neue Solidarität
Nr. 9, 27. Februar 2013

„Es fehlt der Wille zu Glass-Steagall“

In einer Talkshow des französischen Fernsehsenders France 3 führte Jacques Cheminade das Lager der Befürworter des Trennbankensystems an.

Am 12. Februar, als in der französischen Nationalversammlung die erste Lesung eines Gesetzes für eine äußerst schwache Variante eines Trennbankensystems begann, war LaRouches französischer Mitstreiter Jacques Cheminade einer von sieben Gästen in der beliebten Talkshow „Heute abend - oder nie“ von Frédéric Taddeï im nationalen Fernsehsender France 3. Cheminade ist im ganzen Land durch seine Präsidentschaftswahlkämpfe zum Referenzpunkt für eine Glass-Steagall-Politik der strikten Trennung zwischen Geschäftsbanken und Investmentbanken geworden.

Da sechs der sieben Gäste für die eine oder andere Form einer Trennung der Banksparten eintraten, ergab sich eine fruchtbare Diskussion. Den Gesetzesentwurf der Regierung vertrat die sozialistische Abgeordnete Valérie Rabault, stellv. Vorsitzende des Finanzausschusses in der Nationalversammlung und enge Mitarbeiterin von Karine Berger, die im Parlament „Rapporteur“ für das Gesetz ist. Weitere Teilnehmer waren der Finanzjournalist François Lenglet, der verschiedene große Finanzredaktionen geleitet hat und heute Ressortleiter für Frankreich beim nationalen Fernsehsender France 2 ist; Myret Zaki, eine bekannte Bankenkritikerin und Finanzjournalistin in der Schweiz; der Risikomanager Olivier Berruyer, der zu einem Netzwerk gehört, das sich in den letzten Wochen für ein strenges Trennbankensystem eingesetzt hat, aber sonst immer noch dem monetaristischen Denken verhaftet ist; und der bekannte Philosoph und Soziologe Edgar Morin. Für die Bankenlobby sprach Marc Touatti, der früher Analyst bei der im Spekulationsgeschäft sehr aktiven Bank Natixis und bis Ende 2012 Mitarbeiter der Anlagegesellschaft Global Equities war.

Nach einer kurzen Einleitung über die Maßnahmen zur Trennung der Banksparten, die derzeit in verschiedenen europäischen Ländern vorgeschlagen werden, richtet Frédéric Taddeï seine erste Frage an Valérie Rabault: „Warum schlägt die Regierung keine strenge Bankentrennung vor?“

Rabault verteidigte das Vorgehen der Regierung mit den beiden Argumenten: 1. sei Frankreich damit das erste Land überhaupt, das ein solches Trennbankengesetz beschließt, während das amerikanische Frank-Dodd-Gesetz, das angeblich Eigenhandel der Banken unterbinden soll, mit seinen 3000 Seiten an Vorschriften undurchführbar sei und das britische Vickers-Modell zur Trennung der Bankaktivitäten innerhalb der Bankkonzerne erst 2019 angewendet würde, und 2. werde damit das Prinzip eingeführt, keine staatlichen Gelder mehr zur Stützung spekulativer Aktivitäten einzusetzen, indem diese in einer Tochtergesellschaft einer Universalbank isoliert würden. „Die Tochtergesellschaften werden nicht gestützt; wenn sie in Schwierigkeiten geraten, dann haben sie Pech gehabt, die Aktionäre werden die Verluste tragen müssen.“

Die schweizerische Analystin Zaki widersprach ihr sofort, indem sie fragte: „Wie will eine Bank eine Tochter überwachen, die in London oder New York arbeitet? Nehmen sie die UBS als Beispiel: Ihr Hauptquartier in Zürich hatte keine Vorstellung davon, welche Spekulationen in ihren Handelsabteilungen in New York oder Stanford betrieben wurden, und die Schweizer Aufsichtsbehörden auch nicht.“ Weil ihr diese Fähigkeit zur Kontrolle fehlte, mußte die schweizerische Regierung diese Banken stützen, so wie der amerikanische Steuerzahler die Rechnung für die Rettungsaktionen der US-Regierung für die außerbilanzlichen Aktivitäten der Citigroup bezahlen mußte, als diese Geschäftsteile bankrott gingen.

Andere Teilnehmer wiesen darauf hin, daß Bankenvertreter in mehreren Interviews unumwunden zugegeben hatten, daß die Aktivitäten, die unter diesem Gesetz in Tochtergesellschaften ausgelagert werden müßten, ganze 0,75% bis 2,0% der Geschäfte der Universalbanken ausmachen!

Marc Touatti, der als einziger der Idee des Trennbankensystems widersprach, gab schamlos zu: „Wenn es in Frankreich während der Krise keinen Bankrott gab, dann genau deshalb, weil die Investmentbanken mit Universalbanken verbunden waren.“ Als Beispiel dafür nannte er seinen früheren Arbeitgeber Natixis, der von den Banques Populaires (Genossenschaftsbanken, heute BCPE) vor dem Bankrott bewahrt wurde.

Taddeï fragte dann: „Ist das schlimm, wenn die Banken sich nicht benommen haben?“ Damit löste er eine neue Runde von Attacken der Teilnehmer gegen die Bankenstützungspolitik aus. Berruyer wies darauf hin: „Das Geld der Sparer ist nicht dazu da, die Schulden der Wertpapierhändler auszugleichen. Wenn die Gott weiß was tun, dann sollten sie auch die Verluste tragen.“ Zaki widerlegte auch das Argument der Banker, sie hätten dem Staat nicht nur sämtliche Stützungsgelder zurückbezahlt, sondern wegen der hohen Zinsen auf die Stützungskredite sogar dem Staat Gewinne beschert. „Nein“, sagte Zaki, „denn es gab von 2007 bis 2010 einen unglaublichen Rezessionsschock, und die unglaubliche Verschuldung der Regierungen stammt aus diesem Rezessionsschock, den die spekulativen Finanzen auslösten.“ Lenglet erinnerte daran, daß beispielsweise die irische Regierung 30% mehr Schulden machen mußte, um die Banken zu retten.

„Nicht im System bleiben“

Aber nur Cheminade behandelte diese Frage von oben, mit der ganzen Autorität eines Mannes, der die Notwendigkeit einer strikten Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken im Sinne von Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz schon vor vielen Jahren auf den Tisch gebracht hat, ganz besonders im letzten Präsidentschaftswahlkampf, in dem er als einziger unter neun Kandidaten für ein Trennbankensystem eintrat.

Cheminade griff unumwunden namentlich die Leute an, die im Hintergrund jeden Fortschritt in dieser Richtung in Frankreich blockieren: „Ich habe Herrn Ramon Fernandez getroffen, als er Herrn Sarkozy beriet, und er ist immer noch Direktor des Finanzministeriums“, sagte er. „Ich teilte ihm meine Ansicht darüber mit, wie die Krise sich entfalten würde, und er antwortete, es gebe keinen Grund zur Sorge. Finanzen seien ein Nullsummenspiel und man werde immer die notwendigen Gegenparteien finden..., die Vertreter des Bankensystems seien weise genug, sich selbst zu beaufsichtigen..., wir hätten genug Stoßdämpfer in Europa, auf die wir zurückgreifen können, um mit der Krise fertigzuwerden. - Wir haben gesehen, daß das alles falsch war“, kommentierte Cheminade.

Das eigentliche Problem sei dies: „Wie können wir die notwendige Reform Leuten anvertrauen, die Teil des Systems sind, Teil der höchsten Ebenen der Finanzhierarchien in Frankreich, und die nichts kommen sahen?“ Cheminade erinnerte an die traditionellen ideologischen Probleme im französischen Bankwesen, indem er den früheren Volksfront-Minister der 30er Jahre Jean Zay zitierte: „Es gibt eine Sache, die man in Frankreich nicht tun darf, nämlich die Macht von Finanziers in Frage zu stellen, die auf der einen Seite den Mythos der Haushaltsdisziplin verteidigen und auf der anderen Seite die Banken alles tun lassen, was sie wollen. Darin liegt ein völliger Widerspruch.“

Cheminade sprach auch ein weiteres Problem dabei an, nämlich das, was einige als „inzestuöse“ Beziehung zwischen hochrangigen Staatsbeamten, der Macht der Banken und den gewählten Politikern auf allen Ebenen bezeichnen. „Das Problem ist: Wen stellen wir ein, um die Lage zu analysieren und eine Reform durchzuführen? Die Experten aus derselben Welt. Das Komitee für Finanzvorschriften und systemische Risiken (COREFRIS), das ausgewählt wurde, um über die Reform zu beraten, besteht aus Bankern. Dann werden diese Leute ,Experten’, ,Richter’, Abgeordnetenberater’ und manchmal sogar selbst Abgeordnete.“ Letzteres war ein Seitenhieb auf Rabault, die als Ökonomin noch bis 2011 bei einer der großen Universalbanken, BNP Paribas, die Abteilung für Zukunfts- und Marktrisikostudien geleitet hatte.

„Es wird ein ganzes System etabliert, in dem keiner etwas kommen sieht, und das ist auch normal, weil sie die Dinge nur aus der Sicht des Systems betrachten; und Leute, die von außen kommen, tun was sie können... Karine Berger und Valérie Rabault haben getan, was sie konnten, aber sie waren gezwungen, innerhalb eines geschlossenen Kreises zu denken.“ Dann spottete Cheminade: „Karine Berger sagt, sicher, wir verlagern bloß 0,75-2% der spekulativen Tätigkeiten in die Tochtergesellschaften; aber wir geben euch eine Schere, so daß ihr [durch gesetzliche Ergänzungen] weitere spekulative Aktivitäten in die Tochtergesellschaften verbannen könnt. Ich fürchte, wenn wir im System bleiben, dann wird diese Schere nicht besser sein als ein Brieföffner oder ein Nagelknipser.“

In seinem Schlußwort verwies Cheminade auf den Angelides-Bericht der überparteilichen Kommission des US-Kongresses für die Regulierung des Finanzsektors und riet allen nachdrücklich, diesen Bericht genau zu studieren, das sei „die bisher beste Analyse zu der Krise“. Er widerlegte auch die von Finanzminister Moscovici oft aufgestellte Behauptung, es gebe derzeit gar keine Gesetzesinitiativen für die Wiedereinführung einer strikten Glass-Steagall-Bankentrennung. Cheminade berichtete dazu über den laufenden Antrag der Abgeordneten Marcy Kaptur und Walter Jones (HR 129) im US-Kongreß und über die Debatte im isländischen Parlament.

Die einzige Lösung sei „eine internationale Vereinbarung, eine Politik des Staatskredits zu verfolgen. Frankreich muß das verteidigen, wir haben das nach dem Krieg gemacht, in Form des Nationalen Kreditrates und einer Nationalbank, und es ist uns gelungen, ohne Ersparnisse oder Renten, Frankreich wieder zu entwickeln. Roosevelt hat zu seiner Zeit in Amerika das gleiche getan. Wir können das, vorausgesetzt, wir haben den Willen dazu; was an diesem Punkt am meisten fehlt, ist der Wille, etwas Neues zu tun. Hölderlin sagt: ,Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.’“ Jetzt sei die Zeit zum Handeln gekommen, schloß Cheminade.

Christine Bierre