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Neue Solidarität
Nr. 9, 27. Februar 2013

Volks- und Raiffeisenbanken: Ein Stabilitätsfaktor in der Krise

Buchbesprechung. Nachdruck des 1865 von Max Wirth verfaßten Werks „Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken“, herausgegeben von Max Otte. Finanzbuchverlag Februar 2013, 115 Seiten, Euro 14,99.

Seit geraumer Zeit steht das in den deutschsprachigen Ländern erfolgreiche Modell der Sparkassen und Genossenschaftsbanken unter Attacke der international agierenden Finanzinstitute, die allzu gerne an die Spareinlagen der Bürger kommen würden, um ihre waghalsigen Spekulationsgeschäfte weiterhin zu speisen. Gerade aber die Volks- und Raiffeisenbanken haben sich in der Finanzkrise seit 2007/2008 als Hort der Stabilität bewährt. Die Beschäftigung mit einem grundlegenden Werk aus der Geschichte der Genossenschaftsbanken ist insofern von Nutzen, als sie die wesentlichen Grundzüge eines auf Vernunft basierenden Bankensystems darstellt, das seine Hauptaufgabe in der Förderung des produzierenden Gewerbes vor Ort sieht.

Neben der historischen Schrift von Max Wirth ist im zweiten Teil des Büchleins eine Verteidigungsschrift der Genossenschaftsbanken vom Herausgeber Prof. Otte aufgenommen worden, ein Beitrag, der erstmals 2010 in der Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen erschienen ist.

Der Journalist und Nationalökonom Max Wirth (1822 -1900) war unter anderem Redakteur der Frankfurter Handelszeitung. 1865 wurde er Direktor des statistischen Büros der Schweiz in Bern. Hier entstand im gleichen Jahr seine Schrift Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken. Mit Genossenschaftsbanken ermögliche man erstmals den Landwirten und Handwerkern, an kostengünstigen Kredit zu kommen, während sie gleichzeitig als Mitglieder das Grundkapital zur Verfügung stellten und so auch am Erfolg der Bank beteiligt wären. Das Zusammenführen vieler kleiner Kapitalien und die gemeinsame uneingeschränkte Haftung aller Anteilseigner bei Verlusten schaffe das notwendige Vertrauen, bei steigendem Finanzierungsbedarf auch auf größere Darlehensgeber zurückgreifen zu können. (Erst mit der gesetzlichen Regulierung der Genossenschaftsbanken, z.B. in Preußen 1867, wurde die Haftung des einzelnen auf den eigenen Anteil am Grundkapital beschränkt.)

Dieses Geschäftsmodell, Spareinlagen und Mitgliedsanteile hereinzunehmen und das Gewerbe vor Ort mit Kredit zu versorgen, ist bis heute Grundlage der Volks- und Raiffeisenbanken. Der Forderung des Herausgebers, Herrn Prof. Otte, dieses auf drei Säulen basierende Bankensystem (Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Privatbanken), um das uns in den letzten anderthalb Jahrhunderten viele Länder beneidet haben, beizubehalten, kann sich der Rezensent nur anschließen. Otte schreibt:

Die Spezialinstitute - das sind z.B. die beiden Zentralinstitute DZ und WGZ-Bank, Union Invest, R+V Versicherungen - seien alle rechtlich voneinander getrennt, aber hier gäbe es auch Produkte und Dienstleistungen, die „sich nicht unbedingt mit der ursprünglichen Idee der Genossenschaftsbanken in Einklang bringen lassen. So ist die DZ Bank einer der großen Akteure im Derivatgeschäft in Deutschland.“

Das mag vielleicht erklären, warum der Chef des Bundesverbandes der Volks-und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, seine Ablehnung des Trennbankensystems am 13.2.2013 in der Börsenzeitung so vehement vortrug - eine Haltung, die die ureigensten Interessen der Mitgliedsbanken mißachtet. Denn es sind ja gerade die regional agierenden Genossenschaftsbanken und Sparkassen, die durch das Trennbankensystem geschützt würden.

Dabei ist die Aufspaltung nach einer willkürlich festgelegten Obergrenze der Bilanzsumme, wie Prof. Otte anmerkt, wenig hilfreich - es geht ja um die Trennung des Niedrigrisikobereichs von den Geschäftsfeldern der Investmentbanken mit hohem Risiko.

So weit, so gut. Aber dann stolpert man am Ende des Büchleins auf Ottes Anlagestrategien, die er gerne verkaufen möchte. So etwas kostet Glaubwürdigkeit. Auch Herrn Prof. Otte sollte klar sein, daß man weder die Genossenschaftsbanken noch irgendein Privatvermögen bewahren kann, wenn das ganze Finanzsystem am „Abschmieren“ ist. Der Grund, warum alle Rettungspakete die Lage nicht verbessert, sondern nur noch schlimmer gemacht haben, liegt doch in der Tatsache, daß mit den spekulativen Aktivitäten Billionen an fiktiven Schuldtiteln, die durch nichts in der realen Weltwirtschaft gedeckt sind, erst kreiert und dann mit den Rettungsaktionen im nachhinein legalisiert wurden. Wenn dieser Giftmüll nicht rigoros zu Lasten derer, die ihn geschaffen haben, aus den Büchern gestrichen wird, ist der totale Kollaps des jetzigen Finanzsystems vorprogrammiert.

Der erste Schritt zur Überwindung der Krise kann deshalb nur in der sofortigen Bankentrennung im Sinne des amerikanischen Glass-Steagall-Gesetzes bestehen, das Otte en passant wohl lobend erwähnt, aber keine weiteren Konsequenzen daraus zieht. Otte schreibt:

Heute geht die Forderung nach Bankentrennung viel weiter. Sie trennt nicht nur die Geschäftsbanken von den Investmentbanken, sondern schafft auch ein Kriterium, um die Bürgschaften und Hilfsgelder der Staaten wieder soweit es geht zurückzufordern.

Parallel dazu müssen Großprojekte in den Bereichen Infrastrukturausbau und Wissenschaft und Forschung, die viele neue produktive Arbeitsplätze schaffen, in Gang gesetzt werden und mit Hilfe eines Kreditsystem finanziert werden - ähnlich der Funktion der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in den Nachkriegsjahren. Projektgebundene billige Kredite können dann von der KfW über die Hausbanken an die Unternehmen weitergeleitet werden. Das wäre auch ein neuer Aufschwung für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Wenn die Genossenschaftsbanken überleben wollen, müssen sie sich zuerst für die klare Bankentrennung einsetzen, auch wenn davon möglicherweise ihre beiden Zentralinstitute DZ und WGZ-Bank betroffen wären.

Nachbemerkung: Es wäre vom Verlag etwas mehr Sorgfalt bei der Transkription des Wirth-Textes aus der alten Frakturschrift zu verlangen. Der Leser muß schon die Tücken der Texterkennungsprogramme kennen, um sich nicht von den vielen sinnentstellenden Druckfehlern aufs Glatteis führen zu lassen.

Klaus Fimmen