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Neue Solidarität
Nr. 20, 14. Mai 2014

Putin spricht Klartext über Ukraine und Krim

In seiner Fernsehdiskussion „Direkt verbunden mit Wladimir Putin“ legte Rußlands Präsident Putin am 17. April seine Position zur Lage in der Ukraine und auf der Krim dar.

Wladimir Putin stellt sich alljährlich einer Fernsehdiskussion, bei der die Bürger des Landes direkt Fragen an den russischen Präsidenten richten können. In der vierstündigen Sendung am 17. April beantwortete er u.a. auch eine Reihe von Fragen zur Lage in der Ukraine und auf der Krim. Wir bringen Auszüge. (Eine vollständige englische Übersetzung der Sendungsmitschrift finden Sie auf der Internetseite des Kreml unter http://eng.news.kremlin.ru/news/7034).

Auf eine Frage zu den Geschehnissen in der Ostukraine antwortete Putin:

Putin: Bevor ich Ihre Frage beantworte, würde ich gerne etwas zurückblicken auf die jüngsten Ereignisse in der Ukraine. Wie Sie wissen, weigerte sich Präsident Janukowitsch, das Assoziierungs-Abkommen mit der EU zu unterzeichnen - bzw., er hat sich nicht geweigert, es zu unterzeichnen, aber er sagte, er könne das nicht unter den von der EU geforderten Bedingungen tun, weil es die sozioökonomische Lage in der Ukraine dramatisch verschlechtern würde und die Ukrainer darunter leiden würden. Janukowitsch sagte, er brauche mehr Zeit, um das Dokument zu prüfen und es mit den Europäern zu besprechen.

Dies löste öffentliche Unruhen aus, die letztendlich in einem verfassungswidrigen Putsch gipfelten, einer bewaffneten Machtergreifung. Manchen gefiel das, manchen nicht. Die Menschen in den östlichen und südöstlichen Regionen der Ukraine waren besorgt über ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder, denn sie sahen, wie die nationalistische Stimmung schnell zunahm, sie hörten Drohungen und sahen, daß [das neue Regime] einige Rechte der ethnischen Minderheiten aufheben wollte, darunter auch die Rechte der russischen Minderheit. Auf der anderen Seite ist diese Beschreibung relativ, denn diese Russen sind geborene Ukrainer. Aber man versuchte, alle Entscheidungen über die Benutzung der Muttersprache aufzuheben. Dies alarmierte die Menschen natürlich.

Was geschah dann? Statt der Aufnahme des Dialogs mit diesen Menschen setzte Kiew in diesen Regionen neue Gouverneure ein - Oligarchen und Milliardäre. Die Menschen mißtrauen den Oligarchen, das ist so. Sie sind überzeugt, daß die sich ihren Reichtum angeeignet haben, indem sie die Menschen ausbeuten und öffentliches Eigentum unterschlagen - und diese Oligarchen wurden nun eingesetzt, um ihre Regionen zu leiten. Das verstärkte nur die allgemeine Unzufriedenheit. Die Menschen wählten eigene Anführer, aber was tat die neue Regierung mit denen? Sie wurden ins Gefängnis geworfen.

Gleichzeitig gaben die nationalistischen Gruppen ihre Waffen nicht ab, sondern drohten mit der Anwendung von Gewalt in den östlichen Regionen. Als Reaktion darauf fingen die Menschen im Osten an, sich zu bewaffnen. Die Regierung wollte nicht wahrhaben, daß im ukrainischen Staat etwas völlig falsch lief, und keinen Dialog beginnen, sondern drohte, militärische Gewalt einzusetzen, sie schickte sogar Panzer und Flugzeuge los gegen Zivilisten. Das war ein weiteres schweres Verbrechen, das die derzeitigen Herrscher in Kiew begingen.

Ich hoffe, sie werden erkennen, daß sie sich in einen Abgrund hineinbewegen und ihr ganzes Land mit hineinreißen. In diesem Sinne sind die Gespräche, die heute in Genf beginnen, sehr wichtig, denn ich denke, daß wir uns zusammensetzen sollten, um über Auswege aus dieser Krise nachzudenken und den Menschen einen wirklichen und nicht bloß vorgespiegelten Dialog anzubieten.

Die gegenwärtigen Autoritäten in Kiew sind in die östlichen Regionen gereist, aber mit wem reden sie dort? Sie reden mit den Leuten, die sie selbst eingesetzt haben. Dazu braucht man nicht in den Donbas zu reisen, denn die können sie zu einem Treffen nach Kiew einberufen. Aber sie sollten mit den Menschen reden und mit ihren wirklichen Vertretern, mit denen, denen die Menschen vertrauen. Sie sollten die Verhafteten (Oppositionellen) freilassen, den Menschen helfen, ihre Meinung in einer organisierten Form zu äußern, neue politische Vertreter vorschlagen und einen Dialog beginnen.

Die Menschen in den östlichen Regionen reden von Föderalisierung, und Kiew hat inzwischen endlich begonnen, über eine Dezentralisierung zu reden. Aber was meinen sie damit? Damit man verstehen kann, was sie damit meinen, sollten sie sich an den Verhandlungstisch setzen und nach einer akzeptablen Lösung suchen. Die Ordnung kann in einem Land nur durch Dialog und demokratische Prozeduren wiederhergestellt werden, nicht durch den Einsatz von Soldaten, Panzern und Flugzeugen...

Putsch in Kiew

Jurij Abisow, Kommandeur der Berkut-Bereitschaftspolizei auf der Krim: „... Unsere Einheit war in Kiew, als der Maidan Präsident Janukowitsch die Macht entrissen hat. Sie haben uns angezündet, mit Steinen beworfen und auf uns geschossen. Dutzende wurden getötet, Hunderte verwundet, aber wir hatten Befehl, kein Blut zu vergießen. Danach wurden wir verraten.

Sie kennen Herrn Janukowitsch seit langem. War er schon immer so ein Feigling und Wendehals?

Putin: Sie kennen ja das russische Sprichwort: „Schwer ist die Mütze Monomachs.“ Die Last der Verantwortung, die auf den Schultern des Oberhauptes eines Staates liegt, sei dieser groß oder klein, ist groß. In kritischen Momenten muß man sich auf seine persönlichen Erfahrungen und moralischen Werte verlassen.

Was Herrn Janukowitsch angeht, so hat er seine Pflicht in der Art und Weise wahrgenommen, die er für möglich und angemessen hielt. Ich habe natürlich mit ihm in dieser Krise und nach seinem Eintreffen in der Russischen Föderation oft gesprochen. Wir sprachen u.a. auch über die Möglichkeit, Gewalt anzuwenden. Man kann dazu verschiedene Ansichten haben, aber seine Antwort lautete im Kern, er habe den Einsatz von Gewalt oft erwogen, es aber nicht übers Herz gebracht, den Befehl zu unterschreiben, mit Gewalt gegen seine Bürger vorzugehen...

Ein weiterer Anrufer fragte, warum Janukowitsch aus dem Land geflohen sei.

Putin: Zunächst einmal würde ich nicht sagen, daß Janukowitsch geflohen ist. Er mußte gehen, aber er ist nicht aus Kiew geflohen - er war auf einer Reise in die Regionen, als unter Bruch der schriftlichen Vereinbarungen die Gebäude der Präsidialverwaltung und der Regierung in Kiew besetzt wurden. Als Janukowitsch am 21. Februar die Vereinbarung unterzeichnete, die von drei europäischen Außenministern aus Polen, Frankreich und Deutschland garantiert war, dachte er, diese Vereinbarung würde eingehalten werden. Darin versprach Janukowitsch, nicht die Armee oder andere Streitkräfte gegen die Protestierer einzusetzen, die Einheiten des Innenministeriums einschließlich der Berkut aus Kiew abzuziehen; gleichzeitig sollte die Opposition die besetzten Verwaltungsgebäude räumen, die Barrikaden abbauen und ihre Kämpfer entwaffnen. Janukowitsch willigte ein, vorgezogene Parlamentswahlen abzuhalten, zur Verfassung von 2004 zurückzukehren und im Dezember 2014 Präsidentschaftswahlen abzuhalten. Wenn sie es gewollt hätten, dann hätte er auch eingewilligt, die Präsidentschaftswahlen schon in einem oder anderthalb Monaten abzuhalten, weil er bereit war, alles mitzumachen.

Aber sobald er aus Kiew abgereist war und die Einheiten des Innenministeriums aus der Stadt abgezogen waren, erneuerte die Opposition ihre Angriffe, besetzte das Gebäude der Präsidialverwaltung und andere Regierungsgebäude und vollführte einen Staatsstreich im vollen und klassischen Sinne des Wortes.

Was wird in der Ostukraine geschehen?

Irina Chakamada, eine russische Politikerin, die bei der Präsidentschaftswahl 2004 gegen Putin kandidiert hatte, fragte, ob ein Kompromiß zwischen den USA und Rußland einen Krieg um die Ukraine verhindern könne.

Putin: Gibt es eine Möglichkeit, daß Rußland mit den USA zu einem Kompromiß über die Ukraine gelangt? Ein Kompromiß sollte von den verschiedenen politischen Kräften in der Ukraine erreicht werden, nicht von dritten Parteien. Das ist die eigentlich wichtige Frage. Wir können diesen Prozeß nur unterstützen und begleiten.

Zu der Frage, was zuerst kommen sollte - ein Verfassungsreferendum gefolgt von Wahlen, oder erst Wahlen und dann ein Referendum: Die wesentliche Frage ist doch, wie man die legitimen Rechte und Interessen der ethnischen Russen und russischsprechenden Menschen im Südosten der Ukraine sichert...

Ich möchte daran erinnern, daß das, was man zur Zeit der Zaren Neurußland nannte - Charkow, Lugansk, Donezk, Cherson, Nikolajew und Odessa - damals kein Teil der Ukraine war... Rußland verlor diese Territorien aus verschiedenen Gründen, aber die Menschen blieben.

Heute leben sie in der Ukraine, und sie sollten vollwertige Bürger ihres Landes sein. Darum geht es hier. Die Frage ist nicht, ob auf das Referendum über die Dezentralisierung oder Föderalisierung Wahlen folgen, oder ob die Wahlen stattfinden, bevor die Architektur des Staates geändert wird. Das Entscheidende ist, diesen Menschen Garantien zu geben. Unsere Rolle ist es, eine Lösung in der Ukraine zu erleichtern, sicherzustellen, daß es Garantien gibt. Die Menschen im Südosten der Ukraine werden uns fragen und sie werden die gegenwärtige Führung in Kiew fragen: ,Schön, die Wahlen werden am 25. Mai stattfinden - aber wollt ihr, daß wir das Ergebnis anerkennen? Ihr werdet eure Versprechungen gleich am nächsten Tag vergessen und neue Oligarchen nach Donezk, Charkow, Lugansk schicken, usw. Was ist mit Garantien? Wir brauchen Antworten!’

Ich hoffe, daß eine Antwort gefunden wird...

Truppeneinsatz?

Ein Anrufer aus der Region Irkutsk fragte, ob Putin vorhabe, „ein begrenztes Truppenkontingent in die Südostukraine zu schicken, um die russischsprachige Bevölkerung zu schützen“.

Putin: Trotz der Ereignisse auf der Krim sollten wir nicht den Kopf verlieren, sondern von den Realitäten ausgehen. Als erstes muß man zugeben, daß die ethnische Zusammensetzung der Krim anders ist als die der Südost-Ukraine...

Die ethnische Zusammensetzung der dortigen Bevölkerung ist ungefähr 50:50. Ich habe schon erwähnt, daß die letztendliche Entscheidung über die Rückkehr der Krim zur Russischen Föderation allein auf dem Ergebnis des Referendums beruhte. Als ich diese Resultate sah, und selbst sah, daß fast alle Bewohner für den Anschluß an Rußland gestimmt hatten, ich wiederhole, hatten wir keine andere Wahl und es konnte auch keine andere Entscheidung geben.

Was nun in der Südostukraine geschieht, das wissen wir nicht mit Sicherheit. Aber wir glauben, daß wir alles tun sollten, was wir können, um diesen Menschen zu helfen, ihre Rechte zu verteidigen und selbst über ihr Schicksal zu entscheiden. Das ist es, wofür wir kämpfen werden. Lassen Sie mich daran erinnern, daß der Föderationsrat von Rußland dem Präsidenten das Recht gegeben hat, die Streitkräfte in der Ukraine einzusetzen. Ich hoffe sehr, daß ich dieses Recht nicht wahrnehmen muß und daß wir durch politische und diplomatische Mittel in der Lage sein werden, alle diese dringenden, um nicht zu sagen, brennenden Fragen in der Ukraine zu lösen...

Von Lissabon bis Wladiwostok

Putin antwortete auch auf eine Frage des deutschen Rußland-Experten Alexander Rahr aus Berlin zu den gemeinsamen Werten des Ostens und des Westens:

Putin: Rußlands Werte unterscheiden sich nicht dramatisch von den europäischen Werten. Wir gehören der gleichen Zivilisation an. Wir sind verschieden und es gibt einige Aspekte, die einzigartig sind, aber wir haben die gleichen verwurzelten Werte. Ich glaube, daß wir unbedingt danach streben sollten, ein größeres Europa von Lissabon bis Wladiwostok zu schaffen, wie ich schon mehrfach und auch heute wieder gesagt habe. Wenn wir diese Aufgabe bewältigen, dann werden wir in der Lage sein, unseren angemessenen Platz in der zukünftigen Welt einzunehmen. Aber wenn wir einen anderen Weg wählen, wenn wir Europa, die europäischen Werte und Menschen trennen, wenn wir Separatismus im umfassendsten Sinne dieses Wortes fördern, dann wird das uns alle zu unbedeutenden und mittelmäßigen Spielern machen, die keinen Einfluß auf ihre eigene Entwicklung haben, geschweige denn auf die globale Entwicklung...