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Neue Solidarität
Nr. 34, 20. August 2014

Interview

Vorbild Rhein-Main-Donau-Kanal

Tomáš Kolařík ist Sprecher des Projekts für einen Wasserkorridor Donau-Oder-Elbe. Das Interview führte Toni Kästner.

Neue Solidarität: Herr Kolařík, Sie setzen sich für den Bau des Wasserkorridors Donau-Oder-Elbe (D-O-E) ein. Können Sie uns sagen, warum ein solches Projekt wichtig ist, und auf welche Schwierigkeiten stößt es?

Tomáš Kolařík: Binnenwasserwege und Binnenschiffahrt haben in der Tschechischen Republik keinen guten Ruf, weil der Ausbau der Elbe nicht fertiggestellt ist, die unsere einzige internationale Wasserstraße ist und einen Anschluß an das übrige europäische Wasserstraßennetz böte.

Neue Solidarität: Auf Ihrer Webseite www.d-o-l.cz schreiben Sie: „Der Wasserkorridor Donau-Oder-Elbe ist nicht nur ein fehlendes Glied im System der europäischen Wasserwege, sondern auch ein multifunktionales Werk der Wasserwirtschaft von grundlegender Bedeutung für die Tschechische Republik und Europa.“ Können Sie uns darüber mehr sagen?

Tomáš Kolařík: Schon heute gibt es große Probleme mit der Wasserversorgung für die Landwirtschaft und die Industrie vor allem in Südmähren, und aus diesem Grund sehen wir in dem Donau-Oder-Elbe-Wasserkorridor eine wichtige Wasserreserve für verschiedene Zwecke. Mit Hilfe des D-O-E-Projekts läßt sich auch der Grundwasserspiegel stabilisieren und die Trinkwasserversorgung für die Bürger in den umliegenden Gegenden sicherstellen. Das beste Vorbild für diese Lösung ist der Rhein-Main-Donau-Kanal in Deutschland, wo dieses Konzept schon seit mehr als 22 Jahren gut funktioniert.

Neue Solidarität: Weiter heißt es auf Ihrer Webseite: „Der Wasserkorridor Donau-Oder-Elbe nutzt außergewöhnliche Vorzüge des Gebietes der Tschechischen Republik. Er führt über den niedrigsten Punkt der europäischen Wasserscheide zwischen Donau und Oder, die Mährische Pforte. Gewissermaßen ist die Mährische Pforte das ,Familiensilber’, wie der engste Punkt des amerikanischen Festlandes (Panama) oder das Gebiet um den Suez-Kanal.“ Soweit ich weiß, ist die Mährische Pforte wahrscheinlich einer der ältesten Wasserinfrastrukturknoten dieser Art. Können Sie uns sagen, warum diese Stelle so wichtig geworden ist?

Tomáš Kolařík: Die Mährische Pforte war schon immer ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Schon im Altertum wurden Güter auf der Bernsteinstraße durch dieses Tal transportiert; später wurde hier unter der Habsburg-Monarchie eine der ersten und wichtigsten Eisenbahnstrecken - die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn - gebaut, die Wien mit Schlesien verband. In den letzten Jahren wurde hier die wichtige tschechische Autobahn D1 fertiggestellt, die parallel zur Bahntrasse verläuft. In der Gegend liegen auch zwei große Flughäfen, Ostrava und Prerov. Dies ist eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen zwischen der Ostsee und der Adria bzw. dem Mittelmeer, wobei nur eine Beförderungsart fehlt: die Schiffahrt.

Neue Solidarität: Warum ist diese Strecke trotz der jahrhundertelangen europäischen Handelsgeschichte noch nicht ausgebaut?

Tomáš Kolařík: Die tschechische Geschichte im 20. Jahrhundert war sehr kompliziert und damit auch die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur. In Deutschland beispielsweise wurden Wasserwege und Kanäle kontinuierlich während des gesamten Jahrhunderts ausgebaut, so daß man sagen kann, daß in Deutschland kein Kanal unfertig geblieben ist. Doch in der Tschechischen Republik sind noch nicht einmal die Elbe und die Moldau ausgebaut worden, und auch der Donau-Oder-Elbe-Wasserkorridor ist nur teilweise fertig.

Neue Solidarität: Die Tschechische Republik ist das einzige Land unter den 27 EU-Mitgliedsstaaten, das weder direkt noch über ausgebaute Binnenwasserwege mit dem Meer verbunden ist. Was würde das Donau-Oder-Elbe-Projekt in diesem Zusammenhang für die Tschechische Republik und für Europa bedeuten?

Tomáš Kolařík: Unser Land ist stark von Exporten abhängig und für den Transport wachsender Gütermengen benutzen tschechische Produzenten hauptsächlich Lastwagen. Das hat aber enorme Umweltfolgen und erzeugt viele Verkehrsstaus. Alle Verkehrsfachleute sagen, daß wir die Verkehrsströme diversifizieren müssten. Aber wie soll das geschehen, wenn die Bahn und die Binnenschiffahrt mit dem Straßentransport nicht wettbewerbsfähig sind?

Alle anderen EU-Staaten nutzen den Vorteil der Binnenschiffahrt, nur die Tschechische Republik muß sich inmitten aller Verkehrsrouten, die durch das Herz Europas verlaufen, die Straßen mit den Lastwagen aus allen anderen Ländern teilen.

Die Lösung liegt im Bau wirklicher multimodaler Transportkorridore aus Straße, Bahn und Schiffstransport (samt multimodaler Terminals an den Flughäfen), so daß man für bestimmte Güter zwischen allen Transportarten frei wählen kann.

Neue Solidarität: Auf ihrer Internetseite heben Sie u.a. die Bedeutung des D-O-E-Projekts für die Sicherung der Beschäftigung und die Schaffung von Arbeitsplätzen hervor. Können Sie dazu etwas sagen?

Tomáš Kolařík: Heute ist der Wasserkorridor Donau-Oder-Elbe als wichtige Maßnahme gegen Krisen anerkannt. Er soll die Beschäftigungszahl erhöhen, vor allem während des Baus und des Betriebes des Kanals, denn er schafft neue Arbeitsplätze für Zehntausende Menschen:

Neue Solidarität: Sie erwähnen die Bedeutung des Projekts für die Landwirtschaft. Können Sie das näher ausführen?

Tomáš Kolařík: In Mähren gibt es eine sehr entwickelte Lebensmittelindustrie. Ihr hilft der Wasserkorridor Donau-Oder-Elbe auf besondere Weise, vor allem bei der Senkung der Transportkosten, z.B. von Getreide oder Kunstdünger. Er ermöglicht aber auch den Export dieser Produkte, für den der Transport auf der Straße oder der Schiene kostenintensiv ist. Auf Binnenwasserstraßen können aber auch überdurchschnittlich große Landmaschinen transportiert werden (Mähdrescher, Pflüge, Mähmaschinen oder große Sattelauflieger etc).

Der Wasserverkehr kann auch den Handel, Supermärkte u.ä., mit Waren und Lebensmitteln in Containern oder auf Paletten versorgen.

Die Wegnahme von landwirtschaftlichen Flächen für den Bau des Wasserkorridors Donau-Oder-Elbe wird vollkommen ausgeglichen durch die Schaffung neuer Wasserflächen für die Fischzucht. Donau-Oder-Elbe sichert auch die Bewässerung der Flächen und das auch bei ungünstigen Klimaentwicklungen in der Zukunft.

In Südmähren sind Bewässerungen notwendig und der Wasserkorridor Donau-Oder-Elbe sichert die Wasserzufuhr für die Landwirtschaft.

Neue Solidarität: Vielen Dank.