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Neue Solidarität
Nr. 34, 20. August 2014

EU-Sanktionen gegen Rußland sind ein Bumerang

Als Reaktion auf die Sanktionen des Westens hat Rußland seinerseits Sanktionen gegen die EU verhängt, die insbesondere die Luftfahrtunternehmen und die Landwirtschaft treffen.

Offenbar haben diejenigen, die an der jüngsten Brüsseler Entscheidung für erweiterte Sanktionen der EU gegen Rußland mitgewirkt haben, in ihrer Arroganz nicht damit gerechnet, daß es zu einer harten russischen Gegenreaktion kommen würde. Europäische Luftfahrtlinien dürfen den für sie günstigen bisherigen Direktweg nach Asien über den russischen Luftraum nicht mehr nutzen, und der Importstopp für Agrargüter aus der EU trifft die europäischen Landwirte mit Einbußen in Milliardenhöhe. In Ländern wie Polen und den drei Baltenstaaten, in denen Agrargüter wie Obst, Gemüse und Milchprodukte einen hohen Anteil der bisherigen Exporte nach Rußland einnehmen, sind Einbußen in zusammengenommen mindestens einer Milliarde Euro zu befürchten, und auch in Spanien, Italien und Griechenland dürften die Einbrüche im Export von Früchten und Gemüse bei jeweils 500 Millionen bis einer Milliarde liegen. Selbst in Deutschland, wo Agrargüter nur einen Anteil von 2% bei den Gesamtexporten nach Rußland haben, schlagen die Einbußen immerhin noch mehr als eine Milliarde Euro zu Buche.

Rußland ist der größte Importeur für Agrargüter aus der EU, es hat bisher zum Beispiel 20% seines Bedarfs an Schweinefleisch und 30% an Rindfleisch aus Europa bezogen. Es gibt also eine erhebliche Abhängigkeit der EU vom russischen Markt, und da wirken die Sanktionen wie ein Bumerang gegen die eigene, europäische Landwirtschaft. Besonders kritisch wird die Lage in EU-Regionen wie beispielsweise Andalusien, einem Schwerpunkt spanischer Agrarwirtschaft vor allem in der Obst- und Gemüseerzeugung, wo die offizielle Arbeitslosigkeit bereits jetzt bei 35% liegt, oder den Pfirsiche anbauenden Regionen in Italien und Griechenland mit sehr starken Exportquoten nach Rußland.

Anders als in Rußland, wo die Sanktionen zu stärkerer Eigenproduktion von Fleisch, Gemüse, Obst und Milchprodukten führen werden, ist in Europa vor dem Hintergrund der bisherigen verheerenden Agrarpolitik der EU wenig Hilfe für die Landwirte zu erwarten. Tausende von landwirtschaftlichen Betrieben werden durch die Auswirkungen der Sanktionen in den Ruin getrieben, und einige hunderttausend Arbeitsplätze auch in der Nahrungsmittelindustrie sind bedroht.

Niemand wird einen Nutzen in Europa davon haben - außer denjenigen verbohrten EU-Bürokraten, die ohnehin der Meinung sind, im Landwirtschaftssektor existierten angebliche „Überkapazitäten.” Da auch gar nicht abzusehen ist, daß die Sanktionen, wie heute vor allem in Berlin noch behauptet wird, auf allenfalls zwölf Monate „befristet” sind - denn Rußland wird nicht nachgeben und sich schon gar nicht aus der Krim zurückziehen -, wird es dazu kommen, daß Europa ganze Märkte in Rußland an Konkurrenten aus anderen Ländern verlieren wird.

So will die Türkei, wie der gerade gewählte neue Präsident Erdogan schon ankündigte, ihre eigenen Agrarexporte nach Rußland merklich erhöhen, auch China verdoppelt seine Lieferungen von Geflügelfleisch an die russische Seite, Ägypten will seine Lieferungen um 30% steigern. Nach Angaben des russischen Landwirtschaftsministers Nikolai Fjodorow kann allein Ägypten künftig etwa die Hälfte der bisher aus den USA und den EU-Staaten importierten Mengen an Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch und Orangen liefern. Auch haben russische Behörden in den vergangenen Tagen etwa 100 brasilianischen Lebensmittelhändlern Einfuhrgenehmigungen erteilt.

Man sieht bereits, wie zumal im Kreis der fünf BRICS-Länder die wirtschaftlichen Beziehungen im industriellen wie auch im landwirtschaftlichen Bereich jetzt noch schneller intensiviert werden, als dies vor den westlichen Sanktionen gegen Rußland vorgesehen war. Und neben Argentinien sind weitere lateinamerikanische Staaten dabei, ihren Handel mit Rußland auszubauen. Was als „Sanktionen” vor einigen Monaten begonnen hat, wächst sich nun zu einem globalen Wirtschaftskrieg aus, in dem vor allem die Europäer von schweren Verlusten getroffen werden.

Aufschlußreich ist hier, was der Deutsche Stefan Dürr, der größte Milchproduzent in Rußland mit seinem Betrieb Ekosem Agrar, in einem Interview mit Die Zeit über die Situation sagte. Anders als die meisten westlichen Politiker, die derzeit keinerlei direkten Kontakt zu Putin haben, ist Dürr mit Putin am Tag vor dem russischen Beschluß zu Gegensanktionen in Moskau zusammengetroffen und berichtet: „Mein Eindruck war, daß Putin die Eskalation der Krise gar nicht recht ist und sie ihm auch nahegeht. Putin ist nicht der harte Macher, als der er im Westen immer dargestellt wird. Auf der anderen Seite ist er aber auch der Letzte, der im aktuellen Konflikt klein beigeben würde.”

Interessanterweise unterstützt Dürr Putin gegen die EU: „Ich habe Putin zu Sanktionen geraten. Gerade weil ich mich so intensiv für die deutsch-russischen Beziehungen einsetze, darunter leide, daß derzeit so viel Porzellan zerschlagen wird. Ich glaube, daß Gegenmaßnahmen dem Westen vor Augen führen, wie stark man in vielen Bereichen voneinander abhängig ist.”

Hätte Putin, so Dürr, Sanktionen gegen europäische Automobilfirmen verhängt, hätte das für Rußland wenig gebracht, weil der Aufbau einer eigenen umfangreichen Automobilproduktion nicht geplant ist. Anders sei es in der Landwirtschaft, die mithilfe staatlicher Unterstützung aus Moskau jetzt massiv ausgeweitet werden soll. Jahrelang hätten Argumente dagegen in Moskau dominiert, nun ändere sich die Lage, berichtet Dürr. Obwohl er in diesem Konflikt die EU als den Hauptschuldigen sieht und Putin unterstützt, sagte Dürr, er hoffe sehr, daß es wieder zu konstruktiven Gesprächen zwischen der EU und Rußland komme: „Ich wünsche mir nach wie vor, daß die Spannungen um die Ukrainekrise sich wieder legen, daß Rußland ein ganz normales Land in der europäischen Staatengemeinschaft wird und nicht irgendwann mit China auf der anderen Seite des Zauns steht.”

rap