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Neue Solidarität
Nr. 41, 8. Oktober 2014

Die Menschheit gestaltet sich neu durch ihre eigene Kreativität

Von Nancy Spannaus und Dennis Small

Man mag es eine neue Renaissance nennen oder ein großes Erwachen, in dem Sinne, wie es der Dichter Percy Bysshe Shelley vor fast 200 Jahren nach der Amerikanischen Revolution getan hat. Es gibt eine Kraft, die sich in wissenschaftlichem und kulturellem Optimismus äußert und in der Entschlossenheit, eine schöne Zukunft für die Menschheit zu gestalten, und viele der derzeit führenden Politiker der Welt - insbesondere jene von China und Indien - fühlen sich von dieser Kraft ergriffen. Diese Kraft, die Shelley als den „Geist des Zeitalters“ bezeichnete, bewirkt eine fundamentale Änderung des Selbstverständnisses des Menschen und seiner Beziehung zum Kosmos, dessen lebender und denkender Teil er ist. Und das einzige Maß für diesen Prozeß, der sich selbst bestimmt, liegt im Geist des Menschen - nämlich, die Kreativität an sich.

Diese Veränderung zeigt sich in Form erstaunlicher, konkreter Ereignisse, insbesondere in der Orientierung und den Errungenschaften der BRICS-Nationen und ihrer Verbündeten in Bezug auf die Kernenergie und die Ausweitung der Macht der Menschheit ins Sonnensystem durch die Erforschung des Weltraums. Indiens erfolgreiche Marsmission, bei der eine Sonde in eine Marsumlaufbahn gebracht wurde, ist nur die dramatischste dieser Leistungen, die sich meist in Form politischer Zusagen und Vereinbarungen zur Entwicklung neuer Kapazitäten in den Weltraum- und Nuklearwissenschaften zeigen, wie beispielsweise im Fall von Bolivien, das sich dem Zugriff des Drogenlegalisierers George Soros entwunden und eine nationale Kampagne für die Kernkraft gestartet hat. In ähnlicher Weise hat auch Ägypten unter Präsident Al-Sisi - neben etlichen weiteren Projekten - seine seit langem ruhenden Kernkraftpläne wiederbelebt.

Eine notwendige Begleiterscheinung dieses neuen Prozesses ist auch der neue Geist des souveränen Selbstvertrauens unter jenen Nationen, die das Britische Empire und seine Ableger an der Wall Street und in Washington bisher als ihre Knechte oder als bedeutungslos betrachtet haben. Argentinien und Indien - von Rußland ganz zu schweigen - treiben ihre Entwicklungspläne voran, ohne vor Washington oder den internationalen Finanzinstituten zu kriechen, in der Gewißheit, daß ein neuer Apparat existiert, der sie in ihrer mutigen Haltung unterstützt.

Was in dieser neuen, globalen Konstellation fehlt, ist jenes Land, das in seiner Geschichte beispielhaft war für jenen Renaissance-Geist der Entschlossenheit zum wissenschaftlichen Fortschritt und zur Unabhängigkeit gegenüber dem Empire: die Vereinigten Staaten. Gefangen unter der faktischen Diktatur des Pessimismus und des Zerfalls und unter einem Präsidenten und Kongreß, die entschlossen sind, an der geopolitisch motivierten Deindustrialisierungspolitik des Empires festzuhalten, sind die Vereinigten Staaten mit ihren latenten Fähigkeiten gelähmt und fast schon vergangen. Eine der wichtigsten Hürden, die in dieser voranschreitenden Revolution gemeistert werden muß, ist die, die Vereinigten Staaten auf die Seite der BRICS-Nationen zu holen.

Ein Prozeß der Selbstentwicklung

Was ist das Menschenbild, das sich in dieser Entwicklung zeigt? Lyndon LaRouche hat sich zu dieser Frage geäußert, als er in der vergangenen Woche vom Erfolg der indischen Marsmission hörte. Dieses System, sagte LaRouche, ist ein sich selbst bestimmendes und entwickelndes System. Es trägt keine feststehenden Prinzipien in sich, es hat keine feste Metrik. Es gibt keine Regeln, die jetzt und für alle Zeiten gelten würden.

Warum? Nun, die Antwort, sagte LaRouche, bringt uns zurück zu de den Beiträgen von Johannes Kepler und Nikolaus von Kues zur Westlichen Zivilisation bei der Schaffung der Goldenen Renaissance. Es handelt sich um die Idee, daß der Mensch als kreatives, denkendes Wesen die Fähigkeit gezeigt hat, neue universelle Prinzipien zu entdecken und zu entwickeln, die, wenn er sie anwendet, die Herrschaft des Menschen über alle Aspekte des Kosmos, mit denen er in Berührung kommt, vergrößern. Dazu gehöre inzwischen auch der Mars, denn der Mensch sei unmittelbar in Kontakt mit diesem Planeten.

Die Kreativität des Menschen in seiner Beziehung zu diesem kosmischen System bedeutet Cusa zufolge, daß es keine Möglichkeit gibt, irgend etwas innerhalb dieses Systems mit einem geringeren Maßstab als dem kreativen Prozeß des menschlichen Geistes selbst zu messen. Cusa faßt dies in dem einfachen, aber sehr grundsätzlichen Konzept zusammen, daß der Geist des Menschen der Maßstab des Universums ist, weil es tatsächlich der Geist des Menschen selbst ist, der seine eigene kreative Wirkung auf den Kosmos mißt, der ihn umgibt.

Cusa erweitert dieses Konzept, indem er sagt, kein endliches Ding könne etwas relativ unendliches messen. Dies widerspricht allem, was jener Dummkopf - jener bösartige Dummkopf - Aristoteles gelehrt hat, nämlich, daß man durch alle diese kleinen Dinge zu einem Maß des Unendlichen kommen könne; man brauche bloß alles in immer kleinere Teile teilen. So, als würde man mit einem scharfen Messer die Wurst in immer kleinere Stücke zerschneiden, bis man schließlich zum Urteilchen gelangt, aus dem man dann wieder alles zusammensetzen könne, um vom Punkt zur Linie und von der Linie zur Fläche und von der Fläche zum Körper zu gelangen. Das sei alles Unsinn, sagt Cusa. Man mißt das Endliche durch das Unendliche, und nicht umgekehrt. Und damit meint er: der Geist des Menschen ist daß Maß des Universums.

Mit diesem Hinweis wolle LaRouche aufzeigen, daß dies ein Konzept ist, das China und seine wissenschaftliche Führung verstanden haben, aber dies sei ein Aspekt Chinas, den nur sehr wenige Beobachter tatsächlich erkennen. Tatsächlich sei es ein universelles Konzept, das der gesamten Menschheit zugänglich ist, und es sei unsere Aufgabe als politische Bewegung, dieses Konzept der gesamten Menschheit klar und verständlich zu machen. Denn Klarheit in Bezug auf dieses Konzept sei notwendig, um die strategische Lage zu verändern.

Wir befänden uns in einer Zeit, in der ein System absterbe und den gesamten Planeten mit in den Abgrund zu reißen drohe - das Britische Empire. Ein neues System entstehe, es werde gerade aufgebaut. Aber es müsse nach den Prinzipien und mit dem Selbstverständnis aufgebaut werden, daß es ein System ist, das sich selbst bestimmt und in dem die kreative Aktivität des Menschen selbst das Maß ist - ein Maß, das nicht aus dem System selbst hervorgeht -, und daß die Energie, die der Kraft des Systems zugrunde liegt, aus der Kreativität der Menschen hervorgeht.

China, Rußland, Indien, Ägypten, Argentinien und Bolivien mögen ihre Perspektive nicht in diesen Worten darstellen und sie in anderer Weise zum Ausdruck bringen - wie etwa den Ideen des Konfuzius - und auch aus einem etwas anderen Blickwinkel an die Dinge herangehen. Aber diese Ideen, die allein Lyndon LaRouche und seine Bewegung geäußert und entwickelt haben, sind entscheidend, um der Menschheit ein Schicksal zu ersparen, das schlimmer wäre als der Tod, nämlich, weiterhin vom Britischen Empire und seiner Queen und Obama regiert zu werden. Überwinden wir es und gehen wir daran, das wahre Interesse der Menschheit zu verwirklichen.

Chinas Entscheidung

Die chinesische Führung hat mit ihrem Weltraumprogramm nicht nur die klare Führung in diesem globalen Prozeß übernommen, sie versucht auch ständig, die diesem Prozeß zugrundeliegenden Konzepte weiterzuentwickeln. Wie Helga Zepp-LaRouche jüngst in einem Artikel darlegte, in dem sie die Einberufung einer internationalen Konferenz zur Schaffung einer neuen, inklusiven Sicherheitsarchitektur forderte (siehe Neue Solidarität 39/2014), lehnt China die Geopolitik ab und versucht, eine Grundlage für eine Zusammenarbeit der Nationen zu legen, die dem gemeinsamen Interesse der Menschheit entspricht.

Erst in der vergangenen Woche hielt Chinas Präsident Xi Jinping eine Rede bei einer Konferenz zur Feier des 2565. Geburtstages des chinesischen Philosophen und Gelehrten Konfuzius, in der er das Denken seiner Regierung über diese Fragen darlegte. Xi sagte:

Helga Zepp-LaRouche kommentierte diese Bemerkungen mit der Feststellung: „Genau das sind die Gründungsprinzipien des Schiller-Instituts“, das sie selbst vor 30 Jahren ins Leben rief. Diese Idee des „Dialogs der Kulturen“ im Streben nach den gemeinsamen Zielen der Menschheit ist genau die Antithese zu all dem, wofür das Britische Empire steht, und sie ist notwendig, um die Menschheit aus der gegenwärtigen Ära des Krieges und des wirtschaftlichen Niedergangs herauszuführen.

Die philosophische Grundlage der Ideen des Schiller-Instituts in dieser Hinsicht geht direkt auf die wissenschaftlichen und politischen Konzepte zurück, die von Kardinal Nikolaus von Kues und Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelt wurden. Im 15. Jahrhundert präsentierte Cusa in seiner Schrift Coincidentia Oppositorum die Idee des „Zusammenfallens der Gegensätze“ und zeigte, daß der Aufstieg auf eine höhere Ebene jenseits der scheinbaren Widersprüche der Realität der einzige Weg ist, eine „Konkordanz im Makrokosmos“ zu erreichen. Aber dies war für Cusa keineswegs eine bloß akademische Frage, wie er 1453 mit seinem Aufsatz De Pace Fidei („Über den Frieden im Glauben“) zeigte, in dem er konkret über die Grundlage für die Überwindung der grausamen Religionskriege sprach, während die grausamen Kriege zwischen Türken und Christen weiter voranschritten.

Über den Frieden im Glauben enthält einen Dialog zwischen Vertretern der verschiedenen Religionen, darunter Katholizismus, Islam und Judentum, und dem „Wort“ - letzteres steht für die höhere Wahrheit, die eine Versöhnung zwischen den verschiedenen Ansichten bewirken kann.

Zwei Jahrhunderte später schrieb Gottfried Wilhelm Leibniz über das gleiche Konzept, in einer Darlegung der Konflikte innerhalb des Christentums und zwischen dem Christentum und dem Konfuzianismus, und er arbeitete unermüdlich daran, eine Grundlage für einen produktiven Frieden zwischen diesen Kräften zu schaffen.

Konzepte dieser Art sind es, die wir brauchen, um die Welt heute tatsächlich grundlegend zu verändern und einen produktiven Frieden zu schaffen. Wenn man den Terrorismus beenden will, wenn man wirkliche Sicherheit haben will, dann muß man eine höhere Ebene des Denkens erreichen.

Es ist eben nicht so, daß der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten immer eine gerade Linie ist. Das gilt nicht in der Geometrie - Euklid irrte in dieser Hinsicht (wie auch in vielen anderen Punkten) - und es gilt erst recht nicht in der Politik. Denn wenn man den Terrorismus beenden will, dann ist es das Dümmste, was man tun kann, wenn man direkt auf jene Geschöpfe reagiert, die das Britische Empire dorthin gestellt hat, um uns nur noch tiefer in Kriege zu verwickeln. Genau auf diesen Punkt hat Papst Franziskus immer wieder hingewiesen, ebenso wie die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und Helga Zepp-LaRouche: Man muß die grundlegenden Ursachen bekämpfen und den Problemen an die Wurzel gehen.

Diese Wurzel liegt in einem fehlerhaften Menschenbild, das den Menschen als eine Bestie betrachtet, die ständig gegen alle anderen um ihren Lebensraum, um Ressourcen und Macht kämpft. Dieses Konzept, das heute oft als „Konkurrenzfähigkeit“ - anstelle von Zusammenarbeit - bezeichnet wird, liegt den scheinbar unlösbaren Problemen der internationalen und wirtschaftlichen Beziehungen zugrunde.

Um dieses Problem zu lösen, müssen wir auf eine höhere Ebene gehen, in jenen Bereich, in dem die gesamte Menschheit sozusagen „im selben Boot sitzt“ - in unserer Beziehung zum Weltraum.

Das ist es, was China getan hat, auf höchster Ebene. Das ist es, was Indien tut, und auch Argentinien. Ägypten und Bolivien fangen gerade erst an, in den Weltraum aufzusteigen, aber sie sind dazu entschlossen, weil sie erkennen, daß die Zukunft ihrer Völker in grundlegenden wissenschaftlichen Fortschritten liegt.

Wie Helga Zepp-LaRouche in ihrem Aufruf zur Schaffung einer neuen, inklusiven Sicherheitsarchitektur schrieb, nachdem sie auf Cusas Ideen eingegangen war: „Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, wo unser Überleben als Gattung davon abhängt, diese Ebene des Denkens zu erreichen.“