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Neue Solidarität
Nr. 44, 29. Oktober 2014

Wie die Deutschen ihren Pessimismus überwinden können:
Wir brauchen eine Volksmobilisierung!

Von Helga Zepp-LaRouche

Es gibt ein untrügliches Merkmal, das darüber Auskunft gibt, ob eine Regierung gute Politik macht oder nicht: Wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung zufrieden und optimistisch über die Zukunft ist, erfüllt die Regierung offensichtlich ihren Auftrag, dem Gemeinwohl zu dienen. Sind die allermeisten Menschen hingegen pessimistisch über die Möglichkeit, etwas ändern und für die Zukunft verbessern zu können, dann macht diese Regierung offensichtlich eine schlechte Politik. An diesem Maßstab gemessen, machen z. B. die Regierungen Chinas und Indiens eine hervorragende Politik, und die Regierungen Europas eine grottenschlechte. In Deutschland sind rund 90 Prozent der Menschen der Auffassung: „Man kann ja sowieso nichts machen.“

Dieses diffuse Gefühl der Ohnmacht setzt sich aus diversen Ursachen zusammen, von denen hier nur eine herausgegriffen werden soll, und dies ist eine an vielen Themen bewußt oder unbewußt wahrgenommene Diskrepanz zwischen den öffentlichen Erklärungen der Politiker über ihre Absichten und die Bewertung einer bestimmten Politik, und der ganz persönlichen Erfahrung der Auswirkung dieser Politik auf den Betroffenen selbst.

Konfuzius gab einst einem Fürsten auf die Frage, was der Meister erwarte, wenn jemand die Regierung ausübe, folgende Antwort:

Ein sehr gutes Beispiel für diese Problematik der nicht stimmenden Begriffe ist die Reaktion der amerikanischen Administration auf die am 24. Oktober erfolgte Unterzeichnung einer Vereinbarung zur Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) durch die 21 asiatischen Staaten Bangladesch, Brunei, China, Indien, Kambodscha, Kasachstan, Kuwait, Laos, Malaysia, Mongolei, Myanmar, Nepal, Oman, Pakistan, Philippinen, Katar, Singapur, Sri Lanka, Thailand, Usbekistan und Vietnam. Nachdem US-Außenminister John Kerry während der UN-Vollversammlung und während seiner jüngsten Asienreise maximalen Druck ausübte, um die Regierungen Asiens zu überzeugen, sich nicht an der AIIB zu beteiligen, erklärte der amerikanische Finanzminister Jacob Lew: „Die Frage lautet doch: Folgen sie den selben Praktiken, die helfen, Volkswirtschaften starke und stabile Fundamente wachsen zu lassen?“

In Wirklichkeit geht es allerdings weniger um wachsende Volkswirtschaften, sondern darum, daß die AIIB ebenso wie drei weitere neu zu gründende Banken - die NDB der BRICS-Staaten, eine Entwicklungsbank der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und eine Bank der Südasiatischen Vereinigung für Regionale Zusammenarbeit (SAARC) - sich in der Praxis dem sogenannten „Washington Consensus“, entziehen. Diese neuen Banken beteiligen sich nicht mehr an der Kasino-Ökonomie, sondern sie werden ausschließlich Kredite für Investitionen in die Realwirtschaft vergeben. Die AIIB wird vorwiegend Projekte der Neuen Seidenstraße und der Maritimen Seidenstraße finanzieren.

Chinas Präsident Xi Jinping brachte es bei der Gründungszeremonie auf den Punkt: „In China haben wir ein Sprichwort: ,Wenn Du reich werden willst, baue zuerst eine Straße.’ Und ich glaube, das ist eine sehr lebendige Beschreibung der großen Bedeutung, die Infrastruktur für die wirtschaftliche Entwicklung hat.“ Genau dieses Prinzip hat China bei der beispiellosen wirtschaftlichen Entwicklung im eigenen Land angewandt, in der es gelang, in drei Jahrzehnten einen ökonomischen Sprung für etwas zu schaffen, wofür die Industrienationen mehrere Jahrhunderte benötigten. China hat nicht nur ein Netz von hervorragend gebauten Autobahnen gebaut, von denen die USA und Europa nur träumen können, es ist inzwischen sogar Weltführer beim Bau von Schnellbahnen und hat darüber hinaus seit einigen Jahren den Sprung zur Innovationsgesellschaft geschafft und bildet Tausende von Studenten im Hochtechnologiebereich aus, wo die USA und Europa eine Handvoll qualifizieren.

In Wahrheit steht das transatlantische Finanzsystem unmittelbar vor einem Mega-Crash, der den Kollaps von Lehman Brothers und AIG 2008 wie die berühmten „Peanuts“ aussehen lassen wird. Ausgerechnet die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ, die Zentralbank der Zentralbanken in Basel, warnt vor dem neuen Crash, der durch das viele billige Geld und die dadurch ausgelösten Blasen und Übertreibungen verursacht worden ist. Der ehemalige BIZ-Chefökonom William White hält die Lage angesichts der (um 50%) gestiegenen globalen Schuldenlast für noch fragiler als 2007.

Zur Stunde deutet alles darauf hin, daß als Folge des EZB-Streßtests für die europäischen Banken die sog. TBTF-Banken - die zu groß sind, um scheitern zu dürfen - noch größer werden sollen, weil ihnen die Möglichkeit gegeben wird, einige der Anlagen von kommerziellen und regionalen Banken, sowie von Sparkassen zu übernehmen, die den Streßtest nicht bestehen werden. Dabei bedeutet jede Verlängerung des gegenwärtigen kriminellen Finanzsystems mit den gleichen Mitteln des Gelddruckens, der brutalen Sparpolitik und der Umverteilung von Arm zu Reich, daß noch mehr menschheitsbedrohende Katastrophen die Folge sein werden. Die totale Desintegration des transatlantischen Finanzsystems ist unausweichlich.

Schon 1974, also nur drei Jahre, nachdem Nixon durch die Aufhebung der festen Wechselkurse und die Ablösung des Dollars vom Goldstandard die Weichen für die heutige Kasinogesellschaft gestellt hatte, leitete Lyndon LaRouche eine wissenschaftliche Taskforce, die zu dem Ergebnis kam, daß die sich bereits damals abzeichnende Politik der Konditionalitäten des IWF und der Weltbank gegenüber den Entwicklungsländern mittelfristig zu einem biologischen Holocaust führen würde. LaRouche warnte damals, daß man nicht ungestraft den Lebensstandard von ganzen Kontinenten dramatisch absenken könne, ohne die Ausbreitung von alten und neuen Seuchen zu befördern, die ab einem bestimmten Punkt die Existenz der gesamten Menschheit bedrohen würden.

LaRouche wiederholte diese Warnungen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder, u.a. auch in Anhörungen vor dem amerikanischen Kongreß. Aber auch die WHO veröffentlichte 2001 die Prognose, daß noch ein Zeitfenster von etwa zehn Jahren bliebe, um effektive Maßnahmen gegen die Ausbreitung von alten und neuen Epidemien und das Auftreten von antibiotikaresistenten Erregern zu ergreifen. Aber bekanntlich wurden weder Entwicklungsprogramme unternommen, um die Länder der sogenannten Dritten Welt aus der Armut zu befreien, noch steckten die Regierungen und Pharmakonzerne Mittel in die notwendige Forschung, um die Gefahr eines biologischen Holocaust durch ein tieferes Verständnis des Frage des Lebens in der Biosphäre überhaupt und die von Wladimir Wernadskij so bezeichneten biogeochemischen Interaktionen der verschieden Organismen zu verstehen.

Wenn es überhaupt eine Hoffnung geben soll, die Ebola-Pandemie einzudämmen und zu verhindern, daß sie sich über den ganzen Globus ausbreitet, muß sofort ein internationaler Lenkungsausschuß gegründet werden, der alle vorhandenen Kapazitäten - und zwar aus dem militärischen Bereich der Verteidigung gegen biologische Kriegsführung ebenso wie aus dem Bereich der Seucheneindämmung - koordiniert zum Einsatz bringt. Es muß eine Luftbrücke für den Transport von medizinischem Personal, Ausrüstung und Nahrungsmitteln für die westafrikanischen Staaten eingerichtet werden, die angesichts der Dimensionen der Katastrophe den Umfang der Luftbrücke für Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg übersteigen muß.

Durch die Kombination von Luftbrücke und der Entsendung von Lazarettschiffen aller Länder, die solche besitzen, müssen schnellstmöglich rund 10.000 Krankenhausbetten der notwendigen Stufe 4 vor Ort zur Verfügung gestellt werden. Und alle wissenschaftlichen Ressourcen der privaten Industrie, der Universitäten und des Militärs müssen international zusammengezogen werden, um in einem Crash-Programm im Stil des Manhattan Projekts Impfstoffe zu entwickeln und sicher zu testen.

Wenn verhindert werden soll, daß die Kombination einer weltweiten Ausbreitung von Ebola, des Crashs des transatlantischen Finanzsystems - von den Konsequenzen der Ausbreitung des IS-Terrorismus nicht nur im Nahen Osten, sondern auf die strategische Lage insgesamt gar nicht zu reden - zu unkontrollierbarem Chaos und einem neuen, diesmal thermonuklearen Weltkrieg führt, dann müssen wir einen grundsätzlichen Paradigmenwandel in Gang setzen.

Vor diesem Hintergrund stellen die AIIB und die anderen neuen Banken in Asien keine Konkurrenz zu IWF, Weltbank oder ADB dar, sondern sie sind gewissermaßen die Rettungsboote zu dem Zeitpunkt, an dem die transatlantische Titanic sinkt. Wir müssen aufhören, den Politikern ihre Worthülsen durchgehen zu lassen, wenn wir im Grunde wissen, daß sie lügen oder nur versuchen, die geopolitischen Interessen der Finanzoligarchie durch geschickte PR-Tricks an den Mann zu bringen, wie dies im zitierten Beispiel von Jacob Lew der Fall war. Konfuzius hat recht: Wenn die Begriffe nicht stimmen, kommen die Werke nicht zustande, und es gedeihen weder Moral noch Kunst.

Für den Lieblingssatz der Deutschen - „Man kann ja sowieso nichts machen“ - gilt:

Erstens, man kann sehr wohl etwas verändern. Wir können nämlich dafür sorgen, daß Deutschland mit den BRICS-Staaten beim Ausbau der Neuen Seidenstraße kooperiert und mithilft, die Bedingungen der Armut zu überwinden, in denen die Ursache für den Ausbruch dieser existenzbedrohenden Pandemie liegt.

Und zweitens: Wenn wir bei der pessimistischen Ansicht bleiben, dann wird sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung, denn dann wird möglicherweise bald tatsächlich niemand mehr übrig sein, der noch etwas machen kann.

Der erste Schritt muß sein, das Scheitern der Politik von IWF, Weltbank und der Finanzoligarchie einzugestehen und ebenso die eigene innere Korruption des Denkens, die so viele von uns dazu gebracht hat, dem Treiben dieses kriminellen Systems so lange zuzusehen - und, in einigen Fällen, sein Nutznießer zu sein.