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Neue Solidarität
Nr. 22, 27. Mai 2015

Liegt die Zukunft der Schweiz in Eurasien?

Von Ruth Frei

Der Verein Impulswelle veranstaltete am 9. Mai in Zürich eine Tagung zu den strategischen und wirtschaftlichen Aussichten der Schweiz in der heutigen Weltlage.

Dieser Frage war die zweite Tagung gewidmet, die der Verein Impulswelle am 9. Mai 2015 in Zürich durchführte. Den Schweizerinnen und Schweizern Impulse zu geben für eine neue Epoche in der Außenpolitik, war das erklärte Ziel. Noch ist eine bewußte Zusammenarbeit der Schweiz mit ganz Eurasien und allen BRICS-Ländern im öffentlichen Diskurs nicht angekommen. Vielmehr ist die „Neutralität der Schweiz“ dieses Jahr im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Mindestens drei Jubiläumsjahre - 1315, 1515, 1815 - gilt es zu würdigen, Daten, die alle in der Schweizer Geschichte ihr besonderes Gewicht haben: Sie markieren den Beginn einer jeweils neuen Epoche politischen Denkens und Handelns.

Möge das Jahr 2015 in die Geschichte der Schweiz eingehen als Beginn einer neuen Ära der Kooperation mit den BRICS-Ländern! Die Schweiz braucht eine Politik, die sich weg bewegt vom verheimlichten Ducken unter den NATO-Schutzschirm, weg vom Weg in die EU, weg vom dümmlichen Rußland-Bashing in den Medien - und vor allem weg vom naiven Glauben an die weise Führung der Weltgemeinschaft durch die Hegemonialmacht USA.

Die USA im Verbund mit der NATO betreiben eine aktive Kriegspolitik der Unterwerfung und Ausplünderung anderer Staaten, um das Aufkommen einer zweiten Supermacht in Eurasien oder sonstwo auf der Welt zu verhindern. Das ist offizielle Politik nicht erst seit dem Zerfall der Sowjetunion. Aber Rußland, China und Indien haben am 9. Mai 2015 ihrerseits ein klares Signal aus Moskau in die Welt gesendet: Die Militärparade zum 70. Jahrestag der Kapitulation Hitlerdeutschlands.

Die Vertreter der meisten westlichen Staaten fehlten in Moskau - auch jene der Schweiz. Der enge Schulterschluß der Präsidenten Putin, Xi Jinping und Nahendra Modi haben an diesem Datum gezeigt, daß sie als Vertreter von über 2,6 Milliarden Menschen den Mut und die Entschlossenheit haben, ihren neuen Weg der Kooperation zu gehen.

Wenige Tage später folgte ein mehrstündiges Treffen von US-Außenminister Kerry und seiner Stellvertreterin Victoria Nuland mit dem überhaupt nicht isolierten Präsidenten Putin in Sotschi. In der anschließenden Pressekonferenz stieß Mister Kerry eine deutliche Warnung aus an seinen Vasallen, den ukrainischen Präsidenten Poroschenko, er möge es sich besser zweimal überlegen, die Ostukraine oder die Krim militärisch anzugreifen, während Victoria Nuland mit versteinerter Miene keine Lust hatte, Journalistenfragen zu beantworten.

Dieser klare Wandel in den internationalen Beziehungen kann in seiner Bedeutung für die künftige Weltpolitik kaum überschätzt werden - auch für die Politik der Schweiz. Mit einem Paukenschlag markiert er den Übergang von der monopolaren in die multipolare Welt. Präsident Putin hat diese multipolare Welt seit Jahren auf vielen Konferenzen in seinen bemerkenswerten Reden immer wieder gefordert und erklärt, wurde aber vom Westen stets ignoriert. Heute sind die Schlappen der USA auf internationalem Parkett immer offensichtlicher und niemand kann es sich mehr leisten, die Russische Föderation als unwichtige Regionalmacht abzutun - ihre technisch-militärische Überlegenheit ist schlicht zu augenfällig! Allerdings haben diese Informationen noch nicht bei den westlichen Medien eingeschlagen.

Die Schweiz und die BRICS

In diesem Kontext betrachtet war das Timing der Impulswelle-Tagung in Zürich perfekt. In ihrer Einleitung verglich Ruth Frei (Gründungsmitglied der Impulswelle) die Werte der BRICS-Staaten - Kooperation, gegenseitiger Respekt für Souveränität, Kultur und Entfaltung der Gesellschaft jedes Landes, Konfliktlösung durch Diplomatie - mit jenen der Hegemonialmacht USA: Weltherrschaft durch Schuldgeldsystem und Dollar als Weltleitwährung, Destabilisierung und Zerstörung vieler Staaten durch farbige Revolutionen, Kriege und Flüchtlingsströme, Ausplünderung der Ressourcen dieser Länder, Verwandlung der einst stolzen Demokratie im Inland in einen Polizeistaat.

Geschichts- und Werte-bewußte Schweizer wissen noch, daß das Gemeinwohl - wie es im Genossenschaftsprinzip der Eidgenossenschaft ausgedrückt ist - von tragender Bedeutung war und in einem föderalen Staat stets bleiben muß. So steht die Schweiz den Werten und Prinzipien der BRICS-Länder und dem Aufstreben der Völker entlang der Neuen Seidenstraße mit ihren zahlreichen Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten sehr viel näher als den Prinzipien einer expansiven Kriegspolitik. Die faktische Aufgabe der Neutralität der Schweiz durch die seit Jahren intensivierte Zusammenarbeit mit der NATO macht unser Land angreifbar für jeden Gegner des NATO-Kriegsbündnisses, das den ehemaligen Status eines „Verteidigungsbündnisses“ längst aufgegeben hat.

Als erste Gastreferentin spannte die Leiterin des Schiller-Instituts, Frau Helga Zepp-LaRouche, den geostrategischen Bogen rund um den Globus, um den Zuhörenden ein Verständnis für die Projekte der Neuen Seidenstraße zu eröffnen und sie mit den rasanten Entwicklungen in China, Rußland, Zentralasien und Indien vertraut zu machen. Manche Zuhörer hörten fasziniert zum ersten Mal von den Projekten der Weltlandbrücke und dem Weltraumprogramm Chinas.

Mit viel Herzblut legte Frau Zepp-LaRouche dem Publikum die Notwendigkeit eines fundamentalen Paradigma-Wechsels in allen Belangen der Weltpolitik nahe, wie sie im Bündnis zwischen den BRICS-Staaten festgelegt worden sind. Dies bedeutet eine vollkommene Ächtung des Prinzips von „Teile und herrsche“, das die bisherige Außenpolitik der USA in der Nachfolge des britischen Empires kennzeichnete. Dieser vollständige Wertewandel erfordert nichts weniger als die völlige Abkehr von Chaos und Zerstörung, die jenen Staaten aufgezwungen wurden, die sich nicht willfährig einer imperialen Plünderungspolitik unterwerfen; all dies ging mit Korruption, dem Zerfall von Recht und Moral in der Zivilgesellschaft und kriegerischen Auseinandersetzungen einher. Er bedeutet die Rückbesinnung auf alle echten Werte wie gegenseitigen Respekt, Würdigung der menschlichen Kreativität, Zusammenarbeit von Gruppen unterschiedlicher Kultur und Ethnie sowie die ethische Verpflichtung, alle Konflikte durch Verhandlungen friedlich zu lösen. Der Wille, die Menschheit durch Entwicklung unserer Schöpferkraft als gemeinsames Ziel weiter zu bringen, ist spürbar in allen Projekten auf den Gebieten der Forschung, Technologie, Bildung und Kultur, welche die Referentin ihrer Zuhörerschaft mit großem Engagement vorstellte.

Als ein langjähriger Kenner Rußlands, seiner Geschichte, Kultur sowie des Rechtssystems erwies sich der schweizerisch-russische Doppelbürger, Unternehmer und Honorarkonsul Rußlands in der Schweiz, Prof. Dr. Karl Eckstein. Mit seiner offenen Art verstand er es, seine Zuhörer für eine neue Sicht auf Rußland zu sensibilisieren - fernab von der Kriegshetze westlicher Leitmedien. Wer die geostrategische Lage Rußlands mit den Augen ihrer Völker betrachtet, versteht die Sicherheitsbedürfnisse der Russischen Föderation als Antwort auf die rasante Einkreisung durch die NATO und ihre neuen Vasallen. Daß der Sieg über die deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg nicht das Verdienst der westlichen Alliierten war, zeigten uns die eindrücklichen Zahlen: Die Sowjetunion verlor in dieser Zeit rund 27 Millionen Menschen in den langwierigen Widerstandskämpfen an der Ostfront - das sind 98,5% aller Kriegsopfer auf Seiten der Alliierten! Im Geschichtsunterricht westlicher Länder werden jedoch vor allem die USA als Befreier Europas gefeiert. Es stellt sich die Frage für damals wie heute: Ist Geschichtsschreibung das Resultat erfolgreicher Propaganda? Wie weit können wir den Historikern trauen?

Überraschend waren die Ausführungen des Referenten über die Entstehungsgeschichte des Zarenreichs. Entgegen der westlichen Darstellung, daß dessen zahlreiche Völker kriegerisch unterworfen wurden, seien sie vielmehr in friedlicher Assoziation unter Respektierung ihrer Kultur ins Russenreich aufgenommen worden. Der Zar war ihr Schirmherr und überbrachte ihnen Geschenke an den Feiertagen ihrer jeweiligen Religion.

Es ist dieser Geist, der nun wieder auflebt in der führenden Rolle Rußlands bei der Schaffung von Bündnissen wie den BRICS-Staaten, der Shanghai Cooperation, der Eurasischen Wirtschaftsunion sowie bei der Gründung der AIIB mit 57 Mitgliedstaaten weltweit. Es ist dieser Geist des „Einens und Führens“, der erfolgreich ist - das neue Paradigma, worin Gegensätze nicht zum Konflikt führen müssen, wenn man ein gemeinsames Ziel vor Augen hat. Präsident Putin spricht unerschütterlich immer wieder von seinen „westlichen Partnern“ - egal wie widerlich sich einzelne Exponenten von EU und USA ihm gegenüber verhalten.

Die westliche Hegemonialmacht wird ihre zum Untergang führende Strategie nicht so schnell aufgeben. Dies zeigt die lange Liste der farbigen Revolutionen, die von den US-Geheimdiensten und NGOs in verdeckten Operationen überall dort angestiftet werden, wo es um Öl- und Gaspipelines oder militärstrategische Ziele geht. Konflikte werden zu Bürgerkriegen angeheizt, Staaten zerstört, damit sie ihrer Rohstoffe beraubt werden und als Militärstützpunkte dienen können (Kosovo, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Ukraine). Daß aber diese Strategie letztlich der friedlichen Kooperation unterliegen wird, ist offensichtlich.

Finanzielle Massenvernichtungswaffen

Von Vernichtungswaffen ganz anderer Art sprach Prof. Dr. Marc Chesney (Universität Zürich) in seinem Vortrag. Er spannte seinen Bogen von 1914 bis 2014 - vom Ausbruch des 1. Weltkrieges aus (scheinbar) heiterem Himmel bis zur permanenten Finanzkrise heute. Er legte das Schwergewicht auf den Verlust der ethischen Werte, was ganze Völker zerstörte, die Demokratie, die sozialen Beziehungen unter den Menschen und ihre Würde. Dies zeigte sich im 1. Weltkrieg, als die Blüte der europäischen Jugend hunderttausendfach auf den Schlachtfeldern geopfert wurde - doch wozu? Wem hat dies genützt? Profitiert haben vom Krieg die Rüstungsindustrie und eine kleine Gruppe mächtiger Oligarchen der Hochfinanz. Not und Elend für die breite Masse der Völker Europas, insbesondere Deutschlands, war das Ergebnis, sowie der Aufstieg demokratie-feindlicher Kräfte. Was sind die Parallelen zur heutigen Finanzkrise?

Die Ursachen für die bereits über acht Jahre anhaltende und sich verschärfende Finanzkrise sind zu suchen in einem Verlust der Achtung unserer Menschenwürde auf den Chefetagen von Großbanken und transnationalen Finanzkonzernen, Versicherungen und Hedgefonds. Ist es Größenwahn, daß so getan wird, daß die so genannten „systemrelevanten“ Banken zu groß seien, um sie pleite gehen zu lassen - too-big-to-fail, TBTF - und ihre Manager zu unangreifbar trotz massivster Manipulation von Aktienkursen und Zinssätzen, um sie vor Gericht zu stellen und zu bestrafen - too big to jail?

Um höhere Spekulationsgewinne zu erzielen, sehen sich die Börsenhändler unter dem Druck ihrer Firmen oft gezwungen, extreme Risiken einzugehen. Das Wissen darum, daß der Staat eine TBTF-Bank wird retten „müssen“, wirkt wie eine staatliche Subventionierung dieser privaten Banken, die daraus erhebliche Vorteile genießen durch niedrigere Zinsen bei der Kreditaufnahme. Das verleitet sie dazu, ihre Eigenkapitalquote zu senken und dadurch das Risiko weiter zu erhöhen.

Großbanken nehmen einen starken und direkten Einfluß auf die staatliche Gesetzgebung, d.h. ihre Lobbyisten schreiben die Gesetze für die „Regulierung der Banken“ zuhanden der Parlamente und Regierungen. So wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Sicherungen im Finanzsystem aufgehoben, was 2007 schließlich die Lehman-Brothers-Pleite möglich machte und viele weitere Verwerfungen nach sich zog.

Sehr anschaulich erklärte der Referent den Unterschied zwischen einer Versicherung und einer Wette. Viele Derivate („strukturierte Produkte“) widersprechen unseren Vorstellungen von Treu und Glauben kraß. Aus Sicht des ehrlichen Bürgers handelt es sich um betrügerische Machenschaften:

Viele Derivate sind hoch toxisch, unterstehen aber keiner gesetzlichen Kontrolle, im Unterschied etwa zu Medikamenten! Solange es den Bankern gelingt, die Gesetzgebung der Staaten durch ihre Machtposition im Finanzsektor zu torpedieren, ist kein Ende der Krise in Sicht. Derivate werden zu Massenvernichtungswaffen, die ganze Länder zerstören, wie das Beispiel Griechenland zeigt. Mit den Steuergeldern Griechenlands und der EU wurden deutsche und französische Banken gerettet, die Kredite im Land ausstehen hatten. Weder die Menschen noch das Gemeinwohl spielten bei diesen eiskalten Plünderungsmaßnahmen eine Rolle.

Professor Chesney zählt in seinem Buch Vom großen Krieg 1914 zur permanenten Krise 2014 zehn Lösungsvorschläge auf, wie die Finanzkrise rasch und wirksam behoben werden kann. Dazu gehören die Einführung eines strikten Trennbankensystems, eine Transaktionssteuer von 1-2 Promille auf alle elektronischen Geldüberweisungen sowie eine wirksame Reduktion der Größe der Banken durch eine Eigenkapitalquote von 20-40 %. So könnten sie im Notfall pleite gehen wie jede andere Firma in der realen Wirtschaft auch.

René Machu, Gymnasiallehrer und Gründungsmitglied der Impulswelle, sprach über „Eine Schweizer Nationalbank im Dienst der Realwirtschaft und der Bürger“. Er beschrieb den Unterschied zwischen einer Zentralbank nach dem Muster der ersten echten Nationalbank der Vereinigten Staaten unter Alexander Hamilton, die Geld schöpfte in Form von Krediten für Infrastrukturprojekte im Dienste des Gemeinwohls, und dem System der so genannten „unabhängigen“ (privaten) Zentralbanken, die nach rein monetaristischen Gesichtspunkten Geld als Schuld schöpfen und definieren. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) muß ganz klar im Dienste des Gemeinwohls stehen und entsprechend geführt werden.

Wilhelm Augustat, Präsident der Gesellschaft für Frieden durch Kultur, würdigte die Ausführungen seiner Vorredner sowie die Schweizer Friedenskultur. Als Österreicher verfügt er über eine Tradition des Verständnisses von Staat und Freiheit, die lange Phasen monarchischer Erfahrungen umfaßt. Das ermöglicht ihm, die Staatskultur der Schweiz aus einem anderen Blickwinkel zu bewerten.

Doris Honegger, Präsidentin des Vereins Impulswelle, gab den Tagungsteilnehmern einen Einblick in die 7000 jährige Kultur des Irans, den sie auf einer Reise in dieses faszinierende Land mit seinen offenen jungen Menschen in Aufbruchstimmung gewonnen hatte. In eindrücklicher Weise wurde sichtbar, wie sehr die alte Seidenstraße den Austausch von Gütern, das Aufblühen von Bildung und Kultur beflügelt hatte.

Ausblick

Liegt die Zukunft der Schweiz in der Eurasischen Wirtschaftsunion und in den BRICS-Ländern? Dies wären Alternativen zur globalen Konzernherrschaft über demokratische Staaten, wie sie in den als „Freihandelsabkommen“ bezeichneten TTIP- und TISA-Verträgen geheim verhandelt werden. Eine Mehrheit in der Schweiz lehnt einen EU-Beitritt weiterhin klar ab. Dies zeigt sich an einer kürzlich im Nationalrat durchgeführte Abstimmung zu folgenden Statements:

Aufgrund der Viersprachigkeit der Schweiz sowie des höchsten Ausländeranteils in der Bevölkerung im europäischen Vergleich bietet unser Land gute Voraussetzungen, um eine Kultur des Verstehens und des Respekts zu vertiefen. Im Hinblick auf die verschiedenen internationalen Organisationen in Genf, die bei einer Neustrukturierung der UNO ebenso von den hegemonialen Grundzügen der US-Herrschaft befreit werden müßten, kann dies hilfreich sein.