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Neue Solidarität
Nr. 37, 9. September 2015

„Wir sollten die Minuten vor Mitternacht nutzen“

Der US-Experte William R. Polk warnt dringend vor einem Nuklearkrieg.

William R. Polk, der während der Kubakrise im politischen Planungsstab des US-Außenministeriums diente, veröffentlichte am 28. August auf der Internetseite von Consortium News eine sehr ernste Warnung: „Entscheidungen über Nuklearwaffen sind der wichtigste Teil unseres Strebens nach weltweiter Sicherheit und werden es bleiben, da schon kleine Fehler oder falsche Maßnahmen wahrscheinlich katastrophal wären“, begann er. „Wir scheinen jetzt näher an den Gefahrenpunkt zu rücken, der ihren Einsatz provozieren würde.“

Polk führt eine Reihe von Gründen für diese Lage an, darunter das verstärkte Risiko von Zwischenfällen, die prekäre Lage zwischen Indien und Pakistan, aber auch und vor allem das Risiko, daß die Individuen in den relevanten Positionen nicht in der Lage sein könnten, in einer Zeit erhöhter Spannungen - wie seinerzeit der Kubakrise - angemessene Entscheidungen zu treffen. Nach jener Krise, schreibt Polk, „zeigte das todernste ,Kriegspiel’ des Pentagon (das von Thomas Schelling entwickelt wurde, der allgemein als der geistige Vater der Abschreckungstheorie gilt), daß es Unstände gibt, unter denen selbst nüchterne, gutinformierte und intelligente Beamte zu dem Schluß kommen könnten, daß ihre weniger ruinöse Wahl die für einen allgemeinen Krieg wäre.“

In einer Kolumne am 24. Februar 2015 hatte Polk bereits berichtet, Schelling habe damals ein Szenario über eine Folge von Ereignissen entworfen, „die sich ironischerweise nahe der Ukraine abspielten, um zu zeigen, daß die UdSSR einen amerikanischen Atomschlag hinnehmen würde, ohne zu reagieren. Dies sei, so sagte er in der ,post mortem’-Diskussion des Kriegsspieles, die Bestätigung für eine Erweiterung der Abschreckungsdoktrin. Damit sollte beweisen werden, daß wir keine Reaktion auf einen beschränkten Nuklearschlag fürchten müßten.“

Polk hingegen argumentierte, von den Kollegen im Militär, Geheimdienst und im diplomatischen Dienst, die damals mit im Raum waren, unterstützt, „daß die Idee eines begrenzten Nuklearkrieges Unsinn ist. Keine Regierung könnte einen verheerenden Angriff hinnehmen und überleben. Wenn sie nicht mit einer ,den Sieg verwehrenden Antwort’ Vergeltung übe, dann würde sie von den eigenen Militär- und Sicherheitskräften gestürzt und exekutiert werden. Und der ursprüngliche Angreifer werde dann wiederum Rache für diese Vergeltung üben müssen, oder ihm drohte ein ähnliches Schicksal. Dies würde unvermeidlich zu einem ,allgemeinen Krieg’ führen.“

In seiner jetzigen Kolumne schreibt Polk, es gebe keinen „begrenzten Nuklearkrieg... Kissinger, Schelling, Kahn, Wohlstetter et al. haben vielleicht auch sich selbst belogen, aber mit Sicherheit haben sie uns getäuscht.“

Polk schreibt es den Persönlichkeiten von Kennedy und Chruschtschow zugute, daß sie die Risiken eingingen, die notwendig waren, um die Kubakrise zu beenden. „Wären andere Männer im Weißen Haus oder im Kreml gewesen, dann hätte der Ausgang auch ein ganz anderer sein können“. Dann gäbe es heute niemanden mehr, der darüber sprechen könnte.

Polk widerlegt u.a. auch das Argument, das Risiko eines nuklearen Schlagabtauschs sei so bekannt, daß sich niemand bewußt dafür entscheiden könnte, diesen Weg zu gehen. „Im allgemeinen ist das schon richtig, aber wir haben Situationen erlebt, in denen die Entscheidungsfindung wechselhaft, unvorhersehbar und sogar irrational war. Und Ereignisse, die als ,singulär’ erscheinen, sind tatsächlich Schritte in einem Prozeß. Wenn also eine Maßnahme ergriffen wird und sie nicht die gewünschte Wirkung hervorbringt oder eine Reaktion erfordert, dann kann sie und wird sie normalerweise zu einem Schritt ,A’. Schritt ,B’ ist dann die logische Fortsetzung. Und irgendwann auf dem Weg durch das Alphabet werden die weiteren Schritte unvermeidlich.“ Kennedy, schreibt Polk, sei sich dieses Problems akut bewußt und entschlossen gewesen, sich nicht darin zu verfangen, „aber es war schwierig, das zu vermeiden“.

Polk fährt fort: „Da wir nicht vorhersagen können, wie unsere eigenen Nachfolger handeln werden, und sicherlich auch nicht vorhersagen können, wie andere Regierungen in der Zukunft handeln werden, argumentiere ich, daß Nuklearwaffen - in welchen Händen auch immer - eine tödliche Bedrohung für uns alle sind.“ Zu den Warnsignalen in der Gegenwart, auf die er verweist, gehörten auch die Konfrontation gegenüber Rußland - „unter unserer Führung rückt die NATO in äußerst sensitive Gebiete vor“ -, die Lage auf der koreanischen Halbinsel, zwischen Indien und Pakistan und die israelische Drohung, den Iran zu bombardieren.

Polk schließt: „Wenn wir wollen, daß unsere Kinder und Enkel leben, dann sollten wir besser die ,Minuten’ vor Mitternacht nutzen, um unsere Angelegenheiten besser in Ordnung zu bringen, anstatt uns zurückzulehnen und uns zu entspannen. Wir haben viel zu tun und es ist an der Zeit, damit anzufangen.“

Polks Kolumne finden Sie auf der Internetseite https://consortiumnews.com/2015/08/28/pushing-the-edge-on-nuclear-war/