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Neue Solidarität
Nr. 46, 11. November 2015

Schluß mit permanenten Kriegen und Finanzpanik:
Wir brauchen Glass-Steagall und die globale Seidenstraße

Von Helga Zepp-LaRouche

Den folgenden Vortrag hielt Helga Zepp-LaRouche am 27. Oktober bei einem Seminar des Nachrichtenmagazins EIR im Nationalen Presseklub in Washington D.C. Er wurde für den Abdruck aus dem Englischen übersetzt.

Ich denke, die meisten Menschen weltweit sind sich heute bewußt, daß wir wirklich eine zivilisatorische Krise erleben, und nicht bloß eine Finanzkrise, viele militärische Krisen in aller Welt, Kriege, Terrorismus, Hunger, Flüchtlinge. Es ist einfach eine enorme Zahl gleichzeitiger Krisen, und alle diese einzelnen Krisen haben zwar ihre lokalen Gründe, die sie auslösen und verursachen, aber ich denke, es ist fair zu sagen, daß die fundamentale Grundlage dieser strategischen und zivilisatorischen Krise die Tatsache ist, daß das transatlantische Finanzsystem hoffnungslos bankrott ist. Und diese Dynamik ist es, die dieser Kriegsgefahr zugrunde liegt, die hinter den lokalen Krisen steht und derzeit die größte Bedrohung für die Welt ist.

Denn diese Krise ist, im Gegensatz zu dem, was Sie in den weit verbreiteten Medien lesen, nicht gelöst. Tatsächlich gab es sogar Warnungen in der Finanzpresse, wie dem Economist und anderen ähnlichen Magazinen, daß wir jeden Moment eine Wiederholung dessen erleben können, was 2008 geschah; daß es einen Crash des Finanzsystems im transatlantischen Sektor geben könnte, der durch eine ganze Reihe von Ereignissen ausgelöst werden kann. Wenn beispielsweise eine der „Too-big-to-fail“-Banken [die angeblich zu groß sind, um sie scheitern lassen zu können] bankrott ginge, dann würde sich in dem Moment wahrscheinlich das gesamte transatlantische Finanzsystem in Luft auflösen.

Käme es dazu, wäre offensichtlich sofortiges Chaos die Folge. Denn im Gegensatz zu 2008 gibt es jetzt keine Instrumente mehr im „Werkzeugkasten“ der Finanzinstitutionen. Quantitative Erleichterung? Das hat man bereits bis zum Gehtnichtmehr getan. Wie Sie wissen, haben die Bank von Japan, die Federal Reserve und die EZB schon seit Jahren eine Nullzinspolitik. Die Bail-outs haben nur zu einer Verschärfung der Schuldenkrise im gesamten transatlantischen Sektor geführt, und der Bail-in, der jetzt mit Dodd-Frank und von der EZB und der Europäischen Kommission zum Gesetz erhoben wurde, würde nur für 1% der ausstehenden Derivateschulden ausreichen.

Der Grund dafür ist, daß die Too-big-to-fail-Banken ihre Größe seit 2008 um 40-80% gesteigert haben und ausstehende Derivatverträge bis zu zwei Billiarden Dollar haben. Und wenn wir alle Bankkonten von Privatpersonen, von Unternehmen und andere Finanzwerte, die in einen Bail-in hineingezogen würden, miteinbeziehen, dann würde das grob geschätzt etwa 1% der Schulden entsprechen. Deshalb reden wir hier von der Gefahr, daß sofort Chaos ausbrechen würde.

Nun, es gibt eine Lösung dafür. Diese Lösung ist die Wiederinkraftsetzung von Glass-Steagall, dem Trennbankengesetz, das 1933 von Franklin D. Roosevelt als Antwort auf die Wirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre eingeführt wurde. Es gibt mehrere Gesetzesvorlagen im US-Kongreß dafür - tatsächlich gibt es genau gleichlautende Anträge im Repräsentantenhaus und im Senat. Wenn es also gelingt, den politischen Willen dafür zu mobilisiere, dann könnte das Problem gelöst werden. Es gibt keinen anderen Weg, als die Kasinowirtschaft der Wall Street zu schließen.

Wie ich schon sagte, ist das nur die Spitze des Eisbergs, und die Hochrisikospekulationen an der Wall Street, in der Londoner City und anderen Finanzinstituten haben eine unglaubliche Situation geschaffen! Soweit ich weiß, haben 21% aller Menschen in den Vereinigten Staaten keinen ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln. Etwa 7% leben in extremer Armut. 95 Millionen Menschen werden nicht mehr zur Arbeitskraft gezählt, es gibt also 104 Millionen arbeitsfähige Amerikaner ohne Arbeit. In Europa - sogar schon ohne die Flüchtlingskrise - sind im Schnitt ein Drittel aller jungen Menschen arbeitslos, im Süden Europas sind es sogar mehr als 60%.

Und wenn Sie sich den Zustand dessen anschauen, was man gemeinhin als die „Dritte Welt“ bezeichnet, wie Afrika: Ich weiß nicht, wie viele Hunderte von Millionen Menschen durch eine Politik getötet wurden, die diesem Kontinent und vielen anderen Nationen eine wirtschaftliche Entwicklung verweigert.

Die Flüchtlingskrise

Nun werden wir von einem weiteren Problem getroffen: die Flüchtlingskrise in Europa. Ich weiß, daß die Menschen in Amerika meinen, das sei sehr weit entfernt, aber ich sage Ihnen, sie wird zu einem entscheidenden strategischen Faktor, der auch die Vereinigten Staaten betrifft.

Es wird jetzt in Europa öffentlich darüber diskutiert, daß diese Flüchtlingskrise von den Kriegen der USA und Großbritanniens im Nahen Osten verursacht wurde, durch eine Politik der Regimewechsel; eine Politik, die sogenannte „Islamische Karte“ auszuspielen, was auf Brzezinsky zurückgeht, der diese Politik 1975 eingeführt hat, um die „guten Rebellen“ zu unterstützen und auszubilden - nur um zu erleben, daß diese „guten Rebellen“ sich dann den Terroristen anschlossen. Als Folge muß man daraufhin einen neuen Krieg gegen den Terrorismus beginnen und wieder auf „gute Rebellen“ setzen - und so weiter, und so fort!

Das hat jetzt zu einer Lage geführt, in der Millionen Menschen versuchen, nach Europa zu gelangen. Nach Deutschland allein werden in diesem Jahr wahrscheinlich mindestens eine Million Flüchtlinge kommen. Der Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen sagt, daß derzeit mindestens 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind. Wir reden hier also nicht von einer vorübergehenden Flüchtlingskrise, wir reden über eine große Völkerwanderung von Menschen, die vor Krieg, Hunger, Epidemien fliehen - vor allem aus Südwestasien, aber auch aus Afrika.

Und es ist ganz klar, daß das nicht einfach aufhören wird! Es wird nicht aufhören, und man sieht jetzt die Wirkung. Die EU hat vollkommen versagt, sie hat das Problem viele Jahre lang ignoriert, weil sie Italien und Griechenland im Umgang damit in all diesen Jahren ganz allein gelassen hat. Seit Jahren sind [jedes Jahr] Hunderte von Menschen im Mittelmeer ertrunken. Einige von ihnen erreichten Lampedusa in Italien, und die EU sagte, das ist ein italienisches Problem. Das gleiche geschah mit Griechenland.

Aber jetzt, mit den jüngsten Entwicklungen in Syrien, explodiert es geradezu, und Sie sehen diese Bilder. Nach offiziellen Angaben sind in diesem Jahr bisher etwa 3000 Menschen im Mittelmeer ertrunken - das ist die offizielle Zahl, man kann also wahrscheinlich sagen, in Wirklichkeit  war es das Doppelte oder ein Vielfaches davon. Und immer noch nehmen die Menschen das Risiko in Kauf, in dem Wissen, daß eine 50%ige Chance besteht, daß sie nicht durchkommen. Sie brechen trotzdem auf und versuchen, nach Europa zu gelangen.

Jetzt hat die EU erneut versagt, denn vor zwei Tagen gab es ein Gipfeltreffen mit den Staaten an der Balkanroute, bei dem beschlossen wurde, die Außengrenzen der EU zu verstärken. Die Idee, eine „Festung Europa“ zu bauen, ist vollkommen lächerlich! Das hat noch nie funktioniert und es wird auch niemals funktionieren. Und dann wurde beschlossen, daß bestimmte Lager entlang der Balkanroute eingerichtet werden sollen, und sie sagen: „Oh, jetzt haben wir endlich den ersten Schritt zur Lösung des Problems getan.“

Das sagen sie, nachdem diese Krise schon seit Monaten im Gang ist! Und die Bilder sind schrecklich! Es gibt keine Einheit in Europa, es gibt keine Solidarität, es gibt kein Europa. Die EU erweist sich als etwas, was in eine Interessengruppe für die Banken verwandelt wurde - nämlich, die EU nach dem Maastricht-Vertrag. Man kann nicht so tun, als habe man eine „Union“, wenn sie durch nichts anderes zusammengehalten wird als die Verteidigung der Banken und die Verteidigung des Systems der Hochrisiko-Spekulation. Es gibt keine Einheit, denn alle Osteuropäer weigern sich, irgendwelche Flüchtlinge aufzunehmen. Wo sind denn die berühmten „Europäischen Werte“? Was verteidigen wir gegen andere Kulturen, wenn es in Europa gar keine Werte mehr gibt?

Kanzlerin Merkel tat natürlich das richtige, als sie vor einigen Wochen sagte: „Wir schaffen das.“ Es war richtig, das zu tun! Denn die Flüchtlinge haben das Recht auf Asyl, nach der Genfer Konvention, nach der UN-Charta. Aber wenn man an der jetzigen, falschen Politik festhält, dann gleitet das aus der Hand. Und die größte Bedrohung ist derzeit die Beibehaltung der gegenwärtigen Finanzpolitik der Wall Street, der Londoner City und der EZB, die sich in der Politik des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble widerspiegelt.

Schäuble sagt, wir müßten die sogenannte „Schwarze Null“ verteidigen. Das ist die Idee, daß der Haushalt - egal wieviel wir für die Flüchtlinge ausgeben müssen - ausgeglichen bleiben müsse und man daher in anderen Bereichen kürzen müsse - wie den Sozialausgaben, Kindergärten, Schulen und dem Gesundheitssystem. Und natürlich auch bei jenen Deutschen, die sich in einer prekären wirtschaftlichen Lage befinden, wie die Arbeitslosen, wie jene Leute, die ein geringes und bedrohtes Einkommen haben - die fühlen sich bedroht. Und deshalb treibt Schäubles „Schwarze Null“ jene Art von xenophoben Reaktionen an, von denen Sie gehört haben: In diesem Jahr wurden bereits 500 Flüchtlingsunterkünfte angegriffen oder in Brand gesetzt, und die rechtsextreme Gewalt nimmt zu.

Sie sehen also, daß Präsident Putin vollkommen recht hatte, als er vor einigen Monaten oder vielleicht sogar einem Jahr sagte, es sei ein großer Fehler des Westens, die Nazis in der Ukraine in Form des Rechten Sektors zu unterstützen, denn darin liege die Gefahr, daß dieser Nazismus sich auch in andere europäische Länder ausbreitet. Und Sie sehen jetzt die großen Zugewinne bei den Konservativen - ich sage nicht, daß alle rechten Regierungen Nazis sind, aber ich sage, daß die derzeitige Politik die rechte Reaktion stärkt, und sie stärkt in vielen Ländern Europas offen faschistische Elemente. Und das ist sehr, sehr gefährlich.

Die einzige Lösung ist offensichtlich, die Wirtschaftspolitik zu ändern, die Hochrisiko-Spekulationen in den Vereinigten Staaten, an der Wall Street, zu stoppen, und Schäubles Politik der „Schwarzen Null“ in Europa zu beenden.

Die Alternative ist auf dem Tisch

Zum Glück gibt es eine Alternative. Was nicht sehr bekannt ist - weil die westlichen Medien in Europa und den Vereinigten Staaten das im Allgemeinen nicht berichten oder, wenn sie darüber berichten, falsch darstellen -, ist die Existenz eines alternativen Wirtschaftsystems, das sich entwickelt hat. Das begann schon vor 25 Jahren, als wir als Antwort auf den Zusammenbruch der Sowjetunion die Neue Seidenstraße vorgeschlagen haben, aber es wurde von der chinesischen Regierung im September 2013 energisch auf die Tagesordnung gebracht, als Präsident Xi Jinping in Kasachstan bekanntgab, daß es Chinas Politik sei, die Neue Seidenstraße zu schaffen. Und inzwischen hat diese Dynamik des Aufbaus einer Neuen Seidenstraße in der Tradition der antiken Seidenstraße - also des Austausches nicht nur von Kulturen, Waren, Ideen, sondern auch Technologien, um die Beziehungen zwischen den Nationen zu verbessern - das hat sich wie ein Buschfeuer ausgebreitet!

Es verbreitete sich über die BRICS-Gruppe (Brasilien, Rußland, Indien China, Südafrika); sie hatte im Juli 2014 ein großes Gipfeltreffen in Fortaleza/Brasilien. Es wurde gefestigt durch einen weiteren BRICS-Gipfel in diesem Jahr in Ufa/Rußland. Und was wir jetzt sehen, ist die Entfaltung eines alternativen Wirtschaftssystems, das auf völlig anderen Prinzipien beruht als die transatlantisch Hochrisiko- und Hochprofit-Spekulation. Es beruht auf realen Investitionen in die Infrastruktur, darauf, die Bevölkerung aus der Armut herauszuholen, so, wie China in den letzten 30 Jahren 600 Millionen Menschen aus der Armut geholt hat. Und nun bietet es dieses chinesische Wirtschaftswunder tatsächlich den anderen Ländern an, die sich am Bau dieser Neuen Seidenstraße beteiligen.

Das kommt nun wirklich in Gang: China baut einen „Zweiten Panamakanal“ in Nikaragua; China hilft, eine transkontinentale Eisenbahn zwischen Brasilien und Peru aufzubauen; China hilft, fünf Tunnel zwischen Argentinien und Chile zu bauen. Und es sind viele, viele weitere Projekte der Hochtechnologie-Kooperation zwischen vielen Nationen im Gang, auch zur Kooperation in der Kernenergie und im Weltraum, und dieser Prozeß ist wirklich ein Wachstumsmotor.

Glauben Sie nicht jenen, die Chinas Wirtschaft schlechtreden und behaupten, sie kollabiere, und dies sei die Ursache aller Probleme. Das ist nicht wahr. Auch wenn China einen Aktienmarkt hat, hat dies keinen Einfluß auf seine reale Wirtschaft, die sich immer noch auf einem sehr gesunden Kurs befindet.

Mit diesem Kurs geht ein ganz anderes System von Wirtschafts- und Finanzinstitutionen einher, wie die AIIB (Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank), bei der die Vereinigten Staaten großen Druck auf ihre Verbündeten ausgeübt haben, ihr nicht beizutreten. Was ist geschehen? Etwa 58 oder 59 Nationen sind sofort beigetreten. Und die erste war interessanterweise Großbritannien, weil es ein bißchen schlauer ist - sie wissen, woher der Wind weht. Und dann sind die meisten europäischen und asiatischen Nationen beigetreten, und nun wird sie zu einer großen Institution zur Finanzierung von Infrastruktur für die reale Wirtschaft.

Aber es gibt auch die Neue Entwicklungsbank der BRICS-Gruppe. Dann gibt es die Bank der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit, es gibt die SAARC-Bank, das ist die Bank der Südasiatischen Vereinigung für Regionale Kooperation, es gibt den Seidenstraßen-Fonds und den Fonds für die Maritime Seidenstraße. Es gibt also eine ganze Reihe verschiedener Finanzinstitute, die bewußt nicht für Spekulationen geschaffen wurden, sondern für Investitionen in die reale Industrie. Und in gewissem Sinne ist diese neue Gruppe von Finanzinstituten so etwas wie ein Rettungsboot, für den Moment, in dem die Titanic des transatlantischen Finanzsystems sinkt...

Es gibt so etwas wie ein Patentrezept, mit dem man wirklich die meisten Probleme der Welt lösen würde, wenn wir die Vereinigten Staaten dazu bewegen können, Glass-Steagall wieder einzuführen, die Wall Street zu schließen und dann ein Kreditsystem in der Tradition Alexander Hamiltons zu schaffen, um wieder zum traditionellen Amerikanischen Wirtschaftssystem zurückzukehren und große Mengen an Staatskrediten für Produktion und Projekte zu schöpfen.

Und dann sollte man das gleiche in Europa tun. Die griechische Regierung beharrt schon seit längerem darauf, daß die griechischen Schulden unbezahlbar sind und daß wir eine europäische Schuldenkonferenz in der Tradition der Schuldenkonferenz von 1953 brauchen, die damals die deutschen Schulden um 60% gekürzt hat. Dieses Abkommen regelte die deutschen Schulden aus der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, aber auch die Schulden aus dem sogenannten Marschallplan. Und es ist allgemein anerkannt, daß das deutsche Wirtschaftswunder niemals stattgefunden hätte, wenn es nicht zu dieser Schuldenreduzierung gekommen wäre.

Deshalb ist die Forderung der griechischen Regierung nach einer Kürzung der Schulden absolut legitim - um so mehr, als ein großer Teil dieser Schulden illegitim ist und der griechischen Regierung lediglich aufgezwungen wurde, damit 97% davon unmittelbar an die europäischen Banken zurückfließen konnten, um deren wahre Lage zu vertuschen. Nur drei Prozent dieser Schulden blieben in Griechenland. Warum sollte also die griechische Bevölkerung immer weiter gefoltert werden, indem sie ihre Wirtschaft beschneiden, die aufgrund der Austeritätspolitik bereits um ein Drittel geschrumpft ist? Nein, sie haben ein Anrecht darauf, daß diese illegitimen Schulden gestrichen werden.

Aber nach einer solchen Schuldenkonferenz in Europa könnten wir zu der guten Politik zurückkehren, die das deutsche Wirtschaftswunder im Wiederaufbau der Nachkriegszeit ermöglicht hat. Wir würden dazu ein Äquivalant der Kreditanstalt für Wiederaufbau nehmen, die das Vehikel war für das deutsche Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit und in der gleichen Weise staatlichen Kredit vergab wie Roosevelts Reconstruction Finance Corporation im New Deal.

Das war der Mechanismus, durch den Deutschland ein Wirtschaftswunder schaffte, und genau dieser Mechanismus sollte heute dazu genutzt werden, um den dringenden physischen Bedarf zu finanzieren. Wenn man das Flüchtlingsproblem lösen will, dann müssen wir neue Kredite zur Verfügung stellen - und Herr Schäuble sollte in den Ruhestand gehen, weil er inkompetent ist und wirklich nicht darüber entscheiden sollte, wo die Zukunft Europas liegt. Wir sollten Kredite ausgeben, um jährlich 500.000 öffentliche Wohnungen für die Flüchtlinge zu bauen. Dann brauchen wir weitere Investitionen - um Lehrer und Sozialarbeiter einzustellen und Ausbildungsprogramme zur Integration vieler dieser Flüchtlinge in den Bau ihrer eigenen Wohnungen in Europa zu schaffen.

Verlängert die Seidenstraße bis in den Nahen Osten!

Aber das ist nur ein Teil der Lösung. Denn das Problem des Terrorismus im Nahen Osten, so wichtig es auch ist, daß Putin die strategische Lage durch seine Militärintervention in Syrien verändert hat - dieses Problem kann nicht allein mit militärischen Mitteln gelöst werden. Wenn man den Terrorismus besiegt hat, muß man eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung dorthin bringen.

Wenn Sie sich Südwestasien anschauen - die ganze Region ist eine Wüste! Von der Atlantikküste Afrikas durch die Sahelzone, die Sahara, die Saudische Halbinsel und Südwestasien bis in den Mittleren Osten und hinauf nach China - das ist ein gewaltiger Wüstengürtel, der sich ausbreitet, er wächst. Und es gibt dort nichts. Der Nahe Osten wurde zurück in die Steinzeit gebombt.

Sehen Sie sich den Irak an: Der Irak war ein funktionierendes Land unter Saddam Hussein! Es mag sein, daß Sie Saddam Hussein nicht mögen, aber es war ein funktionierendes Land mit einer wachsenden Infrastruktur, in dem die Frauen Zugang zu den Universitäten hatten. Das gleiche galt für Gaddafi. Sie mögen Gaddafi nicht gemocht haben, aber er entwickelte Infrastruktur in Afrika. Sehen Sie sich Syrien an. Der frühere Zustand in Syrien funktionierte! Es herrschte Frieden zwischen allen Religionen. Es gab eine weltliche Regierung, die das Wohl ihres Volkes förderte.

Und schauen Sie sich nun diese Länder an! Sie werden zerstört, sie werden in Trümmerfelder verwandelt. Und wenn wir eine stabile Zukunft haben wollen, dann reicht es nicht, bloß die Flüchtlingslager in der Türkei zu befestigen oder die Außengrenzen Europas zu einer Festung Europa auszubauen.

Was ich sagen will, ist, daß die Neue Seidenstraße und die Politik, die die BRICS-Gruppe übernommen hat, die Lösung für diese Probleme im Nahen Osten ist. Dazu müssen wir nur die Neue Seidenstraße in den Nahen Osten verlängern.

Nun, die Leute werden sagen: „Das würde niemals funktionieren. Der Nahe Osten war schon immer der Kampfplatz aller dieser Imperien - der Briten, der Franzosen und verschiedener anderer...“ Aber wir haben einen Punkt erreicht, an dem die Menschheit vor der Herausforderung steht, daß wir entweder das Paradigma ändern und eine Ordnung schaffen, in der alle Menschen auf diesem Planeten als Menschen leben können, oder wir werden nicht überleben und wir werden verschwinden wie die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren, weil wir uns als nicht klüger erwiesen haben.

Ich glaube, die menschliche Gattung ist klüger, und deshalb bin ich zuversichtlich, wenn wir diese Frage auf den Tisch bringen und sagen, alle großen Nachbarn Südwestasiens - Rußland, China, Indien, der Iran, Ägypten, Italien, Deutschland, Frankreich und sogar die Vereinigten Staaten -, sollten sich einigen und sagen: „Wir sollten einen Marschallplan für den Nahen Osten und Afrika entwickeln. Wir müssen jetzt den Fehler korrigieren, daß wir die Entwicklung Afrikas verhindert haben, daß wir Kriege im Nahen Osten auf der Grundlage von Lügen zugelassen haben, und wir müssen jetzt unsere Bemühungen zusammenschließen und einen großen Wiederaufbau im Nahen Osten in Gang setzen!“

Wir sollten einen Krieg gegen die Wüsten ausrufen. Wir können neues Trinkwasser schaffen, wir können große Mengen an Meerwasser entsalzen durch die friedliche Nutzung von Kernenergie. Wir können das Wasser in der Atmosphäre nutzen, durch die Ionisierung ihrer Feuchtigkeit, was in Israel und in den Golfstaaten bereits geschieht; wir sollten das im großen Maßstab tun. Wir könnten auch andere große Wasserprojekte durchführen. Wir können Infrastruktur schaffen, wir können neue Städte bauen. Wir können in Südwestasien und Afrika Landwirtschaft und Industrien aufbauen.

All das ist möglich durch den Ansatz, den wir in dieser Studie vorstellen. Sie heißt: „Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“ - indem wir einfach die Entwicklung der Neuen Seidenstraße in alle diese Gebiete vorantreiben. Ich halte das für absolut möglich. Ich denke, daß alle Nachbarstaaten des Nahen Ostens ein strategisches Interesse daran haben, denn Terrorismus und Drogen bedrohen Rußland - Rußland hat gerade seine Grenzen zu Tadschikistan geschlossen, weil sie bedroht sind durch den Terrorismus und die Drogen, die aus Afghanistan und anderen Gebieten kommen; Terrorismus und Drogen bedrohen China, wegen Xinjiang. Indien hat ein großes Sicherheitsinteresse, daß dieses Problem gelöst wird, denn sie haben eine große islamische Bevölkerung und sie wollen nicht, daß die islamische Bevölkerung von der radikalen Form des Islam beeinflußt wird, die von den Wahhabi-Salafisten kommt.

Es besteht auch ein natürliches gemeinsames Interesse in ganz Europa. Denn wie Sie wissen - so sehr wir die Flüchtlinge begrüßen - so wie jedenfalls die Mehrheit der Europäer oder jedenfalls der Deutschen sie begrüßt -, es ist auch klar, daß wir nicht mit Hunderten  Millionen Flüchtlingen umgehen können, ohne daß die Europäische Union zusammenbricht.

Die Vereinigten Staaten brauchen die BRICS!

Ich denke aber, daß wir eine einzigartige Chance haben, das herumzureißen, und das wäre auch im Interesse der Vereinigten Staaten.

Die Vereinigten Staaten bestehen momentan auf einer unipolaren Weltordnung. Präsident Obama hat das gerade erst wieder in seiner Rede vor den Vereinten Nationen bekräftigt, als er sagte, daß die USA das größte Militär der Weltgeschichte hätten, und gerade heute erhalten wir die Nachricht, daß die Regierung den Lenkraketen-Zerstörer USS Lassen ins Südchinesische Meer entsandt hat, was einen großen Protest Chinas ausgelöst hat. Die Regierung Obama hat gerade angekündigt, daß sie Bodentruppen in Syrien einsetzen wird, was aus der Sicht des Völkerrechts problematisch ist, weil sie nicht dazu eingeladen wurden, das zu tun. Die Vereinigten Staaten haben also derzeit einen anderen Kurs gewählt.

Aber die Vereinigten Staaten würden davon profitieren, wenn sie sich mit den BRICS zusammenschließen und bei der Entwicklung der Neuen Seidenstraße mitmachen! Indem sie Frieden in den Nahen Osten bringen, indem sie andere Länder der Welt aufbauen. Aber das würde nicht nur bedeuten, daß die Vereinigten Staaten sich an Entwicklungsprojekten in Südwestasien und anderen Teilen der Welt beteiligen; die Vereinigten Staaten brauchen auch selbst dringend Entwicklung - sie haben Armut, sie haben eine unglaubliche soziale Situation. Ich meine, die Tötung von Schwarzen durch die Polizei, die Tötung von Schwarzen durch Schwarze, Tötungen an Schulen - das ist ein Kollaps! Es ist eine Zivilisationskrise hier in den Vereinigten Staaten!

Es gibt hier keine schnellen Eisenbahnen! Sind Sie jemals eine Meile auf einem Schnellzug in den Vereinigten Staaten gefahren? [Lachen.] Definitiv nicht. Sie müssen nach China gehen, um dort 18.000 km an Hochgeschwindigkeitsbahnen zu genießen; das war der beste Schnellzug, mit dem ich je gereist bin: Sie fahren ruhig, sie fahren gleichmäßig, sie rütteln nicht wie die Hochgeschwindigkeitsbahnen in Deutschland. Es ist ein Genuß.

Die Vereinigten Staaten brauchen dringend eine Verbesserung ihrer Autobahnen, ohne Schlaglöcher, in denen Sie mit ihrem Auto verschwinden können - das ist jedesmal eine Gefahr für Ihr Leben, wenn Sie auf diesen Straßen fahren!

Wenn die Vereinigten Staaten sagen würden, wir gehen zurück zu einer Rooseveltschen Politik und bauen unsere Wirtschaft wieder auf und arbeiten zusammen, nicht bloß um eine Schnellbahn von Los Angeles nach Las Vegas zu bauen, sondern ein wirkliches System, ein transkontinentales Eisenbahnsystem mit Hochgeschwindigkeitsbahnen; wir bauen neue Autobahnen, wir bekämpfen die Wüste in Texas und in Kalifornien, wir bauen neue Städte - dann könnten die Vereinigten Staaten sehr leicht ihren Militärapparat dazu transformieren, nützliche, produktive Dinge zu erzeugen.

Nun, ich denke, die ganze Welt wartet darauf, und wir versuchen, diese Wende herbeizuführen, denn es ist eine amerikanische Tradition. Es war die Tradition Benjamin Franklins, George Washingtons, John Quincy Adams, Abraham Lincolns, Alexander Hamiltons, Franklin D. Roosevelts und John F. Kennedys. Es ist also nicht unmöglich. Wir müssen nur diese bessere Tradition Amerikas wiedererwecken, damit es geschieht.

Da sind wir nach meiner Meinung. Ich denke, wir sind wirklich in Gefahr, wenn ein Kollaps des Systems erfolgt ohne eine Glass-Steagall-Reform zum Schutz der normalen Bevölkerung. Wir könnten wirklich ein Massenmorden von beispiellosen Dimensionen erleben. Wenn das in Europa zusätzlich zu der Flüchtlingskrise geschehen würde, dann glaube ich, hätten wir einen Bürgerkrieg in Europa, und wir hätten wahrscheinlich auch einen Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten.

Ich denke also, der Anreiz ist gigantisch, die Politik zu verändern, solange dazu noch Zeit ist. Und die optimistische Note dabei ist, daß die Alternative bereits existiert.

Vielen Dank.