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Neue Solidarität
Nr. 37, 15. September 2016

Die Dynamik der Neuen Seidenstraße schafft neue Chancen für Deutschland!

Von Helga Zepp-LaRouche

Unbemerkt, oder besser gesagt, bewußt unterdrückt von den Massenmedien in Deutschland, hat sich in den vergangenen zwei Wochen ein strategischer Wandel vollzogen, der zum ersten Mal seit langer Zeit die berechtigte Hoffnung aufkommen läßt, daß es für die gravierendsten Probleme unserer Zeit gute Lösungen geben wird. Eine Reihe von Gipfeltreffen in Wladiwostok, Beijing und Vientiane hat eine völlige Neuausrichtung der Beziehungen zwischen der Mehrheit der Nationen dieser Welt herbeigeführt. Diese neue strategische Lage bedeutet auch für uns in Deutschland die Chance und Herausforderung, das wirtschaftliche und kulturelle Potential unseres Landes auf produktive Weise völlig neu einzubringen.

Auf dem Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok am 2. und 3. September wurde die Integration der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel-Initiative Chinas auf den Weg gebracht, und damit das Potential für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum vom Atlantik bis zum Pazifik einen gewaltigen Schritt vorangetrieben. Der japanische Premierminister Shinzo Abe sprach für die 3000 Teilnehmer der Konferenz, als er die Absicht betonte, den Fernen Osten Rußlands zu einem Export-Schwerpunkt für die gesamte Asien-Pazifik-Region zu entwickeln.

Ein äußerst wichtiger Nebenaspekt dieser Konferenz waren die Fortschritte, die Präsident Putin und Premierminister Abe bezüglich des russisch-japanischen Verhältnisses erreichen konnten und die im Dezember dieses Jahres bei einem Staatsbesuch Putins in Japan konsolidiert werden sollen. Dabei wurde u.a. konkret über einen Friedensvertrag zwischen beiden Nationen gesprochen. Damit verbessert sich das Umfeld, daß wir auch für Deutschland einen Friedensvertrag mit den USA vom nächsten US-Präsidenten fordern können.

Das unmittelbar folgende Gipfeltreffen der G-20 in Hangzhou am 4. und 5. September, das China über ein Jahr mit vielen Vorkonferenzen sorgfältig vorbereitet hatte, bedeutet - im völligen Gegensatz zu der Berichterstattung im Westen - eine komplette Neuausrichtung in den Beziehungen der asiatischen Staaten und darüber hinaus. Präsident Xi Jinpings Absicht, den G-20-Gipfel von einer Assoziation von Staaten, die nur auf Krisen reagiert, zu einer Allianz von Nationen zu transformieren, die dauerhaft die Geschicke der Menschheit zum Wohle aller lenken kann, ist einen großen Schritt vorangekommen. Wie Präsident Putin richtig kommentierte: die Ergebnisse des G-20-Gipfels sind juristisch nicht bindend, aber sie konstituieren einen Trend für die Staatengemeinschaft, und jeder Staat, der in die gegenteilige Richtung arbeitet, wird herausstechen.

Der neue Trend, der mit Hangzhou etabliert wurde, heißt Innovation als Basis eines globalen Wirtschaftswachstums, und er heißt vor allem, die Entwicklung der Entwicklungsländer durch Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt in der bestmöglichen Weise voranzutreiben - eine Absicht Chinas, die schon dadurch demonstriert wurde, daß eine viel größere Anzahl von Entwicklungsländern als Gäste zum G-20-Gipfel eingeladen war als jemals zuvor. Xi Jinping unterstrich die Verpflichtung Chinas, die Industrialisierung Afrikas als Priorität zu verwirklichen, weitere Regierungssprecher begrüßten vermehrte Investitionen durch Indien und Japan auf diesem Kontinent. Xi fordert angesichts der fortschwelenden Probleme seit langem die unmittelbare Verwirklichung einer neuen globalen Finanzarchitektur, die einer innovationsgetriebenen Wachstumsstrategie dienen und die Produktivität auf den höchstmöglichen Stand bringen müsse.

Der unmittelbar folgende ASEAN-plus-China-Gipfel erteilte Präsident Obamas eine vernichtende Abfuhr, als dieser zu beweisen versuchte, daß „die USA die Regeln bestimmen, und nicht China“. Die ASEAN-Staaten folgten Obama nicht in seinem Versuch, den kürzlich ergangenen Spruch des internationalen Schiedshofs in Den Haag bezüglich der territorialen Konflikte im Südchinesischen Meer als bindend anzuerkennen. Statt dessen einigten sich die ASEAN-Staaten auf die Position Chinas, künftig alle Konflikte durch freundschaftliche Verhandlungen und den diplomatischen Prozeß zu lösen, wie es ohnehin in der UN-Seerechtskonvention von 1982 vorgesehen ist. Selbst die Philippinen, die unter der vorherigen Regierung Den Haag angerufen hatten, distanzieren sich von diesem Spruch und haben sich für den friedlichen Dialog mit China entschieden.

Statt Obamas Forderung nach einer Zusammenarbeit in der von ihm betriebenen Freihandelszone TPP zuzustimmen, bekräftigten sie ihre Entschlossenheit, in der Regionalen Umfassenden Wirtschaftlichen Partnerschaft (RECEP) mit China und mit den Institutionen des Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels wie der AIIB, der NDB, dem Seidenstrassenfonds etc. zusammenzuarbeiten. Gerade rechtzeitig zum Gipfel gab Kanada seine Mitgliedschaft in der AIIB bekannt, die Obama hatte verhindern wollen.

Diverse internationale Medien wie Forbes und Time Magazine konstatierten die vollständige diplomatische Isolierung Obamas. In der Tat votierten die asiatischen Staaten eindeutig gegen die Konfrontationspolitik Obamas und machten unmißverständlich klar, daß sie das Angebot Chinas, das chinesische Wirtschaftsmodell für sich selber und in Kooperation mit den internationalen Projekten der Neuen Seidenstraße anzuwenden, eindeutig vorziehen. Und von Obamas „letzter Option“, durch die Verabschiedung der US-dominierten Freihandelsabkommen TPP und TTIP doch noch eine Durchsetzung der Regeln zu erzwingen, ist nichts übrig geblieben, da die beiden Sprecher des US-Senats und des US-Repräsentantenhauses, Mitch McConnell und Paul Ryan, aufgrund wahltaktischer Motive inzwischen erklärt haben, daß diese beiden Gesetzesvorlagen in diesem Jahr nicht mehr auf die Tagesordnung kommen werden, und sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump sich bereits dagegen ausgesprochen haben.

Und in noch einem weiteren Feld hat Obama schlechte Karten gezogen: Am 9. September, also unmittelbar vor dem 15. Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001, stimmte das Repräsentantenhaus einstimmig für die sogenannte „JASTA“-Gesetzesvorlage, die es amerikanischen Bürgern gestattet, Saudi-Arabien wegen dessen Rolle beim 11. September zu verklagen, was zuvor schon einstimmig vom Senat beschlossen worden war. Damit ist Obama, wie die Zeitung The Hill konstatierte, mit dem mißlichen Dilemma konfrontiert, entweder mit einem Veto oder einem sogenannten „pocket veto“ (d.h. durch Verschleppung) den Zorn der Familien der Opfer des 11. September und weiter Teile der Bevölkerung auf sich zu ziehen, oder im Falle einer gerichtlichen Untersuchung der Rolle Saudi-Arabiens selbst Gegenstand der Untersuchung zu werden, warum er - in bester Tradition Bushs und Cheneys - diesen ungeheuerlichen Skandal selber während seiner gesamten Präsidentschaft vertuscht hat.

Was ist die Bedeutung dieser veränderten strategischen Konstellation, zu der man noch die hoffnungsvollen Aussichten eines Waffenstillstandsabkommens für Syrien bei gleichzeitigem gemeinsamen militärischen Vorgehen der USA und Rußlands rechnen muß, das soeben zwischen den Außenministern Kerry und Lawrow vereinbart wurde und auf eine Beendung des Kriegs in Syrien hoffen läßt? Seit dem militärischen Eingreifen Rußlands in Syrien und dem diplomatischen und wirtschaftlichen Engagements Chinas und Indiens in Syrien gibt es auch Hoffnung auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau als Teil des Ausbaus der Neuen Seidenstrasse in die Region.

Diese dramatisch veränderte strategische Lage bedeutet, daß sich für Deutschland völlig neue politische Optionen ergeben, nämlich mit China und den anderen asiatischen Staaten wirtschaftlich beim Aufbau Südeuropas, des Nahen Ostens und Afrikas zu kooperieren und damit den einzigen Weg zu gehen, auf dem sowohl die Flüchtlingskrise human gelöst und zugleich der Nährboden für den Terrorismus ausgetrocknet werden kann.

Die Zeichen der Zeit hat offenbar der italienische Premierminister Renzi erkannt, der genau diese Perspektive in einem Interview mit dem chinesischen Fernsehsender CCTV erläuterte, daß nämlich Italien in der Tradition Marco Polos und Matteo Riccis mit China bei der Neuen Seidenstraße, nicht zuletzt bei der Entwicklung Afrikas, umfassend zusammenarbeiten werde.

Sehr beachtlich ist vor diesem Hintergrund die Rede, die Entwicklungsminister Gerd Müller bei der jüngsten Haushaltsdebatte im Bundestag gehalten hat, in der er die horrende Lage in Afrika mit der Verarmung weiter Teile der Bevölkerung in der Phase des Frühkapitalismus verglich und einen großangelegten Marshallplan für diesen Kontinent und weitere Entwicklungsländer forderte. Praktisch ist dies nur möglich, wenn Deutschland, Italien, die anderen europäischen Staaten, mit China, Indien, Japan und anderen Nationen gemeinsam die Neue Seidenstraße zur Weltlandbrücke ausbauen, wie es die BüSso seit langem fordert.

Frau Merkel schwimmen die Felle weg, die EU befindet sich nach dem Brexit in einem fortwährenden Prozeß der Auflösung, in vielen europäischen Staaten erhalten rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien Zulauf. All dies wäre nicht geschehen, wenn die Menschen eine Perspektive für die Zukunft sehen könnten. Die AfD wäre in Mecklenburg-Vorpommern nicht an der CDU vorbeigezogen, wenn Frau Merkel gesagt hätte: „Wir schaffen das, zusammen mit China und den asiatischen Staaten, wir verwirklichen einen neuen Marshallplan mit dem Ausbau der Neuen Seidenstraße im Nahen Osten und Afrika.“

Aber wir sagen das. Wir dürfen diese große historische Chance, eine wirklich neue und gerechte Weltwirtschaftsordnung zu bauen, nicht verstreichen lassen, wie wir die große historischen Chance von 1989 haben verstreichen lassen. Damals haben Großbritannien, die USA und Frankreich uns den Euro als Preis für die Wiedervereinigung aufgezwungen. Heute kann auch der Dümmste sehen, daß der Euro ein gescheitertes Experiment ist, mit Negativzinsen, lächerlichen 0,3 % Wachstum in der Eurozone und bankrotten Banken in ganz Europa.

Heute ist Großbritannien draußen, die USA sind isoliert, und Frankreich ist wirtschaftlich am Ende. Deutschland würde also allen und sich selber den größten Gefallen tun, das alte, „nicht länger tragfähige Modell“, wie Xi Jinping es bezeichnete, durch eine Win-Win-Perpektive der Entwicklung aller zu ersetzen. Es ist allerhöchste Zeit, daß Deutschland seine eigenen Interessen wahrnimmt.