Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Neue Solidarität
Nr. 43, 27. Oktober 2016

Kommentar

Öffentliche Investitionen zahlen sich aus

Von Rainer Apel

Eigentlich ist unter wirklichen Experten unbestritten, daß nicht die Schuldenbremse oder „schwarze Null” Grundlagen für künftige Generationen sichern, sondern daß vielmehr gezielte öffentliche Investitionen in Infrastruktur dies tun. Aber die Bundesregierung hat bisher auf kurzsichtige Pfennigfuchser gehört, und insbesondere die Bundesministerien für Finanzen, für Wirtschaft und für Verkehr sind der Ansicht, daß zusätzliche Ausgabenprogramme tunlichst zu vermeiden sind. Deshalb werden dringend notwendige und schon lange überfällige Instandhaltungen von Autobahnen, Schienennetzen, Brücken, Wasserwegen und Schleusen aufgeschoben und die Pläne dafür nach ganz hinten in die Schubladen der Bürokraten gesteckt. Das alles soll angeblich „nachrangig” sein, nicht so dringlich weder für jetzt noch für die nächsten Jahre. Das erklärt auch das Aus des Bundesverkehrsministers im Februar dieses Jahres für das Projekt des für den Bahngüterverkehr im Westen Deutschlands zukunftsweisenden Westerwaldtunnels.

Diesem Einspardenken widerspricht nun eine wissenschaftliche Studie, die von den Professoren Tom Krebs (Mannheim) und Martin Scheffel (Köln) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt und am 22. September der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Staatliche Investitionen”, heißt es dort schon in der Einleitung, „sind eine politische Option, Wachstumspotentiale zu stärken und zukünftigen Wohlstand zu sichern. In der Vergangenheit hat der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes den Grundstein für ein rasantes Wirtschaftswachstum gelegt.” Außerdem, so die beiden Autoren, „verbessern öffentliche Investitionen die Verteilungsgerechtigkeit, wenn sie die Langzeitarbeitslosigkeit und den Anteil der atypischen Beschäftigung (Mini- und Teilzeitjobs, Red.) an der Gesamtbeschäftigung senken”. Im europäischen Rahmen liegt die atypische Beschäftigung übrigens in Deutschland am höchsten, stellt die Studie fest.

Die Studie befaßt sich auch mit Investitionen in den Hochschulsektor und in Kindertagesstätten, an dieser Stelle wird aber nur der Verkehrsaspekt behandelt. „Öffentliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur oder die digitale Infrastruktur senken die Transportkosten und steigern die Produktivität der Unternehmen”, schreiben die beiden Autoren; und sie weisen auch auf die indirekten Effekte hin, die „durch die Verhaltensanpassungen der privaten Haushalte und Unternehmen sowie den Wechselwirkungen zwischen Arbeits-, Kapital- und Gütermärkten entstehen. Beispielsweise stimulieren Produktivitätsgewinne die Arbeits- und Kapitalnachfrage der Unternehmen, so daß Beschäftigung, Stundenlöhne und private Investitionen steigen. Der Lohnanstieg sowie der Beschäftigungszuwachs vermehren die Einnahmen der öffentlichen Hand aus Steuern und Sozialabgaben und reduzieren die Ausgaben für Sozialleistungen.” Die von ihnen untersuchten Investitionsprogramme, so die Autoren der Studie weiter, „reduzieren die Schuldenquote für kommende Generationen und verbessern in diesem Sinne die Generationengerechtigkeit - es sind fiskalisch nachhaltige Investitionen in die Zukunft der deutschen Gesellschaft”.

In den 1990er Jahren lag die staatliche Investitionsquote noch im EU-Mittelfeld, im Jahr 2015 sank sie mit 2 Prozent weit unter den europäischen Durchschnitt. Die Verkehrsinfrastruktur liegt jetzt sogar nur noch auf Rang 14 der vom World Economic Forum erstellten Weltrangliste, während sie dort vor 15 Jahren noch auf Rang 3 lag. Deutschland liegt hier noch hinter Portugal und Spanien, die in der von mancherlei Vorurteilen geprägten deutschen Sichtweise als „arme südeuropäische Länder” gelten.

Der Mindestnachholbedarf allein bei der Instandhaltung der deutschen Verkehrsinfrastruktur liegt bei jährlich 3,8 bis 4,6 Milliarden Euro, wobei die Kosten für Kapazitätsausweitungen noch gar nicht eingerechnet sind, stellt die Studie fest und fordert zusätzliche Staatsausgaben von jährlich 10 Milliarden für die ersten fünf Jahre und danach von jeweils 6 Milliarden. Hiermit wird ein schrittweiser Anstieg der Produktivität bewirkt, der nach 20 Jahren kontinuierlicher Investitionen seinen Höchststand erreicht, von welchem Punkt dann der Rückfluß an volkswirtschaftlichem Nutzen größer wird als die Kosten, die eine solche vorausschauende Politik den öffentlichen Kassen aufgelastet hat. „Wenn die positiven fiskalischen Effekte der Infrastrukturinvestitionen groß genug sind, dann können kommende Generationen von einem langfristigen Schuldenabbau profitieren”, prognostiziert die Studie, wobei dies sowohl für das optimistische Szenario mit 15 Jahren Amortisationszeit wie auch für das pessimistische Szenario mit 26 Jahren Amortisationszeit gilt. Der Nutzengewinn liege bei 173 Millionen Euro pro investierter Milliarde, berechnen die Autoren der Studie auf Grundlage von 1300 untersuchten Projekten.

Also: die „schwarze Null” ist wirklich eine Null, denn niemand hat etwas davon. Man kann nur wünschen, daß es in den Bundesministerien, vor allem in dem für Finanzen zuständigen, zu einem gründlichen Lesen dieser Studie und zu einem Umdenken kommt.