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Neue Solidarität
Nr. 4, 26. Januar 2017

Deutsch-russische Beziehungen – Zeit für einen Neustart?

BüSo in Aktion. Stephan Hochstein berichtet über eine Diskussionsveranstaltung in Chemnitz mit dem Vorsitzenden des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck.

In Anbetracht der gegenwärtigen geopolitischen Spannungen zwischen der westlichen Welt und Rußland wurde am 16. Januar bei einer Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung in Chemnitz die Frage diskutiert, wie eine politische Entspannung in Zukunft aussehen könnte. Ehrengast der Veranstaltung war der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, der sich der brennenden Frage stellte, wie eine Annäherung aussehen soll.

Platzeck wies darauf hin, daß die eigentliche Entfremdung nicht erst mit der Krim angefangen hatte, sondern bereits vor den Winterspielen in Sotschi 2014 begann, und diese Konfrontation sich schleichend über die ganze Amtszeit der Putin-Administration aufbaute. Als Putin 2001 im Bundestag seine Rede hielt, gab es noch lauten Beifall von allen Rängen, als er aber zunehmend die russischen Interessen positionierte und das Land festigte, wuchs die internationale Hysterie. Platzeck: „Wann haben wir Rußland am meisten gemocht? Als es schwach war.“ Solange Rußland politisch isoliert war und keine Interessen zeigte, war es geopolitisch keine Bedrohung.

Zur Frage über den Sinn von Sanktionen gegen Rußland äußerte Platzeck sehr kritische Bedenken. Er stellte die Frage in den Raum: „Was ist das Ziel der Sanktionen? Ist es die Idee, Putin zu stürzen? Ist es die Idee, Putin zum Umdenken zu bewegen?“ Sein Fazit war, daß all diese Wünsche die Beziehungen mit Rußland nur noch verschärfen würden und Nationalismus schüren. Immerhin sei Putin, trotz aller Ansichten des Westens, der liberalste Präsident. Außerdem seien es die USA, die mit den Sanktionen einen Isolierungsprozeß betreiben und Rußland von Europa nach Asien verschieben. Rückblickend betrachtet, so Platzeck, wären Sanktionen 2003 gegen die USA wegen der eklatanten Völkerrechtsverletzungen im Irakkrieg angemessener gewesen.

Der Vertreter der IHK Chemnitz erklärte ergänzend, daß die Sanktionen der sächsischen Wirtschaft massiv geschadet haben. Noch 2013 war Rußland der absolute Zukunftsmarkt für Deutschland, aber mittlerweile, vor allem nach dem Einbruch des Rubelkurses seit 2015, ist der Export in Sachsen um 35% eingebrochen. Das gesamte Exportvolumen sei seit 2014 sogar um 60% geschrumpft. Als betroffene Wirtschaftszweige nannte er hierbei den Automarkt, den Maschinenbau und die metallverarbeitende Industrie.

Auf die Frage, ob Deutschland zum Motor für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Europa und Rußland werden könnte, blieben die Aussichten eher zurückhaltend. Schließlich sei man nicht mehr in der Zeit Bismarcks, und der Einfluß kleinerer Staaten mache die internationale Politik komplizierter. Auf der anderen Seite verdeutlichte Platzeck, daß die Hysterie über eine mögliche russische Invasion in Polen oder Kiew sehr abstrus seien. In diesem Zusammenhang wies er noch einmal daraufhin, daß die neuen rotierenden NATO-Truppen im Baltikum eher zur Beunruhigung beitragen und daß vor allem die Ausweitung der US-Basen seit dem Ende des Kalten Krieges eine Drohgebärde aufgebaut habe. Ein US-Militär habe Platzeck einmal zu verstehen gegeben, daß die weltweite größte Anzahl an Flugzeugträgern allein dazu diene, die US-Interessen in der Welt durchzusetzen.

Detlev Müller, Bundestagsabgeordneter der SPD aus Chemnitz, gab ganz offiziell zu, daß die deutsche Politik machtlos zuschaut. Schließlich sei Brüssel maßgeblich verantwortlich für die Sanktionspolitik. Am Ende mußte er auch zugestehen, daß vor allem die politischen Vertreter der Altbundesländer vehement das russische Feindbild verteidigen.

In der anschließenden Diskussionsrunde kamen, wie zu erwarten, die üblichen verleumderischen Fragen zu Putin und seinem System, in Bezug auf die Ukraine, Schwulenrechte und Syrien. Bemerkenswert war Platzecks Antwort zum Thema Syrien, daß alle Meldungen rund um den Konflikt um Aleppo mit äußerster Sorgfalt zu genießen seien.

Schließlich sprachen wir als Vertreter der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) den wichtigen Punkt an: die „Neue Seidenstraße“ und die Kooperation mit den BRICS und die Angst der USA vor einer Machtverschiebung und dem Zusammenbruch ihrer unipolaren Weltsicht.

Interessanterweise fiel Platzeck gleich ins Wort und erklärte dem Publikum erst einmal die neue Ausrichtung der chinesischen Seidenstraße. Leider muß man aber konstatieren, daß er und die übrigen Podiumsgäste die große Chance der Seidenstraße nicht ganz verstanden haben. Im Gegenteil, alle Teilnehmer fielen immer wieder in die alten geopolitischen Denkgewohnheiten zurück.

Im Anschluß an die Veranstaltung führten wir viele gute Gespräche und optimistische Diskussionen zur Perspektive der Seidenstraße. Als Resümee der Veranstaltung kann gesagt werden, daß alle Podiumsgäste zwar den derzeitigen politischen Umgang mit Rußland ablehnen, aber selbst keine Lösungsansätze sehen. Nun liegt es an uns und Ihnen als Lesern, die Diskussion weiter in Gang zu setzen und den Druck zu erhöhen.

Stephan Hochstein