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Neue Solidarität
Nr. 11, 15. März 2018

Internationale Tschadsee-Konferenz in Abuja:
ein historischer Durchbruch für Afrikas Entwicklung

Von Claudio Celani

Die Internationale Tschadsee-Konferenz, die vom 25.-28. Februar 2018 in der nigerianischen Hauptstadt Abuja stattfand, markierte einen historischen Durchbruch für Afrika und die Welt. Die Konferenz beschloß die „Charta von Abuja“, einen Fahrplan zur Erstellung eines Entwicklungsplans, in dessen Mittelpunkt das ehrgeizigste Infrastrukturprojekt steht, das jemals für den afrikanischen Kontinent entworfen wurde. Ein italienisch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen wurde mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie beauftragt. Während der dreitägigen Konferenz erlebte man ein neues Bewußtsein und Selbstbewußtsein der afrikanischen Nationen, das sich – inspiriert vom beeindruckenden Erfolg des Wirtschaftsaufbaus Chinas – in der Bereitschaft äußerte, „groß zu denken“ und das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Gleichzeitig sah man die Entstehung einer dreiseitigen Kooperation zwischen Europa, Afrika und China, die zum Vorbild für internationale Zusammenarbeit im Geiste der chinesischen Wirtschaftsgürtel-Initiative werden kann.

In der von den anwesenden acht Staats- und Regierungschefs afrikanischer Staaten beschlossenen „Charta von Abuja“ (siehe den nebenstehenden Kasten) wird betont:

Unsere Leser kennen Transaqua: Es ist die Idee, eine 2400 km lange Wasserstraße vom Südosten des Kongobeckens bis zur Wasserscheide zwischen der Zentralafrikanischen Republik und dem Tschad zu schaffen, die alle rechten Nebenflüsse des Kongo-Flusses quert und jährlich bis zu 100 Mrd. m3 Wasser transportieren kann. Damit soll nicht nur der Tschadsee wieder bis zu seiner ursprünglichen Größe aufgefüllt werden (auf 25.000 km2, heute ist es nur noch ein Zehntel davon), sondern die Wasserführung der Flüsse reguliert, Wasserkraft erzeugt und eine wichtige Verkehrsinfrastruktur geschaffen werden, die die Region der Großen Seen im Osten des Kontinents mit der Sahelregion verbindet. Lyndon LaRouche und Helga Zepp-LaRouche setzten sich seit fast 30 Jahren für diesen Plan ein, meist Seite an Seite mit den Erfindern des Projektes vom italienischen Ingenieurbüro Bonifica SpA.

Dieses Unternehmen, das die Idee in den 70er Jahren entwickelte, und der große chinesische Baukonzern PowerChina haben vor kurzem ein strategisches Bündnis geschlossen, um die Machbarkeitsstudie für Transaqua durchzuführen. In der Konferenz in Abuja, an der Vertreter der beiden Unternehmen teilnahmen, kündigte die italienische Regierung an, daß sie für diese Machbarkeitsstudie 1,5 Mio. Euro zur Verfügung stellt.

Der Verfasser begleitete die Bonifica-Delegation zur Konferenz und nahm dort an öffentlichen und geschlossenen Konferenzen sowie an bilateralen Gesprächen teil. Auch mein Kollege Sebastién Périmony vom französischen Schiller-Institut nahm als Beobachter teil und trug dazu bei, die Diskussionen in den Plenarsitzungen und den verschiedenen Vortragsrunden auf einem hohen Niveau zu halten. Wir hatten auch Gelegenheit, verschiedenen Würdenträgern den neuen Sonderbericht des Schiller-Instituts über die Entwicklung Südwestasiens und Afrikas zu überreichen (vgl. https://www.solidaritaet.com/neuesol/2018/8/afrika.htm); darunter waren der Präsident und Vizepräsident von Nigeria, der Staatspräsident von Niger und Nigerias Wasserminister, der die Konferenz gemeinsam mit der Kommission für das Tschadsee-Becken (LCBC) und der UNESCO veranstaltete,.

Um die Bedeutung der Entscheidungen der Tschadsee-Kommission richtig einzuschätzen, muß man sich die dramatische Lage am Tschadsee und in der Region vergegenwärtigen. 40 Millionen Menschen leiden direkt und indirekt unter den Folgen des schrumpfenden Sees und der Ausbreitung der Boko Haram, einer der schrecklichsten Terrororganisationen der Welt.

Die Krise des Tschadsees ist nichts Neues, sie begann schon in den 70er Jahren. Der scheidende Exekutivsekretär der LCBC, Sanusi Abdullahi, berichtete dazu in seiner Eröffnungsrede:

„Ein Vorschlag, Wasser aus dem Kongo zum Tschadsee zu leiten, namens Transaqua, wurde der LCBC 1984 auf dem Höhepunkt der schlimmsten Dürre vorgelegt, die das Tschadsee-Becken je getroffen hatte. Der Vorschlag wurde vom damaligen Präsidenten des Kongo (dem früheren Zaire), Mobuto Sese Seko, befürwortet und herumgereicht, aber für zu groß befunden. Deshalb nahmen die Mitgliedstaaten der LCBC einen kleineren Vorschlag an, Wasser aus dem Ubangi zum Tschadsee zu leiten, wie es die Regierung der Zentralafrikanischen Republik beantragt hatte.“

Tatsächlich ist Transaqua keineswegs „zu groß“, wenn man etwa bedenkt – wie Périmony in einem Beitrag aus dem Publikum anmerkte –, daß Frankreich etwa 10.000 km Wasserstraßen gebaut hat, im Vergleich dazu seien die 2400 km des Transaqua-Projektes „klein“. Die Vorstellung, Transaqua wäre „zu groß und zu teuer“, wird von den Kreisen verbreitet, die Afrika für immer rückständig halten wollen – allen voran eine ehemalige europäische Kolonialmacht, deren Einfluß in den Mitgliedstaaten der LCBC andauert und sogar in der Konferenz spürbar war.

Doch dank der hervorragenden Arbeit der LCBC, des Bündnisses zwischen Bonifica und PowerChina sowie der italienischen Entscheidung für die Machbarkeitsstudie wurden alle Hindernisse überwunden.

Keine Utopie

Schon während der ersten Konferenzsitzung wurde deutlich, daß es keine Alternative zu Transaqua gibt. Mohammed Bila, ein Experte der LCBC, berichtete knapp aber präzise über die Machbarkeitsstudie des kanadischen Unternehmens CIMA über das kleinere Projekt, Wasser aus dem Ubangi zum Tschadsee zu leiten. Die Studie kam zu dem Schluß, daß das Projekt zwar machbar wäre, aber große Nachteile hätte: 1. Man müßte Wasserkraft dazu nutzen, um Wasser bergauf zu pumpen, weshalb nur wenig Elektrizität für andere Zwecke zur Verfügung stünde, und 2. würde die auf diese Weise bereitgestellte Wassermenge den Wasserspiegel des Tschadsees nur um höchstens einen Meter anheben.

Deshalb, berichtete Bila, lehnte die LCBC das Ubangi-Projekt ab und betrachtet nun Transaqua als den einzigen machbaren Vorschlag.

Dieser mit wissenschaftlicher Strenge und entwaffnender Offenheit gehaltene Vortrag lenkte die Aufmerksamkeit sofort auf Transaqua, schon vor der offiziellen Vortragsrunde über das Transaqua-Projekt mit Vertretern von Bonifica und PowerChina am folgenden Tag. Viele Interventionen vom Podium und aus dem Publikum bewiesen die starke Unterstützung für das „große“ Projekt, und in einigen Fällen auch erstaunlich detaillierte Kenntnisse über Transaqua.

Dies zeigte beispielsweise die Antwort an einen Vertreter der Regierung der Demokratischen Republik Kongo, von wo der Großteil des umgeleiteten Wassers kommen wird. Dieser äußerte zwar seine Solidarität mit den Ländern des Tschadsee-Beckens, trug jedoch eine Reihe von Einwänden vor, die vom Bestreben des Kongo motiviert seien, in die Fußstapfen des großen Pioniers der Einheit Afrikas Kwame Nkrumah zu treten; hierauf antwortete Abubakar Bobboi Jauro vom Podium: „Die italienische Firma Bonifica hat die Transaqua-Idee ganz im Geiste von Nkrumahs Vision entwickelt.“

Die mit Spannung erwartete Sitzung mit Vertretern von Bonifica und PowerChina am zweiten Konferenztag, vor einem völlig überfüllten Saal, hinterließ einen außerordentlich starken Eindruck.

Der Technische Direktor von Bonifica, Franco Bocchetto, erläuterte, wie Transanqua in mehreren Stufen gebaut werden kann. Die von Bila zitierte CIMA-Studie habe ergeben, daß ein Damm am Kotto-Fluß (einem Nebenfluß des Ubangi) einen Wassertransfer über die Wasserscheide zum Bamingui (einem Nebenfluß von Longone und Schari) und somit zum Tschadsee unter Nutzung der Schwerkraft „genau am Ende der Route des Transaqua-Projektes“ ermöglichen würde.

Der Damm am Kotto an sich würde zwar nicht viel ändern, er würde nur einen begrenzten Wassertransfer ermöglichen, der kaum Einfluß auf das Gleichgewicht des Tschadsees hätte. „Aber er bildet das erste Glied in einer Kette ähnlicher Stauseen an anderen Nebenflüssen des Ubangi und des Kongo, die durch Kanäle zur Transaqua-Wasserstraße verbunden würden.“

Der erste Abschnitt, in der Zentralafrikanischen Republik, könne in mehreren Stufen realisiert werden, die jeweils bereits vor Ort Nutzen brächten, in Form von Wasserkraft, Bewässerung und/oder Wasserregulierung.

Der stellv. Chefingenieur von PowerChina, Huang Ziping, zeigte und erläuterte einen Film über den 1400 km langen Kanal, den das Unternehmen in China gebaut hat, die Mittlere Route des Süd-Nord-Wassertransfer-Projekts zur Umleitung von Wasser vom Jangtse in die Region Beijing. (Lesen Sie dazu auch den Bericht von Michael Billington in dieser Ausgabe.) Zusammen hatten diese beiden Vorträge eine sehr starke Wirkung: Man sah ein Projekt, das Kritiker als „gigantomanisch“ verspotten, und dann wurde gezeigt, daß ein genauso „gigantomanisches“ Projekt schon gebaut wurde.

In der anschließenden Diskussion antwortete der Ingenieur von PowerChina auf eine Frage aus dem Publikum: Zwischen der Machbarkeitsstudie und der Vollendung des Projektes würden zwar Jahre vergehen, aber man müsse nicht bis zur Fertiggestellung der Wasserstraße warten, um „den Hahn aufzudrehen“ und mit der Wiederauffüllung des Tschadsees anzufangen. Das Wasser werde fließen, sobald der erste Damm gebaut ist, nämlich der Kotto-Damm in der Zentralafrikanischen Republik am Ende der Transaqua-Route.

Zustimmung der Staatschefs

Wie der italienische Botschafter vorab dem LCBC-Exekutivsekretär Sanusi Abdullahi mitteilte und am folgenden Tag in der abschließenden Plenarsitzung offiziell bekanntgab, wird Italien die Hälfte der Kosten der Machbarkeitsstudie übernehmen, die andere Hälfte trägt PowerChina.

In einem Diskussionsbeitrag erklärte der Verfasser, die Afrikaner sähen den Tschadsee zwar vollkommen zu recht als eine panafrikanische Angelegenheit, aber mit der anvisierten Lösung trügen sie auch eine globale Verantwortung. Das entstehende italienisch-chinesische Bündnis zur Wiederherstellung des Tschadsees könne nämlich ein Modell für eine erfolgreiche dreiseitige Zusammenarbeit zwischen Europa, China und Afrika im Geiste der chinesischen Wirtschaftsgürtel-Initiative werden. Bekanntlich gebe es im Westen starke Widerstände gegen die Gürtel- und Straßen-Initiative, die überwunden werden müssen. Das dreiseitige Transaqua-Bündnis sei der beste Weg, um zu zeigen, daß ein „Win-Win-Modell“ möglich ist. Der Moderator schlug daraufhin vor, diesen Vorschlag zusammen mit den weiteren Ideen, die in dieser Vortragsrunde vorgetragen wurden, in das offizielle Konferenzresümee aufzunehmen.

Anschließend hielten Bocchetto und Huang einen weiteren Vortrag in einer nichtöffentlichen Sitzung des Ministerrats der Tschadsee-Anrainerstaaten.

Der letzte Konferenztag begann mit einer hochrangigen Sitzung in Anwesenheit von Staats- und Regierungschefs: Muhammadou Buhari, Präsident der Bundesrepublik Nigeria, Issoufou Mahamadou, Präsident der Republik Niger und derzeitiger Präsident der LCBC, Idriss Déby, Präsident der Republik Tschad, Ali Bongo Ondingba, Präsident der Republik Gabun, Faustin-Archange Touadéra, Präsident der Zentralafrikanischen Republik, und Philémon Yunji Yang, Premierminister von Kamerun, als Vertreter von Präsident Paul Biya.

Als der offizielle Berichterstatter seine Zusammenfassung der Plenarsitzungen und Arbeitsgruppen vortrug, tauchte ein Problem auf: Entgegen der allgemeinen Stoßrichtung der Konferenz wurde die Vortragsrunde mit den Vertretern von Bonifica und Power China inhaltlich völlig übergangen und sogar die Namen der Redner und das Thema der Sitzung unterschlagen. Daraufhin forderte der Moderator, der stellv. Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der LCBC Lawrence Freeman, den Berichterstatter zu einer Korrektur auf, weil aus seinem Bericht nicht hervorging, daß Transaqua das Hauptthema bei mindestens drei Sitzungen war.

Anschließend stellte Prof. Salihu Mustafa einen „Fahrplan“ vor, nach dem Transaqua die bevorzugte Lösung für die Krise des Tschadsee ist und ein „Tschadsee-Fonds“ von 50 Mrd. $ geschaffen werden soll, um Wassertransfer und Infrastrukturausbau zu finanzieren.

Die Abschlußsitzung, die Nigerias Vize-Außenminister leitete, schloß mit einer Ansprache des italienischen Botschafters, Stefano Pontesilli, und seine Ankündigung, daß der italienische Staat die Machbarkeitsstudie mitfinanziert, wurde mit lautem Applaus aufgenommen. Der Vize-Außenminister und Nigerias Wasserminister dankten und lobten Italien für diese Unterstützung.

Die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, faßte den Erfolg der Konferenz in dem Satz zusammen: „Das sind wirklich gute Nachrichten für jeden, dem die Menschheit am Herzen liegt.“