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Neue Solidarität
Nr. 25, 21. Juni 2018

Mit Beethoven Amerikas Seele wiederfinden

Von Dennis Speed

Das Schiller-Institut veranstaltete im Anschluß an seine eintägige Konferenz in New York am 50. Jahrestag der Ermordung Robert F. Kennedys ein Konzert, in dem der New Yorker Chor des Schiller-Instituts Beethovens Messe in C-Dur und afro-amerikanische Spirituals vortrug. Das Konzert wurde eingeleitet durch die folgenden Ausführungen.

Der Pianist Claudio Arrau sagte einmal über seine Liebe zu Beethovens Kompositionen, daß alle diese Stücke inneres Ringen und Kämpfe ausdrücken, „aber am Ende wird gesiegt“. Die 5. Sinfonie in c-Moll ist ein berühmtes Beispiel dafür.

Das Konzert, das der New Yorker Chor des Schiller-Instituts für heute vorbereitet hat, soll ein Anstoß dazu sein, so wie Beethoven zu denken, um die nationale Tragödie zu überwinden, die nicht nur zu den Ereignissen des 11. September 2001, sondern viel weiter, zu den Morden an unseren nationalen Führungspersönlichkeiten in den Jahren 1963-68, zurückreicht. Dieser fünf Jahre dauernde Angriff auf das Präsidialsystem der Vereinigten Staaten, der am 22. November 1963 mit der Ermordung von Präsident John F. Kennedy begann und am 5./6. Juni 1968 mit der Ermordung des führenden Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy seinen Höhepunkt erreichte, hatte einen tiefgreifenden Kurswechsel in Amerika zur Folge, weg von dem Versprechen nationaler Größe hin zu einer fünf Jahrzehnte langen Ödnis des Niedergangs. Mit diesen beiden Morden, dem Anfang und Ende einer Periode, in die auch die Morde an Malcolm X (20. Februar 1965) und Martin Luther King (4. April 1968) fielen, wurde der amerikanische Traum auf unbestimmte Zeit verschoben.

Es ist nun Zeit, diesen Traum wahr zu machen, indem das amerikanische Volk harmonisch seine Stimme erhebt, um den „machtlosen Mächtigen“ die Wahrheit zu sagen. Denn kein sterbendes Imperium, keine sterbende Nation, keine sterbende Kultur ist wirklich mächtig. Es ist nur die Illusion der Macht in den Köpfen derer, die durch diese sterbenden Institutionen kulturell unterdrückt werden, die dieser Täuschung Wirkung verleiht. Indem wir statt Popkultur klassische Kultur in das Leben der Menschen bringen, werden sie in die Lage versetzt, ihre eigene Stimme zu finden, in ähnlicher Weise, wie Malcolm X oder Robert Kennedy sie fanden: indem wir nicht davor zurückschrecken, die Axiome unseres Verhaltens zu verändern, egal wie kontrovers dieses Bemühen erscheinen mag.

Bild: www.jfklibrary.org
Der damalige US-Justizminister Robert F. Kennedy (rechts) und der Bürgerrechtler Dr. Martin Luther King 1963.

Am Abend nach Martin Luther Kings Ermordung sprach Robert Kennedy vor einer wütenden und trauernden Versammlung über Aischylos. Er sagte:

Die Tragödien des Aischylos wurden verfaßt, um sie genau in dieser Weise anzuwenden, wie Kennedy es an jenem Abend getan hat. Klassische Tragödien sind keine „Fiktion“, sowenig wie klassische Musik „Unterhaltung“ ist. Der Zweck beider ist, den einzelnen herauszufordern, „von innen heraus“ mehr von sich selbst zu verlangen. Ermahnungen können einen Menschen nicht dazu veranlassen, anders zu fühlen. Aber jemand kann sich entscheiden, ein besserer Mensch zu werden, weiser zu werden, anstatt sich dafür zu entscheiden, so, „wie er schon immer war“, zu bleiben. Jeder Mensch kann größer sein als sein Schicksal, und das Schicksal eines Menschen entscheidet sich nicht durch seinen Tod und erst recht nicht durch die Art und Weise, wie er stirbt, sondern durch seine Unsterblichkeit, durch die Art und Weise, wie er lebt. Die Kompositionen des tauben Beethoven sind die sprechendsten Demonstrationen dieses Prinzips.

So denken wie Beethoven!

Martin Luther King und Robert Kennedy erkannten beide, daß sie sich dem Druck der Popkultur und der Volksmeinung widersetzen mußten. Am 4. April 1967 erhob King seine Stimme gegen den Vietnamkrieg und wurde so ein Staatsmann der ganzen Welt, statt nur ein Staatsmann Amerikas, ohne dafür irgendwen um Erlaubnis gebeten zu haben. Er stellte sich der größten Herausforderung und seinen größten Befürchtungen, indem er erklärte, daß er den Vietnamkrieg aus moralischen Gründen ablehne; er sagte, die Welt müsse nun „nicht zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit wählen, sondern zwischen Gewaltlosigkeit und Nichtexistenz“.

Sechs Tage später, am 10. April, sah der New Yorker Senator Robert Kennedy (der später beschließen sollte, 1968 für das Präsidentenamt zu kandidieren) in den ländlichen Regionen des Südens eine schlimmere Form von Armut in Amerika, als er sie bis dahin jemals wahrgenommen hatte. Kennedys Begegnung mit der Armut im ärmsten Bundesstaat, Mississippi, war für ihn eine Offenbarung.

Als ihn der CBS-Reporter Daniel Schorr fragte: „Herr Senator, was denken Sie über das Problem der Armut in diesem ärmsten Staat?“, antwortete der zutiefst betroffene Kennedy nach einer Pause: „Nun, ich denke, es ist offensichtlich eine größere Armut als sonst irgendwo in unserem Land, und ich denke, in Anbetracht der Tatsache, daß wir ein Bruttosozialprodukt von 700 Mrd.$ haben und 75 Mrd.$ für Rüstung und Waffen ausgeben und jedes Jahr in den Vereinigten Staaten fast 3 Mrd.$ für Hunde ausgeben, sollten wir als amerikanische Bürger mehr für diejenigen tun, die arm sind, ganz besonders für unsere Kinder…“

Martin Luther Kings Kampagne für die Armen („Poor People’s Campaign“), die eine Mehrheit der Aktiven seiner eigenen Organisation ablehnte, war zum Teil von Kennedys Reaktion in Mississippi inspiriert.

Kennedys heute fast vergessene Rede über „Die gedankenlose Bedrohung durch Gewalt“, die er am Tag nach Kings Ermordung am 4. April 1968 hielt, enthält auch die folgende Passage, die noch heute umstritten ist:

Bild: NASA/Bill Anders
„Erdaufgang“ über dem Mond, aufgenommen am 24. Dezember 1968 von der Apollo-8-Mission.

Das wunderschöne Bild unserer Erde, wie sie im Dezember 1968 bei der Apollo-8-Mission zum erstenmal aus der Perspektive des Mondes gesehen wurde, zeigte der Menschheit die wahre Bühne, auf der sich das größere Drama der menschlichen Größe, ihrer Dummheiten und ihres Fortschritts abspielt. Die Sorgen des Augenblicks – über den Vietnamkrieg, den atomaren Rüstungswettlauf, die explosive Gewalt in den Innenstädten, der massenhafte Drogenmißbrauch und die drückende Armut in den Dörfern und Städten des Landes – lösten sich auf in den Weiten des Weltraums und in der Kraft des menschlichen Geistes, „die Sterne zu bezwingen, wenn man sich nur erst selbst bezwungen hat“.

Weder King noch Kennedy haben dieses Bild von der Apollo-Mission je gesehen, aber, wie King am Abend vor seinem Tod sagte: „Ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen. Und ich habe hinübergesehen. Ich habe das Gelobte Land gesehen.“ Kennedy und sein Bruder John waren die politischen Väter der Apollo-Mondlandung, dieser Vision, und sie wurde wahr. Unsterblichkeit ist eine Wahl. Unsterbliche Männer und Frauen entziehen sich dem Verständnis normaler Sterblicher. Beethoven hat einmal gesagt: „Musik ist der einzige unverkörperte Eingang in eine höhere Welt des Wissens“ und sie sei „offenbarender als alle Weisheit und Philosophie“. Diese Kraft war es, die King und die Kennedy-Brüder dazu bewegte, „zu denken wie Beethoven“. Und das ist die Kraft, die das heutige Konzert in uns wachrufen soll.