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Neue Solidarität
Nr. 47, 22. November 2018

Absurde Ideen aus Frankreich: Europa als neues Empire?

Angesichts des schwindenden Einflusses der transatlantischen Eliten kommen aus Frankreich Forderungen, Europa zu einem „Empire“ auszubauen.

Wenn es nicht so gefährlich wäre, könnte man es als absurdes Theater bezeichnen: Wenige Tage nach den Feiern zum 100. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs forderte der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno LeMaire in einem Interview mit dem Handelsblatt am 13. November, Europa müsse „ein Empire“ werden, um gegen die USA und China zu bestehen. Europa brauche mehr Integration und „Souveränität“, um mehr Macht in der Weltpolitik zu haben, so LeMaire. Vom Handelsblatt darauf angesprochen, daß der Ausdruck „Empire“ etwas „schrill“ klinge, sagte LeMaire, natürlich spreche er über ein friedliches Empire und einen Rechtsstaat. Dann betonte er jedoch, in der kommenden Welt werde Macht entscheidend sein, „technologische Macht, wirtschaftliche, finanzielle, monetäre, kulturelle Macht... Europa darf nicht länger davor zurückschrecken, seine Macht auszuspielen und ein Empire des Friedens zu sein.“

LeMaire wies in dem Interview auf die Gefahr neuer Finanzverwerfungen hin und betonte, jetzt müsse endlich ein Eurozonenbudget her. Dies werde am 4. Dezember, also vor dem Beginn des Europawahlkampfes, beim Eurozonentreffen der Wirtschafts- und Finanzminister auf der Tagesordnung stehen. Die Eurozone müsse verstärkt und „Europas Souveränität“ geschaffen werden – über die Vollendung der Bankenunion, die Finanz- und Kapitalmarktunion und eine Weiterentwicklung des europäischen Stabilitätsmechanismus’ (ESM). Laut LeMaire muß Europa vor allem auf „umweltverträgliches Wachstum“ setzen.

LeMaire steht mit seinen supranationalen Ideen nicht allein. Am 6. November 2018, eine Woche vor LeMaires Interview, hatte Frankreichs Präsident Macron in einem Interview mit dem Radiosender Europe 1 gefordert, eine „wahre europäische Armee“ aufzubauen, denn ansonsten könne Europa nicht verteidigt werden. Es gebe „autoritäre Mächte“, die an den Grenzen Europas aufstiegen und sich wieder bewaffneten. Europa müsse sich verteidigen „mit Blick auf China, auf Rußland und sogar auf die Vereinigten Staaten“. Macron betonte, er wolle nicht, daß die EU für ihre Verteidigung von den USA abhängig sei.

Helga Zepp-LaRouche kommentierte dies und die Vorgänge bei der Jahrhundertfeier in Paris am 15. November in ihrem Internetforum:

Eine Schlüsselrolle für die Vorbereitung solcher Pläne auf europäischer Ebene ebenso wie für die Positionierung der deutschen Außenpolitik gegen Rußland unter Kanzlerin Merkel spielte der langjährige Kanzler-Berater und jetzige deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen Dr. Christoph Heusgen, der nicht nur mit der französischen Politik bestens vernetzt ist. Heusgen war der Architekt der EU-Sanktionen gegen Rußland. Vor 2005 arbeitete er unter dem „EU-Außenminister“ Solana zusammen mit Robert Cooper, dem früheren Berater Tony Blairs, die sogenannte Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) aus, die am 12./13. Dezember 2003 vom Europäischen Rat abgesegnet wurde. Daraus wurde später die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (CSDP). Laut Internetseite der EU entstand die ESS als Antwort auf Bundeskanzler Schröders „Nein“ zum Irakkrieg und die daraus resultierende Spaltung innerhalb der EU (zwischen dem „Alten Europa“ und dem „Neuen Europa“, wie man es damals nannte).1

Auch Robert Cooper steht für einen „liberalen Imperialismus“. Sein Buch The Breaking of Nations: Order and Chaos in the Twenty-First Century („Das Zerbrechen von Nationen: Ordnung und Chaos im 21. Jahrhundert”) erschien 2003 – im gleichen Jahr, als Cooper und Heusgen die ESS ausarbeiteten. In diesem Buch schreibt Cooper: „Die weitreichendste Form der imperialen Expansion ist die der Europäischen Union. Die post-moderne europäische Antwort auf Bedrohungen besteht darin, das System des kooperativen Empire immer weiter auszudehnen.“

In einer Zeit, in der Nationen wie Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, sowie ost- und mitteleuropäische Staaten Europas immer weniger bereit sind, ihre noch verbliebene Souveränität an ein supranationales Monstrum Europa abzugeben, das nur im Interesse der Finanzmärkte wirkt, handelt es sich bei LeMaires Ankündigungen offenbar um eine Art Flucht nach vorn. Aber man sollte die Gefahr, die davon ausgeht, nicht unterschätzen. Schließlich hat Präsident Macron gerade mit seiner Inszenierung der Hundertjahrfeier bewußt ein dringend nötiges Treffen von Präsident Trump und Präsident Putin sabotiert. Auch die Gleichsetzung von Souveränität und Macht, die LeMaire faktisch vornimmt, sollte zum Nachdenken anregen. Hatte nicht Carl Schmitt – der das Führerprinzip einführte, um die Willkürjustiz des Dritten Reichs zu rechtfertigen – seinerzeit festgestellt, „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“?

Der Ausweg aus den Krisen Europas und der Welt liegt nicht in einer neuen supranationalen Diktatur der Finanzmärkte, sondern in einem Neuen Bretton-Woods-System, der Reorganisation der bankrotten Finanzmärkte (Glass-Steagall-Bankentrennung) und der Schaffung eines Kreditsystems, mit dem wirklich souveräne Nationen durch langfristige Investitionen in die Infrastruktur und Wissenschaft das Gemeinwohl ihrer Nationen befördern. In einem solchen neuen „Win-Win“-Paradigma der Beziehungen von Nationen hat die Geopolitik, gleich welcher Couleur, keinen Platz mehr.

efi/alh


Anmerkung

1. Lesen Sie dazu auch „Merkels Berater Heusgen – ein ,Empire-Agent’ im Kanzleramt?“, Claudio Celani, Neue Solidarität 51/2014.