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Der chinesische Ökonom Liu He ist seit Jahren ein enger Berater von Präsident Xi Jinping und gilt als geistiger Vater von Chinas Wirtschaftspolitik, u.a. auch der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI). Er war der heimliche Star beim Weltwirtschaftsforum in Davos im letzten Monat, wo er die chinesische Delegation anführte (siehe Neue Solidarität 5/2018).
Im Jahr 2013 war Liu als Vizedirektor des Entwicklungs-Forschungszentrums des Staatsrats federführend bei einer vergleichenden Studie über die Große Depression der 1930er Jahre und die Krise 2008, aus der Schlüsse für Chinas zukünftigen wirtschaftspolitischen Kurs gezogen wurden (http://journal.hep.com.cn/fec/EN/10.3868/s060-004-015-0017-0#1).
In seinem Resümee der Schlußfolgerungen aus dieser Schrift „Eine vergleichende Studie von zwei globalen Krisen“ schreibt Liu: „Seit der industriellen Revolution war die Krise der kapitalistischen Welt wiederkehrend. Im 20. Jahrhundert waren die Große Depression und die aktuelle internationale Finanzkrise die beiden verbreiteststen und verheerendsten.“
Die Studie biete drei wesentliche Schlußfolgerungen.
1. Vor der jüngsten Krise lagen Chinas ökonomische Chancen vor allem in der Ausweitung der ausländischen Märkte und im Zufluß internationalen Kapitals, und China nutzte dies, um auf einen Schlag ein globales Produktionszentrum zu werden. Seit der Krise hingegen liegen Chinas Chancen vor allem in der Förderung des Binnenmarktes, um eine globale wirtschaftliche Erholung zu bewirken, sowie in der Förderung technologischer Fusionen und Übernahmen in Entwicklungsländern.
2. Die zweite Schlußfolgerung ist der Schlüssel, um Chinas gegenwärtigen Erfolg zu verstehen: China muß eine Überschuldung der Wirtschaft verhindern und besonderen Wert darauf legen, Finanzströme zu regulieren und zu kontrollieren (Hervorhebung hinzugefügt). Finanzdienstleistungen für die Realwirtschaft müssen aufrechterhalten werden. Schuld an der globalen Finanzkrise ist die Abkehr der US-Finanzbranche von dieser grundlegenden Dienstleistungsfunktion. Dies hängt damit zusammen, daß die US-Finanzbranche keinen Wert mehr auf die nationale Industrie legte und zu stark nach Reichtum und „Innovation“ strebte.
Eine weitere Lehre ist, daß das relativ gute Abschneiden der deutschen Wirtschaft in der Krise mit der konservativen Finanztradition in Deutschland zusammenhing, wo die Finanzbranche vernünftig arbeiten kann. Die Autoren empfehlen verschiedene Maßnahmen, um das Geschäftsumfeld für die Realwirtschaft zu verbessern, die Grundlage für den Aufbau der Realwirtschaft zu stärken und die Verwendung von Kapital für Geschäfte, die nur „Geld aus Geld machen“, einzuschränken, um so übermäßige Selbstzirkulation und Inflation in der fiktiven Wirtschaft zu verhindern.
3. Angesichts einer neuen globalen Struktur in der Wirtschaftspolitik schlagen die Autoren vor, daß China eine ähnliche Rolle einnehmen sollte wie die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg, als diese ein neues internationales System als „Gläubigerstaat“ maßgeblich prägten.
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