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Letzte Woche stimmte der Deutsche Bundestag dafür, daß die Deutsche Bundesbank ihre Beteiligung am Staatsanleihen-Kaufprogramm (PSPP) der Europäischen Zentralbank fortsetzen darf. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil vom 5. Mai die Beteiligung der Bundesbank in Frage gestellt, weil das Verfahren möglicherweise „unverhältnismäßig“ sei und damit das nationale Interesse an Finanzstabilität verletze (vgl. Neue Solidarität 21/2020).
Die Karlsruher Richter sagten, die EZB-Gouverneure hätten die Nebenwirkungen des Projekts auf Banken, Sparer und andere Interessengruppen nicht ausreichend berücksichtigt. Sie setzten der EZB eine dreimonatige Frist, um die Legitimität des PSPP zu rechtfertigen, und setzten die Mitwirkung der Bundesbank bis zu einer Entscheidung darüber aus. Nach sieben Wochen übermittelte die EZB schließlich sieben Dokumente an das deutsche Finanzministerium, welches dem Bundestags-Finanzausschuß seine Interpretation der Dokumente darlegte und schriftlich feststellte, das Ministerium sei überzeugt, daß der EZB-Rat seine Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit überzeugend dargelegt habe. Die Dokumente selbst wurden dem Ausschuß jedoch vorenthalten, da sie „vertraulich“ seien.
Auf dieser zweifelhaften Grundlage stimmte der Bundestag dann der Position der EZB zu und gab damit grünes Licht für die Wiederbeteiligung der Bundesbank am PSPP. Einmal mehr stellten sich nationale Parlamentarier auf die Seite der EZB und Brüssels, ohne genau zu wissen, worüber sie abstimmten.
Dennoch ist die triumphierende Reaktion des EZB-Fanclubs verfrüht. Die Abstimmung ist ein Pyrrhussieg, wie Peter Gauweiler andeutete, der 2016 die ursprüngliche Klage vor dem Verfassungsgericht eingereicht hatte. Das Votum des Bundestages sei irrelevant, da eine Überprüfung der sieben Dokumente der EZB nicht ausreiche, um zu beurteilen, ob ihr Verhalten dem Urteil vom 5. Mai standhält. Da die sieben Dokumente nun an das Gericht weitergeleitet werden müssen, will Gauweiler einen Antrag auf Einsichtnahme stellen und hält sich damit die Möglichkeit einer neuen Klage gegen die EZB offen.
Somit bleibt die Angelegenheit auf dem Tisch, Investoren und andere Marktteilnehmer müssen berücksichtigen, daß das letzte Wort zum PSPP noch nicht gesprochen ist. Darüber hinaus ist zu erwarten, daß sich andere Kritiker der EZB-Politik Gauweilers Klage anschließen oder separate Klagen einreichen und die Bank weiter genau im Auge behalten. Zudem könnten mehrere nationale Parlamente, z.B. in Ungarn und Polen, die Kontroversen mit den europäischen Institutionen haben, ebenfalls Urteile ihrer eigenen Verfassungsgerichte gegen die EZB erwirken. Auch wenn die Technokraten in Brüssel und Frankfurt nicht gerne öffentlich darüber sprechen, stellt das Urteil vom 5. Mai das „Business as usual“ der EU ernsthaft in Frage.
eir